Von der freiwilligen Unterwerfung

„Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“

Eine Rezension von Regina Wamper

Wie ein Krimi liest sich das neue Buch von Andrea Röpke und Andreas Speit. Verständlich und spannend geschrieben vermitteln die AutorInnen ein vielschichtiges Bild von Frauen in der männerdominierten Neonaziszene. Diese treten seit einigen Jahren selbstbewusster auf, präsentieren ihre Ideen in der Öffentlichkeit und spielen eine wichtige Rolle bei der kommunalen Verankerung extrem rechter Strukturen.

Das Buch behandelt Frauen in der NPD als Akteurinnen im Wahlkampf, die Neonaziorganisationen „Ring Nationaler Frauen“ und die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ sowie die Rolle von Frauen in freien Kameradschaften und bei sogenannten Autonomen NationalistInnen. Auch das Wirken von Einzelakteurinnen innerhalb brauner Netzwerke wird dargestellt, so beispielsweise die Aktivitäten der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.

Cover: Röpke/Speit: Mädelsache!Ein Kapitel widmet sich zudem heidnisch-völkischen Siedlungsprojekten und zeigt zugleich die Schwerpunktsetzung von Frauen in der Neonaziszene auf, Brauchtumspflege und Kindererziehung.

Röpke und Speit nähern sich ihrem Untersuchungsgegenstand sensibel. Sie betonen, dass extrem rechte Frauen und Mädchen sowohl radikal und aggressiv auftreten, nicht minder nazistische Positionen vermitteln als ihre männlichen Gesinnungsgenossen, jedoch „vor Ort, in Stadtteilen oder Gemeinden“ auch diejenigen sind, „die freundlich und nett das Gespräch mit Nachbarn und Vereinsmitgliedern suchen, über Kürzungen im sozialen Bereich, Streichungen bei den kommunalen Angeboten oder Einschränkungen im privaten Umfeld reden wollen“ (S. 8). Hier wird der sanfte Weg gewählt.

Neben dem Werben für Mutterschaft, Brauchtum und völkischer Tradition ist ein weiteres inhaltliches Feld das der sexualisierten Gewalt gegen Kinder, welches Neonazistinnen für eine Kampagne zur Wiedereinführung der Todesstrafe instrumentalisieren.

Bei ihren „Kameraden“ lösen sie mit selbstbewusstem Auftreten in den seltensten Fällen Wohlgefallen aus. Zwar werden Frauen gerne zum Zwecke des Wahlkampfes von Männern „eingesetzt“, die versprochenen Posten erhalten sie jedoch nur in Ausnahmen. Zwar weiß man inzwischen um die Wirkung, die Frauen bei der Vermittlung politischer Inhalte erzielen, doch werden männliche Privilegien gegen Frauen innerhalb der szeneinternen patriarchalen Hierarchie strikt verteidigt.

In der Öffentlichkeit löst das Wirken von Neonazistinnen im sogenannten vorpolitischen Raum immer wieder Verwunderung aus. Auch hier bestimmen nicht weniger sexistische Klischees die Wahrnehmung. Frauen fallen nicht auf, ihnen werden keine aktiven Rollen zugeschrieben. Dies lässt ihnen dann auch den Freiraum, von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeobachtet agieren zu können. Umso wichtiger ist dieses Buch, das mit Hilfe von Gesprächen mit Aussteigerinnen und hervorragender Recherche die aktive Rolle von Frauen im Neonazismus aufzeigt und Handlungsmöglichkeiten gegen die völkische „Graswurzelarbeit“ (S. 21) diskutiert.

Keinen Zweifel lassen die AutorInnen daran, dass es sich bei Aufstreben von Neonazistinnen nicht um antipatriarchale Akte handelt oder gar Positivbezüge auf Feminismen gezogen werden. Feminismus gilt rechten Frauen (wie Männern) nach wie vor als zersetzendes Prinzip. Vielmehr handelt es sich hier um einen offensiven Kampf für die Rückkehr von Frauen ins Private, in Familie und Mutterschaft. Binäre Geschlechterordnungen werden ebenso verteidigt wie Heterosexismus und männliche Dominanz, so widersprüchlich das aktive Eintreten für die eigene Unterwerfung auch sein mag.

 

Andrea Röpke / Andreas Speit: Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene, Ch. Links Verlag, Berlin, 2011, 237 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-86153-615-4

 

Dem Leben dienen?

Anmerkungen zum »Staatspolitischen Handbuch« des »Instituts für Staatspolitik«

Autor: Helmut Kellershohn

Nach dem im November 2009 veröffentlichten ersten Band »Leitbegriffe« der dreiteiligen Reihe »Staatspolitisches Handbuch« erschien nun das Folgewerk. Die Herausgeber präsentieren sich damit als Gralshüter eines »wahren« Konservatismus.

