Veranstaltungsreihe in Hamm, 18.10. bis 13.12.2017

Mit einem neuen Format – den „WERKSTADT-Gesprächen“ – lädt die „WERKSTADT für Demokratie und Toleranz“ in Hamm zu acht Vorträgen und Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus dem „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS) ein. Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus, aber auch die AfD, Hate Speech in den sozialen Medien oder die aktuellen Debatten um Flucht und Asyl stehen dabei im Mittelpunkt.

„Die Idee der Veranstaltungsreihe ist, mit renommierten Fachleuten über Ausformungen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) ins Gespräch zu kommen und deren Bedeutung für das Geschehen in Hamm herauszuarbeiten“, erläutert Benjamin Kerst von der WEKRSTADT für Demokratie und Toleranz. Zu Beginn gibt es immer einen Impuls-Vortrag. Die Kölner Silvester-Ereignisse und ihre politischen Folgen kommen ebenso auf die Tagesordnung wie die unzulässig vereinfachende Gleichsetzung von „ganz rechts“ und „ganz links“ in bestimmten politischen Debatten. Benjamin Kerst, von der WERKSTADT für Demokratie und Toleranz ist froh, „das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung als hochkarätige Kooperationspartnerin gewonnen zu haben“.

„Wir möchten auf diese Weise über Themen informieren, die Bedeutung für das Hammer ‚Handlungskonzept gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ haben“, ist auch WERKSTADT-Mitarbeiterin Christina Vetter überzeugt, dass die Veranstaltungsreihe eine gute Mischung aus Information und Diskussion bietet. „Uns ist es wichtig, miteinander über die ganze Bandbreite von GMF und die Möglichkeiten, dem etwas entgegen zu halten, ins Gespräch zu kommen“, sind sich Vetter und Kerst, die die Veranstaltungsreihe entwickelt haben, einig.

Auftakt ist am Mittwoch, 18. Oktober 2017, um 18.30 Uhr mit einem WERKSTADT-Gespräch mit Isolde Aigner über „Die ‚Wahrheit‘ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln.“ Mit Ausnahme des 1. Novembers wird dann bis zum 13. Dezember jeden Mittwoch von 18.30 bis 20.30 Uhr ein WERKSTADT-Gespräch stattfinden. Die ersten sechs Termine finden in der Evangelischen Jugendkirche Hamm (Oktober und November) statt, die Termine im Dezember im Helios-Theater Hamm.

 

 

Überblick über die Veranstaltungstermine

Die „Wahrheit“ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln

Vortrag und Diskussion mit Isolde Aigner

Mittwoch den 18. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung. Die Debatte um Flucht und Asyl 2015/2016 in deutschen Leitmedien

Vortrag und Diskussion mit Dr. Margret Jäger

Mittwoch den 25. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Trauer oder Heldenkult? Kriegsdenkmäler. Unreflektierte Traditionspflege und rechte Vereinnahmungsversuche

Vortrag und Diskussion mit Martin Dietzsch

Mittwoch den 08. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Das rechte Geschlecht. Geschlechterbilder im Rechtsextremismus

Vortrag und Diskussion mit Dr. Regina Wamper

Mittwoch den 15. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

„Volksverräter“! Sprache und Ausgrenzung. Strategien gegen Herabsetzung

Vortrag und Diskussion mit Dr. Jobst Paul

Mittwoch den 22. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Feindschaft gegen Sinti und Roma in Deutschland. Am Beispiel aktueller Medienberichte

Vortrag und Diskussion mit Zakaria Rahmani

Mittwoch den 29. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Die Neue Rechte und die AfD. Geistiger Bürgerkrieg
Vortrag und Diskussion mit Helmut Kellershohn

Mittwoch den 06. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Rechts gleich links? Geschichte und Effekte eines problematischen Vergleichs

Vortrag und Diskussion mit Jens Zimmermann

Mittwoch den 13. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Quelle: Kirchenkreis Hamm

DISS-Neuerscheinung: Autoritäre Zuspitzung

Ab sofort lieferbar:

Jobst Paul, Regina Wamper, Isolde Aigner (Hg.)
Autoritäre Zuspitzung
Rechtsruck in Europa

220 Seiten, 24 EUR,
ISBN 978-3-89771-769-5,
Edition DISS Band 40,
Unrast-Verlag, Münster

 

 

 

 

 

Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas haben extrem rechte Parteien und Bewegungen in den letzten Jahren massiv an Zuspruch gewonnen – nicht nur ›auf der Straße‹, sondern auch bei Wahlen. Hintergrund dieses Rechtsrucks sind vor allem die verstärkten Fluchtbewegungen nach Europa, die damit zusammenhängende administrative Krise und die islamistischen Anschläge in mehreren europäischen Städten. Doch kenntnis- und aufschlussreich wie gewohnt zeigt das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) in dieser Publikation, dass es ist nicht zuletzt die global durchgesetzte Liberalisierung des Marktes ist, auf die der Rechtsruck aufsetzt und die ihn letztlich weitertreibt.

