Netzfundstücke: „Der ethnische Blick ist nicht hilfreich“

In der Oktober-Ausgabe des Straßenmagazins Bodo aus Dortmund erschien ein Interview mit dem Journalisten Norbert Mappes-Niediek. Sein Buch „Arme Roma, böse Zigeuner – Was an den Vorurteilen über die Zuwanderer stimmt“ sei an dieser Stelle noch einmal empfohlen. Eine Rezension finden Sie im DISS-Journal 24.

Das Bodo-Interview ist inzwischen auch auf dem Blog Ruhrbarone nachzulesen. Norbert Mappes-Niediek reiht sich erfreulicherweise nicht ein in die Riege der selbsternannten Experten, die dem Eingeborenenpublikum erzählen, was es hören will: wie „die Roma“ vermeintlich wirklich seien und warum sie an ihrem Elend selbst Schuld seien.

Eine zentrale Passage des Interviews möchte ich hier wiedergeben:

Pütter: In Ihrem Vortrag beschreiben Sie das Problem so: „80 Prozent Armut, 18 Prozent Balkan, 2 Prozent Roma“.

Mappes-Niediek: Was als romatypisch wahrgenommen wird, zum Beispiel der enge Familienzusammenhalt, ist unterhalb der absoluten Armutsgrenze notwendig, überall. Man ist auf die Solidarität der Familie angewiesen, gleichzeitig behindert das den sozialen Aufstieg, denn die Solidarität wird ja auch eingefordert. Wenn du etwas verdienst, musst du den Anderen auch abgeben. Und wenn der Onkel eine Arbeitskraft braucht, dann gehst du eben nicht zur Arbeit oder zur Schule.
Und das führt natürlich dann auch dazu, dass patriarchalische Verhältnisse und Herrschaftsverhältnisse sich wieder älteren Vorbildern annähern. Und so entsteht das Missverständnis, das Verhalten der Roma sei für ihre Armut zuständig.

Pütter: Wie beobachten also Roma-Armut, nicht Roma-Kultur?

Mappes-Niediek: Ja. Dass dieses Verhalten dann natürlich auch immer eine kulturelle Form trägt ist eine andere Frage, das ist immer so, sicher. Aber in der Substanz ist es tatsächlich von den sozialen Verhältnissen geprägt und nicht umgekehrt.

Pütter: Die gesamte Debatte um die neue Zuwanderung ist hingegen von ethnischen Begründungsmustern durchsetzt. Von „Problemhäusern“ über „Bettelbanden“ bis „Klaukids“ schwingt ein „Die sind so“ mit. Sie können nicht wohnen, nicht wirtschaften, usw.

Mappes-Niediek: Es ist nicht Kultur, das ist eine Ökonomie der Armut. Und daraus kann man lernen: Es müssen bestimmte Grundbedürfnisse erfüllt sein, damit sich das, was wir als ökonomisches Verhalten definieren – also Sparen, Investieren in Bildung und dergleichen – überhaupt entwickeln kann. Und unterhalb dessen sind wir auf eine ganz andere, nicht minder logische Ökonomie angewiesen. Der ethnische Blick ist nicht hilfreich.

 

Das vollständige Interview lesen Sie auf dem Blog Ruhrbarone: Roma: „Der ethnische Blick ist nicht hilfreich“. Oder – noch besser – kaufen Sie sich für 1,80 EUR die Oktober-Ausgabe des Straßenmagazins Bodo (Inhaltsübersicht).

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Ein weiteres vielbeachtetes und lesenswertes Buch zum Thema stammt von Klaus-Michael Bogdal: „Europa erfindet die Zigeuner: Eine Geschichte von Faszination und Verachtung“.

Es handelt sich um eine historisch-literaturwissenschaftlische Analyse des Diskurses über sogenannte „Zigeuner“ vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Wer vor dem Kauf eines 600-Seiten Wälzers zurückschreckt, dem sei versichert, dass das Buch trotz der Materialfülle gut lesbar ist und viele nützliche Denkanstöße enthält.

