Netzfundstücke: Brandgefährliche Stimmungsmache

DISS-Mitarbeiter Sebastian Friedrich veröffentlichte in der Tageszeitung Neues Deutschland am 9.10.2014 die Kolumne „Brandgefährliche Stimmungsmache“. Darin heißt es u.a.:

Angesichts vermehrter Proteste gegen Flüchtlingsheime fühlen sich manche an die frühen 90er Jahre erinnert. Es war die Zeit rassistischer Pogrome und Morde. Es war die Zeit, als das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl im hohen Maße eingeschränkt wurde. Und es war die Zeit, in der auch die Medien eine unrühmliche Rolle spielten. […]

Und heute? Rechtskonservative Stimmenjäger aus neuen und alten Parteien zeichnen wieder ein Schreckensbild, wenn es um Flüchtlinge geht, und aktivieren so den gesamtgesellschaftlich verankerten Rassismus. Dennoch: Insgesamt scheint der Diskurs auf den ersten Blick geöffneter und pluraler als vor zwanzig Jahren. Weite Teile der Politik betonen die Verantwortung Deutschlands für Menschen in Not. Immerhin eine knappe Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik spricht sich laut Infratest Dimap dafür aus, mehr Schutzsuchende aufzunehmen. […]

Auf den zweiten Blick allerdings fällt eine bedeutende Gemeinsamkeit auf. Damals wie heute wird trennscharf unterschieden zwischen berechtigter und nicht berechtigter Flucht. Nur sprachlich gibt es eine Verschiebung: Während Anfang der 90er Jahre sortiert wurde zwischen »Flüchtlingen«, die vor Krieg und Vertreibung flüchteten, und »Asylanten«, die lediglich aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kämen, verläuft die Grenze gegenwärtig entlang der Gegenüberstellung politischer Flüchtling versus »Armutsflüchtling«. In der vorgenommenen Trennung zwischen denen, die Hilfe brauchen, und denjenigen, die angeblich Hilfsbereitschaft ausnutzen, sind sich weite Teile der Mainstream-Medien und Politik einig.

Das wurde insbesondere deutlich, als der Bundesrat am 18. September Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärte. Es herrschte weitgehend Konsens darüber, dass die meisten der bisherigen Antragsteller aus den Balkanstaaten sowieso keine richtigen Flüchtlinge seien. Dass etwas an der Asylgesetzgebung nicht stimmen kann, wenn Menschen, die in den Herkunftsländern systematisch diskriminiert werden, hierzulande dennoch kein Asyl erhalten, war indes kaum zu hören. Vielmehr wurden verschiedene Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt. […]

Der vollständige Artikel ist auf der Website des Neuen Deutschland leider nur für Inhaber eines Online-Abos lesbar. Auf dem Blog annotazioni erschien dankenswerterweise ein genehmigter Nachdruck: Brandgefährliche Stimmungsmache

DISS Jahrescolloquium zum Thema NSU

Die Gesellschaft für Politische Bildung e.V. veranstaltet in Kooperation mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung e.V. (DISS) vom 14.11. – 16.11.2014 in der Akademie Frankenwarte in Würzburg ein Seminar zum Thema:

Der NSU im gesellschaftlichen Kontext: Hintergründe, Reaktionen und Konsequenzen

Als im November 2011 bekannt wurde, dass eine neonazistische Gruppe unter dem Namen National-sozialistischer Untergrund (NSU) neun Menschen aus rassistischen Gründen und eine Polizistin ermordet hatte, werteten die Ermittlungsbehörden diese Morde allesamt als Taten im Bereich der Organisierten Kriminalität im „migrantischen Milieu“. In keinem der Fälle wurde ernsthaft in Richtung rassistischer Motive ermittelt. Wie konnte das geschehen? Und: Welche Lehren sind bislang aus diesen „Fehlwahrnehmungen“ gezogen worden?

Folgende Vorträge sind geplant:

  • Der gesellschaftliche Umgang mit der extremen Rechten in Deutschland
    Sebastian Friedrich, Regina Wamper, Jens Zimmermann
  • Rechtsextremismus/terrorismus in Deutschland
    Eike Sanders, Berlin
  • Kontinuitäten und Brüche im Einwanderungsdiskurs
    Margarete Jäger, Duisburg
  • Veränderung des Rassismus ab 2000 und die Reaktionen des militanten Rassismus
    Juliane Karakayalý, Berlin
  • Juristische Auseinandersetzung mit dem NSU. Prozess, Untersuchungs-ausschüsse, staatliche Reaktionen
    Friedrich Burschel
  • Die Sicht der extremen Rechten auf den NSU
    Felix Hansen
  • Die Rolle der Medien während der Aufarbeitung zum NSU
    Derya Gür-Seker
  • Auseinandersetzung mit Rassismus nach und im Zusammenhang mit dem NSU
    Vassilis S. Tsianos
  • Perspektiven für die kritische Forschung und Praxis Diskussion zu den Schlussfolgerungen für eine Rechtsextremismus- und Rassismusforschung sowie eine antifaschistische und antirassistische Praxis
    Podiumsdiskussion und Impulsreferate Friedrich Buschel, Eike Sanders, Vassilis S. Tsianos, Koray Yýlmaz-Günay

Programm (PDF)
Anmeldung (via Akademie Frankenwarte)