Netzfundstück: Dirk Niebel

In der Online-Ausgabe der WAZ lesen wir: FDP-Minister Dirk Niebel fordert Wahlrecht für Kinder. (3.1.2013)

Für praktikabel hält es der FDP-Minister, wenn Eltern das Wahlrecht ihrer Kinder treuhänderisch wahrnehmen würden.

Es ist immer wieder beunruhigend, wenn Vertreter der Eliten, wie der amtierende Minister Niebel oder der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, antidemokratische Rezepte von vorvorgestern als „Reformprojekt“ für die Zukunft präsentieren.

Helmut Kellershohn schrieb bereits im vorletzten DISS-Journal über das Original, das heute plagiiert wird: die Konzepte für eine „Staatsumbau“, die in der Spätphase der Weimarer Republik von jungkonservativen Eliten entwickelt wurden. Lesen Sie den Artikel im DISS-Journal 23: Demokratie als Baustelle.

Auf seinem Blog Amore e rabbia kommentierte auch Helmut Loeven den Vorstoß von Dirk Niebel. Sein satirisches Statement trägt die Überschrift Parlament: arisch.

 

 

Lesetipp: Stacheldrahtsprache

Im Stuttgarter ibidem-Verlag erschien Ende 2012 die mit 685 Seiten sehr umfangreiche Untersuchung von Katrin Huck zu extrem rechter Sprache im Internet.

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Katrin Huck
Stacheldrahtsprache
Sprachliche Grenzziehungen der extremen Rechten im Internet
Stuttgart (Ibidem-Verlag) 2012, 685 Seiten, 59,90 EUR

Im Vorwort schreibt die Autorin u.a.:

 […] Als „Stacheldrahtsprache“ verstehe ich demgegenüber eine Sprache, die sich einer Öffnung gegenüber dem Anderen verweigert. Eine Sprache, die die Ver­flochtenheit mit dem Anderen leugnet, die sich dem „Doppelgängertum“, wel­ches das Sein als Mit-Sein impliziert, verwehrt. Eine solche Sprache zeichnet sich durch sprachliche Grenzziehung aus. Sie transportiert Appelle des Aus­schlusses des Anderen, bis hin zu Appellen der Vertreibung und dem offenen Aufruf zum Mord. Sie lässt dem Anderen keine Gerechtigkeit widerfahren. Er bleibt in ihren Diskursen stimmlos. Über ihn wird lediglich geredet. Die Distanz zu ihm wird erst sprachlich konstruiert, dann penibel gewahrt. Eine Distanz, die lediglich von sprachlicher Gewalt durchbrochen wird, die den bereits ins Außen gedrängten Anderen erneut angreift und erniedrigt.
Stacheldrahtsprache konstruiert und reproduziert immer einen Innen- und einen Außenbereich. Sie weist Menschen Plätze zu, wobei die einen dem exklusiven, zum Bereich des Erhabenen und als Ort der Reinheit stilisierten, Innern sprach­lich zugeordnet werden, die anderen jedoch auf einen Nicht-Ort im Außen ver­wiesen werden. Um ihrer sprachlichen Gewalt gegen jene Verwiesenen Legiti­mation zu verleihen, ist ein Selbstbild zwischen Opfer und Elite bezeichnend für die Stacheldrahtsprache. Die konstruierte Wir-Gruppe wird als Kollektiv aufge­wertet, während gleichzeitig die Opfer der verübten sprachlichen Gewalt durch Handlungsprojektion zu Tätern und Angreifern stilisiert werden. Die Verwen­dung von Kampfwortschatz ist daher eines der zentralen Charakteristika der Sta­cheldrahtsprache, deren Sprecher sich durch Freund-Feind-Denken auszeichnen.

[…]

Die vorliegende Untersuchung folgt in Ansatz und Anspruch der Kritischen Diskursanalyse Duisburger Prägung. Diese will explizit gesellschaftliche Miss­stände aufzeigen und aktiv auf das gesellschaftliche Zusammenleben einwirken. Ebenso versteht sich diese Arbeit als sprachwissenschaftliche Analyse der Ver­fahren der Ausgrenzung und Appellen der Vertreibung des extrem rechten Dis­kurses und zielt darauf, deren sprachlichen Entwurf einer sozialen Ordnung auf ethisch-moralische Mängel zu hinterfragen.
Um aufzuzeigen, wie die extrem rechte Diskursstrategie das Internet eingliedert und für sich nutzt, müssen Untersuchungsverfahren der Kritischen Diskursana­lyse Duisburger Prägung vom Off- auf den Onlinebereich übertragen werden. […]

 

Das NPD-Verbot in der wissenschaftlichen Debatte

Neuer Text in der DISS-Onlinebibliothek

Robin Heun: Die NPD-Verbotsdebatte

Abrufbar unter: http://www.diss-duisburg.de/?p=4495

Nach über einjähriger Vorlaufzeit seit dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung (NSU), hat der Bundesrat am 14.12.2012 beschlossen, einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.1 Das Thema NPD-Verbot hat mit diesem Bundesratsbeschluss eine neue Relevanz erhalten. Wir veröffentlichen deshalb eine von Robin Heun im Frühjahr 2012 erstellte Bachelor-Arbeit mit einer Analyse der wissenschaftlichen Verbotsdebatte2. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von 2000 bis März 2012.