Bei einem Vortrag Bogdals in der Schweiz im Dezember 2012 wurden Teile auf Video mitgeschnitten und sind auf youtube abrufbar. Diese beiden Videos seien hier (trotz einiger technischer Mängel) empfohlen:

Institut Pierre Werner: Klaus-Michael Bogdal – Lesung/Lecture

Institut Pierre Werner: Klaus-Michael Bogdal – Interview

Netzfundstücke: Interviews zum Antiziganismus in Duisburg

In der Neuen Ruhr Zeitung (Duisburg) erschien heute ein Interview mit Prof. Siegfried Jäger.

Warum findet Einwanderung statt? Und warum gerade in Duisburg?

Jäger: Die Hauptursachen sind soziale Not, politische Verfolgung und Kriege. Duisburg gilt vielfach als menschenfreundlich und traditionell aufgeschlossen gegenüber Menschen aus anderen Weltgegenden.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: Institut spricht von alltäglichem Rassismus in Duisburg

Am gleichen Tag erschien in der Rheinischen Post ein Interview mit Martin Dietzsch.

Was kann man tun, damit sich die Situation nicht weiter verschärft?

Dietzsch In der angestammten Bevölkerung vermitteln, Vorurteile abbauen. Vor allem gegenüber den Roma existiert ein jahrhundertealter Kanon von Klischees. Da kommt keine anonyme Masse auf uns zu, sondern eine neue Welle von Einwanderern, wie sie Duisburg schon oft erlebt – und integriert – hat.

Das vollständge Interview finden Sie hier: „Gegenüber den Roma existiert ein Kanon an Klischees“

 

Presseerklärung des DISS

 

Presseerklärung des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS)

Die Ereignisse erinnern fatal an die rassistische Pogromstimmung von Anfang der 1990er Jahre“

 

Seit Mitte der 1980er Jahre befasst sich das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) mit den Reaktionen deutscher Bürgerinnen und Bürger auf die Einwanderung nach Deutschland. Siegfried Jäger, Professor an der Universität Duisburg/Essen und langjähriger Vorsitzender des DISS und das gesamte DISS-Team haben in einer Vielzahl von Projekten und Veröffentlichungen belegen können, dass in Deutschland ein alltäglicher Rassismus herrscht, der alle Bevölkerungsschichten erfasst hat und durch Politik und Medien fortlaufend geschürt wird. Rassismus ist keine Erfindung einiger extrem rechter Wirrköpfe, sondern ein gesellschaftliches Gesamtproblem, das von ihnen nur ausgenutzt wird. Will man Rassismus bekämpfen, sollte man nicht nur auf den extremen rechten Rand zielen, sondern auf die Faktoren, die diesen Rassismus beständig hervorbringen: z.B. eine restriktive Ausländerpolitik in Deutschland und die fast durchweg miserable Berichterstattung in den Medien.

Klar sollte werden: Zuwanderung ist ein Menschheitsphänomen seit es Menschen gibt. Anders gesagt: Seit es Menschen gibt, wandern sie. Diese Wanderungen waren und sind die Grundlage für das Entstehen großer Städte und Ballungsgebiete wie z. B. das Ruhrgebiet.

Die derzeitige Einwanderung von Menschen aus Südosteuropa nach Duisburg, Berlin und anderen Städten ist auf die riesige Armut und auch auf die Verfolgung der Roma vor allem in Rumänien und Bulgarien zurückzuführen. Außerdem fliehen Menschen vor Kriegen in Afghanistan, dem Irak, Syrien und anderswo.

Mit ihnen wandern auch andere Sprachen, Prägungen, Sitten, Gebräuche und Religionen in den Zielländern ein, was zwar immer auch eine Bereicherung bedeutet, aber auch Missverständnisse, Streitigkeiten und Belastungen nach sich ziehen kann.

