Vortragsreihe: Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute
Den Audiomitschnitt des Vortrags von Merfin Demir können Sie ab sofort auf youtube hören.
Blog des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung
Vortragsreihe: Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute
Den Audiomitschnitt des Vortrags von Merfin Demir können Sie ab sofort auf youtube hören.
Vortragsreihe: Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute
Den Audiomitschnitt des Vortrags von Rafaela Eulberg können Sie ab sofort auf youtube hören.
Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung lädt gemeinsam mit dem Zentrum für Erinnerungskultur der Stadt Duisburg ein zu einer Vortragsreihe zum Thema
Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute.
In der Zeit vom April bis zum Juli 2018 werden acht Vorträge stattfinden. Referentinnen und Referenten sind Nicolás Brochhagen und Wolfgang Esch, Dr. Markus End, Dr. Sebastian Winter, Dr. Rafaela Eulberg, Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Joachim Krauß, Sylvia Brennemann und Merfin Demir.
Die Vortragsreihe wird in Kooperation mit dem Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie durchgeführt und gefördert durch die Amadeu Antonio Stiftung und durch den AStA der Uni Duisburg/Essen.
Falls Sie eine Teilnahmebestätigung benötigen, sprechen Sie uns bitte während der jeweiligen Veranstaltung an.
Die Informationen auf dieser Seite werden laufend ergänzt und aktualisiert.
Feindseligkeit, stereotype Wahrnehmung und Vorurteile werden wach, wenn von „Zigeunern“ gesprochen wird. Bei diesen Ressentiments handelt es sich um Projektionen, die mit der Realität oder den realen Personen nichts zu tun haben. Sie existieren bereits seit Jahrhunderten und werden in der Wissenschaft als Antiziganismus bezeichnet. Im Nationalsozialismus wurden Sinti*ze und Rom*nija Opfer eines systematischen Völkermords. Trotzdem ist in der Gegenwart der Antiziganismus die am meisten akzeptierte Form des Rassismus. Sie trifft aktuell insbesondere Zuwander*innen aus Südosteuropa.
Welche Möglichkeiten gibt es, sich mit Antiziganismus zu beschäftigen? Wie lässt sich die historische Entstehung philosophisch, sozialpsychologisch und geschlechtertheoretisch rahmen? Kann Bildung zur Aufklärung beitragen? Fördern oder verhindern behördliche Maßnahmen die Ausgrenzung? Welche Perspektive entwickelt eine Rom*nija-Selbstorganisation?
Die Vortragsreihe zielt auf eine Verbindung von Theorie und Praxis. Sie wendet sich nicht nur an Vertreter*innen aus Wissenschaft und Politik, sondern auch an Interessierte, die in Beruf und Alltag mit Antiziganismus konfrontiert sind.
Programm
Sonntag, 8.04.2018, 15 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Duisburger Geschichte(n):
Die Bürgerrechtlerin Hildegard Lagrenne und der Polizeisekretär Wilhelm Helten. Forschungsbericht
Anne Ley-Schalles, Nicolás Brochhagen, Wolfgang Esch und Robin Richterich
Eine Veranstaltung des Zentrums für Erinnerungskultur.
Anlässlich des Welt-Roma-Tags lädt das Zentrum für Erinnerungskultur (ZfE) am Sonntag, den 8. April um 15 Uhr zu einem spannenden biografischen Forschungsbericht ein. Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Bürgerrechtlerin Hildegard Lagrenne und der Duisburger Polizeisekretär Wilhelm Helten. Im Mai 1940 wurde die 19- Jährige Sinteza Hildegard Lagrenne von Duisburg aus in das besetzte Polen deportiert. Für die Verfolgung der Duisburger Sinti und Roma waren Wilhelm Helten und seine Kollegen von der Kriminalpolizei verantwortlich. Hildegard Lagrenne überlebte die NS-Verfolgung und Zwangsarbeit und kehrte 1945 nach Duisburg zurück, wo ihr derselbe Kriminalpolizist eine „Wiedergutmachung“ versprach….
Wie die Geschichte dieser Begegnung anfing und endet präsentieren Wolfgang Esch und der Historiker Dr. des. Nicolás Brochhagen gemeinsam mit Anne Ley-Schalles, wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZfE, als Rezitatorin. Die Veranstaltung präsentiert die neusten Rechercheergebnisse aus dem „Arbeitskreis Geschichte der Duisburger Sinti und Roma“ des ZfE.
Freitag, 13.04.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Dialektik der Aufklärung als Antiziganismuskritik
Dr. Markus End, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V.
Die deutschsprachige Antisemitismusforschung wie auch die Antisemitismuskritik eines Teils der deutschen Linken sind maßgeblich geprägt durch die „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno, insbesondere durch die Thesen zum Antisemitismus. Kaum lässt sich ein Text zum Thema finden, der sich nicht implizit oder explizit auf diese Thesen bezieht. Die sehr viel jüngere deutschsprachige Antiziganismusforschung wie auch die sich entwickelnde Antiziganismuskritik in der Linken haben sich häufig an diesen Vorannahmen und Thesen orientiert, sich auf sie bezogen oder sie modifiziert.
Im Vortrag soll diese Perspektive der Antiziganismuskritik erweitert werden, indem aufgezeigt wird, inwiefern im Text der „Dialektik der Aufklärung“ selbst, insbesondere im Kapitel zum „Begriff der Aufklärung“, bereits der Kern einer materialistischen Theorie des Antiziganismus formuliert ist. Daraus ergeben sich im Anschluss an diese Rekonstruktion weiterführende Thesen zum Verhältnis von Antisemitismus, Antiziganismus und (post-)kolonialem Rassismus.
Freitag, 27.04.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Verachtung und Romantisierung
Zur Sozialpsychologie der Roma-Feindlichkeit
Dr. Sebastian Winter, Inhaber der Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Zwei Merkmale, die alle Ressentiments gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit teilen, treten an der Roma-Feindlichkeit in besonderer Deutlichkeit hervor: Erstens die Ambivalenz von Verachtung und Romantisierung gegenüber der stigmatisierten Gruppe und zweitens die Aktivität „von unten“, welche den Staat drängt, institutionelle und rechtliche Diskriminierungen auszuweiten. In der kapitalistischen Leistungsgesellschaft werden Parias benötigt, die als exkludierte „homines sacri“ verkörpern, was allen droht, wenn sie nicht selbstdiszipliniert und arbeitsam genug sind. Umgekehrt können diese als nicht-bürgerliche „Outlaws“ dadurch aber auch zum Stellvertreter eines Glücksversprechens werden. Innere und äußere Exklusionen sind homolog: Die psychoanalytische Sozialpsychologie untersucht, wie der gesellschaftliche Ausschluss sich innerpsychisch über projektive Abwehrprozessen als Gefühlsambivalenz niederschlägt und in einem Verfolgungsdrang mündet.
Dienstag, 15.05.2018, 17 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Das Bild der „Zigeunerin“ als Potenzierung von Stereotypen
Anmerkungen zum Wechselverhältnis von Geschlecht und Ethnie
Dr. Rafaela Eulberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Religionswissenschaft des Forums Internationale Wissenschaft der Universität Bonn.
Der Vortrag zeigt Parallelen in der diskursiven Konstruktion einer weiblichen Identität und einer spezifischen „Zigeuneridentität“ auf, als von der Norm abweichende Gruppen.
Die Konstruktion einer spezifisch weiblichen „Zigeuneridentität“ beinhaltet dabei vielfach eine Potenzierung der Konstruktion eines „zigeunerischen“ wie auch eines spezifisch weiblichen Wesens. Exemplarisch werden verschiedene Topoi der parallelen Konstruktion vorgestellt, wie die Gegenüberstellungen „saubere Kulturmenschen vs. schmutzige Naturkinder“ (Zigeuner und Frauen als naturnahe Wesen) und „religiöse Vernunft vs. magische Irrationalität“ (Zigeuner und Frauen als übersinnlich Begabte). Gemeinsam ist diesen konstruierten Gegensätzen ein gleichzeitiges Exotisieren wie auch Dämonisieren der als minderwertig angesehenen Gruppe. Die Potenzierung der Konstruktionen wird im Bild der wahrsagenden Zigeunerin wie auch der Zigeunerin als erotische femme fatale deutlich.
Freitag, 25.05.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Antiziganismuskritische Bildung in der national-bürgerlichen Konstellation
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Diversität an der Bergischen Universität Wuppertal.
Der Vortrag skizziert Konturen für eine historisch reflexive Auseinandersetzung mit Antiziganismus und verortet diesen in der Geschichte der Herausbildung von bürgerlichen Nationalstaaten. Der Antiziganismus stabilisiert sich im Kontext der Nationenbildung im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert in Europa. Bürgerlichkeit und nationale Identität gehen ein Bündnis ein und grenzen diejenigen aus, die als Fremde und Abweichende adressiert werden können. Nationalismus und Rassismus verschränken sich zu einer Konstellation der Ausgrenzung und Abwertung. Parallelen und Unterschiede zum Antisemitismus lassen sich feststellen. Die Wirkung und Bedeutung der Verfolgungsgeschichte bis zum NS-Völkermord ist für ein antiziganismuskritisches Geschichtsbewusstsein zu berücksichtigen. Wie die Mechanismen des Fremdmachens bis in die Gegenwart hinein funktionieren, ist Thema des Vortrags, wobei insbesondere Bildungsinstitutionen und Integrationsmaßnahmen kritisch betrachtet werden.
Freitag, 08.06.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Ordnungsrecht und/oder Integration
Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien seit 2011
Joachim Krauß, AWO-Integrations gGmbH,
Arbeitsgruppenleitung Migration und Integration
Joachim Krauß wird über die aktuelle Lage der Stadt Duisburg als Brandherd antiziganistischer Stimmungsmache sprechen und dabei insbesondere die Perspektive institutioneller Integrationsangebote berücksichtigen.
Freitag, 22.06.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Ausgrenzung und Antiziganismus in Duisburg-Marxloh
Sylvia Brennemann, Kinderkrankenschwester, engagiert sich seit Jahren in ihrem Stadtteil Duisburg-Marxloh.
Der sogenannte Problemstadtteil Duisburg Marxloh landet in den letzten Jahren immer wieder in die Schlagzeilen, wenn es darum geht, mit der Zuwanderung von Romafamilien mediale Stimmungsmache gegen selbige zu produzieren. Aus Sicht der Referentin handelt es sich um ein klares Ablenkungsmanöver, um von den eigentlichen Problemen, wachsende Armut, Ausgrenzung und Rassismus abzulenken. Die Referentin beschreibt in ihrem Vortrag die alltäglichen Probleme der betroffenen Romafamilien, denn noch immer ist ein Großteil der Betroffenen von staatlich existentiellen Leistungen ausgeschlossen, Tausenden fehlt noch immer der Zugang zu einer Krankenversicherung und somit zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Menschenwürdiger und bezahlbarer Wohnraum steht ihnen zumeist nicht zur Verfügung, noch immer fehlen hunderte Schulplätze.
Die Kinderkrankenschwester Sylvia Brennemann lebt in Marxloh und engagiert sich seit Jahren im Stadtteil u.a. im Petershof und in der Praxis für Menschen ohne Krankenversicherung, die im Petershof angesiedelt war. Ihre politische Forderung nach gleichen Rechten für alle stösst vor allem im örtlichen Rathaus auf großen Widerstand. Sylvia Brennemann dazu: „Die Vertreibungs- und Verdrängungsversuche seitens der Stadt zementieren eine humanitäre Katastrophe, der soziale Frieden im Stadtteil ist massiv gefährdet.“
Donnerstag, 05.07.2018, 18 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Antiziganismus, Kolonialismus, Neoliberalismus – eine Analyse aus Sicht einer Selbstorganisation
Merfin Demir, Vorsitzender der interkulturellen Jugendselbstorganisation von Roma und Nichtroma in Nordrhein-Westfalen Terno Drom e. V.
Im Rahmen des Vortages wird der Rassismus gegen Sinti und Roma als ein historisch gewachsener Rassismus gegenüber als archaisch markierten Menschen dargelegt. Es wird auf die Wechselwirkung und die Abgrenzung gegenüber dem Kolonialrassismus und auch gegenüber dem Antisemitismus eingegangen. Besondere Bedeutung hat der Rassismus gegenüber Sinti und Roma im Zusammenhang der Leistungsgesellschaft als Teil des Neoliberalismus. Mit der Finanzkrise hat sich der Rassismus gegenüber Roma in Osteuropa verstärkt. Nicht zuletzt ist diese Analyse wichtig, um daraus Rückschlüsse, Konzepte und Handlungen zu folgern. Das gilt insbesondere für eine Gesellschaft, die auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung beruht und somit auch für eine demokratische Stadtgesellschaft. Daraus ergibt sich insbesondere, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden müssen, obwohl diese Erkenntnisse oft als zu theoretisch diskreditiert werden.
Kooperationspartner und Förderer
Die Veranstaltungsreihe wird vom Arbeitskreis Antiziganismus im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung durchgeführt in Kooperation mit dem Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie.
Sie wird gefördert durch die Amadeu Antonio Stiftung und durch den AStA der Uni Duisburg/Essen.
Zum Download:
Plakat der Veranstaltungsreihe als PDF-Datei
Flyer der Veranstaltungsreihe als PDF-Datei
Ein Vortrag des Juristen und Islamrechtlers Dr. Cefli Ademi (Zentrum für islamische Theologie der Uni Münster) im DISS (Siegstraße 15, 47051 Duisburg) am 15.12.2017, um 19:00 Uhr
Eine Veranstaltung des DISS in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin
Seit über einem Jahrzehnt ist der Islam in der deutschsprachigen Medien- und Kulturlandschaft ein dominantes Thema. Dabei werden Begriffe wie Scharia und Dschihad häufig synonym verwendet und mit Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung in Zusammenhang gebracht. Vor dem Hintergrund einer solch stereotypen Wahrnehmung wird die islamische Religionsgemeinschaft als monolithischer Block wahrgenommen und die islamische Glaubenspraxis als eine von Dogmen gesteuerte Lebensweise missverstanden. Im Rahmen dieser Vortragsreihe möchten wir den Blick von diesen Stereotypen lösen und einen Zugang zu einem differenzierteren Verständnis des Islams ermöglichen.
Im zweiten Teil dieser Vortragsreihe sollen die Herausforderungen für den Islam in Europa erörtert werden. Dabei soll insbesondere im Vordergrund stehen, entlang welcher Leitlinien diese Herausforderungen zukunftsträchtig im Rahmen der Gesamtgesellschaft gelöst werden könnten. Umgekehrt wäre die Frage von Interesse, welchen konstruktiven Beitrag der Islam und die islamische Gemeinschaft in Europa leisten können.
Der Islam: Dogma oder Vielfalt?
(Teil 1)
Ein Vortrag des Juristen und Islamrechtlers Dr. Cefli Ademi (Zentrum für islamische Theologie der Uni Münster) im DISS (Siegstraße 15, 47051 Duisburg) am 27.10.2017, um 19:00 Uhr
Eine Veranstaltung des DISS in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin
Seit über einem Jahrzehnt ist der Islam in der deutschsprachigen Medien- und Kulturlandschaft ein dominantes Thema. Dabei werden Begriffe wie Scharia und Dschihad häufig synonym verwendet und mit Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung in Zusammenhang gebracht. Vor dem Hintergrund einer solch stereotypen Wahrnehmung wird die islamische Religionsgemeinschaft als monolithischer Block wahrgenommen und die islamische Glaubenspraxis als eine von Dogmen gesteuerte Lebensweise missverstanden. Im Rahmen dieser Vortragsreihe möchten wir den Blick von diesen Stereotypen lösen und einen Zugang zu einem differenzierteren Verständnis des Islams ermöglichen.
Im ersten Teil dieser Vortragsreihe soll dargelegt werden, warum der Islam kein starres Konstrukt diverser Dogmen darstellt bzw. darstellen sollte. Thematisiert werden soll, in welchem Rahmen eine zeitgemäße und interpretationsoffene Auslegung der Glaubenspraxis zu den fundamentalen Prinzipen des Islams gehört. In diesem Zusammenhang soll die Rolle und die Bedeutung der Scharia näher bestimmt werden.
Heiko Kauffmann schreibt im neu erschienenen Sonderdruck des DISS-Journals zu der jüngsten Entwicklung bei der Seenotrettung Geflüchteter im Mittelmeer. Er ist Mitbegründer und war langjähriger Sprecher von PRO ASYL sowie ehemaliger Inlandsreferent von terre des hommes. Er fördert und unterstützt SOS MEDITERRANEE seit Gründung der Initiative.
„Zehntausende von Flüchtlingen begaben sich nicht auf die Flucht oder ertranken im Mittelmeer, weil Schlepper ihr Leid ausnutzten und sich an ihrem Elend bereicherten; sie gerieten in Lebensgefahr oder ertranken, weil kein EU-Staat bereit war, sie legal einreisen zu lassen, sie aufzunehmen und sich ernsthaft und nachhaltig mit ihren Fluchtgründen auseinanderzusetzen. […]
Eurozentrismus und institutioneller europäischer Rassismus siegen über Menschlichkeit. In der Geringschätzung von Menschenleben, der billigenden Inkaufnahme des Todes von Flüchtlingen, manifestiert und offenbart sich die politische und moralische Signatur Europas im frühen 21. Jahrhundert.“
Lesen Sie den vollständigen Beitrag von Heiko Kauffmann im Sonderdruck des DISS-Journals September 2017, den Sie hier kostenlos als PDF-Datei abrufen können.
Marcel Kutzpiol und Patrick Märtens geben eine Prognose ab, wer im September auf den Listen der AfD voraussichtlich in den Bundestag einziehen könnte. Anhand öffentlich zugänglicher Quellen kommen sie zu der Einschätzung, dass der ultrarechte Parteiflügel in der zukünftigen AfD-Fraktion nicht nur stark vertreten, sondern sogar eine Mehrheit stellen wird. In ihrer Analyse kommen die Autoren zu dem Fazit:
Von sehr vielen AfD-KandidatInnen kann nicht gesagt werden, welcher politischen Strömung sie angehören. Zwar scheinen die Rechten auf den Landeslisten auf den ersten Blick zu überwiegen, doch da die Gruppe der Unauffälligen einen großen Teil der KandidatInnen ausmacht, lässt sich insgesamt keine klare Dominanz der Rechten feststellen. Allerdings finden sich vor allem auf den aussichtsreichen vorderen Listenplätzen viele Anhänger Höckes und Personen mit Verbindungen in die extreme Rechte. Legt man ein Wahlergebnis von 8,5 Prozent für die AfD zugrunde und schätzt die Wahlergebnisse in den Ländern aufgrund aktueller Umfragen, kann man ungefähr ausrechnen, wer über die Landeslisten für die AfD in den Bundestag ziehen wird (…). Von 58 Abgeordneten, die demnach eine Chance auf ein Mandat hätten, lassen sich 32 dem rechten Spektrum zuordnen, 12 den Gemäßigten und 14 den Unscheinbaren. Damit wären die Rechtsaußen in der AfD-Fraktion in der Mehrheit.
Bitte lesen Sie die vollständige Analyse in der DISS Online-Bibliothek: Wer zieht für die AfD in den Bundestag?
Ab sofort lieferbar ist der Band 39 in der Edition DISS im Unrast-Verlag:
Felix Schilk:
Souveränität statt Komplexität
Wie das Querfront-Magazin COMPACT die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet
Unrast-Verlag, Münster 2017
192 Seiten, 19,80 €
ISBN 978-3-89771-768-8
Phänomene wie Pegida und die AfD machen die Ausbreitung rechter Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft deutlich und signalisieren einen Rechtsruck in Deutschland. Der Vertrauensverlust vieler Menschen in die politische Klasse hat durch die Flüchtlingspolitik einen großen Schub erhalten, war aber schon vorher vorhanden. Er ist nicht nur Ausdruck einer politischen Krise, sondern auch das Resultat der Krisenprozesse kapitalistischer Ökonomie in den letzten Jahren. Neurechte Gruppierungen und Netzwerke stehen bereit, diesen Menschen mit völkischer Ansprache Orientierung zu bieten.
Jürgen Elsässers Querfront-Magazin COMPACT ist ein wesentlicher Teil der jüngsten rechtspopulistischen Mobilisierungen in Deutschland. Gemeinsam mit anderen alternativem Medien liefert es Deutungsangebote, Schlagwörter und Symbole. Im Umfeld von AfD und Pegida wird das >Magazin für Souveränität intensiv rezipiert und stellt eine wichtige publizistische Infrastruktur dar, die zuletzt durch Zusammenarbeit mit Akteuren der Neuen Rechten erweitert wurde.
Inhalt:
Vorwort
Einleitung:
Compact und die neuen Querfrontbewegungen
Historischer Exkurs:
Die Moderne und der reaktionäre Modernismus
Rechts und Links – Grenzen einer Dichotomie Gesellschaftliche Konfliktlinien Sozialpsychologische Konfliktlinien
Genese und Ursprünge des reaktionären Modernismus
Querfrontbewegungen im 20. und 21. Jahrhundert Carl Schmitt und die Konservative Revolution Metapolitik und die Nouvelle Droite
Das Ende der Geschichte und der Aufstieg der Neuen Rechten
Gegenwartsdiagnosen:
Komplexe Welt, kontingente Gesellschaft
Posthistoire und Neoliberalismus
Postfordismus und Postdemokratie
Populismus, direkte Demokratie und paranoides Denken
Empirische Untersuchung:
Diskursanalyse des Compact-Magazins
Compact – eine Zeitschrift neuen Typus?
Forschungsinteresse und Fragestellung
Kritische Diskursanalyse: Einführende Bemerkungen und Modifikation des methodischen Vorgehens für die Analyse
Analyse und Auswertung
»Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge« – der diskursive Kontext »Was bisher das Normale war, fällt von jetzt an unter ferner liefen« -Strukturanalyse der Diskursstränge und Diskurse »Naldoo und die Lage der Nation« – Exemplarische Feinanalyse
Auswertung:
Souveränität und Homogenität – Hypothesen zum Querfrontdispositiv
Theoretisch-begriffliche Verortung des COMPACT-Magazins
Faktoren und Rahmenbedingungen für den Erfolg des COMPACT-Magazins
Schlussbetrachtungen:
Souveränität und Komplexität
Quellen und Literatur
Primärquellen der Diskursanalyse Literatur
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete und ergänzte Version meiner Diplomarbeit, die im Juli 2016 an der Technischen Universität Dresden im Studiengang Soziologie eingereicht wurde. Ihr Anliegen, das Compact-Magazin in seiner Funktion als Impulsgeber für politisch-diskursive Verschiebungen und einen Strukturwandel der Öffentlichkeit in den liberalen Gesellschaften des Westens zu analysieren, hat seitdem weiter an Relevanz gewonnen. Eine Veröffentlichung des Textes schließt daher an zahlreiche Abhandlungen über Verschwörungstheorien, Populismus, die Neue Rechte und neuerdings sogenannte Fake News an, die mittlerweile zu den dominierenden Leitartikelthemen in den Zeitungsfeuilletons, in wissenschaftlichen Journalen und den Weiten der digitalen Blogosphäre gehören. Ihr geht die Hoffnung voraus, der Auseinandersetzung mit den genannten Phänomenen empirisches Material und analytische Begriffe beizusteuern. Ersteres ist Ziel der vom Material ausgehenden diskursanalytischen Untersuchung, letzteres Resultat einer theoretischen Erschließung struktureller Krisentendenzen moderner Vergesellschaftung. Compact erscheint dann als ein konkreter Fall eines allgemeinen Phänomens, das an anderen Orten andere Entsprechungen aufweist.
Leserinnen und Leser werden bei der Lektüre der theoretischen Überlegungen feststellen, dass sich ihre Form bisweilen an akademischen Gepflogenheiten orientiert und ihr Stil von der empirischen Analyse des Compact-Magazins unterschieden ist. Aufgrund der aktuellen Relevanz haben sich Autor und Herausgeber entschieden, die eigentümliche Form keiner zeitaufwendigen sprachlichen Glättung zu unterziehen, sondern sie als theoretische Unterfütterung und nützliche Ergänzung einer häufig leider nur schlagwortgespickten Schematisierung beizubehalten. Wem indes an einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit Compact gelegen ist, dem sei vor allem der Blick in das vierte und fünfte Kapitel empfohlen.
Spätestens der überraschende Wahlsieg Donald Trumps im November des letzten Jahres verdeutlicht, welchen Einfluss publizistische Skandalisierungsangebote auch mit geringem Ressourceneinsatz erlangen können. Im amerikanischen Wahlkampf trug das Onlineportal des digitalisierten Rechtspopulismus, Breitbart, das seit 2007 eine Revolution gegen das Establishment, die etablierten Medien und politische Korrektheit führt, wesentlich zur Verbreitung von Feindbildern, politischer Paranoia und ideologischen Schlagwörtern bei. Der Aufstieg von Breitbart, das unter Stephen Bannon zu einer Plattform für die amerikanische »Alt-Right« erklärt wurde, ähnelt in gewisser Weise dem des Compact-Magazins. Möglicherweise bekommt dieses durch die angekündigte Expansion von Breibart in Kontinentaleuropa nun bald einen weiteren Verbündeten im Kampf um Desinformation zur Seite gestellt. Gegen diesen Erfolg soll das vorliegende Buch einen weiteren Beitrag leisten.
Für die unterstützende Betreuung danke ich Prof. Dominik Schräge und Dr. Tino Heim, für hilfreiche Anregungen, Korrekturhinweise und interessierte Diskussionen meinen Kommilitonen und Freunden Jan Ackermann, Markus Ciesiel-ski, Markus Herklotz, Justus Pötzsch, Mathias Pleger und Tim Zeidler. Schließlich gebührt auch Helmut Kellershohn für die Korrektur des Manuskripts und dem Unrast-Verlag für die unkomplizierte Möglichkeit der Veröffentlichung mein außerordentlicher Dank.
Dresden im Januar 2017 Felix Schilk
In der Artikelserie „Über Rassismus reden“ in der taz meldete sich Mark Terkessidis mit einem Beitrag zu Wort.
„Eigentlich hat Deutschland eine eigene Tradition der Rassismuskritik. Wir sollten uns daran erinnern, statt US-amerikanische Theorien abzukupfern.“
Mark Terkessisdis schreibt:
„Was mir immer wieder in der öffentlichen Debatte auffällt, ist der Mangel an Kontinuität oder Traditionsbildung im Bereich Antirassismus – man könnte von einer „Amnesie des Antirassismus“ sprechen. (…)
Die Amnesie nun macht sich bemerkbar, wenn in der Öffentlichkeit alle Jahre wieder die gleichen Phänomene beschrieben und beklagt werden, als würde das alles zum ersten Mal passieren. Es könnte helfen, eine Sprache zu finden, wenn man sich daran erinnert, dass vieles zuvor schon gesagt wurde bei Yüksel Pazarkaya, Dursun Akcam, Giorgos Tsiakalos, Haris Katsoulis, Lutz Hoffmann, Herbert Even, Katharina Oguntoye, May Ayim, Annita Kalpaka, Nora Räthzel, Hennig Melber, Santina Battaglia, den Filmen von „Kanak TV“ und vielen mehr. Schon gehört?
Zudem erinnert kaum jemand an Arbeiten der „autonomen l.u.p.u.s. Gruppe“ oder die Pionierarbeiten des Duisburger Instituts für Sozialforschung. Der Mangel an Erinnerung hat damit zu tun, dass das Thema in den sozialen Bewegungen kaum aufgegriffen wird – im Vordergrund steht hier zumeist die Unterstützung von Geflüchteten oder der Kampf „gegen rechts“.“
Den vollständigen Text von Mark Terkessidis lesen Sie hier: taz 20.2.2017 – Da war doch was?
In der DISS-Online-Bibliothek erschien eine Analyse zum aktuellen Richtungsstreit innerhalb der AfD zwischen dem Petry-Flügel und dem Höcke-Flügel.
Helmut Kellershohn: Kampf zweier Linien. Über das Verhältnis von AfD und der Neuen Rechten
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass beide Fraktionen neu-rechts zu verorten sind: Junge Freiheit versus Institut für Staatspolitik.
Mit diesem Gegensatz sind gewissermaßen die Entwicklung der Neuen Rechten und die der AfD unmittelbar miteinander in einem Kampf zweier Linien verwoben. Die weitere Entwicklung der AfD (und mit ihr die der Neuen Rechten) wird u.a. davon abhängig sein, inwieweit sie es schafft, unterschiedliche und womöglich sich als inkompatibel erweisende Parteikonzepte miteinander zu vermitteln. Auf der einen Seite verlockt die Perspektive, es den anderen Parteien gleich zu tun und den Karriereweg einer klassischen Partei einzuschlagen: Einzug in den Bundestag, Status der Koalitionsfähigkeit, Regierungsbeteiligung, Regierungsübernahme. Das Etikett „Volkspartei“, das sich die AfD nur zu gerne anheftet, würde es erforderlich machen, den eigenen Anspruch durch die Anbindung von außerparlamentarischen Vorfeldorganisationen und -bewegungen zumindest soweit zu unterstreichen, dass man sich legitimatorisch auf sie berufen kann. Der Schwerpunkt läge auf der Parlamentsarbeit, ein zweites Standbein auf der Bedienung von Ansprüchen seitens der Basisorganisationen. Propagandistisch würde dieses Konzept durch die JF unterstützt.
Das zweite Parteikonzept verdichtet sich in der bereits erwähnten Formulierung Björn Höckes, der die AfD als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ verstanden wissen möchte. Fundamentaloppositionell heißt, so Höcke in seiner Dresdner Rede (17.01.2017), „diesen Staat, den wir erhalten wollen, vor den verbrauchten politischen Altparteien zu schützen, die ihn nur missbrauchen, um ihn abzuschaffen.“ Und als Bewegungspartei müsse die AfD „immer wieder auf der Straße präsent sein und […] im engsten Kontakt mit den befreundeten Bürgerbewegungen stehen.“ Der Schwerpunkt liegt hier erstens auf der Dienstbarmachung der Partei für außerparlamentarische Bewegungen; das Parlament wäre dann im Liebknechtschen Sinne die „Tribüne“, auf der die Ansprüche dieser Bewegungen (an deren Aushandlung man natürlich selbst maßgeblich beteiligt wäre) artikuliert würden. Zweitens liegt die Betonung auf der Befürchtung, dass der „lange Marsch durch die Institutionen“ die AfD zu einer Staatspartei deformieren könnte, die nicht mehr in der Lage wäre, den nötigen Umbau des Staates und des „Systems“ generell zu bewerkstelligen. Im Hintergrund steht hier die Auffassung des anderen Teils der Neuen Rechten rund um das IfS. Götz Kubitschek, Stichwortgeber für Björn Höcke und Pegida, beruft sich auf Robert Michels Parteientheorie, wonach Organisationen generell und speziell auch demokratische Parteien zu Bürokratisierung, zur Herausbildung einer Machtelite und in der Folge zu einer Oligarchisierung tendierten. Bei Höcke heißt es: „…jede Partei hat eine schlimme Tendenz, und das ist die Tendenz der Oligarchisierung und der Erstarrung. Diese Tendenzen … sind Parteien immanent, das sind praktisch die Naturgesetzlichkeiten des Parteienstaates“. Bekanntlich trat Michels 1928 der faschistischen Partei Italiens bei und stimmte der von Mussolini vorgebrachten Kritik an der „als ewig unfruchtbar und als innerlich unwahr betrachteten Demokratie“ zu und propagierte nun eine faschismusaffine Theorie der Elite als einer bewussten und energischen, nötigenfalls opferbereiten Minderheit, der die wahre Macht im Staat zukommen müsse. Diese opferbereite, idealistische Elite schwebt Kubitschek als Vorbild offensichtlich vor, auch wenn er sie in Kategorien kleidet, die Spengler und Ernst Jünger entlehnt sind. Björn Höcke, der bereits mehrfach mit NS-Anspielungen zu provozieren suchte, drückt sich da schon klarer aus, wenn er, darauf weist Andreas Kemper hin, von einer „Tat“-Elite im Unterschied zu den demokratischen „Pseudo-Eliten“ spricht und damit auf eine Selbstbezeichnung der SS zurückgreift. Sollten sich derartige Konzepte als zentrales Element einer „fundamentaloppositionellen Bewegungspartei“ in der AfD durchsetzen, kann man sich nur schwer vorstellen, dass dies ohne erneute Spaltungsprozesse abgehen würde.
Lesen Sie den vollständigen Text in der DISS-Online-Bibliothek:
Helmut Kellershohn: Kampf zweier Linien. Über das Verhältnis von AfD und der Neuen Rechten