Das »Staatspolitische Handbuch« des »neu-rechten« »Instituts für Staatspolitik« (IfS) befasst sich in dem im Februar 2011 veröffentlichten zweiten Teil mit den Schlüsselwerken konservativer Weltanschauung und handelt auf etwa 250 Seiten 164 Werke von 133 Autoren ab, von Solons Eunomia-Gedicht bis hin zu – man höre und staune – Sarrazins Pamphlet über die angebliche Selbstabschaffung Deutschlands, dem die Herausgeber offensichtlich den Status eines konservativen Meisterwerks zuweisen. Dabei behauptet doch Sarrazin von sich im Brustton der Überzeugung, altgedienter Sozialdemokrat zu sein. Nun, auf das Problem der Auswahl wird noch zu kommen sein. Zunächst jedoch einige Anmerkungen zum Anspruch, den die Herausgeber im Vorwort dem Leser gegenüber erheben.

Anspruch

Zu den rhetorischen Mitteln, derer zu bedienen die Herausgeber sich nicht schämen, gehört die ins Grandiose gesteigerte Selbsteinschätzung ihres Handbuchs, die von vornherein demjenigen imponieren will, der sich derart geschmeichelt fühlt zum Kreis der Eingeweihten zu gehören, dass er sich das zu Herzen nimmt, was hier vermittelt werden soll. Das politische Denken der anderen Unglückseligen unterliege, so Weißmann & Co., seit den 1960er Jahren einer unglaublichen »Verwahrlosung«, „Dem Leben dienen?“ weiterlesen

Pro-Bewegung: Die Reise nach Absurdistan – Teil III

Nach dem Scheitern des „Anti-Islam-Kongresses“ 2008 und des „2. Anti-Islam-Kongresses“ 2009 geriet auch der von der Pro-Bewegung organisierte „Marsch für die Freiheit“ am 7.5.2011 in Köln zu einer Farce. Realitätsfern spricht die rassistische Pro-Bewegung von einem „Erfolg“ und feiert sich selbst.

Autor: Michael Lausberg
Bereits im Vorfeld der Kundgebung wurde mit selbstgerechtem Pathos eine „internationale Großdemonstration für die Freiheit“ angekündigt: Auf einem eigens  eingerichteten Blog hieß es:

„In Köln, der Geburtsstadt der Pro-Bewegung, wird am 7. Mai mit diesem Demonstrationszug ein starkes Zeichen für mehr Demokratie gesetzt werden. Wir haben es einfach satt, dass uns tagtäglich von den Blockwarten der Political Correctness vorgeschrieben wird, was man sagen darf und was nicht. Zur Demokratie gehört das auch für Freiheitliche, Patrioten und Islamkritiker das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Dieses demokratische Grundrecht werden wir am 7. Mai mit Freunden aus der ganzen Welt wahrnehmen!“ ((http://marschfreiheit.wordpress.com/marsch-fuer-die-freiheit/))

Wir stellen uns quer - Kein Rassismus bei uns in Köln

Die Pro-Bewegung sei das Opfer einer „bizarren Koalition aus Altparteien, Gewerkschaften in trauter Eintracht mit offen verfassungsfeindlichen und latent gewaltbereiten linksextremistischen Gruppierungen“, die „Rechtsdemokraten“ in „schlimmster nationalsozialistischer Tradition elementare Grundrechte verweigern“ würden. Dieses Argumentationsmuster ist Teil der Strategie der Pro-Bewegung. Sie behauptet, sie werde  in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt und von demokratischen Entscheidungsprozessen ausgegrenzt . Dabei inszeniert sie sich als Opfer der Medien, demokratischer Parteien und antifaschistischer Initiativen. Ihre politischen Gegner werden durch die Formel „Blockwarte der Political Correctness“ als Nazis und Zensoren diffamiert.

Die Pro-Bewegung sprach im Vorfeld von mindestens 2.000  erwarteten Teilnehmern am „Marsch für die Freiheit“. ((http://marschfreiheit.wordpress.com/marsch-fuer-die-freiheit/)) Markus Beisicht tönte:

„Noch nie ist so erfolgreich für eine öffentlichkeitswirksame Veranstaltung der PRO-BEWEGUNG mobilisiert worden wie jetzt. „Pro-Bewegung: Die Reise nach Absurdistan – Teil III“ weiterlesen

Veranstaltungshinweis: Wissenschaftsmesse

Unter dem Motto „Wissenswelten – regional verankert – global vernetzt“ findet 15. Juli 2011 die erste internationale Wissenschaftsmesse des Wissenschaftsforums Ruhr statt. Dort werden sich mehr als 40 Forschungsinstitute aus der Region präsentieren, unter anderem auch das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS).

Termin:
Freitag, 15. Juli 2011, 14.30 Uhr bis Mitternacht, in der Dortmunder DASA Arbeitswelt Ausstellung

Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des Wissenschaftsforums Ruhr und im Programmflyer (PDF-Datei).