- Kurzreferat von Dr. Jobst Paul
- aus Anlass der Präsentation der Edition „Deutsch-jüdische Autoren im 19. Jahrhundert. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft“ – 21. Februar 2011 in der „Alten Synagoge“, Haus Jüdischer Kultur, Essen
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Ein so vielschichtiges Projekt wie jenes, das wir Ihnen heute vorstellen, hat seine Vorgeschichte – und es eröffnet neue Einsichten, die unversehens auch den Blick auf die Gegenwart und die Zukunft verändern.
Für mich beginnt das Projekt mit einem schmalen Bändchen aus dem Jahr 1965, des Literaturkritikers, Übersetzers und Herausgebers Walther Boehlich – mit dem Titel: Der Berliner Antisemitismusstreit. Das Bändchen dokumentiert einen Teil der publizistischen Reaktionen im Anschluss an den skandalösen Artikel des Historikers Heinrich von Treitschke Unsere Aussichten (1879), in dem dieser der Gleichberechtigung der deutschen Juden den Kampf ansagt.
Boehlich öffnete in dieser knappen Textsammlung allerdings auch eine Tür hinaus, weg von der nur peinlichen Selbstinszenierung Treitschkes und seiner Unterstützer: Er druckte Texte, die empörten Antworten, jüdischer Kollegen Treitschkes ab, wie die des Historikers Heinrich Bresslau, eines Nationalliberalen wie Treitschke, dem allerdings, weil er Jude war, eine ordentliche Professur versperrt war und der – durch seine entschiedene Entgegnung – alle weiteren Chancen preisgab.
Bresslaus Entgegnung enthält aber nicht nur eine treffende, entlarvende Analyse. Sie vermittelt auch – bei aller Empörung – unausgesprochen, aber eben doch ganz präsent, das historische Wissen um Jahrzehnte zuvor, in denen dergleichen Auseinandersetzungen an der Tagesordnung waren.
Folgt man dann tatsächlich dem wissenschaftlichen Impuls, die Perspektive zu weiten, letztlich auf den gesamten Zeitraum seit Moses Mendelssohn bis in die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, so entdeckt man – wie bei der Entwicklung eines Fotos – zuerst langsam und in Umrissen, dann immer detaillierter eine Landkarte einer kontinuierlichen, breit und engagiert geführten publizistischen Auseinandersetzung, „21.2.2011 – Kurzreferat von Dr. Jobst Paul“ weiterlesen