Vortrag über „Casa Pound“ am 9.4. im DISS

Diskussion / Vortrag
09.04.2013 | 19:00 Uhr
Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, Duisburg
Mit Saverio Ferrari, Osservatorio Democratico, Mailand

«Casa Pound»: Italiens «Faschisten des 3. Jahrtausends»
Saverio Ferrari von dem antifaschistischen Dokumentationszentrum «Osservatorio Democratico» in Mailand berichtet über die rechte Sozialbewegung in Italien.

Ausgehend von einem Kulturzentrum in Rom, benannt nach dem US-Poeten und Mussolini-Unterstützer Ezra Pound, hat eine nationalrevolutionäre, soziale Bewegung namens «Casa Pound» in den zurückliegenden 10 Jahren einen ebenso bemerkenswerten wie beängstigenden Aufstieg erlebt. Ihre ProtagonistInnen bezeichnen sich selbst als «I fascisti del terzo millenio», als Faschisten des 3. Jahrtausends.

«Casa Pound» nach  betätigt sich außerordentlich stark in jugendkulturellen Bereichen, agitiert und organisiert junge Erwachsene und sieht sich als non-konforme Avantgarde einer neofaschistischen kulturellen Revolution.

Ihre AktivistInnen besetzen Häuser für rechte Sozialzentren und organisieren Müttervereinigungen, karitative Sammlungen für Obdachlose und Waisenhäuser, sowie humanitäre Hilfe für Erdbebenopfer in Italien und NGOs im Ausland. Sie protestieren für Sozialtickets, gegen Entlassungen und Steuererhöhungen und agitieren äußerst aggressiv gegen Kapitalismus und Neoliberalismus und für ihren Entwurf eines starken autarken «Sozialstaats des 3. Weges», fernab von Kapitalismus und Kommunismus. Dafür bedarf es ihrer Meinung nach einer italienischen und europäischen Identität, die sich nur ohne Immigration gewährleisten ließe.

Um mehr über diese Bewegung im Kaleidoskop der italienischen Rechten und ihre Wirkmächtigkeit in der italienischen Gesellschaft zu erfahren, laden wir zum Vortrag von Saverio Ferrari vom Osservatorio Democratico, einem antifaschistischen Dokumentationszentrum in Mailand ein.

Weitere Veranstaltungen:

Berlin, 11. April 2013, 19 Uhr
Leipzig, 13. April 2013, 19 Uhr

Eine Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung, in Kooperation mit DISS, linXXnet Leipzig, Azzoncao

Den Flyer zur Veranstaltung gibt es hier: Casa-Pound-Vortragsveranstaltung

Im Volltext: Der völkische Nationalismus der NPD

In der DISS Online-Bibliothek veröffentlichen wir den Aufsatz

Der völkische Nationalismus der NPD

aus der Neuerscheinung

Die ‘Deutsche Stimme’ der ‘Jungen Freiheit’
Lesarten des völkischen Nationalismus in zentralen Publikationen der extremen Rechten
Edition DISS Bd. 23, Februar 2013, ISBN 978-3-89771-752-7, UNRAST Verlag, Münster, 329 Seiten, 28 EUR

 

Helmut Kellershohn analysiert darin die Kernideologeme der aktuellen NPD-Programmatik, wobei die Programme von 1996 und 2010 im Mittelpunkt stehen, zudem einige weitere offiziöse Dokumente.

Der Autor kommt als Ergebnis seiner Analyse u.a. zu der Einschätzung:

[…] Man kann das Programm von 2010 als eine Erweiterung, Vertiefung und Zuspitzung des Programms 1997 betrachte. Erweiterung insofern, als neue Politikbereiche (wie z.B. Gesundheits- und Rentenpolitik), neue thematische Schwerpunkte der politischen Debatte in den letzten Jahren (z.B. Islamisierung) sowie neue Begriffe (z.B. Schuldkult) einbezogen werden; Vertiefung insofern, als der Bereich der Wirtschaft sehr viel intensiver bearbeitet wird; und Zuspitzung insofern, als die NS-Bezüge stärker in den Vordergrund gestellt werden. […]

Gleichwohl halten wir eine eindeutige Charakterisierung der NPD-Programmatik – einschließlich des neuen Programms – als (neo-)nationalsozialistisch für unzureichend. Die nationalsozialistische Lesart des völkischen Nationalismus ist zwar zweifellos dominant, eine eindeutige Zuordnung verkennt aber, unabhängig davon, ob es sich um taktisch motivierte Zugeständnisse respektive Anleihen handelt oder nicht, dass es Berührungspunkte sowohl mit der nationalrevolutionären Neuen Rechten als auch mit der jungkonservativen Neuen Rechten gibt. Das erstere versteht sich insofern, als die Erneuerung bzw. Radikalisierung der NPD in den 90er Jahren gerade über das Eindringen nationalrevolutionärer Impulse in die Programmatik erfolgte. […]