Die Konsequenz daraus ist: Einwanderer brauchen Hilfe und Unterstützung. Das gilt aber auch für die von Armut betroffenen Eingeborenen. Und genau da liegen die Probleme: Die Hilfe und Unterstützung bleibt weitgehend aus, und damit die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. Damit eröffnet sich ein Betätigungsfeld für extreme Rechte. Die Konflikte eskalieren bis zu Pogromstimmung und Brandanschlägen, wie dies (nicht nur) in den 1990er Jahren in Rostock, Solingen und Mölln und in tausenden weiteren Gemeinden der Fall war. Die Idee der Demokratie gerät unter Druck, Einwanderer und Alteingesessene werden allein gelassen. Der Staat und seine Organe versagen.

Prof. Siegfried Jäger, der Gründer des DISS, erklärte:

„Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen rund um das Haus in Duisburg-Bergheim erinnern fatal an die rassistische Pogromstimmung von Anfang der 1990er Jahre.

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Ausländerpolitik. Eine Politik der Abschreckung, Ausgrenzung, der Assimilationsforderungen und der sozialen Vernachlässigung schafft Probleme statt sie zu lösen und sie schürt den Alltagsrassismus in der Bevölkerung.

Die akute Zuspitzung der Situation in Bergheim erfordert aber zunächst einmal sofortiges Handeln. Die Polizei und die Stadt Duisburg sind in der Pflicht, die Unversehrtheit der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses „In den Peschen“ sicherzustellen, damit Duisburg nicht bald schon durch eine neue vorhersehbare Katastrophe zum Ort des Schreckens wird.“

 

26. August 2013
Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
www.diss-duisburg.de

 

Alltagsdiskurse um Zuwanderung am Beispiel Duisburg-Hochfeld

Aufgrund der Aktualität und Brisanz antiziganistischer Diskurse und Übergriffe veröffentlichen wir die Bachelorarbeit von Bente Gießelmann, welche rassistische und antiziganistische Muster sowie narrative Strategien im Alltagsdiskurs in Duisburg untersucht und auf das Gewaltpotenzial alltäglicher Diskurse um Zuwander_innen hinweist.

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Neu in der DISS Online Bibliothek:

Bente Gießelmann
Differenzproduktion und Rassismus:
Diskursive Muster und narrative Strategien in Alltagsdiskursen um Zuwanderung am Beispiel Duisburg-Hochfeld
Bachelorarbeit
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
im Juli 2013
Veröffentlicht im August 2013
in der Online-Bibliothek des
Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung
Copyright 2013 Bente Gießelmann
bente.giesselmann [at] diss-duisburg.de

 

 

Bente Gießelmann studiert Kulturwissenschaften und ist Mitglied im AK Antiziganismus des DISS.

In ihrer Bachelorarbeit analysiert sie die rassistischen und antiziganistischen Dimensionen des Alltagsdiskurses in Duisburg-Hochfeld. Anhand dreier Interviews wird sichtbar, welche rassistischen und insbesondere antiziganistischen Zuschreibungen gegen Zuwander_innen aus Südosteuropa bedient werden und mit welchen Strategien diese kommuniziert werden. Die Beschreibungen der als anders markierten Zuwander_innen konstruieren ein Bedrohungsszenario und stützen ein Selbstbild der Interviewten als ‚Opfer von Zuwanderung‘. Nicht zuletzt verweist die Arbeit auf das vorhandene Gewaltpotenzial und die Wirkmächtigkeit rassistischer Diskurse, die räumlichen Ausschluss und gewaltvolles Handeln legitimieren.

Download der Arbeit als PDF-Datei: Bente Gießelmann: Differenzproduktion und Rassismus

Presserat und Minderheitenschutz – ein Erfahrungsbericht

von Alexandra Graevskaia

Wie man an den im aktuellen DISS-Journal zusammengefassten Ergebnissen der Analyse der Berichterstattung über die Zuwanderung nach Duisburg ((Vgl. den Beitrag „Die machen unser schönes Viertel kaputt“ – Rassismus und Antiziganismus am Beispiel Duisburg im DISS-Journal Nr. 25 und den gleichnamigen Beitrag in: Kellershohn, Helmut / Paul, Jobst (Hg.): Der Kampf um Räume: Neoliberale und extrem rechte Konzepte von Hegemonie und Expansion. Münster: Unrast, 2013 (im Erscheinen).)) erahnen kann, verstoßen einige der Artikel – aufgrund diskriminierender Inhalte und dem Schüren von Vorurteilen gegen eine Minderheit – gegen den Pressekodex. Der Presserat sieht es anders und lehnte eine vom DISS und von der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit beim ARIC-NRW (Anti-Rassismus Informations-Centrum) eingereichte Beschwerde ab. Wir haben gegen mehrere Artikel aus der Rheinischen Post und der WAZ wegen Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde ), 2 (Sorgfalt), 9 (Schutz der Ehre) und 12 (Diskriminierungen) des Pressekodex ((Der Pressekodex kann unter http://www.presserat.info/uploads/media/Pressekodex_2013.pdf abgerufen werden)) Beschwerde eingelegt. Zusammengefasst ging es darum, dass nicht belegte und größtenteils verallgemeinernde Äußerungen, sowie Nennung der Ethnie ohne begründeten Sachbezug für das Verständnis des berichteten Vorgangs, erfolgte.

Ein Beispiel dafür ist die Formulierung „Tochter seiner nach Sinti-Art angetrauten Frau in einem Artikel, der beschreibt wie ein Mann einen anderen, der dem Mädchen nachstellte, angriff. Dieses Detail ist unserer Ansicht nach irrelevant für den Inhalt des Artikels und suggeriert eine vermeintliche Andersartigkeit einer Sinti-Ehe, wodurch Vorurteile gegenüber dieser Minderheit geschürt wurden. Der Presserat folgt in seiner Ablehnung der Begründung des Justiziariats der WAZ NewMedia. Demnach sei das Detail wichtig, da man die Frau aufgrund nicht vorhandener standesamtlicher Trauung nicht als Ehefrau bezeichnen darf. Dass es sich um eine auf Dauer angelegte Beziehung handelt, sei für „die Motivation des Angeklagten“ sich für die Tochter seiner Frau verantwortlich zu fühlen, wichtig. Dass dieser Sinn nicht verloren geht, wenn im Artikel nur „Tochter seiner Frau“ stehen würde, sieht der Presserat nicht ein.

Ein anderer Artikel mit der Überschrift „Kriminelle Banden aus Osteuropa von Duisburg aus auf Raubzug in der Region“ enthält u.a. die problematische Formulierung „Die Polizei weiß natürlich, dass die Täter aus Duisburg-Hochfeld stammen, wo sich ein paar Tausend angesiedelt haben“. Durch den Satzbau werden tausende zugewanderten Menschen in Duisburg-Hochfeld pauschal als Täter_innen verunglimpft. Außerdem wurde im Artikel an mehreren Stellen die rumänische Staatsbürgerschaft der Festgenommenen betont. Der Presserat sieht darin allerdings keinen Verstoß gegen den Pressekodex, führt aber auch keinen begründeten Sachbezug für die Nennung der Nationalität auf. Als Begründung für die Ablehnung der Beschwerde wird geäußert, dass es sich bei dem Artikel um „eine auf Tatsachen gestützte aktuelle Bestandsaufnahme von Problemen in der Sozialsphäre ohne diskriminierenden Duktus“ handele.

Auch die Ethnisierung sozialer Probleme, wie in der Überschrift „Stadt Duisburg scheint Roma-Problem in Hochfeld nicht in den Griff zu bekommen“, wertet der Presserat nicht als diskriminierend, sondern als „zulässige Verkürzung des Textinhalts“. In der Ablehnungsbegründung heißt es dazu u.a. „Es ist darüber hinaus jedem in den betroffenen Städten klar, um wen es sich bei den Zuwanderern handelt.“ Letzteres ist allerdings nur aufgrund der permanenten Ethnisierung seitens der Medien „klar“. Der Presserat rechtfertigt hier also einen Verstoß gegen den Pressekodex mit vorangegangenen Verstößen.

Des Weiteren ist der Presserat der Ansicht, dass ein Kommentar, der beschreibt, man würde in Moers Gefahr laufen, an jeder Ecke belästigt oder überfallen zu werden und die Verantwortung dafür „überwiegend aus Rumänien und Bulgarien stammenden Banden“ zuschreibt, niemanden diskriminiere und sieht hier keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Dabei war neben der Kommentarfunktion des Textes, die Bewertungen erlaubt, der Punkt, „dass sich der Autor explizit von rechtsextremen Äußerungen distanziert“ „von Gewicht für die Gesamtbewertung“ des Presserats. Dass mit den Zeilen um diese Distanzierung herum rassistische Diskurse gespeist und die extreme Rechte gefördert wird, wird ignoriert.

Berichterstattung, die rassistische und antiziganistische Ressentiments (re)produziert, stellt eine traurige Realität dar. Die Ablehnung unserer Beschwerden scheint leider die Regel zu sein, wenn man beachtet, dass nur etwas ein Viertel der zwischen 1996 und 2010 vom Zentralrat der Sinti und Roma, wegen Diskriminierung, eingereichten 546 Beschwerden, erfolgreich waren. Diese Information wurde auf der Jahrestagung 2011 des Netzwerks Medienethik von dem Vorsitzenden des Presserates, Manfred Protze, der auch unsere Beschwerde mitbegutachtet hat, vorgetragen  ((Vgl. http://www.netzwerk-medienethik.de/jahrestagung/tagung2011/manfred-protze-minderheitendiskriminierung-in-den-medien-aus-der-perspektive-des-presserats-arbeitstitel/ 12.06.2013)) .

Wenn die o.g. Beispiele nach Ansicht des Presserats keine Diskriminierung beinhalten, welchen Wert haben dann noch die Richtlinien des Pressekodex?

Netzfundstück: Antiziganismus in Duisburg

Im Online-Portal MiGAZIN erschien ein ausführlicher Artikel von Alexandra Graevskaia und Michael Lausberg über Antiziganismus in Duisburg.

Der Beitrag verschweigt nicht die vorhandenen positiven Aktivitäten und Entwicklungen in der Stadt, kommt aber doch am Ende zu einem ernüchternden Fazit:

Jahrhundertelang tradierte Stereotype über so genannte „Zigeuner“ innerhalb der Mehrheitsgesellschaft werden sich nicht in kurzer Zeit abbauen lassen. Eine Versachlichung des Diskurses jenseits jeder Ethnisierung und Homogenisierung der Zuwanderer ist dringend notwendig. Zwar gibt es neben den Bemühungen der Stadt, die allerdings aufgrund der schwierigen finanziellen Situation für eine nachhaltige Integration der Zuwanderer nicht ausreichen, auch einige zivilgesellschaftliche Initiativen sowie vereinzelte Versuche, die den Versuch starten, Gegenpositionen im zumeist rassistisch geprägten Diskurs sichtbar zu machen. Dies reicht jedoch nicht aus, um damit die Situation grundlegend zu verbessern. […]

Duisburg ist eine Einwanderungsstadt mit über 100 Jahren Migrationsgeschichte. Die eingewanderten Gruppen reichen von den „Ruhrpolen“ um 1900 über die Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg, die Arbeitsmigranten ab den 1950er Jahren bis hin zu Asylsuchenden, Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen kurz vor der Jahrtausendwende. Man könnte sagen, dass Migration in Duisburg zur Tradition geworden ist. Diese Tradition wird nun von Menschen aus Südosteuropa fortgesetzt und zum wiederholten Male wird daraus ein Problem konstruiert. Duisburg scheint aus seiner Geschichte nicht viel gelernt zu haben.

