Netzfundstücke: Nur die Guten dürfen rein

DISS-Mitarbeiter Sebastian Friedrich veröffentlichte zusammen mit Marika Pierdicca den Beitrag „Migration und Verwertung. Rassismus als Instrument zur Segmentierung des Arbeitsmarktes“ in dem im Papyrossa-Verlag erschienenen Sammelband Migration und Arbeit in Europa (herausgegeben von Hartmut Tölle und Patrick Schreiner).

In der Tageszeitung junge Welt erschien dieser Text am 6.2.2014 leicht gekürzt als Vorabdruck.

Um die »differentielle Inklusion« von (Post-)Migranten am Arbeitsmarkt zu verstehen, muß der Blick von der hegemonialen Geschichtsschreibung hin zu der Perspektive der Migra­tionskämpfe gewendet werden. Aus diesem Blickwinkel stellt die Anwerbung der Gastarbeiter keineswegs eine Erfindung des Staates dar. Vielmehr sind Anwerbeabkommen als eine Reaktion auf Kämpfe zu verstehen, die bedeutende soziale und politische Veränderungen erbrachten: Die Ethnologin Manuela Bojadžijev schrieb 2006 in einem Aufsatz: »Die Kämpfe der Migration der 1960er und 1970er Jahre lassen sich in drei große Felder unterteilen. Eine massive soziale und politische Transformation war das Ergebnis: Die Praktiken der Einwanderung müssen selbst als soziale Bewegung interpretiert werden, insofern sie eine Autonomie gegenüber den staatlichen Migrationspolitiken entfaltet haben. Die Beteiligung der Migranten an den Arbeitskämpfen hat grundlegend zur Krise der fordistischen Gesellschaftsform beigetragen und öffnete die enge Perspektive der Betriebskämpfe hin zu sämtlichen Lebensverhältnissen der Migration, hin zu Alltag und Reproduktion, zu Sprache und Kultur und nicht zuletzt hin zu den Wohnverhältnissen, die neben den Bedingungen in der Fabrik den entscheidenden Grund migrantischer Kämpfe bildeten.«

Vor diesem Hintergrund wandelten sich die institutionellen Formen und die soziale Praxis des Rassismus immer wieder zu dem Zweck, die für den Kapitalismus notwendigen Klassenungleichheiten zu bewahren. Dabei wird die Herausbildung von Differenzen und Hierarchien zentral, die jeder Person einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuweisen.

Lesen Sie den vollständigen Vorabdruck in der Tageszeitung junge Welt: Nur die Guten dürfen rein

Netzfundstücke: Rechtspopulismus

In der Ausgabe 6/2014 der Wochenzeitung jungle world erschien ein Interview mit Sebastian Reinfeld über sein in der Edition DISS im Unrast-Verlag erschienenes Buch:

„Wir für Euch“
Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise
Edition DISS Band 33, Dezember 2013, 144 Seiten, 16 EUR, ISBN 978-3-89771-762-6

Rechter Populismus ist eine politische Technologie, eine Mechanik, wie man in und mit den politischen Systemen kommuniziert und diese im Laufe der Zeit verändert. Und diese Diskursmaschinen sind Open Source, sie werden also nicht nur von den entsprechenden Parteien in Anschlag gebracht. Wenn der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beispielsweise die Parole »Wer betrügt, der fliegt« ausgibt und damit offenbar auf Sinti und Roma zielt, die aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland kommen könnten, dann wird die Allgemeinheit dieser Technologie doch offensichtlich. Er markiert eine Fremdgruppe und zielt zugleich auf »die da oben«, die Politiker in Brüssel, die durch die allgemeine Freizügigkeit »unserer« Nation schaden würden. Und das alles in einem einzigen diskursiven Schachzug, der seitdem tagein, tagaus diskutiert und damit verbreitet wird. Rechtspopulismus läuft darauf hinaus, in Abgrenzungen, durch diskursive Ein- und Ausschlüsse, ein »Wir« zu bilden und anzurufen. […]

 

[…] Ein anderes Beispiel: Hans-Olaf Henkel, der als Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Industrie einer der mächtigsten deutschen Wirtschaftsführer war, hat nun offiziell bekanntgegeben, dass er die AfD unterstützt und dem deutschen rechtspopulistischen Eliteprojekt beitritt, das ebenso aus dem dominanten konservativ-liberalen Zusammenhang in Deutschland herausfällt. Dieser bricht auseinander in der europäischen Krisenpolitik, aber die ihm Zugehörigen treffen sich wieder in der Betonung des Nationalen. Dennoch ist Angela Merkels »Wir« der deutschen Dominanz in Europa ein Wir, das im täglichen Wettbewerb steht und dort bestehen muss, wohingegen das rechtspopulistische »Wir« ein Wir einer angeblich gegebenen biologischen, mentalen oder kulturellen Stärke ist, was Henkel auch ausdrücklich so formuliert hat. Beide »Wirs« rufen die Menschen unterschiedlich an und wirken demnach auf andere Weise. Die Herrschenden sprechen eben nicht mit einer Stimme, sie sind gespalten und vielstimmig, deshalb sind sie wirkungsmächtig, denn wir haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, rechtspopulistische Parteien in sämtlichen europäischen Parlamenten. In acht Fällen sind oder waren sie, direkt oder indirekt, sogar an Regierungen beteiligt. Dieser institutionelle Einfluss verändert die Gesellschaften Europas.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: »Die Herrschenden sprechen nicht mit einer Stimme«