Netzfundstücke: Telepolis-Interview zur Griechenland-Berichterstattung

Im Online-Magazin Telepolis erschien ein ausführliches Interview mit den DISS-Mitarbeiterinnen Margarete Jäger und Regina Wamper. Sie analysierten die Kommentierung der Griechenland-Krise in der Süddeutschen Zeitung. Im Telepolis-Interview stellen sie die Ergebnisse ihrer Analyse detailliert vor und mahnen die Medien an, die Positionen der Herrschenden kritischer zu hinterfragen.

Kritik findet sich also schon in den Kommentaren?

Margarete Jäger: Sicher, das haben wir ja bereits erwähnt, es gibt Kritik – aber nur in einem sehr engen Rahmen. Die Kritik überschreitet nämlich nicht die Feststellung der Notwendigkeit von „Reformen“ im Sinne der Sparpolitik und des Umbaus der griechischen Wirtschaft.

Was bedeutet das?

Margarete Jäger: Das bedeutet, dass über den Kapitalismus hinausweisende Konzepte außerhalb der Grenze des Sagbaren liegen, ebenso wie sozialpolitische Maßnahmen. Sozialpolitik gilt als wirtschaftsschädigend. Insofern wird dann eine Kritik an dem Agieren der Troika auch als „absurd“ bewertet.

In den SZ-Kommentaren zu Griechenland fließt an manchen Stellen auch das Thema Russland mit ein. Was ist Ihnen da aufgefallen?

Regina Wamper: Das ist in der Tat sehr interessant. Die Rolle von Russland wird in Verbindung mit der Krise in Griechenland als besonders destruktiv wahrgenommen. Russland wird als äußerer Feind begriffen, der insgesamt als weltpolitischer Akteur seinen Einfluss durch Bestechung, Gewalt und Krieg abzusichern suche. Damit wird Russland im Griechenland-Diskurs zu einer außenpolitischen Gefahr für Europa, sollte es zu einer Kooperation zwischen Tsipras und Putin kommen.

Durch eine solche Positionierung wird Europa als eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, die untereinander in einem produktiven Wettbewerb steht, abgegrenzt. Europa, so lautet der Umkehrschluss, vertrete seine Interessen eben nicht durch etwa Kriegspolitik.

Laut einer von der Wochenzeitung DIE ZEIT in Auftrag gegebenen Umfrage haben 52 Prozent der Befragten kein Vertrauen in die Berichterstattung der deutschen Medien in Sachen Russland und Ukraine, 46 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen in die Griechenland-Berichterstattung. Können Sie diesen Umfragewert im Hinblick auf ihre Analyse kommentieren?

Margarete Jäger: Ich denke, diese Zahlen sagen herzlich wenig darüber aus, aus welchen Gründen die Menschen kein Vertrauen in die Berichterstattung haben, also aus welcher Diskursposition sie ihr Unbehagen artikulieren. Grundsätzlich ist es aber zu begrüßen, wenn die Konsumenten der Medien diese nicht als Produzenten von „Wahrheiten“ ansehen und ihnen mit einer gewissen Skepsis begegnet wird.

Allerdings haben die auf den Pegida-Demonstrationen artikulierten Vorbehalte gegenüber einer „Lügenpresse“ auch gezeigt, dass es vielfältige Gründe für eine Kritik und Distanz zu den Medien gibt, und diese Vorbehalte eben nicht immer progressiv oder kritisch sind sondern hier vor allem Verschwörungskonstruktionen artikuliert werden.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: Telepolis 12.8.2015 „Die SZ folgt dem technokratischen Herangehen der politischen Akteure“

 

 

Netzfundstücke: Jürgen Link über Griechenland

Jürgen Link schickte uns einen Text zur jüngsten Entwicklung in Griechenland, der zuerst auf den Nachdenkseiten veröffentlicht wurde. Er nimmt darin Bezug auf ein Interview mit Herfried Münkler, das am 14.7.2015 in der Frankfurter Rundschau erschien (Griechenland: Europa hat ganz andere Probleme).