 

Den vollständigen MiGAZIN-Artikel lesen Sie bitte hier:
„Raus mit den Zigeunern!“ – Antiziganistische Realitäten: Das Beispiel Duisburg

Netzfundstück: „Sie wollen den autoritären Staat“

Die Tageszeitung junge welt veröffentlichte am 20.7.2013 ein ausführliches Gespräch mit DISS-Mitarbeiter Helmut Kellershohn über die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit, den ­»faschistischen Stil« und die Chancen des Jungkonservatismus in der Wirtschaftskrise. Ein kurzer Auszug:

(…) Seit einiger Zeit ist allerdings wieder eine ideologische Radikalisierung zu bemerken. Das hat mit zwei Dingen zu tun: Zum einen mit der Frage der Zuwanderung, zum anderen mit der Frage des Euro und der EU. Auf einmal tauchen vermehrt militante Stichworte auf wie »geistiger Bürgerkrieg«, »Vorbürgerkrieg«, »Umvolkung«, »deutsche Opfer, fremde Täter«.

Frage: Kehrt der Faschismus Armin Mohlers auf diese Weise in die Zeitung zurück?

In dem von Götz Kubitschek verwendeten Begriff »Vorbürgerkrieg« auf jeden Fall. Die Junge Freiheit ist Teil eines arbeitsteiligen Netzwerks. Was anfangs ihre Leserkreise leisteten, die Intellektualisierung der Rechten, wurde in das Institut für Staatspolitik ausgelagert, einem rechten Think Tank mit Weißmann, Kubitschek und Erik Lehnert als Geschäftsführer, an der Spitze. Dazu gehören die Theoriezeitschrift Sezession und der Verlag Antaios. Die Junge Freiheit ist das popularisierende »Massenorgan«, das immer darum bemüht ist, an gesellschaftliche Debatten anzuschließen und rechtspopulistische Bewegungen zu unterstützen. Die Sezession und das Institut für Staatspolitik fahren demgegenüber eher einen puristischen Ansatz. Hier geht es um die Zuspitzung von Argumentationen. In den Publikationen kommen die verschiedenen Strömungen und Facetten des Jungkonservatismus zu Wort. (…)

Das vollständige Gespräch lesen Sie hier: junge welt 20.7.2013 – »Sie wollen den autoritären Staat«

Das NPD-Verbot in der wissenschaftlichen Debatte

Neuer Text in der DISS-Onlinebibliothek

Robin Heun: Die NPD-Verbotsdebatte

Abrufbar unter: http://www.diss-duisburg.de/?p=4495

Nach über einjähriger Vorlaufzeit seit dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung (NSU), hat der Bundesrat am 14.12.2012 beschlossen, einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.1 Das Thema NPD-Verbot hat mit diesem Bundesratsbeschluss eine neue Relevanz erhalten. Wir veröffentlichen deshalb eine von Robin Heun im Frühjahr 2012 erstellte Bachelor-Arbeit mit einer Analyse der wissenschaftlichen Verbotsdebatte2. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 2000 bis März 2012.

Bisher wurde die Wissenschafts-Debatte zum NPD-Verbot noch nicht explizit untersucht. Die vorliegende Arbeit soll daher einen Einblick in diese Debatte gewähren, indem die typischen Argumente und Argumentationsmuster und die zugrunde liegenden Argumentationslogiken der Verbotsskeptiker und Verbotsbefürworter herausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck werden vier Forschungsfragen gestellt:

  • Welches Bild haben die Verbotsskeptiker bzw. Verbotsbefürworter von der NPD?
  • Wie wird das Parteiverbotsinstrument bewertet?
  • Welche Erwartungen werden mit einem NPD-Verbot verknüpft?
  • Wie wird ein Verbot bzw. Nicht-Verbot begründet?

Zunächst wird im ersten Teil der Analyse (Kapitel 2.) erörtert, welches Gewicht politischen Parteien in der Forschung für die Verwirklichung eines parlamentarischen Regierungssystems beigemessen wird (Kapitel 2.1) und welche rechtliche Stellung Parteien in der Bundesrepublik besitzen (Kapitel 2.2). Anschließend wird das Institut des Parteiverbots in seinen Grundzügen dargestellt (Kapitel 2.3). Neben der historischen Verortung, den materiellen Voraussetzungen, den Rechtsfolgen wird hier auch auf das erste NPD-Verbotsverfahren eingegangen. Zudem werden die theoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Konzepts der sog. „wehrhaften Demokratie“ dargelegt (Kapitel 2.4). Im zweiten Teil der Analyse (Kapitel 3.) erfolgt die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen NPD-Verbotsdebatte.

