Vorankündigung: Rechte Diskurspiraterien

Regina Wamper / Helmut Kellershohn / Martin Dietzsch (Hg.)
Rechte Diskurspiraterien
Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen
Edition DISS Bd. 28
287 Seiten, ca. 20 EUR
Unrast-Verlag, Münster, erscheint im Herbst 2010
ISBN 978-3-89771- 757-2
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In den letzten Jahren ist ein verstärktes Bemühen auf Seiten der extremen Rechten zu beobachten, Themen, politische Strategien, Aktionsformen und ästhetische Ausdrucksmittel linker Bewegungen zu adaptieren und für ihren Kampf um die kulturelle Hegemonie zu nutzen. Dabei handelt es sich keineswegs mehr nur um ein Steckenpferd der intellektuellen Neuen Rechten, vielmehr wird dies auch von NPD und militanten Neonazis praktiziert. Im Resultat hat sich die extreme Rechte eine Bandbreite kultureller und ästhetischer Ausdrucksformen angeeignet, indem sie sich am verhassten ‚Vorbild’ der Linken abgearbeitet hat. Man könnte auch sagen: Um überzeugender zu wirken, hat sie kulturelle Praktiken und Politikformen der Linken ‚entwendet’ – allerdings nicht, ohne sie mit den eigenen Traditionen zu vermitteln.
Solche Phänomene sind keineswegs neu. Auch der Nationalsozialismus bediente sich der Codes und Ästhetiken politischer Gegner und suchte Deutungskämpfe gerade verstärkt in die Themenfelder zu tragen, die als traditionell links besetzt galten. Auch in den 1970er Jahren waren solche Strategien vorhanden. Es stellt sich die Frage, warum und in welcher Form diese Diskurspiraterien heute wieder verstärkt auftreten.
Inhalt
Helmut Kellershohn
Strategische Optionen des Jungkonservatismus
Martin Dietzsch
Strategiediskussion in der NPD
Christina Kaindl
Die extreme Rechte in der Krise
Sabine Kebir
Dekonstruktion von Wackelkandidaten und Diskurspiraten
Gramsci, Brecht und Anverwandlung linker Signifikanten durch rechte Politik
Volker Weiß
›Deutscher Sozialismus‹
Karriere eines Konzeptes von der Sozialdemokratie zu Oswald Spengler und Arthur Moeller van den Bruck
Volkmar Woelk
Tertium non datur
Anmerkungen zum Widerschein des revolutionären Nationalismus in der ›Neuen‹ Rechten
Renate Bitzan
Feminismus von rechts?
Richard Gebhardt
Völkischer Antikapitalismus
Zur Analyse und Kritik eines zentralen Strategie- und Ideologieelements des modernen Neonazismus
Fabian Virchow
Völkischer Nationalismus und Atomwaffen
Was die extreme Rechte unter einer »Politik des Friedens« versteht
Lenard Suermann
Rebel Without a Course
Der Diskurs um die »Autonomen Nationalisten«
Christoph Schulze / Regina Wamper
»Adolf H. didn’t booze or smoke«
Konsumkritik, Jugendkultur, Drogenverzicht von Rechts:
Die neonazistische Adaption von Hardcore und Straight Edge
Helmut Kellershohn
Provokationselite von rechts: Die Konservativ-subversive Aktion
Regina Wamper / Britta Michelkens
Was tun?!
Gegenstrategien zu Adaptionen von rechts
Regina Wamper / Siegfried Jäger
Überlegungen zu einem Forschungsprogramm zum Völkischen Nationalismus in Deutschland im Anschluss an die Diskussionen auf dem DISS-Colloquium 2009
Jens Zimmermann
Wissenschaftstheoretische Elemente einer Kritik an der Extremismusforschung und Kritische Diskursanalyse als alternative Perspektive für eine kritische Rechtsextremismusforschung

Neuerscheinung: Elias Grünebaum

Der erste Band der Edition Deutsch-Jüdische Autoren des 19. Jahrhunderts. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft ist erschienen:

Elias Grünebaum: Die Sittenlehre des Judenthums anderen Bekenntnissen gegenüber: Nebst dem geschichtlichen Nachweise über die Entstehung und Bedeutung des Pharisaismus … Edition der Ausgaben von 1867 und 1878. Herausgegeben von Carsten Wilke. Köln : Böhlau 2010, 336 Seiten, 39,90 €. 

Links zum Verlag: 

http://www.boehlau.at/978-3-412-20316-0.html

http://www.boehlau.at/download/161734/978-3-412-20316-0_WB.pdf 

Die christliche Tradition hat unter dem Begriff der Pharisäer ein Bild des Judentums geschaffen, das für Heuchelei, Selbstgerechtigkeit, Kleinlichkeit und für sinnlose Strenge steht. Weil Jesus gegen den Einfluss der Pharisäer das eigentliche Judentum habe bewahren wollen, sei – so die Darstellung im Neuen Testament – das Christentum entstanden.

Die Karikatur der Pharisäer hat erheblich zur christlichen Mentalität des Übertrumpfens beigetragen und auch die judenfeindliche Legendenbildung beflügelt. Das Zerrbild der Pharisäer stellt aber nicht nur die Wirklichkeit auf den Kopf, sondern trifft den Stifter der christlichen Religion selbst, denn er gehörte zu den Pharisäern.

Der Landauer Rabbiner Elias Grünebaum unternahm 1867 die Aufgabe (wie mit ihm der Frankfurter Rabbiner Abraham Geiger), die Leistung der Pharisäer im Rahmen der jüdischen Geschichte darzustellen und die Wurzeln der jesuanischen Ethik „im ächten Pharisaismus“ aufzuzeigen. Auf diese Weise stellte Grünebaum die „Sittenlehre des Judenthums“ neben die christliche Identität und begründete so „den gleichberechtigten Anteil beider Religionen an den Werten Europas“ (Carsten Wilke).

Als im Kaiserreich die judenfeindliche Agitation aufflammte, brachte Grünebaum seine »Sittenlehre« stark erweitert noch einmal heraus. Mit der vorliegenden Neuausgabe ist es dem Herausgeber gelungen, beide Ausgaben in einer leserfreundlichen, synoptischen Form zu vereinigen. Damit dokumentiert das Werk zugleich „jene Dekade, in der christliche Talmudfeinde der Rassenideologie den Boden bereiteten“ (Carsten Wilke).

Die Edition basiert auf der interdisziplinären Kooperation zwischen dem Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung.