Zum Bochumer Tortenprozess

Neues Bilderverbot durch Bochumer Tortenprozess:
Stehen wir vor einer Einschränkung der Pressefreiheit?

Autor: Rolf van Raden

Vor dem Bochumer Amtsgericht hat am Mittwoch ein Aufsehen erregender Prozess stattgefunden: Der verantwortliche Redakteur des lokalen Internetportals bo-alternativ ist zu einer Strafe von 1.500 Euro verurteilt worden, weil er ein Anti-Nazi-Plakat dokumentiert hat. Auf dem Plakat ist eine Comicfigur zu sehen, die eine Torte in der Hand hält. In den Augen der Staatsanwaltschaft und der Richterin stellt die Abbildung auf dieser Seite aus dem Jahr 2008 einen „Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“ dar.

http://www.bo-alternativ.de/aktuell/wp-content/uploads/2008/10/nazistopp.jpg
„Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“? Die dokumentierende Abbildung dieser Grafik soll strafbar sein.

Es handelt sich bereits um den dritten Prozess zum Thema – vor einem Jahr gab es bereits einen Freispruch, worauf die Staatsanwaltschaft allerdings Revision einlegte. Der beschuldigte Redakteur hat jetzt angekündigt, gegen das neue Urteil selbst in Berufung zu gehen. Sollte die Verurteilung vor weiteren Instanzen Bestand haben, könnte das die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland empfindlich einschränken.

Die Anklage der Bochumer Staatsanwaltschaft (hier im Wortlaut) stand von Anfang an unter massiver Kritik. In einer Solidaritätserklärung bewerteten eine Reihe prominenter Persönlichkeiten den Prozess als einen „Affront gegen die Menschen, die sich am 25. Oktober in Bochum und an anderen Tagen in anderen Städten den Nazi-Aufmärschen entgegen stellten.” Andere BeobachterInnen weisen darauf hin, welche politischen Folgen die Verurteilung haben kann: Wenn nämlich schon die Abbildung einer Comicfigur mit einer Torte in der Hand dazu ausreicht, um das Recht auf Äußerungsfreiheit im Internet einzuschränken, dann wäre der behördlichen Willkür Tür und Tor geöffnet.

Die Anklage hat die Abbildung einer Torte zu einer „getarnten Bombe“ umgedeutet. Damit aber nicht genug. Denn im nächsten Schritt erklärte die Staatsanwaltschaft die angebliche Bombe zu einem verbotenen Aufruf, „Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, ohne behördliche Genehmigung mit sich zu führen und diese zur Begehung von Vergehen der gefährlichen Körperverletzung einzusetzen“. In einfache Sprache übersetzt behauptet die Staatsanwaltschaft: Indem das Internetportal das Plakat dokumentiert, rufe es dazu auf, mit Waffen zur Demo zu gehen und diese zu benutzen.

Kommt die Staatsanwaltschaft mit dieser obskuren Argumentation durch, wäre künftig keine grafische Veröffentlichung mehr vor solch aggressiver Interpretation und Umdeutung geschützt. Ein Plakat mit einer erhobenen Faust? Klar, da holt jemand zum Schlag aus. Es droht ein neues Bilderverbot für politische Publikationen. Und noch mehr: Die Strafverfolgungsbehörden bekämen ein einfaches wie mächtiges Instrument an die Hand, um politisch missliebige Äußerungen weitgehend willkürlich zu kriminalisieren. Das wäre eine massive Einschränkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit – und weil es sich bei dem Angeklagten ja nicht einmal um den Plakat-Urheber, sondern lediglich um den Redakteur eines Internetportals handelt, auch um eine Aushebelung der Pressefreiheit.

Der Diskursanalytiker und Herausgeber der Zeitschrift kultuRRevolution Jürgen Link ging noch einen Schritt weiter. Bereits anlässlich des ersten Tortenprozesses vor einem Jahr veröffentlichte er eine „Diskursanalytische Wortmeldung“, in welcher er deutlich machte: Selbst, wenn auf dem Plakat tatsächlich eine Bombe zu sehen wäre, würde es sich dadurch nicht um einen Aufruf zu Gewalt handeln – weil bei einer Interpretation immer Kollektivsymboliken und diskursive Kontexte zu berücksichtigen sind. Um das zu verdeutlichen, überträgt Link das Argumentationsmuster der Staatsanwaltschaft probeweise auf eine Karikatur, welche die WAZ elf Jahre zuvor veröffentlicht hatte. In der Grafik ist der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe zu sehen, der den im Rollstuhl sitzenden Wolfgang Schäuble mit einem Panzer bedroht. Folge man der Logik der Bochumer Staatsanwaltschaft, stelle diese Veröffentlichung „zweifelsfrei sogar einen Aufruf zum Mord dar.“ Jürgen Link weiter: „Staatsanwältin W. weiß nicht, dass Karikaturen Konflikte symbolisch darstellen und dazu groteske Übertreibungen als ihr wesentliches Mittel einsetzen müssen. ‚Panzer’ bedeutet symbolisch ‚große Entschlossenheit’ (und nicht: realer Panzereinsatz!!!) – Torte mit Lunte bedeutet symbolisch ‚Entschlossenheit mit Spaß’ (erheblich kleinere als Panzer!!!), und nicht realen Terrorismus! Man muss schon nicht bloß völlig humorlos, sondern außerdem diskursanalytisch eine Null sein, um derart danebenhauen (keine Unterstellung, Staatsanwältin W. habe wirklich zugeschlagen!!!) zu können.” Zum vollständigen Text von Jürgen Link.

Ob die Staatsanwaltschaft und die vorsitzende Richterin tatsächlich diskursanalytische Nullen sind, oder ob es andere Gründe dafür gibt, dass sie eine Interpretation des Plakats für gültig erklären, die überhaupt nichts mit der tatsächlichen diskursiven Wirkung der Veröffentlichung zu tun hat, das kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Fest steht jedenfalls, dass die Demonstration, zu der das Plakat aufrief, selbst in den Augen der Polizei völlig friedlich verlaufen ist. Und obwohl die Polizei – wie zu solchen Anlässen üblich – umfangreiche Taschenkontrollen durchführte, konnte sie nicht einen einzigen „gefährlichen Gegenstand“ finden – weder als Torten getarnte Bomben, noch andere Gegenstände, die zur Beschlagnahme geeignet waren. Darüber hinaus ist der jetzt wegen „Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“ verurteilte Redakteur seit Jahrzehnten ein aktives Mitglied der Friedensbewegung und für seine kompromisslos gewaltfreie politische Linie bekannt.

Diese Tatsachen verweisen auf eine Fragestellung, um die es bei der Berufungsverhandlung zumindest implizit auch gehen wird: Wenn Strafverfolgungsbehörden und Gerichte über die Strafbarkeit einer Publikation befinden, dürfen sie dann einfach eine Interpretation zur Grundlage machen, die weder vom Publizisten selbst, noch von der Zielgruppe der Publikation, und noch nicht einmal im Rahmen des Hegemonialdiskurses als naheliegend oder gar zwingend angesehen wird? Oder verletzen die Behörden vielleicht sogar ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie sich auf eine Interpretation berufen, die nichts mit den diskursiven Verhältnissen zu tun hat, in denen die Publikation veröffentlicht worden ist?

Diese Fragen sind aus einer diskurs- und machtanalytischen Perspektive interessant. In der politischen Dimension wird in der Berufungsverhandlung allerdings nicht weniger verhandelt als die Reichweite der Grundrechte auf Presse- und Äußerungsfreiheit. Deswegen ist sicher, dass weiterhin viele Augen auf den Bochumer Tortenprozess gerichtet sein werden.

Zum Weiterlesen: Alle Stellungnahmen und Berichte zum Bochumer Tortenprozess auf bo-alternativ.de

Wortmeldung

Netzfundstück: Hymnen, Flaggen, Fangesänge

Der Internet-Sender detektor.fm aus leipzig sendete heute ein Interview mit DISS-Mitarbeiter Jens Zimmermann zum Thema »Hymnen, Flaggen, Fangesänge – wie weit ist es zur Menschenfeindlichkeit?«.

Anmoderation:

Fußball verbindet. Doch leider sind oftmals auch Rassismus, Homophobie und Menschenfeindlichkeit mit im Stadion. Ein Interview über Flaggen, Hymnen und die Gretchenfrage, wieviel unbeschwertes Feiern erlaubt ist.

Eigentlich ist es ja das normalste der Welt: die Flaggen und Fahnen, die zur WM überall auftauchen. Natürlich drückt man seinem Heimatland die Daumen – und warum sollte man das nicht auch zeigen. Das Ganze hat aber manchmal auch eine Kehrseite – und die ist für die, die im Feiertaumel sind, nur schwer zu erkennen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Sport. Während eines solchen Großereignisses wie der WM treffen verschiedenste Nationen aufeinander. Die Frage ist also: baut sowas Vorurteile ab? Oder brechen sie dadurch erst recht auf?

Darüber sprechen wir jetzt mit einem Experten vom  Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, kurz DISS. Dort wird seit 1987 beobachtet und erforscht, wie sich Rechtsextremismus, Rassismus und sozialer Ausgrenzung in der Gesellschaft entwickeln, wie darüber debattiert wird, wo es sich festsetzt. Die Forscher sprechen dabei von Diskursen. Und wie präsent solche menschenfeindlichen Diskurse im Fußball sind, das fragen wir Jens Zimmermann vom DISS.

Das Interview können Sie als mp3-Audio-Datei von der Website von detektor.fm herunterladen (8:20 Minuten, 8 MB):

http://detektor.fm/download/?file=/images/uploads/mp3/Jens_Zimmermann_ber_Rassismus_und_Fremdenfeindlichkeit_im_Fuball_WEBSITE_1.mp3

Netzfundstück: Politologentrug

Auf der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist ein Text von Prof. Wolfgang Wippermann abrufbar, der auf einem Vortrag beruht, den er im März 2010 in Duisburg gehalten hat:

Politologentrug
Ideologiekritik der Extremismus-Legende

Herausgeber Friedrich Burschel schreibt in seiner Einleitung u.a.:

Dem Text «Politologentrug» von Wolfgang Wippermann liegt sein Vortrag beim Gesprächskreis «Rechtsextremismus» der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin in Duisburg am 19. März 2010 zugrunde. In Kooperation mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) stellten drei Wissenschaftler ihre Thesen zum «Extremismus»-Begriff zur Diskussion. Neben Professor Wippermann sprachen Stefan Kausch (Forum Kritische Rechtsextremismusforschung, Leipzig) zu «Ordnung.Macht.Extremismus. Das Konstrukt der ‹guten Mitte› und alternative Perspektiven» sowie der DISS-Mitarbeiter Jens Zimmermann zu «Wissenschaftstheoretischen Elementen einer Kritik der Extremismusforschung und Kritische Diskursanalyse als alternative Perspektive für eine kritische Rechtsextremismusforschung». Dem Gesprächskreis ging es um die Problematik des Extremismusbegriffs und seine politische Instrumentalisierung. In den zurückliegenden Monaten konnte beobachtet werden, wie der seit Jahren umstrittene und wissenschaftlich eigentlich verworfene Begriff des Extremismus fröhliche Urstände feiert und in durchsichtiger Weise instrumentell in Dienst genommen wird.

Den vollständigen Text finden Sie HIER.

Fratzen des Antisemitismus

Facebook-NutzerInnen propagieren radikale Judenfeindschaft auf neuem Niveau

Autor: Jonathan Messer

Die Meldung war am 31. Mai kaum aus dem Nachrichtenticker, da kommentierten eifrige Facebook-NutzerInnen schon den israelischen Militäreinsatz gegen eine Schiffsflotte mit Hilfsgütern für den abgeriegelten Gaza-Streifen. Dass ein politisches Ereignis in die Aufmerksamkeitssphäre des interaktiven „sozialen Netzwerkes“ gerät, ist schon eine Besonderheit. Zu Selbstbezüglich agieren solche Gruppen sonst. Dieses mal jedoch gab es kein Halten mehr – schließlich ging es um Israel. Und so verschlug es selbst den hartgesottenen LeserInnen den Atem, was dort auf den persönlichen Profilen der NutzerInnen gepostet wurde.

Großer Beliebtheit erfreuten sich krude und verfälschte Hitler-Zitate. Dazu kamen unzählige weitere Referenzen, die keinen Hehl daraus machten, dass es der einzige Fehler Hitlers war, nicht alle Juden umgebracht zu haben. Das alles passte gut zur Überzeugung mancher NutzerInnen, dass der Holocaust sicher keine unbegründete Sache gewesen sei, wie man an den aktuellen Ereignissen sehen könne, und er es im Grunde verdiene, fortgeführt zu werden. ((Ich verzichte bewusst auf eine Zitation und Verlinkung der Aussagen, da ich ansonsten direkt auf die Profile der NutzerInnen verweisen würde. Wer dennoch die Originalzitate haben möchte, kann sie beim Autor anfragen.)) Solch‘ unverblümte Affirmation von offenem Vernichtungsantisemitismus würde an sich reichen, um vor Scham den Browser zu schließen. Es grenzt so schon ans Unerträgliche. Doch wenn es um Israel und Juden geht – das ist für die alle ProtagonistInnnen der Hetze selbstredend dasselbe –, kennt der Wahnsinn keine Grenzen. In muskelbetonter Pose, lockerem Outfit oder flankiert vom Hochzeitsbild geben die selbsterklärten ExpertInnen für Nahostpolitik ihre Judenfeindschaft zum Besten.

Auch das ansonsten sehr beliebte Anonymisieren durch Nicknames ist deshalb nicht nötig: man bürgt mit seinem Namen. Die Datenschutzpolitik von Facebook, welche in den letzten Jahren immer mehr in die Kritik geraten ist, tut hier ihr übriges, um die Postings öffentlich zu machen. ((Mehr Kontrolle übers eigene Profil, 27.5.2010 http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/mehr-kontrolle-bei-persoenlichen-daten/)) Viele NutzerInnen werden nicht wissen, dass ihr Profil auch von Nicht-Mitgliedern einsehbar ist und nicht nur „Freunde“ die Postings lesen können. So reicht ein Sucheintrag auf der Seite youropenbook, um die judenfeindlichen Äußerungen auf dem Silbertablett serviert zu bekommen.

Blanker Hass scheint in Teilen der Facebook-Gemeinschaft kein Tabu mehr zu sein – bewusst und offen verschafft man seinem Vernichtungswunsch Luft. Auch aktuell reißt die Flut an antisemitischen Postings nicht ab – davon kann man sich leicht im Netz überzeugen. Mittlerweile – nachdem unter anderem der österreichische Standard ((Gaza-Hilfsflotte: User toben sich auf Facebook antisemitisch aus, 01. Juni 2010 http://derstandard.at/1271377916109/Gaza-Hilfsflotte-User-toben-sich-auf-Facebook-antisemitisch-aus)) über die Vorfälle berichtete – mehrt sich jedoch auch die Gegenwehr anderer NutzerInnen, die sich mit der Hetze nicht abfinden wollen. Doch als Mittel stehen ihnen kaum mehr als Gegenpostings und Löschanträge ((Löschanträge müssen auf Facebook für jeden einzelnen Eintrag (!) verfasst werden.)) zur Verfügung, die anschließend von den Betreibern geprüft werden. Ein insgesamt zeitaufwändiges und mühseliges Verfahren, denn für beständigen Nachschub an Einträgen scheint gesorgt zu sein. Die Aussicht auf Erfolg ist klein. Und so wird sich das perpetuum mobile auf Facebook weiter drehen, zumal vermehrt antiarabische und antiislamische Postings als Kritik am Antisemitismus missverstanden werden.

Die aktuellen judenfeindlichen Auswüchse sind nicht als isoliertes Phänomen misszuverstehen. Insgesamt scheint es sich um eine Entgrenzung des Antisemitismus im Netz zu handeln. Dafür spricht auch, dass angesichts der Finanzkrise im Jahr 2008 „jüdische Spekulanten“ in zahlreichen Internetforen als Verantwortliche für den Crash ausgemacht wurden. ((vgl. DISS-Journal 18, 7 http://www.diss-duisburg.de/DISS-Journale/diss-journal-18-2009.pdf)) Und auch im Zuge der israelischen Katastrophenhilfe für die Erdbebenopfer auf Haiti kursierte das Gerücht, jüdische Ärzte würden dort den Opfern Organe für den israelischen Schwarzmarkt entnehmen ((Haiti und das antisemitische Nachbeben im Web http://www.hagalil.com/archiv/2010/01/20/haiti-2/)). Das alles sind modernisierte Remakes klassischer antisemitischer Klischees, die auch in Zukunft das Internet zu genüge bevölkern werden.

Pro NRW: Der Kreuzzug wird vertagt

Autor: Michael Lausberg

Ein „politisches Erdbeben an Rhein und Ruhr“ und einen Tag der Abrechnung“ hatte die Partei Pro NRW angekündigt. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai verfehlte sie deutlich ihr selbst gestecktes Ziel von 5%+x. Trotzdem redet sie sich das Ergebnis schön.

Auf dem „Programmparteitag“ von Pro NRW am 19.2.2010 im „Forum Leverkusen“ verkündete ihr Vorsitzender Markus Beisicht den Einzug in den Landtag als leicht erreichbares Ziel:

„Eine Rüttgers-CDU, die schon Planspiele für eine schwarz-grüne Koalition macht, kann keine Alternative für konservative und patriotische Bürger dieses Bundeslandes mehr sein. Wir dagegen füllen das Vakuum zwischen den prinzipienlosen Altparteien in der Mitte und abgehalfterten Splittergruppierungen im Rechtsaußenbereich. Wir machen eine Politik für die einheimische Bevölkerung im Stile unserer Partnerparteien FPÖ und Vlaams Belang, die dafür in ihren Heimatländern Wahlergebnisse von 20 % und mehr der Stimmen erreichen. „Pro NRW: Der Kreuzzug wird vertagt“ weiterlesen

1. Mai: PRO-Zirkus in Solingen

Autor: Martin Dietzsch

„Wir werden die letzte Wahlkampfwoche mit einem Paukenschlag in der Klingenstadt Solingen eröffnen.“ Die „zentrale Wahlkampfkundgebung von pro NRW“ sollte am 1. Mai in Solingen stattfinden und „die letzte und alles entscheidende Woche des Landtagswahlkampfes“ einläuten. Glaubt man den Verlautbarungen der Bewegung im Internet, schreitet sie von Erfolg zu Erfolg voran zum „Tag der Abrechnung“, umjubelt von der begeisterten Bevölkerung.

Foto: 1.5.2010, Bus mit Aufschrift "Kreuzzug für das Abendland"
Mit einem „Keuzzug für das Abendland“ droht der Pro-Brinkmann-Bus. Für Juden und alle anderen Gottlosen und Ketzer hat diese Parole einen ganz besonderen Klang. Im Heckfenster: Rechtsradikale, die sich hinter einer Israel-Fahne verstecken.
Foto: 1.5.2010 PRO Solingen - Totale
Höhepunkt des „fulminanten“ (M. Beisicht) Landtagswahlkampfes. Die Polizei will 70 Teilnehmer gezählt haben, realistisch wäre wohl eher die Zahl 40. PRO machte daraus bescheiden 150.
Foto: 1.5.2010 Solingen, Rouhs verteilt JF
Es ist genug für alle da! Der Vorsitzende von „Pro Deutschland“, Manfred Rouhs (ex-JU, ex-JN/NPD, ex-REP, ex-DLVH), verteilt Freiexemplare der „Jungen Freiheit“ an die Teilnehmer.

Foto: Solingen 1.5.2010
Patrik Brinkmann sitzt in seiner albernen Brinkmann-Jacke mit Brinkmann-Aufschrift auf einer Bank. Im Hintergrund: Gegendemonstranten. Im Vordergrund: ein alter Bekannter, mal wieder auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld.

„Pro NRW“ ist wahrlich eine Rechtspartei Neuen Typs. Die gesamte Partei passt in einen einzigen Reisebus. Und die Gegendemonstranten werden genial zermürbt durch geringe eigene Teilnehmerzahlen. In einem Punkt hat die virtuelle PRO-Erfolgsberichterstattung allerdings Recht. Die Solinger Bevölkerung begleitete den Abzug der PROler mit fröhlichem, spontanem Beifall. Allerdings erklang dabei im Chor der Ruf „Auf Nimmer-Wiedersehen!“

Am 9. Mai werden wir sehen, ob der „rechtspopulistische“ Dummenfang und der Appell an die niedrigsten Instinkte Erfolg hat und die PRO-Schulden aus Steuermitteln beglichen werden müssen.

Weitere Berichte aus Solingen finden Sie hier: Mit Deutschlandflagge und Wurststulle auf Kreuzzug für das Abendland und hier: Braunes Kurzgastspiel im bunten Solingen.

Braunes Kurzgastspiel im bunten Solingen

Die Deutsche Gildenschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus

Im „Dienst an der nationalsozialistischen Revolution“
Die Deutsche Gildenschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus

Autor: Helmut Kellershohn

[Bitte beachten Sie den Link zum Download des kompletten Textes am Ende dieses Blogeintrags]

Die Geschichte der Deutschen Gildenschaft (DG), einer akademischen Korporation, die mittlerweile auf eine rund achtzigjährige Tradition zurückblicken kann, ist aufs engste mit der Geschichte der deutschen Jugendbewegung, insbesondere mit der der Bündischen Jugend verbunden. Freilich ist selbst die Existenz dieser Korporation einer größeren Öffentlichkeit im allgemeinen nicht bekannt, so daß es sinnvoll erscheinen mag, zunächst ein Kurzporträt der Gildenschaft voranzuschicken, um von dort aus die Fragestellung nach dem Verhältnis der Gildenschaft zum Nationalsozialismus aufzuwerfen. „Die Deutsche Gildenschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus“ weiterlesen

Pro NRW und Die Reise nach Absurdistan

Autor: Michael Lausberg

Die Merkez-Moschee in Duisburg der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) ist eine islamische Gebetsstätte im Stadtteil Duisburg-Marxloh. Im Jahre 2004 wurde beschlossen, die provisorische Moschee in einer früheren Zechenkantine durch einen Moscheeneubau zu ersetzen. In einem eigens dafür gebildeten Beirat saßen VertreterInnen der christlichen Kirchen, der Parteien und aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen Marxlohs. Die Moschee, die am 26.10.2008 eröffnet wurde, ist eine der größten in der Bundesrepublik. An der offiziellen Einweihung nahmen der katholische Bischof von Essen, Felix Genn, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der Türkei, Ali Bardakoglu, teil. ((Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Oktober 2008))