 

Inhalt

Isolde Aigner, Jobst Paul, Regina Wamper – Einleitung

Jobst Paul – Aufriss

Tino Heim
Der politische Rechts(d)ruck, die prozessierten Widersprüche des
Neoliberalismus und die Strukturkrisen kapitalistischer Vergesellschaftung
I. Zwischen libertärer Diversitätsprogrammatik und
autoritär-exklusorischer Realpolitik
II. Der politische Rechts(d)ruck als Verarbeitungsform
multipler Strukturkrisen kapitalistischer Vergesellschaftung

Margarete Jäger und Regina Wamper
Der Rechtsruck der Mitte im Fluchtdiskurs 2015

Isolde Aigner
Deutungskämpfe um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.
Die Silvester Ereignisse 2015 und ihre politischen Folgen

Roisin Ludwig und Regina Wamper
Schnittstellen und Abgrenzungen. Zum Umgang der FAZ mit der
populistischen extremen Rechten

Helmut Kellershohn
Kampf zweier Linien in der Neuen Rechten und der AfD

Johannes Richter
Normalität seit Pegida. Zurück zur Normalität?

Martin Dietzsch
Zeit zu handeln? Die NPD und andere Neonazis nach dem
Aufstieg der AfD

Sebastian Chwala
Der Front National – Diskurs und Programmatik einer
»rechtspopulistischen« Partei

Cordelia Heß
Das Ende einer Ära. Asylrechtsverschärfungen und der Erfolg der
rechtspopulistischen Sverigedemokraterna

Lara Schultz
Rechtsruck in der Ukraine? Der schwierige Umgang
mit der Vergangenheit in einer schwierigen Gegenwart

Graeme Atkinson
British right wing extremism, Brexit – and the left

Stacey Blatt
Democracy in America – U.S.A. after the 2016 Election.

Isolde Aigner – Ausstieg

 

Einleitung

Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Polen, Slowakei, Ungarn, Österreich, Italien – in verschiedenen Ländern Europas kam es im Jahr 2015 zu einem massiven Rechtsruck, der sich allerdings in den Jahren davor bereits angekündigt hatte.

Nicht nur bei Wahlen gewannen extrem rechte Parteien und Bewegungen an Zuspruch, sondern auch in Form ihrer Präsenz ›auf der Straße‹. Diese Entwicklungen spielten sich vor allem ab vor dem Hintergrund verstärkter Fluchtbewegungen nach Europa, der damit zusammenhängenden administrativen Krise sowie im Kontext
islamistischer Anschläge. Ein weiterer Kontext dieses europäischen Rechtsrucks ist zweifellos eine global durchgesetzte Liberalisierung des Marktes, auf die der Rechtsruck aufsetzt und die er letztlich weitertreibt.
Schließlich vollzogen auch etliche bürgerliche Parteien einen Rechtsruck.

Gerade sicherheits- und migrationspolitisch wurden massive Gesetzesänderungen vollzogen hin zu Migrationsabwehr, zu Notstandsverordnungen, zu Militarisierungen des Innen und Außen. Oftmals geschah dies mit der Begründung, so könne extrem rechten Parteien das Wasser abgegraben, bzw. ihnen die Wählerschaft entzogen werden.

Bei den Europawahlen 2014 erreichte der Front National in Frankreich 24,86 % der Stimmen. Bei den Regionalwahlen 2015 erhielt er im ersten Wahlgang 27,73 % und wurde in sechs von 13 Regionen die stärkste Partei. Im zweiten Wahlgang unterlag der Front National den bürgerlichen Parteien. Bei den Präsidentschaftswahlen 2017 kam Le Pen in die Stichwahl und sahnte dort knapp 40 % der Stimmen ab. Aus der Parlamentswahl in Polen im Oktober 2015 ging die Partei »Recht und
Gerechtigkeit« (PiS) von Jaroslaw Kaczynski mit 37,6 Prozent als Sieger hervor. In Ungarn kündigte der Regierungschef Victor Orbán nach der Wahl 2014 an: Die Epoche »des liberalen Blablas« sei zu Ende. 2015 ließ er Grenzzäune zur Abwehr von Geflüchteten errichten. Die extrem rechte Jobbik-Partei ist dort seit den Wahlen 2010 die drittstärkste Partei im ungarischen Parlament, bei der letzten Wahl 2014 erreichte die Partei 20,5 %. Der bis zum Juni 2017 Vorsitzende der extrem rechten Partei »Die Finnen«, Timo Soini ist in Finnland Außenminister und Vizepremier. Im Parlament bildet seine Partei mit 18 Prozent die drittstärkste Fraktion. Die Schwedendemokraten unter Jimmie Akesson erreichten bei den Reichstagswahlen 2014 knapp 13 Prozent der Stimmen. Die extrem rechte Dänische Volkspartei unter Thulesen Dahl ist seit der Parlamentswahl 2015 die zweitstärkste Kraft. Die Rechten tolerieren eine Minderheitsregierung. Und schließlich gewann
die Alternative für Deutschland unter der nun angeschlagenen Frauke Petry bei den Landtagswahlen 2016 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zwischen 12,6 und 24,2 Prozent der Wähler_innenstimmen. Jüngst zog die AfD einstellig in den nordrhein-westfälischen Landtag ein. Zugleich finden jeden Montag in Dresden Demonstrationen der extrem rechten Pegida-Bewegung statt, die in etlichen anderen Städten Ableger gefunden hat. Die Zahl rassistischer Angriffe ist seit 2015 in die Höhe geschnellt. Und auch in etlichen anderen europäischen Ländern häufen sich rassistische Übergriffe.

Parallel zu diesen Entwicklungen forcieren die bürgerlich regierten Staaten in Europa eine autoritäre Zuspitzung migrationsfeindlicher und sicherheitspolitischer Politiken. In Frankreich wird seit dem Herbst 2015 per Notstandsverordnung regiert. Der unlängst gewählte Präsident Frankreichs Emmanuel Jean-Michel Frédéric Marcon hat unmittelbar nach der Wahl das Parlament erfolgreich aufgefordert, den Notstand in Frankreich zu verlängern. In Spanien trat zum 1. Juli 2015 ein neues Polizeigesetz, das »Gesetz zum Schutz der Bürger« in Kraft, mit dem bürgerliche Grundrechte erheblich eingeschränkt wurden. Ähnlich wie in Polen wurden auch in Ungarn durch Victor Orbán etliche Verfassungsänderungen vorgenommen. Neben einer Beschränkung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts, der Einführung besonders geschützter Hauptgesetze, der Erlaubnis politischer Wahlwerbung ausschließlich in öffentlich-rechtlichen Medien schrieb die Regierung einen konservativen Familienbegriff in der Verfassung fest. In Schweden, dem Land, dessen Grenzen noch lange für Geflüchtete relativ offen waren, folgte die rot-grüne Regierung Löfven den Forderungen der Schwedendemokraten nach einer Schließung der Grenzen und einer Verschärfung des Asylrechtes.

Deutschland inszenierte sich 2015 selbst zwar als demokratisches und humanistisches Vorbild in Europa, war aber federführend bei dem Abkommen mit der Türkei zur Auslagerung des europäischen Migrationsregimes – ungeachtet dessen, dass ausgerechnet dort Krieg gegen die eigene Bevölkerung und gegen die Bewohner_innen der kurdischen Gebiete geführt wird. Während man in der deutschen Öffentlichkeit den Übergang der Türkei von einer parlamentarischen Demokratie zu einem Präsidialsystem als autoritären Stil kritisiert, finden in Deutschland selbst Debatten und Gesetzesänderungen um sogenannte ›Gefährder‹ (ein polizeilicher, kein juristischer Begriff ), um Fußfesseln, Komplettüberwachung und unbefristete Präventivhaft statt. Die autoritären Entwicklungen der bürgerlichen Regierungspolitiken in Europa und das Erstarken der extremen Rechten – als konkurrierende Kräfte – treffen auf eine weitgehende Sprachlosigkeit. Breite Widerstände in Europa bleiben bisher weitgehend aus.