1 Siehe Pressemitteilung des Bundesrates online verfügbar unter: http://www.bundesrat.de/cln_236/nn_8538/DE/presse/pm/2012/214-2012.html?__nnn=true [15.12.2012]. Der Bundesrat folgte mit diesem Beschluss der Empfehlung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 06.12.2012.

2 Eine kurze Zusammenfassung der Analyse erschien im DISS-Journal 23 (2012), S. 11-13.

DISS-Neuerscheinung: Kriegsdenkmäler

In der DISS Online-Bibliothek ist eine neue Broschüre kostenlos abrufbar.

 

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit
Online-Broschüre, November 2012

Die Autoren schlagen vor, Kriegsdenkmäler, die den Krieg und das Heldentum verherrlichen, in pädagogischen Projekten als Lernorte zu nutzen. Ein solches Denkmal kann, wenn man es kritisch interpretiert und in den historischen Kontext stellt, entgegen den Intentionen seiner Stifter auch eine demokratische, friedensfördernde Wirkung haben.
Der Text bietet Anregungen zur Recherche über Kriegsdenkmäler und erläutert das exemplarisch anhand von Denkmälern in der Region Duisburg/ Düsseldorf/ Niederrhein. Nach einem historischen Überblick werden Anregungen und Tipps für pädagogische Projekte gegeben. Eine Bibliografie gibt Hinweise für vertiefende Lektüre.
Die kostenlos zugängliche Veröffentlichung richtet sich an Lehrerinnen, Schülerinnen und andere in zivilgesellschaftlichen Organisationen tätigen Personen und unterstützt deren friedenspädagogische Arbeit.

Diese Online-Broschüre gibt es auch zum Download und zum Ausdrucken als PDF-Datei: bitte hier anklicken

DISS-Neuerscheinung: Gabriel Riesser

Edition Deutsch-Jüdische Autoren des 19. Jahrhunderts: Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft.

Der erste Band mit Ausgewählten Werken des deutsch-jüdischen Bürgerrechtlers Gabriel Riesser ist im Böhlau-Verlag in Köln erschienen.

Abbildung Cover Gabriel Riesser Bd. 1

Der Band umfasst die politische Erstlingsschrift Riessers Ueber die Stellung der Bekenner des Mosaischen Glaubens in Deutschland (1831) und seine Jüdischen Briefe. Zur Abwehr und Verständigung (1838-1841).

Gabriel Riesser (1806–1863) wuchs in Hamburg in einer religiösen jüdischen Familie auf. Er wurde in Heidelberg zur Zeit der Restauration promoviert, als die Diskriminierungen gegen Juden einen neuen Höhepunkt erreichten. Zwei Universitäten verweigerten ihm die Habilitation, seine Heimatstadt Hamburg die Anstellung als Advokat. Danach wuchs Riesser in die Rolle eines Bürgerrechtlers hinein und wurde dadurch berühmt. 1848 wählten ihn christliche Wahlmänner in die Paulskirchen-Versammlung. Er wurde 1860 der erste jüdische Richter Deutschlands. Seine vielfältigen, rhetorisch brillanten Schriften spiegeln die Kultur des Vormärz und die Entwicklung des deutschen Parlamentarismus.

Mit seiner politischen Erstlingsschrift Ueber die Stellung der Bekenner des Mosaischen Glaubens in Deutschland (1831) zielte Riesser – kurz nach der Juli-Revolution in Paris – in die Mitte der deutschen Öffentlichkeit, d. h. in einen Raum, in dem man – bis dahin – die Schriften deutscher Juden weitgehend unbeachtet gelassen hatte.