Insofern verleitet die Charakterisierung der NPD-Programmatik als nationalsozialistisch dazu, der NPD eine ideologische Randständigkeit zuzuweisen, die keineswegs der ideologischen Beweglichkeit Rechnung trägt, um die sich die NPD durchaus bemüht. Letztes Beispiel: Die NPD übernimmt in ihrem Programm von 2010 den Begriff des „Vorbürgerkriegs“ aus dem jungkonservativen Institut für Staatspolitik. Geprägt wurde er 2007 von Götz Kubitschek, um eine Situation zu charakterisieren, in der die „Bruchlinien“ (Kubitschek 2007, 11) einer multikulturellen Gesellschaft noch nicht offen zu Tage getreten sind: „Wem sein Vaterland lieb ist, muß den Vorbürgerkrieg gewinnen, bevor er unbeherrschbar wird. […] dieser Krieg [ist] neben dem handfesten, den die Polizei und jeder Angegriffene auf der Straße und in seinem Viertel auszufechten hat, vor allem ein geistiger Bürgerkrieg gegen die Lobbyisten der Zersetzung […].“ (Ebd, 17)

Das klingt wie ein Bündnisangebot an die Freien Kameradschaften und Autonomen Nationalisten in ihrem „Kampf um die Straße“ und wird im NPD-Parteiprogramm von 2010 dankbar aufgegriffen: „Deutschland befindet sich schon längst im Zustand eines Vorbürgerkriegs, der den Deutschen durch die Einführung einer ‚multikulturellen’ Gesellschaft aufgezwungen wurde. Deshalb wird Deutschland nicht in aller Welt, sondern in seinen Großstädten verteidigt.“

 

Den vollständigen Text des Buchbeitrags finden Sie hier: DISS Online-Bibliothek – Der völkische Nationalismus der NPD

Dieser Text macht Sie, liebe Leserin, lieber Leser, hoffentlich neugierig auf das komplette Buch. Sie können es in jeder guten Buchhandlung bestellen oder direkt beziehen über den Unrast-Verlag: Die ‘Deutsche Stimme’ der ‘Jungen Freiheit’

Netzfundstück: Werkzeug der Veränderung

Auf der Rezensionsplattform kritisch-lesen.de erschien eine Besprechung der neuen, vollkommen überarbeiteten Auflage von Siegfried Jägers Einführung in die Kritische Diskursalalyse. Der Rezensent Sebastian Friedrich vergleicht die alte und die neue Fassung des Buches.

Die maßgeblichste Überarbeitung liegt aber darin, dass die KDA erweitert wird zu einer Dispositivanalyse. […] Die Erweiterung von der Diskurs- zur Dispositivanalyse ist in Jägers Theorie weniger eine fundamentale Neuerung als vielmehr logische Konsequenz eines Diskursbegriffs, der Wissen ins Zentrum rückt. Um es noch einmal in anderen Worten deutlich zu machen: Nach Jäger üben Diskurse Macht aus, da sie Wissen transportieren. Das Wissen wiederum ist es, das die Grundlage für Handeln und die Deutung von Wirklichkeit darstellt. „Ein Dispositiv stellt in Anlehnung an diese Annahmen einen prozessierenden Zusammenhang von Wissen dar, der sich in Sprechen/Denken – Tun – und Gegenständlichkeiten materialisiert.“ (S. 73) Doch ein Dispositiv ist keinesfalls nur der Zusammenhang von Denken/Sprechen, Handeln und Materialisierung/Vergegenständlichung, sondern es ist gekennzeichnet durch einen Notstand, auf den das Dispositiv reagiert. Die Bestimmung und Analyse des Notstands ist notwendiger Bestandteil einer Dispositivanalyse, der bei der momentan recht beliebten Verwendung des Begriffs manchmal außer Acht zu geraten scheint. Nicht so bei Jäger: Folgerichtig geht es in der Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse nicht nur darum, den prozessierenden Zusammenhang zwischen Sprechen, Handeln und Vergegenständlichung zu analysieren, sondern auch darum, „den Notstand zu bestimmen, auf den das Dispositiv reagiert“ (S. 74).

Das abschließende Fazit des Rezensenten lautet:

Nicht nur im Elfenbeinturm der Akademie zu verharren, sondern in aktuelle Verhältnisse zu intervenieren, ist daher der entscheidende Vorzug dieses Ansatzes. Entsprechend ist auch die Arbeit des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), das sich seit mehr als 25 Jahren einmischt, wenn es um Rassismus, die extreme Rechte, Biopolitik, Geschlechterverhältnisse, soziale Ausgrenzung und Krieg geht. Zum DISS gehört auch ein umfangreiches Archiv extrem rechter Publizistik, dessen Existenz gerade auch in Zeiten mordender Neonazis und der „Metapolitik“ extrem rechter Intellektueller notwendiger denn je erscheint.

Den vollständigen Text der Rezension lesen Sie hier: kritisch lesen 27 – Werkzeug der Veränderung