Mit diesen Phänomenen beschäftigten wir uns Ende 2016 auf einem Colloquium des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung und in Kooperation mit der Akademie Frankenwarte. Neben etlichen Bestandsaufnahmen aus verschiedenen europäischen Ländern diskutierten wir den Rechtsruck. Wir eruierten das Zusammenwirken, aber auch die Konkurrenz zwischen verschiedenen autoritären Formierungen und suchten zugleich, die Perspektiven auszuleuchten, wie ihnen entgegen gewirkt werden kann.

Aufbau

Wir beginnen den Sammelband mit einem ›Aufriss‹ von Jobst Paul, der Fragen rund ums Thema umreißt und – mit Didier Eribon – auf erste Deutungsmöglichkeiten hinweist.

In seiner zweiteiligen Studie »Der politische Rechts(d)ruck, die prozessierten Widersprüche des Neoliberalismus und die Strukturkrisen kapitalistischer Vergesellschaftung« erarbeitet Tino Heim nicht nur eine Bestandsaufnahme des derzeitigen gesellschaftspolitischen Status Quo, sondern ordnet diesen in viel umfassendere, neo-liberale und dann kapitalistische Logiken ein. Erst von diesem Blickwinkel her wird wiederum das Ausmaß an Defiziten sichtbar, in dem sich das gegenwärtige politische Handeln eingerichtet hat. Heim zeigt zunächst auf, dass die deutschen Parteien der ›Mitte‹ nicht mehr im Grundsatz einen von ›rechten‹ Positionen unterschiedenen Kurs vertreten. Der
›Rechtsruck‹ ist insofern zum ›Rechtsdruck‹ geworden, als selbst die sich traditionell eher von rechts abgrenzenden Kräfte von dieser Anpassung erfasst wurden: Zwischen dem Rechtspopulismus und breiteren medialen und politischen Diskursen ist es, so Heim, zu einer ›entfremdete(n) epistemologische(n) Komplizenschaft‹ gekommen. Strukturell gedeutet – so Heim – hat die neoliberale Mitte-Links-Politik der vergangenen Jahrzehnte zwar libertäre, nicht aber die sozial- und gesellschaftspolitische Gehalte von links in sich aufgenommen. Die ›Erweiterung der Lebensmöglichkeiten‹ wurde so als Minderheiten-Politik und als ›Verrat‹ am politischen Auftrag für alle deutbar. Darüber hinaus aber ist die Verschärfung des Widerspruchs zwischen libertären und autoritären und exklusorischen Momenten des Neoliberalismus in Grundstrukturen des kapitalistischen Weltsystems selbst angelegt. Insofern erscheinen rechte Parteien, Bewegungen und Ideologien
weniger als Verursacher, sondern als Katalysatoren genereller gesellschaftlicher Trends.

Den deutschen Verhältnissen widmen sich auch Isolde Aigner, Regina Wamper, Margarete Jäger, Johannes Richter, Helmut Kellershohn und Martin Dietzsch.

Margarete Jäger und Regina Wamper analysieren den »Rechtsruck« des Fluchtdiskurses 2015. Sie stellen einige Aspekte dieses Diskurses dar und berücksichtigen dabei vor allem die Entwicklung innerhalb der zweiten Jahreshälfte von 2015. Während dieser Monate hat sich die Debatte um Migration und Flucht entscheidend verschoben. In dieser Zeit »kippte« die Willkommenskultur, und es fand ein Wechsel vom Schutz der Geflüchteten zum Schutz der europäischen Staaten statt. Das Sagbarkeitsfeld verengte sich auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der CDU/CSU. Das machte es möglich, eine restriktive Asylpolitik zu legitimieren. Die Medien kommentierten diese Entwicklungen durchaus unterschiedlich. Je nach eigener Perspektive wurde von einem Rechtsruck im öffentlichen Diskurs gesprochen und der sukzessive Abbau von Grund- und Menschenrechten kritisiert. Oder es wurden eine ›linke Medienhoheit‹ und öffentliche ›Sprechverbote‹ angeprangert, die eine Lösung der Probleme verhinderten.

In dem Beitrag »Deutungskämpfe um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die Silvester Ereignisse 2015 und ihre politischen Folgen« zeigt Isolde Aigner auf, wie sich innerhalb der öffentlich-medialen Verhandlung der Silvesternacht eine rassistische Instrumentalisierung von Frauenrechten vollzog, die eine rassismuskritische, feministische Intervention notwendig werden lässt.

Roisin Ludwig und Regina Wamper beschäftigen sich in dem Beitrag »Schnittstellen und Abgrenzungen« mit dem Umgang der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der populistischen extremen Rechten. Sie kommen zu dem Schluss, dass die FAZ sich als konservatives Flaggschiff in Deutschland an einer Normalisierung rechtspopulistischer Inhalte beteiligt, an einer Ausweitung des hegemonialen Sagbarkeitsfeldes nach rechts und an einem Einschluss extrem rechter Gruppierungen in die politische ›Mitte‹ bei gleichzeitiger Diskreditierung  antirassistischer und emanzipativer Kritiken.

Den politischen Entwicklungen in der AfD widmet sich Helmut Kellershohn in seinem Beitrag »Kampf zweier Linien in der Neuen Rechten und der AfD«. Er beschreibt die konkurrierenden Konzepte der Fundamentalopposition und der Realpolitik, die sich innerhalb der AfD und darüber hinaus auch in der gesamten Neuen Rechten zeigen, und fragt vor diesem Hintergrund nach der Zukunft des rechten Hegemonieprojektes.

Johannes Richter zeichnet in dem Beitrag »Normalität seit Pegida. Zurück zur Normalität?« die jüngsten Entwicklungen rund um Pegida in Dresden nach. Auch wenn die Teilnehmer_innenzahlen rückläufig sind, hat das »Phänomen Pegida« zahlreiche Diskurse nach rechts verschoben. Der Autor konstatiert, dass Pegida als Akteur einen entscheidenden Einfluss darauf hatte, bestehende rassistische Einstellungsmuster auf die Straße zu tragen und damit zu normalisieren.

Martin Dietzsch gibt in seinem Beitrag: »Die NPD und andere Neonazis nach dem Aufstieg der AfD« einen Überblick über die neueren Entwicklungen innerhalb neonazistischer Parteien und Gruppierungen im Zuge des Aufkommens von AfD und Pegida.

In seinem Beitrag »Der Front National – Diskurs und Programmatik einer ›rechtspopulistischen‹ Partei« legt Sebastian Chwala eine Untersuchung der aktuellen Programmatik des Front National vor und setzt sich kritisch mit der weit verbreiteten sozialwissenschaftlichen Annahme auseinander, dass die Partei unter der Führung von Marine Le Pen durch sozialpolitische Forderungen großen Anklang im Arbeitermilieu gefunden habe.

Cordelia Heß geht in dem Beitrag »Ende einer Ära. Asylrechtsverschärfungen und der Erfolg der rechtspopulistischen Sverigedemokraterna« der Frage nach, welchen Einfluss die Schwedendemokraten auf das Ende des schwedischen Selbstbildes als Vorreiter in Sachen humanitärer Hilfe hatten. Die Schließung der Grenzen im Juni 2016 und die Reduktion der Asylgesetzgebung auf den europäischen Mindeststandard hätte in Schweden, so die Autorin, ein Schock sein müssen – ein großer gesellschaftlicher Aufschrei aber blieb aus.

Lara Schultz beleuchtet in ihrem Beitrag »Rechtsruck in der Ukraine? Der schwierige Umgang mit der Vergangenheit in einer schwierigen Gegenwart« die gesellschaftlichen Ursachen des Ukrainekonflikts zwischen den pro-russischen und pro-ukrainischen Bevölkerungsgruppen. Sie zeigt außerdem auf, wie sich innerhalb der ukrainischen Politik seit dem Majdan ein Rechtsruck vollziehen konnte.

Graeme Atkinson beleuchtet in seinem Beitrag vor allem den sozial-politischen Hintergrund der Brexit-Entscheidung vom Juni 2016 und stellt diese in den Kontext eines seit 31 Jahren schwelenden, von Klassenkämpfen geprägten Konflikts. Zunächst betont Atkinson jedoch die ggf. verzerrende Bedeutung des hohen Nicht-Wähler-Anteils und die ganz unterschiedlichen Brexit-Ergebnisse in England, Schottland und Nordirland. Ironischer Weise kam es zur höchsten Zustimmung zum Brexit dort, wo seit Thatcher der Sozialabbau am weitesten fortgeschritten und die Abhängigkeit von europäischen Sozial- und Kulturfonds am höchsten war. Atkinson zeichnet nach, mit welchen Mitteln die Pro-Brexit-Kampagne dieses Abstimmungsergebnis erreichen konnte.

Nur wenige Tage nach dem Wahlsieg Donald Trumps unternahm es schließlich Stacey Blatt, einige Hintergründe des Rechtsrucks in den USA zu beleuchten. Danach hat Trumps Wahlkampagne die Dynamik der extremen Rechten in den USA zugleich in sich aufgenommen und dadurch wiederum gestärkt. Aber ohne die Asymmetrien des US-Wahlsystems, ohne die Geschichte der Unterdrückung bestimmter Wähler, der Beschränkungen des Zugangs zur Wahl, der Manipulation von Wahldistrikt-Grenzen und einer aufgeladenen Lagermentalität hätte Trump nicht gewinnen können. Stacey Blatt stellt im Detail dar, wie all dies die Amerikanische Demokratie in Besorgnis erregender Weise in Gefahr bringt.

Bestellen Sie den Band bitte beim Unrast-Verlag.

Vortrag von Dr. Cefli Ademi im DISS, 27.10.2017

Der Islam: Dogma oder Vielfalt?

(Teil 1)

Ein Vortrag des Juristen und Islamrechtlers Dr. Cefli Ademi (Zentrum für islamische Theologie der Uni Münster) im DISS (Siegstraße 15, 47051 Duisburg) am 27.10.2017, um 19:00 Uhr

Eine Veranstaltung des DISS in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin

 

Seit über einem Jahrzehnt ist der Islam in der deutschsprachigen Medien- und Kulturlandschaft ein dominantes Thema. Dabei werden Begriffe wie Scharia und Dschihad häufig synonym verwendet und mit Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung in Zusammenhang gebracht. Vor dem Hintergrund einer solch stereotypen Wahrnehmung wird die islamische Religionsgemeinschaft als monolithischer Block wahrgenommen und die islamische Glaubenspraxis als eine von Dogmen gesteuerte Lebensweise missverstanden. Im Rahmen dieser Vortragsreihe möchten wir den Blick von diesen Stereotypen lösen und einen Zugang zu einem differenzierteren Verständnis des Islams ermöglichen.

Im ersten Teil dieser Vortragsreihe soll dargelegt werden, warum der Islam kein starres Konstrukt diverser Dogmen darstellt bzw. darstellen sollte. Thematisiert werden soll, in welchem Rahmen eine zeitgemäße und interpretationsoffene Auslegung der Glaubenspraxis zu den fundamentalen Prinzipen des Islams gehört. In diesem Zusammenhang soll die Rolle und die Bedeutung der Scharia näher bestimmt werden.

DISS-Kolloquium 2017: Perspektiven einer „Kritischen Rechtsextremismusforschung“

Nach der Wahl:
Perspektiven einer „Kritischen Rechtsextremismusforschung“

Das Kolloquium 2017 der Gesellschaft für Politische Bildung (Würzburg) und des DISS, diesmal in Kooperation mit FORENA, findet kurze Zeit nach der Bundestagswahl statt. Es liegt nahe, mit Blick auf die Wahl ein Kolloquium durchzuführen, das dem Rechnung trägt, dass zum ersten Mal seit den 1950er Jahren wieder eine rechtsgerichtete Partei in den Bundestag einziehen könnte. Das, was der NPD und den Republikanern nie gelungen ist, könnte die AfD mit einer aus heutiger Sicht hohen Wahrscheinlichkeit erreichen: ein rechtskonservatives bis extrem rechtes Wählerpotential erfolgreich zu bündeln und im Bundestag zu repräsentieren.
Aber auch wenn die AfD nicht den Einzug in das Parlament schaffen sollte, halten wir es für angebracht, einmal grundsätzlich über Konzepte der Rechtsextremismusforschung nachzudenken. Dabei teilen wir die grundsätzliche Kritik am dominanten Typus der Rechtsextremismusforschung und an dessen normative Gebundenheit an staatspolitische Vorgaben: Erstens vernachlässigt eine solche Forschung den Umstand, dass rassistische, antisemitische und antidemokratische Sichtweisen auch in der vielbeschworenen ‚Mitte der Gesellschaft’ anzutreffen seien. Zweitens wird damit die binäre Unterscheidung von ‚Demokratie’ und ‚Extremismus’ in Frage gestellt. Drittens erklärt die unterstellte Parallelität von Links- und Rechtsextremismus unterschiedliche Motive, Ziele, Entstehungshintergründe und gesellschaftlichen Folgen dieser so benannten Phänomene in Hinblick auf ihre politische und verfassungsrechtliche Beurteilung für sekundär oder gar irrelevant. Und viertens neigt solche Rechtsextremismusforschung aufgrund ihrer Gebundenheit an die Perspektive des staatlich-politischen Systems dazu, die von ihr untersuchten Phänomene für selbstevident zu halten und deren gesellschaftlich produzierten Ursachen zu vernachlässigen.
Alternative Forschungsansätze müssen sich daher in einem doppelten Sinne als kritisch verstehen: einerseits als Kritik der Rechtsextremismusforschung (in dem besagten Sinne), andererseits als gesellschaftskritische Aufarbeitung der Phänomene, um die es in dieser Forschung geht. Das Anliegen des diesjährigen Kolloquiums ist es daher, einen Beitrag zu einer „kritischen Rechtsextremismusforschung“ zu leisten. Die Aufgabe kritischer Rechtsextremismusforschung ist es, die aktuellen Entwicklungen des Rechtsextremismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen und im Bewusstsein der ‚Erblasten’ der Geschichte zu untersuchen. Die komplexen synchronen und diachronen Verschränkungen machen es erforderlich, unterschiedliche kritische Ansätze und Perspektiven und deren jeweiligen Vorzüge zu berücksichtigen und zu vermitteln. Die Intention, mit der dies erfolgen sollte, ist keine rein wissenschafts- und theorieimmanente, sondern zielt auf eine vernünftige und solidarische Gestaltung der Gesellschaft.