In das Gebäude ist eine Begegnungsstätte mit einer Islam-Bibliothek/Islam-Archiv, einem Bistro und mehreren Seminarräumen integriert. Die Moschee mit einer interreligiösen und interkulturellen Begegnungsstätte steht unter dem Motto „Dialog unter der Kuppel“, das ein Miteinander der Kulturen und Religionen ermöglichen soll. ((www.ditip-du.de/index.php?option=com_content&view=frontpage&Itemid=61))

Kurz nach der Eröffnung der Merkez-Moschee hetzte Pro NRW gegen den Neubau, der „als Symbol der schleichenden Islamisierung“ bezeichnet wurde. ((Lausberg, M.: Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte, Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“, Münster 2010, S. 68)) Verschwiegen wurde von Pro NRW jedoch, das Pro NRW-Mitglied Günther Kissel die Rohbauarbeiten der Moschee durchführte. ((Kölner Stadt-Anzeiger vom 27.11.2007)) „Pro NRW und Die Reise nach Absurdistan“ weiterlesen

Schulungsmaterial für den Nachwuchs

Das „Institut für Staatspolitik“ setzt auf Elitenbildung

Autor: Helmut Kellershohn

Unlängst veröffentlichte das „Institut für Staatspolitik“ den ersten Band ihres „Staatspolitische(n) Handbuch(s)“ mit dem Titel „Leitbegriffe“: Ein „Wörterbuch“ zum leichteren Gebrauch konservativer Weltanschauung für die zukünftige jungkonservative Elite.

Jede politische Bewegung kennt ihre ‚Klassiker’, um deren Exegese und aktualisierende Interpretation sie sich immer und immer wieder bemüht; sie verfügt zumeist über eine reichhaltige Literatur, in der die verschiedenen Verästelungen ihres Weltbildes und die brennenden Fragen des politischen Tageskampfes in immer neuen Spezialstudien ausgeleuchtet werden. Und sie kennt ihre ‚Kompendien’, in denen das „Grundwissen“ lehrbuch- oder lexikonartig zusammengefasst und für die Anhänger der Bewegung mehr oder weniger leicht verdaulich aufbereitet wird.

Um ein solches Kompendium handelt es sich bei dem kürzlich im Verlag „Edition Antaios“ erschienenen ersten Band des „Staatspolitischen Handbuchs“ des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), bekanntlich die Denkfabrik des jungkonservativen Flügels der Neuen Rechten. In der Form eines „Wörterbuchs“ hat hier der Autor Karlheinz Weißmann an die hundert „Leitbegriffe“ zusammengetragen, von denen er annimmt, dass sie zum Kanon „der konservativen Weltanschauung“ gehören. „Schulungsmaterial für den Nachwuchs“ weiterlesen

Konservative Reconquista?

Aus dem Umkreis der Jungen Freiheit wird eine erneute Attacke gegen die CDU-Führung vorgetragen.

Autor: Helmut Kellershohn

Wir erinnern uns: Als der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann wegen seiner mit antisemitischen Anspielungen gespickten Rede aus der CDU ausgeschlossen werden sollte, organisierte ein Sympathisantenkreis einen Aufruf zu Gunsten Hohmanns. Damals fiel auf, dass ein Großteil der Erstunterzeichner mit der jungkonservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) in Verbindung gebracht werden konnte. Zurzeit wiederholt sich dieses Schauspiel, diesmal jedoch im Rahmen einer neuen Konstellation und – vor allem – auf einer breiteren Basis.

Am 13. Februar veröffentlichte eine Gruppe von konservativen Zeitgenossen auf Initiative des Rechtsanwalts Friedrich-Wilhelm Siebecke ein „Manifest gegen den Linkstrend“ in der CDU. „Konservative Reconquista?“ weiterlesen