Bisher wurde die Wissenschafts-Debatte zum NPD-Verbot noch nicht explizit untersucht. Die vorliegende Arbeit soll daher einen Einblick in diese Debatte gewähren, indem die typischen Argumente und Argumentationsmuster und die zugrunde liegenden Argumentationslogiken der Verbotsskeptiker und Verbotsbefürworter herausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck werden vier Forschungsfragen gestellt:

  • Welches Bild haben die Verbotsskeptiker bzw. Verbotsbefürworter von der NPD?
  • Wie wird das Parteiverbotsinstrument bewertet?
  • Welche Erwartungen werden mit einem NPD-Verbot verknüpft?
  • Wie wird ein Verbot bzw. Nicht-Verbot begründet?

Zunächst wird im ersten Teil der Analyse (Kapitel 2.) erörtert, welches Gewicht politischen Parteien in der Forschung für die Verwirklichung eines parlamentarischen Regierungssystems beigemessen wird (Kapitel 2.1) und welche rechtliche Stellung Parteien in der Bundesrepublik besitzen (Kapitel 2.2). Anschließend wird das Institut des Parteiverbots in seinen Grundzügen dargestellt (Kapitel 2.3). Neben der historischen Verortung, den materiellen Voraussetzungen, den Rechtsfolgen wird hier auch auf das erste NPD-Verbotsverfahren eingegangen. Zudem werden die theoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Konzepts der sog. „wehrhaften Demokratie“ dargelegt (Kapitel 2.4). Im zweiten Teil der Analyse (Kapitel 3.) erfolgt die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen NPD-Verbotsdebatte.

1 Siehe Pressemitteilung des Bundesrates online verfügbar unter: http://www.bundesrat.de/cln_236/nn_8538/DE/presse/pm/2012/214-2012.html?__nnn=true [15.12.2012]. Der Bundesrat folgte mit diesem Beschluss der Empfehlung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 06.12.2012.

2 Eine kurze Zusammenfassung der Analyse erschien im DISS-Journal 23 (2012), S. 11-13.

Lesetipp: Moderne Antimoderne

Die Arbeit von Volker Weiß über Arthur Moeller van den Bruck liegt jetzt gedruckt vor. Sie erschien im Verlag Ferdinand Schöningh in einer gebundenen Ausgabe auf gutem Papier, mit Lesebändchen und Personenrgister und ist angesichts des Umfangs von 548 Seiten mit 68 Euro fast noch erschwinglich.

 

 

 

Volker Weiß
MODERNE ANTIMODERNE
Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus
Ferdinand Schöningh
Paderborn • München • Wien • Zürich, 2012

 

Klappentext:

Das Leben und Werk Moeller van den Brucks (1876-1925) sind in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Dabei war der Kulturkritiker eine der Schlüsselfiguren im Radikalisierungsprozess des deutschen Nationalismus und Konservatismus.

Moeller van den Bruck – ein Bohemien und Faschist. Als Kunsttheoretiker nahm er regen Anteil an der Avantgarde des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, als Autor des Buchs »Das dritte Reich« entwarf er die Programmatik der »Konser­vativen Revolution« und bereitete so den Weg für den Aufstieg der NSDAP. Wie kaum ein anderer steht er für eine »alternative Moderne von rechts«, die sich jen­seits einer liberal-fortschrittlichen Demokratisierung entwickelte. Dem Leben und Werk dieses Schriftstellers, der Oswald Spengler, Hans Grimm und Carl Schmitt beeinflusste, wird mit dieser Arbeit erstmals vollständig Rechnung getragen. Sie bietet eine umfassende Einbettung des Autors in den ästhetischen und politischen Diskurs seiner Zeit und zeichnet durch die Auswertung bislang unbekannter Archivquellen ein völlig neues Bild von der Rezeption Moeller van den Brucks während der Zeit des Nationalsozialismus.

 

 

Inhaltsverzeichnis:

VORWORT ……………………………………………….. 13

EINLEITUNG ……………………………………………… 17

Problematik …………………………………………….18
Konservativ? …………………………………………
18
Revolution? ………………………………………….
19
Gliederung ……………………………………………..
20
Geschichte…………………………………………..
20
Rezeptionsgeschichte …………………………………..
22
Methodische Anmerkung ……………………………….
22
Zur Person: Arthur Moeller van den Bruck ……………………..
24
Biographische Fragmente ……………………………….
24 „Lesetipp: Moderne Antimoderne“ weiterlesen

„Befreite Zone“ Thule-Netz?