Hier der Diskussionsbeitrag von Jürgen Link in voller Länge:

HERFRIED MÜNKLER ERKLÄRT DAS WESEN DES GERMROPA-PUTSCHES GEGEN GRIECHENLAND: DENORMALISIERUNG UND HERABSTUFUNG IN EINE NIEDRIGE NORMALITÄTSKLASSE

1. Nicht bloß die Netz-Proliferation thisisacoup, sondern auch seriöse Beobachter und der Protagonist Jannis Varoufakis selbst bezeichnen das Diktat gegen Griechenland vom 12. Juli 2015 als „Putsch“. Aber was ist das Wesen dieses Putsches? Man versucht, ihn mittels verschiedener historischer Analogien zu fassen. Varoufakis zieht eine Analogie zum Putsch der griechischen Militärjunta von 1967: Damals mit „tanks“, heute mit „banks“. Andere bemühen (verständlicherweise aus der Position verzweifelter Ohnmacht heraus) die Analogie mit der deutschen militärischen Besatzung unter Hitler. Umso wichtiger ist es, eine aktualhistorische Analyse, ausgehend von den heutigen Machtstrukturen, zu versuchen.

2. Dabei kann ein Interview des deutschen Aktualhistorikers und Politologen Herfried Münkler, eines wichtigen Beraters der deutschen Regierung, einen ausgezeichneten Ausgangspunkt liefern (Interview in der Frankfurter Rundschau vom 14. Juli 2015 mit Arno Widmann: „Europa muss umgebaut werden“) Münkler stellt das Diktat gegen Griechenland in einen großen geopolitischen Rahmen. Er bestätigt mehr oder weniger, dass Griechenland als abschreckendes Beispiel genutzt wird, um mittels eines extremen Tests alle europäischen Länder in den „Umbau“ einzubeziehen. Er fordert im wesentlichen drei Komponenten des „Umbaus“.

3. Erstens eine Dreispaltung Europas: „Wir brauchen ein Kerneuropa mit sehr ähnlichen politischen und sozio-ökonomischen Strukturen, sodass man hier auf der Grundlage von Verträgen ohne eine starke Einheitsregierung, die es sowieso niemals geben wird, arbeiten kann. Darum kann man dann den jetzigen EU-Raum und vielleicht einige Beitrittskandidaten für einen zweiten und dritten Ring ins Auge fassen. Die haben dann weniger Rechte, aber auch weniger Verpflichtungen.“ Auf Fragen des Interviewers nach den jeweils in „Kern“ und „Ringe“ gehörenden Ländern antwortet Münkler: „Kern“ (bzw. Ring 1) wäre im Idealfall der alte Sechserkern Deutschland, Frankreich, Italien, Benelux. Aber Italien sei sehr fraglich, und Frankreich auch nicht unproblematisch – die Italiener „müssen es sich überlegen“, werden also auf den Abstieg in Ring 2 vorbereitet. Dass es ohne Frankreich nicht gehe, sei ein Problem. Griechenland und andere Balkanländer gehörten in Ring 3, wenn nicht sogar in die „dritte Welt“: Darauf komme ich zurück.

4. Zweitens eine klare deutsche Hegemonie: „Deutschland ist zur Zeit die stärkste Macht in der EU. Das bringt Verpflichtungen mit sich. Es muss sich mehr engagieren. Aber es muss das tun zusammen mit anderen. Mit Frankreich vor allem.“ Es kommt dann ein Bonbon für Frankreich, das ja vielleicht künftig wieder hochkommen könnte, und Deutschland könnte vielleicht auch einmal wieder etwas schwächer werden. Das ist reine Augenwischerei, an die der Sprecher ganz offenbar selbst nicht glaubt. Bekanntlich hat er ein geopolitisches, eine „Raumordnung“ entwickelndes Buch über Deutschland als Hegemon aufgrund seiner Mitte-Position in Europa und seiner Stärke publiziert.