Während frühere Schriften der Vertreter des Judentums meist durch ein defensives Bit­ten um vorenthaltenes Recht geprägt waren, forderte Riesser nun Gerechtigkeit, statt „Rechtfertigungen oder Zugeständ­nissen“, die „die alte Schmach nur durch neue Demüthigung erneuern und verlängern“ würden.

Wie ein „elektrischer Funke“, so schildert ein Rezensent, habe diese Schrift in weiten Kreisen gewirkt: „fast erschreckend, so kühn erschien die Sprache des lang ge­kränkten Rechts“. Von da an habe Riesser „die Aufmerksamkeit nicht bloß seiner Glaubensgenos­sen, sondern aller Freisinnigen, aller Denker, aber auch aller Gegner auf sich“ gezogen. Wie zeitgleich Giuseppe Mazzini (1805-1872) in Italien ging es Riesser darum, über die „persönlich Betheiligten“ hinaus „Menschenfreunde aller Confessionen“ zum gemeinsamen Kampf für die Menschen- und Bürgerrechte zu bewegen. Damit warf er – so ein Zeitgenosse – „deutschen Staaten und Kammern den Fehdehandschuh hin, trat mit Argumenten auf, die seine Ebenbürtigkeit erkennen ließen. Diese Schrift erregte großes Aufsehen, und es richteten sich die Blicke Vieler achtungsvoll auf den Verfasser.“

In seinen Jüdischen Briefen (1838/41) ging Riesser einen Schritt weiter: Angesichts der Masse der zeitgenössischen judenfeindlichen Angriffe auf Juden und Ju­dentum versuchte er mit hoher Konzentration und Disziplin, eine konstruktive Wendung heraus aus bloßer Empörung und Erschöpfung zu finden.

Vielleicht überhaupt zum ersten Mal in deutscher Sprache erarbeitete er exempla­rische Argumentations- und Diskursanalysen zu antisemitischen Texten und legte assozia­tive und konnotative Techniken offen, die für die gegen Juden und Judentum gerichtete Rhetorik der Herabsetzung und Ausgrenzung typisch sind, aber auch darüber hinaus. Passagen des außerordentlich behutsamen Vortastens und Auslotens, in denen sich Riesser den antisemitischen Kernbotschaften und Bilderwelten nähert, wechseln sich ab mit diachronen Einordnungen, aber auch mit Ausbrüchen der Empörung, der öffent­lichen Abrechnung oder der autobiographischen Ansprache. Unabhängig von Verleger­interessen, Terminzwängen und politischen Nötigungen schuf Riesser in den Jüdischen Briefen ein Experimentierfeld für sprachkritische Strategien gegen eine Kultur der Her­absetzung und Ausgrenzung.

Riesser hat ein umfangreiches Werk bürgerrechtlicher Schriften geschaffen, das an analytischer Intensität und historiographischer Authentizität unübertroffen geblieben ist. In einem zweiten Band der Ausgewählten Werke sollen u.a. Riessers Analysen der bürgerlichen Verhältnisse der Hamburgischen Israeliten (1834), Analysen zu den Verhandlungen der Holsteinischen Provinzialstände (1840/41), der Verhandlungen der 2ten Kammer des Großherzogthums Baden (1831/1832) und der Verhandlungen der Badischen Ständeversammlung über die Emancipation der Juden (1833) neu ediert werden.

 

 

Bestellen Sie den Titel bitte in Ihrer Buchhandlung oder direkt beim Böhlau-Verlag: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-20864-6.html

Deutsch-jüdische Autoren des 19. Jahrhunderts. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft. Werkausgaben
Herausgegeben von: Michael Brocke, Siegfried Jäger und Jobst Paul
Band 3,1
Gabriel Riesser
Ausgewählte Werke
Teilband 1
Herausgegeben von: Jobst Paul und Uri R. Kaufmann
2012, 280 S.
Preis: € 39.90 [D] | € 41.10 [A]
ISBN 978-3-412-20864-6