Seminarteam:
Amelie Scheder, Akademie Frankenwarte, Würzburg
Helmut Kellershohn, DISS, Duisburg
Alexander Häusler, FORENA Hochschule Düsseldorf

Referierende:
Richard Gebhardt, freier Autor, Köln
Christoph Kopke, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
Juliane Lang, Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus, Berlin
Andreas Kemper, Soziologe und freier Autor, Münster
Matthias Quent, Direktor des Instituts Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ), Jena
Sebastian Reinfeldt, Politikwissenschaftler, Wien
Fabian Virchow, FORENA Hochschule Düsseldorf
Regina Wamper, DISS, Duisburg

 

Vortrag von Ismail Küpeli im DISS, 13.10.2017

Foto: http://ismail-kupeli.eu/

Schrittweise in die Autokratie: Die Türkei unter der AKP

Ein Vortrag des Politikwissenschaftlers und Historikers Ismail Küpeli im DISS (Siegstraße 15, 47051 Duisburg) am 13.10.2017, um 19:00 Uhr.

Eine Veranstaltung des DISS in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW

 

Die Politik von Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zielte von Beginn an auf die Frage, wie Regierungsmacht zu erlangen und zu erhalten ist. Darin unterscheiden er und seine AKP sich kaum von anderen PolitikerInnen und Parteien. Aber anders als demokratische Akteure setzten sie seit der Regierungsübernahme 2002 darauf, ihre Macht auch mit nicht demokratischen und nicht-rechtstaatlichen Mitteln zu sichern. Dazu gehört auch die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei, was die Abschaffung der Demokratie und die Etablierung einer Autokratie bedeutet. Im türkischen Präsidialsystem ist weder eine Gewaltenteilung noch ein System konkurrierender Machtblöcke und Institutionen vorgesehen, das eine Alleinherrschaft verhindern kann. Die AKP unter Erdogan hat sich auf eine tiefgreifende Umgestaltung der Türkei Richtung Autokratie festgelegt und wird dieses Projekt weiterverfolgen, solange sie an der Macht ist.

Ebenfalls Teil der Machtsicherung ist die islamisch-konservative Gesellschaftspolitik. So hat die AKP in den staatlichen und nicht- staatlichen Bildungs- und Sozialeinrichtungen eine ganze Generation geprägt, deren Weltanschauung regierungskonform ist. Es geht der Regierungspartei aber nicht um die Etablierung eines islamistischen Staates, wie manche Oppositionelle der AKP vorwerfen. Das türkische Regime beruht ideologisch weniger auf dem Islamismus als vielmehr auf einer türkisch-islamischen Synthese, die den klassischen türkischen Nationalismus mit dem Islam zu einem neuen „volksnahen“ Nationalismus transformiert hat.

Diese Veranstaltung wird in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg Stiftung NRW durchgeführt.

Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung per Email an: zakaria.rahmani@diss-duisburg.de