5. Drittens als Mittel der Hegemonie-Ausübung eine „postdemokratische“ (er benutzt diesen Ausdruck von Colin Croach selbst nicht), besser undemokratische Herrschaft durch ein Ermächtigungsregime. An dieser Stelle äußert er sich bewusst ironisch-zynisch und sagt: „Bis zum Beispiel Frankreich wieder auf die Beine kommt, hat Deutschland eine zentrale Funktion als, sagen wir mal Hüter der Verträge.“ Das werden nur ganz wenige der SPD-nahen Leserinnen der FR verstehen können – es ist ein augenzwinkernder Wink an „Eingeweihte“. Denn es ist ein Carl-Schmitt-Zitat. Der bekannte faschistoide Jurist, später dann Kronjurist Hitlers („Der Führer schützt das Recht“: Massaker des „Röhmputsches“ 1934), publizierte während der Weimarer Zeit das Grundsatzbuch „Der Hüter der Verfassung“. In diesem Buch interpretierte er die Stellung des Reichpräsidenten in der Weimarer Verfassung als den eigentlichen Träger der Souveränität letzter Instanz über dem Parlament, auf dem eine Diktatur als Ermächtigungsregime errichtet werden könnte. Münkler sagt also: Deutschland als „Hüter der Verträge“ (Europas) besitzt diese Souveränität letzter Instanz, die im Notstand über allen europäischen Parlamenten steht. Da die EU allerdings (noch) keine Notstandsordnung besitzt, folgt daraus, dass Deutschland im Notfall de facto das Recht zu diktatorischen Maßnahmen besitzt. Deutschland müsste dann mittels der EU den Notstand über ein Land verhängen. Genau das fordert der Oettinger-Gabriel-Göring-Eckart-Plan: Griechenland zur Zone eines humanitären Notstands erklären und dann, über den Kopf der griechischen Regierung hinweg, eine „europäische“ Notintervention implementieren.

6. All das also wurde und wird weiter am „Notfall“ Griechenland exekutiert. Das also ist der Putsch, zunächst rein strukturell beschrieben ohne historische Analogien. Zurecht muss das Diktat vom 12. Juli bereits als Gründungsakt eines solchen „europäischen“, im Wesen deutschen („germropäischen“) Ermächtigungsregimes betrachtet werden. Die richtige Analogie ist also nicht das Dritte Reich, sondern die Notstandsregime in Kriegs- und Revolutionszeiten des Zweiten Reichs und der Weimarer Republik. Also in der Tat die auf den Versailler Vertrag gestützten Ausnahmeregime, besonders von 1923 – und ganz besonders die letzten Jahre der Republik, als das Regime Brüning auf der Basis der Theorie von Carl Schmitt mit Notverordnungen des Reichspräsidenten herrschte.

7. Nun aber noch eine zusätzliche Einsicht, die sich aus der Normalismustheorie ergibt (Kurzfassung in: Jürgen Link, Normale Krisen? Normalismus und die Krise der Gegenwart, Konstanz 2013, mit einem Griechenland-Kapitel). Denn Münklers Schema eines europäischen „Kerns“ und zweier peripherer „Ringe“ innerhalb der EU deckt sich total mit meiner These der Aufspaltung der EU in drei „Normalitätsklassen“ im Laufe der Großen Krise des globalen Kapitalismus von 2007ff. Sie deckt sich genau mit der These, dass das Wesen der Vergewaltigung Griechenlands in seiner zwangsweisen Herabstufung von Normalitätsklasse 2 (etwa Irland, Polen) nach Klasse 3 (Bulgarien, Rumänien) besteht. Münkler droht sogar mit einer weiteren Herabstufung nach Klasse 4 (der zweitniedrigsten von insgesamt 5 Klassen): „Kommt man zu dem Ergebnis: Es klappt nicht, dann muss man sagen: Griechenland ist ein Dritte-Welt-Land und hat in Europa und erst recht im Euro nichts zu suchen.“ Genau damit hatte die NAI-Kampagne der Parteien der inneren Troika vor dem Referendung gedroht: „Tsipras macht uns zu einem Simbabwe!“

8. Warum ist es wichtig, den Putsch mittels der Normalismustheorie zu begreifen? Weil diese Theorie erklärt, wie Normalitäten (gestufter Klassen) produziert und reproduziert werden. Das geschieht auf der Basis flächendeckender statistischer Verdatung. Darin also besteht der Zusammenhang zwischen BIP-Daten, Maastrichtkriterien, Zinsspreizungen usw. (Normalitätsgrenzen, die eingehalten werden oder nicht) einerseits und Troika, Ermächtigungsregime von „Institutionen“ sowie schließlich Putsch anderseits.

9. Warum funktioniert der gegenwärtige Putsch mit banks besser als der frühere mit tanks? Weil er die Normalität des Alltags der Leute im Kern trifft. Die Normalitätstheorie nennt das „Denormalisierung“ (Zerstörung der Normalität). Syriza erklärte immer feierlich, die Normalität (omalótita, physiologikótita) voll wiederherstellen zu wollen. Mit der Denormalisierung der Banken wurde dieser Hoffnung (elpída) ein tödlicher Schlag vesetzt, und elpída in apelpisía (Verzweiflung) verwandelt. Mehr noch: Syriza versprach imgrunde den Wiederaufstieg in die Normalitätsklasse 2 (2. Ring nach Münkler) – jetzt soll Griechenland ein für allemal und auf Dauer die Herabstufung nach Klasse 3 akzeptieren. Wenn es weiter „störrisch“ ist, möchte Münkler es gewaltsam in Klasse 4 herabstürzen.

10. Worin besteht nun das eigentliche Wesen der verschiedenen Normalitätsstandards nach Klassen? Es besteht im verschiedenen Grad der Annäherung der Verteilungskurve des Einkommens an eine grobe Normalverteilung. Die Annäherung ist am größten in Klasse 1 (wenige Reiche, relativ wenige sehr Arme, nicht sehr viele Arme, die meisten obere und untere Mittelklasse: bell curve). Sie sinkt mit den Klassen. In Griechenland stürzten die Mnimonia das untere Drittel in extreme Armut und einen Teil der Mittelklassen in Armut. Der Putsch klopft diese Herabstufung nicht bloß fest, sondern verschärft sie noch – insbesondere durch die Enteignung allen Staatseigentums (Privatisierung und/oder Treuhandstatus), das künftig nicht mehr zur internen Umverteilung zur Verfügung steht.

11. Der Münklersche (und Merkel-Schäublesche) „Umbau Europas“ schafft also ein Drei-Klassen-GERMROPA mit gestufter Souveränität: Volle Souveränität genießt eigentlich nur noch Deutschland, weshalb die „schwarze Null“ für Deutschland so wichtig ist. Ring 2 ist bereits erpressbar durch das Schuldenregime. Ring 3 verliert seine Souveränität an die Ermächtigung germropäischer „Institutionen“. All das wurde und wird am Fall Griechenland paradigmatisch und absolut kaltschnäuzig durchexerziert. Wer also mit Griechenland solidarisch sein möchte, sollte als erstes eine awareness für die gespaltenen Normalitäten entwickeln. Ein ungeheures Symbol dafür ist der Zugang der Touristen aus Klasse 1 und 2 zu Geld in Griechenland, während der Zugang der Griechen blockiert ist: Die einen leben in voller Normalität, die anderen in extremer Denormalisierung.

12. Aber eins ist klar: das 3-Klassen-System ist selbst nicht normal, weil zur vollen Normalität eine spontane Reproduktion gehört. Je gewaltsamer und diktatorischer (notständischer, „postdemokratischer“) die Hegemonie ausgeübt wird, umso mehr herrscht im Gesamtsystem Denormalisierung. Und jeder Widerstand schafft eine Art „positive Denormalisierung“, die ich transnormalistisch nenne. Wer andere unterdrückt, kann selbst nicht frei sein. Wer andere denormalisiert, kann selbst nicht wirklich normal sein.

Jürgen Link 15. Juli 2015

(weitere Texte auf der Site appell-hellas.de, unter „aktuell“ und im Blog Bangemachen.com – der appell-hellas.de beruht auf diesem analytischen Rahmen; er wurde von 2000 Signataren unterzeichnet – weitere Unterschriften sind erwünscht.)

Netzfundstücke: Griechenland-Solidarität

Beim Thema Griechenland-Krise gibt es nur wenige Stimmen in der veröffentlichten Meinung, die über die vermeintliche Alternativlosigkeit der neoliberalen Austeritätspolitik hinausdenken. Prof. Elmar Altvater und zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer versuchen, einen pointierten Gegenakzent zu setzen mit ihrem Appell: JA zu Demokratie und Volksabstimmung in Griechenland – NEIN zur Erpressung Griechenlands durch IWF, EU und Berliner Regierung.

Das demokratische und soziale Europa, ohnehin ein unvollendetes Projekt, befindet sich Ende Juni 2015 am Abgrund: Doch die einen leben als Kreditgeber in einem Grand Hotel in großem Luxus mit schöner Aussicht, die anderen sitzen als Schuldner auf einer Klippe, immer vom Absturz in den Bankrott bedroht.
Eine sogenannte Troika von mächtigen Institutionen sorgt dafür, dass die Drohung zur Erpressung wird. Schuldnern wie Griechenland wird keine Chance gegeben, der drohende Sturz in den Bankrott soll die Regierung gefügig machen. Soziale und politische Alternativen zur verordneten Austerity sind tabu. Selbst die von der Syriza-Regierung vorgeschlagene Abstimmung über das von der Troika verordnete Sparpaket interpretieren die Finanzminister der Eurogruppe – ein technokratischer Verein, kein politisches, den Wählern verantwortliches Gremium – als eine Provokation. Sie bestrafen Syrizas demokratische Initiative mit dem Ausschluss des griechischen Finanzministers aus den Beratungen der sogenannten Eurogruppe. Sie sind dabei schamlos genug, europäisches Recht zu brechen, um ihr neoliberales Mütchen zu kühlen. Das Schauspiel, das Schäuble, Dijsselblom und die anderen bieten, wird in die europäische Geschichte eingehen als Spektakel eines grandiosen Selbstmordattentats der politischen Elite, gerichtet gegen das europäische Integrationsprojekt.
Die Austeritätspolitik, mit der Staatshaushalte ruiniert und Gesellschaften zerstört werden, betreiben der IWF, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission zusammen mit der Eurogruppe in Absprache mit den großen Wirtschaftsmächten Europas. Deutschland s Große Koalition der Schäuble, Gabriel und Mer kel ist dabei treibende Kraft. Sie haben mit ihrer Austerity – Politik des sozialen Kahlschlags, der Blockade von Investitionen zur wirtschaftlichen Erneuerung, des Drucks auf die Masseneinkommen und der Schwächung von Gewerkschaften dafür gesorgt, dass sich in Griechenland die Arbeitslosigkeit von 2007 bis 2014 auf fast 30 Prozent verdreifacht hat … … …

Lesen Sie den vollständigen Text des Aufrufes bitte hier: Appell: JA zu Demokratie und Volksabstimmung in Griechenland – NEIN zur Erpressung Griechenlands durch IWF, EU und Berliner Regierung

Als eine Informationsquelle zur aktuellen Entwicklung in Griechenland sei hier das Zeitungsprojekt FaktenCheck HELLAS genannt, das nicht nur im Netz, sondern auch in gedruckter Form erscheint und mit einer deutschen, einer englischen und einer griechischen Ausgabe versucht, die Sprachbarriere zu überwinden.

Über die deutsche Solidaritätsbewegung mit Griechenland informiert das Blog griechenlandsolidarität, das den Anspruch hat, zu informieren und zu vernetzen.

 

Netzfundstücke: Studie zum Höcke-Flügel der AfD

 

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Der Soziologe Andreas Kemper hat vor einiger Zeit eine Reihe von auffälligen „Überzufälligkeiten“ in den Schriften von Björn Höcke, AfD-Landeschef in Thüringen, entdeckt (Wieviel NPD höckt in der AfD?) und damit ziemlichen Wirbel ausgelöst. Jetzt legt er eine neue Studie zum Höcke-Flügel der AfD vor.

Andreas Kemper: „… die neurotische Phase überwinden, in der wir uns seit siebzig Jahren befinden“
Die Differenz von Konservativismus und Faschismus am Beispiel der „historischen Mission“ Björn Höckes (AfD)

Die Studie erschien bei der Rosa Luxemburg Stiftung Thüringen und ist auf der dortigen Website kostenlos als PDF abrufbar.

Sicher nicht unumstritten dürfte es sein, auf den „dritten“ AfD-Flügel um Björn Höcke den Faschismusbegriff anzuwenden. Dazu schreibt der Autor im Vorwort:

Vor diesem Hintergrund sollte die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, den Adam/Petry-Flügel und den Höcke-Flügel mit der selben Kennzeichnung zu benennen, nämlich »nationalkonservativ«, oder ob diese Kennzeichnung für die Ideologie Höckes nicht falsch ist, da er sich deutlich rechts von Adam und Petry positioniert. […]

Ich beziehe mich im Folgenden auf eine Faschismus-Definition von Roger Griffin. Er ist ein an der Oxforder Brookes University lehrender Professor für Zeitgeschichte und zählt zu den bekanntesten Faschismusforschern der Gegenwart. Er vertritt eine sogenannte »generische Faschismusdefinition «, also eine Definition, die aus den verschiedenen faschistischen Ideologien wesentliche Gemeinsamkeiten generiert. Bei dieser Generierung und Herausarbeitung bezieht sich Griffin auf die Theorie von Idealtypen nach Max Weber. Der Idealtypus ist nach Weber ein trennscharfer Begriff, der Forschungshypothesen ermöglicht.

Um eine faschistische Entwicklung frühzeitig erkennen zu können, ist es wichtig, über solche Forschungshypothesen zu verfügen, die Aussagen über Tendenzen und zu erwartende Konstellationen machen können. Machtund Herrschafts konstellationen kommen – wenn die Situation dafür ideal ist und keine Zweckbündnisse erfordert – auch auf der Grundlage ähnlicher Weltanschauungen bzw. Ideologien zu Stande, es ist also sinnvoll, diese Ideologien idealtypisch zu kategorisieren.

Roger Griffins Faschismusdefinition bietet sich zudem an, weil er konkrete Aussagen zur Neuen Rechten macht, also zu dem Umfeld, in dem Björn Höcke sich ideologisch bewegt. Aktuell hat die Frage nach der richtigen Interpretation und Einordnung der Ideologie von Björn Höcke an Gewicht gewonnen, denn Höcke sitzt im parlamenta rischen Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages zum nsu (»Nationalsozialistischer Untergrund«) und hat sich mehrfach mit dem vorbestraften National demokraten Thorsten Heise getroffen, dem Kontakte zum Unterstützerumfeld des nsu nachgesagt werden.

Inhaltsverzeichnis:

Vorbemerkung
Zu den Flügelkämpfen der AfD
Ab wann ist es sinnvoll, von Faschismus zu sprechen?
Faschismus, Neue Rechte und die Alternative für Deutschland (AfD)
Der Faschismus-Begriff nach Griffin
Das Verhältnis der jungkonservativen Neuen Rechten zur AfD
Die »historische Mission der AfD«: Deutschland vom »Mehltau« des »PC-Totalitarismus« befreien
Björn Höckes rechtsextreme Verbindungen
Höckes Verbindungen zur Neuen Rechten
Heiner Hofsommer
Deutsche Patriotische Gesellschaft
Völkische Bundjugend
Björn Höckes Kontakte zu Thorsten Heise (npd Eichsfeld)
Ein Dorf in Thüringen …
»Werte-, Sitten- und Normengefüge« oder: Deutschland als Seife in Auflösung
Postwachstumsökonomie
Dritter Weg gegen weltwirtschaftliche Monokulturen
»Erfurter Resolution« gegen »Menschenexperimente«
Die Buchenwald-Provokation
Die »Erfurter Resolution«
Björn Höckes rechtsextreme Ideologiefragmente
Ultranationalismus, oder: Höckes »ehrliche, reine Vaterlandsliebe«
Palingenetik, oder: Höckes »historische Mission«
»Altparteien« und »Direkte Demokratie«
»Organische Marktwirtschaft« gegen »degenerierte Marktwirtschaft«
Mit »aktiver Bevölkerungspolitik« gegen die »perverse«»Dekadenz«
Vom »PC-Totalitarismus« befreit: Die neue Nation
Exkurs zur sogenannten »Neurotisierung des deutschen Volkes«
NPD: »US-Schicht« und Frankfurter Schule als »Neurotisierer«
Hohmann: »neurotischer Eifer« und jüdisches »Tätervolk«
Die sogenannte »Renten-Neurose« der Überlebenden des NS-Terrors
»Deutsche Neurose« nach C. G. Jung und Adorno

Fazit
Noch einmal: Vertritt Björn Höcke eine faschistische Ideologie?
Höckes utopischer Antrieb
Dekadenz als Problem
Radikale Erneuerung der Nation
Nation als »organisches Ganzes«
Fazit und Ausblick

Anhang:
Zitate von Björn Höcke
Nationalismus
Demografie, Familialismus, Anti-Genderismus
Metaphysische Orientierung, Anti-Materialismus, Tiefenbewusstsein
Volkswirtschaft und Sozialpolitik
Parteiendemokratie, Political Correctness, Meinungsfreiheit, Preußentum

Literatur

Über den Autor

 

Ministerin Svenja Schulze im DISS-Archiv

Am 22. Mai 2015 besuchte die Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Svenja Schulze, das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Sie besichtigte das dortige Archiv zur extremen Rechten, das seit Anfang 2015 eine öffentliche Förderung erhält.

Die WDR-Lokalzeit Duisburg berichtete in ihrem Nachrichtenblock über diesen Besuch. Das Video ist abrufbar (14:17 bis 15:15) in der ARD-Mediathek.

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Statement von Svenja Schulze:

„Deswegen ist sowohl das Archiv, das hier ist, als auch die wissenschaftliche Arbeit, die hier geleistet wird, wichtig. Rechtsextremismus, das sind nicht alles Leute, die nicht wissen was sie tun, sondern dahinter steckt eine Ideologie und die muss man auch erforschen und verstehen, weil ansonsten kann man nicht politisch dagegen vorgehen.“

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 (Bildschirmfotos WDR Lokalzeit Duisburg, 22.5.2015)

 

Netzfundstücke: V-Mann-Land

In der Reihe „Die Story im Ersten“ wurde am 20.4.2015 der Beitrag „V-Mann-Land“ gesendet.

Bildschirmfoto V-Mann-Land
Bildschirmfoto: Das DISS auf einer Anti-Antifa Feind-Liste des Thule-Netzes.

 

Niemand ahnte, dass der bekannte Neonazi zugleich ein V-Mann, ein Informant des Verfassungsschutzes, war. Heute lebt er anonym. Er verbirgt sein Gesicht hinter einer schwarzen Motorradmaske, wenn er – erstmals vor einer Kamera – über seine Vergangenheit spricht, die ihn auch in das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) führte.

Im Beitrag werden die ehemaligen V-Leute Wolfgang Frenz, Kai D. / Undertaker, Kai-Uwe Trinkaus und Michael See / von Dolsperg interviewt.

Das Video ist abrufbar in der ARD Meidiathek:
Die Story im Ersten: V-Mann-Land
20.04.2015 | 44:10 Min. | UT | Verfügbar bis 20.04.2016 | Quelle: Das Erste

 

Netzfundstücke: Die Informanten

Patrick Gensing schreibt in der Jüdischen Allgemeinen vom 2.4.2015 zum Thema NPD-Verbot.

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht den Beschluss des Gerichts mit Sorge […]. Das NPD-Verbot sei »schon lange überfällig«, sagte Schuster der Jüdischen Allgemeinen. Er hoffe, »dass das politische Flaggschiff der Rechten nun schnell und endgültig in den Abgrund versinkt«.

Daran glaubt der Politikwissenschaftler Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprache und Sozialforschung (DISS) nicht. Das Problem sei nicht, der NPD Verfassungswidrigkeit nachzuweisen, sagt Dietzsch. »Wir haben stattdessen ein Geheimdienstproblem«, meint er.

Aus dem gescheiterten Verbotsverfahren seien keine Konsequenzen gezogen worden, sondern die Kompetenzen und Aufgabenfelder des Geheimdienstes noch ausgeweitet worden. Für ihn gehe es bei einem NPD-Verbotsverfahren schlicht und einfach darum, den Neonazis – also der NPD und den sogenannten Freien Kameradschaften – den staatlichen Schutz und die staatliche Förderung zu entziehen, sagt Dietzsch. »Und das exzessive V-Mann-Unwesen zählt nicht zur Bekämpfung, sondern zur Förderung des Neonazismus.«

Eine These, die der aktuelle Beschluss der Verfassungsrichter zu belegen scheint: Eine Neonazi-Partei bleibt in Deutschland wohl unverbietbar – dank der Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und rechtsextremen Funktionären.

Lesen Sie den vollständigen Artikel bitte hier:
Jüdische Allgemeine Zeitung, Patrick Gensing: Die Informanten. Warum das NPD-Verbot erneut scheitern könnte

Netzfundstücke: Chronik 2014 – Hetze gegen Flüchtlinge

chronik2014

Die Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL veröffentlichten eine Dokumentation über rassistische Gewalt und Hetze gegen Flüchtlinge in Deutschland im Jahr 2014. Demnach kam es im Jahr 2014 in 153 Fällen zu Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte und in 77 Fällen zu tätlichen Angriffen auf Flüchtlinge. In Folge der vielen Anschläge und Übergriffe leben Flüchtlinge und Migranten in Deutschland vielerorts in Angst.

Die Chronik ist abrufbar unter: Rechte Hetze gegen Flüchtlinge – Eine Chronik der Gewalt 2014.

Das Jahr 2015 wird hier thematisiert: Rechte Hetze gegen Flüchtlinge – Eine Chronik der Gewalt 2015.

Netzfundstücke: Brandgefährliche Stimmungsmache

DISS-Mitarbeiter Sebastian Friedrich veröffentlichte in der Tageszeitung Neues Deutschland am 9.10.2014 die Kolumne „Brandgefährliche Stimmungsmache“. Darin heißt es u.a.:

Angesichts vermehrter Proteste gegen Flüchtlingsheime fühlen sich manche an die frühen 90er Jahre erinnert. Es war die Zeit rassistischer Pogrome und Morde. Es war die Zeit, als das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl im hohen Maße eingeschränkt wurde. Und es war die Zeit, in der auch die Medien eine unrühmliche Rolle spielten. […]

Und heute? Rechtskonservative Stimmenjäger aus neuen und alten Parteien zeichnen wieder ein Schreckensbild, wenn es um Flüchtlinge geht, und aktivieren so den gesamtgesellschaftlich verankerten Rassismus. Dennoch: Insgesamt scheint der Diskurs auf den ersten Blick geöffneter und pluraler als vor zwanzig Jahren. Weite Teile der Politik betonen die Verantwortung Deutschlands für Menschen in Not. Immerhin eine knappe Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik spricht sich laut Infratest Dimap dafür aus, mehr Schutzsuchende aufzunehmen. […]

Auf den zweiten Blick allerdings fällt eine bedeutende Gemeinsamkeit auf. Damals wie heute wird trennscharf unterschieden zwischen berechtigter und nicht berechtigter Flucht. Nur sprachlich gibt es eine Verschiebung: Während Anfang der 90er Jahre sortiert wurde zwischen »Flüchtlingen«, die vor Krieg und Vertreibung flüchteten, und »Asylanten«, die lediglich aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kämen, verläuft die Grenze gegenwärtig entlang der Gegenüberstellung politischer Flüchtling versus »Armutsflüchtling«. In der vorgenommenen Trennung zwischen denen, die Hilfe brauchen, und denjenigen, die angeblich Hilfsbereitschaft ausnutzen, sind sich weite Teile der Mainstream-Medien und Politik einig.

Das wurde insbesondere deutlich, als der Bundesrat am 18. September Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärte. Es herrschte weitgehend Konsens darüber, dass die meisten der bisherigen Antragsteller aus den Balkanstaaten sowieso keine richtigen Flüchtlinge seien. Dass etwas an der Asylgesetzgebung nicht stimmen kann, wenn Menschen, die in den Herkunftsländern systematisch diskriminiert werden, hierzulande dennoch kein Asyl erhalten, war indes kaum zu hören. Vielmehr wurden verschiedene Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt. […]

Der vollständige Artikel ist auf der Website des Neuen Deutschland leider nur für Inhaber eines Online-Abos lesbar. Auf dem Blog annotazioni erschien dankenswerterweise ein genehmigter Nachdruck: Brandgefährliche Stimmungsmache

Netzfundstücke: Jürgen Link zum 1. September

Jürgen Link veröffentlichte am 1. September auf seinem Blog Bangemachen gilt nicht den Artikel 100 Jahre WK I, 75 Jahre WK II: Die SCHLAGzeitung schaltet auf Modus WK III.

Es gilt: WNLIA = Weder-noch, lieber irgendwie anders. Der binäre Reduktionismus, das heißt die totale ”Einäugigkeit”: ”PUUTIIN” gegen den Rest der Welt, ist eine tödliche diskursive Waffe – als ob wir nicht bis 3 zählen könnten und uns entweder für PUUTIIN oder für eine radikale Eskalationsstrategie des “Westens” im Schlepptau der abenteuerlichen “Anti-Terror-Aktionen” Kiews mit Bombardierung von Großstädten entscheiden müssten. Die Einäugigkeit und Selbstgleichschaltung unserer Medien unterscheidet sich in nichts von 1914 (in diesen Tagen, als vor 100 Jahren bereits die mörderischen Materialschlachten gegen Russland an der Ostfront tobten).

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel: 100 Jahre WK I, 75 Jahre WK II: Die SCHLAGzeitung schaltet auf Modus WK III