DISS Jahreskolloquium 2019

DISS-Kolloquium 2019: Entfremdung, Identität und Utopie

Akademie Frankenwarte Würzburg (22.11.-24.11.2019)

Das diesjährige Kolloquium des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (Tagungsort: Akademie Frankenwarte, Würzburg, 22.-24. November 2019) ist der Trias von Entfremdung, Identität und Utopie gewidmet.

Damit werden gesellschaftstheoretische und gesellschaftskritische Fragestellungen aufgegriffen, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Das Kolloquium thematisiert die gesellschaftlichen und diskursiven Kontexte, in denen diese Fragestellungen aufgeworfen werden, und will die theoretische und politisch-praktische Relevanz dieser kategorialen Trias überprüfen.

Die Debatte um den Entfremdungsbegriff reflektiert zum einen das neue Interesse an der Marx-Lektüre, das seit der Jahrtausendwende Ausdruck der Krisenprozesse ist, die die kapitalistische „Welt“ durchziehen und nach Erklärungsmustern suchen lassen. In diesem Zusammenhang wird das Verhältnis zwischen dem „frühen“ Marx und dem Marx der „Kritik der Politischen Ökonomie“, zwischen Entfremdungskritik und der Kritik des Warenfetischismus erneut thematisiert. Zum anderen verweist der Entfremdungsdiskurs auf die individuellen Leidenserfahrungen, die den Alltag der Menschen bestimmen.

Korrespondierend zum Entfremdungsbegriff nimmt der Identitätsbegriff einen immer breiteren Raum ein in der Debatte um die Gestaltung von nichtentfremdeten Lebensverhältnissen. ‚Identität‘ (bzw. ‚kollektive Identität‘) ist zur Chiffre geworden, unter der sich unterschiedliche Gruppen formen, denen es um eine Änderung vorherrschender Lebens- und Denkweisen geht, die sich unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen herausgebildet haben. Die jeweiligen Gemeinschaftsvorstellungen, ihre Begründungen und Handlungsstrategien werden seit einigen Jahren breit und kontrovers erörtert. Auf Seiten der Linken stellt sich speziell die Frage, wie Identitäts- und Klassenpolitik zueinander stehen. Demgegenüber erheben rechtspopulistische und extrem rechte Bewegungen das „Deutsch-Sein“ (im völkischen Sinne) und das volksgemeinschaftliche Wir zum allein bestimmenden Identitätsmerkmal.

Die Diskussion zum Entfremdungs- wie auch zum Identitätsbegriff nehmen die Vorstellungen von einer anderen, besseren Welt auf. Seit Karl Mannheim und Ernst Bloch wird Utopie nicht mehr primär als ein literarisches Genre („Staatsromane“, „soziale Utopien“), sondern als eine Denkform, als „utopisches Bewusstsein“ (Karl Mannheim) betrachtet, die es für kultur- und sozialwissenschaftliche Analysen fruchtbar zu machen gilt. Gefragt wird danach, inwieweit sich Utopie von Ideologie unterscheiden lässt, sowie allgemein nach der sozialen Funktion von Utopien. Es stellt sich die Frage, inwieweit der Begriff des Utopischen geeignet ist, eine motivierende, mobilisierende und verändernde Kraft zu entfalten.

Programm

Aktuelle Konfliktlinien innerhalb der Linken. Zur falschen Entgegensetzung von Klassenpolitik und Identitätspolitik
Stefanie Graefe, Jena

Von der Entfremdungskritik zum Fetischbegriff. Karl Marx‘ gesellschaftskritische Kategorien. Deutungen und Kontroversen
Wolfgang Kastrup, Duisburg

Neuere Entfremdungstheorien bei Rahel Jaeggi, Hartmut Rosa und Axel Honneth
Marvin Müller, Münster

Identitätspolitik: Herausbildung, Deutungsformen und kollektive Bewegung
Peter Höhmann, Mülheim/R.

Identitätspolitiken: Konzepte und Kritiken in Geschichte und Gegenwart der Linken
Lea Susemichel, Wien

Klassenkampf statt Diversity-Programme
Eleonora Roldán Mendívil / Bafta Sarbo, Berlin

„Die Hauptfront des zwanzigsten Jahrhunderts verläuft zwischen Identität und Entfremdung.“ Über rechte Entfremdungskritik und Identitätspolitik
Helmut Kellershohn, Duisburg

„Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“ Ein Plädoyer für Mehrsprachigkeit
Jörg Senf, Rom

Utopisches Denken. Anmerkungen zum Utopie-Begriff in den Sozialwissenschaften
Marvin Chlada, Duisburg

Die Bestimmung „notwendiger Arbeit“ als Kampffeld für „revolutionäre Realpolitik“
Jutta Meyer-Siebert, Hannover

Gewalt – Autonomie – Utopie
Andreas Kemper, Münster

Anmeldungen

Akademie Frankenwarte, Würzburg, Tel.: 0931/80464-347 oder E-Mail: julia.reuss@frankenwarte.de

DISS-Online-Bibliothek: Wernher von Braun

In der DISS-Online-Bibliothek erschien ein neuer Artikel von Anton Maegerle zu Wernher von Braun.

Nazi-Raketenbauer und die US-Mondlandung

Der als „Vater der Raumfahrt“ glorifizierte Wernher von Braun gilt noch heute vielen als großer Wissenschaftler und Visionär, sein Name steht für die Eroberung des Weltraums durch den Menschen. Bis zu seinem Tod galt Braun als unpolitischer Fachmann. Erst nach seinem Tod gab es öffentlich Zweifel an seinem Ruhm und das geschönte Bild des nur der Wissenschaft ergebenen Physikers begann aufgrund immer neuer Indizien zu bröckeln. Denn: Der Ritterkreuzträger verkörperte auch das Bündnis von Wissenschaft und Diktatur, die moderne Technik im Dienst des Nationalsozialismus.

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der DISS-Online-Bibliothek: Nazi-Raketenbauer und die US-Mondlandung

DISS-Neuerscheinung: Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe

Cover Handbuch Kampfbegriffe
Cover Handbuch Kampfbegriffe

Ab sofort ist die zweite, komplett überarbeitete und erweiterte Auflage des Handbuchs rechtsextremer Kampfbegriffe lieferbar.

 

Das Buch ist erhältlich beim Wochenschau-Verlag.

 

 

Bente Gießelmann, Benjamin Kerst, Robin Richterich, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hg.)
Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe
Wochenschau-Verlag (Frankfurt/M.) 2019
424 Seiten, 29,80 EUR
ISBN: 978-3-7344-0819-9 (Print) / 978-3-7344-0820-5 (PDF)

 

Was meinen Rechtsextreme, wenn sie von Islamisierung, Kameradschaft oder Schuld-Kult sprechen? Dieses Hand­wörterbuch zeigt, wie die extreme Rechte mit Begriffs(um)deutungen und Wortneuschöpfungen Bausteine ihrer Welt­anschauung über die Sprache zu vermitteln und zu verankern versucht.

Das Buch wendet sich insbesondere an Multiplikator_in­nen aus Schule, Medien, Sozialarbeit und Gewerkschaft. Der Band ist Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und dem Forschungs­schwer­punkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf.

Das Handwörterbuch erschließt das begriffliche Kontinuum der extremen Rechten und bietet eine Grundlage für die fundierte Auseinandersetzung damit. Für diese Neuauflage wurde es komplett überarbeitet und um mehrere Stichworte, wie z.B. Identität oder Lügenpresse, ergänzt.

Inhalt:

68er
von Fabian Virchow
Abendland
von Jespa J. Kleinfeld
Dekadenz
von Felix Kronau
Demokratie
von Robin Richterich
Deutschenfeindlichkeit
von Bernhard Steinke
Flüchtling
von Michael Lausberg
Freiheit
von Fabian Virchow
Gemeinschaft
von Leroy Böthel
Gender-Ideologie
von Regina Wamper
Heldengedenken
von Robin Richterich und David Freydank
Identität
von Kathrin Glösel, Natascha Strobl und Julian Bruns
Islamisierung
von Benjamin Kerst
Jude
von Stefan Vennmann und Frank Lattrich
Kameradschaft
von Christoph Schulze
Kapitalismus
von Fabian Virchow
Lügenpresse
von Jan Rathje
Nation
von Alexander Häusler
Nationaler Sozialismus
von Mark Haarfeldt
Natur
von Fabian Virchow
Political Correctness
von Bente Gießelmann
Rasse
von Sebastian Friedrich
Raum
von Mark Haarfeldt
Schuld-Kult
von Lenard Suermann
Staatsversagen
von Helmut Kellershohn
Umvolkung
von Helmut Kellershohn
USA
von Tim Ackermann
Zigeuner
von Alexandra Graevskaia