Aus aktuellem Anlass dokumentieren wir einen Beitrag aus dem Jahr 1997. Martin Dietzsch und Anton Maegerle publizierten damals in dem Sammelband Das Netz des Hasses ((Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Das Netz des Hasses. Rassistische, rechtsextreme und neonazistische Propaganda im Internet. Wien (Deuticke) 1997, S. 170-192.)) einen Artikel zum damaligen Neonazi-Mailboxnetz: „Befreite Zone“ Thule-Netz?

Der Gegenstand dieses Artikels erlangte durch das Auffliegen der Terrorgruppe NSU erneut Relevanz. Die späteren NSUler wurden durch das neonazistische Milieu von Mitte der 1990er Jahre geprägt, dessen Bestandteil und Spiegel das Thule-Netz war. Einige Exponenten, die zum direkten Umfeld des NSU gezählt werden können, waren aktive Teilnehmer dieses Netzes. So z.B. Kai Dalek (alias Undertaker), dem in Medienberichten inzwischen nachgesagt wird, er sei gleichzeitig V-Mann gewesen, und auch vom THS-Führer und V-Mann Tino Brand heißt es, er soll über Thule kommuniziert haben. Das sollte Grund genug sein, sich die Dokumente und Auswertungen von damals noch einmal genauer anzusehen.

Unsere Autoren kamen 1997 zu dem Fazit:

„Gefährlich ist dieses Netz nicht wegen der Nutzung moderner Technik, sondern weil die Neonazi-Szene, aus der sich Teilnehmer und Betreiber rekrutieren, gefährlich ist und nach wie vor in ihrer terroristischen Dimension unterschätzt wird.“

Lesen Sie bitte den vollständigen Beitrag in der DISS Online-Bibliothek:
Martin Dietzsch und Anton Maegerle: “Befreite Zone” Thule-Netz?

*

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch die aktuelle Recherche des AIDA-Archivs aus München: NSU in Bayern (Teil 1)

Patrick Gensing auf dem Publikative-Blog: Waren wir alle blind?

Auf dem österreichischen Blog Stoppt die Rechten wird darauf hingewiesen, dass der im Artikel erwähnte ehemalige  Betreiber der österreichischen Thule-Mailbox derzeit in Wien wieder vor Gericht steht: Neonazis: Nicht alle sind blind!

 

 

„Eklat“ im niedersächsischen Landtag

Autor: Martin Dietzsch

„… und es gibt auch Wissenschaftler, die bezeichnen das als ‚Institutionellen Rassismus‘ was wir hier erleben…“

Am Mittwoch (20.6.2012) nahm SPD-Fraktionschef Stefan Schostok in seiner Rede im niedersäschsischen Landtag das böse Wort „Institutioneller Rassismus“ in dem Mund und löste damit tumultartige Szenen bei Abgeordneten und Ministern der CDU aus.

„Niemand dürfe sich im Parlament dazu hinreißen lassen, der Regierung Rassismus vorzuwerfen.“

So fasst die WELT die heftigen Reaktionen höflich zusammen.

Einen drastischeren Eindruck vermittelt ein TV-Beitrag des NDR:
Eklat im Landtag, NDR 20.6.2012, 19.30 Uhr (Diesen Beitrag findet man inzwischen auch bei youtube)

Bildschirmfoto NDR 20.6.2012

Stefan Schostock zitierte eine kurze Passage aus einer Stellungnahme des DISS, die in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung  erwähnt worden war (Umstrit­tene Abschie­bung in Nie­der­sach­sen — In Stur­heit gefangen, vergl. auch DISSkursiv vom 18.6.2012).

Wir veröffentlichen hier den „Stein des Anstoßes“, auf den „„Eklat“ im niedersächsischen Landtag“ weiterlesen

Netzfundstücke: Rostock-Lichtenhagen nach 20 Jahren

In seinem Beitrag Rassismus, Mob und Flächenbrand für publikative.org erinnert der Journalist Kai Budler an die pogromartigen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 20 Jahren und spannt den Bogen bis in die Gegenwart. Er wirft dabei auch einen kritischen Blick auf „Lichterketten“ und auf den späteren „Aufstand der Anständigen“. Der Autor fordert, den institutionellen Rassismus und den Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft stärker zu thematisieren.

Er bezieht sich u.a. auch auf einen Artikel von Siegfried Jäger im DISS-Journal, den Sie hier im Original nachlesen können:
Nur ein Sommerlochtraum. Die Kampagne gegen Rechts in Medien und Politik. Von Siegfried Jäger, erschienen in DISS-Journal 7 (2001)

Netzfundstück: SZ über umstrittene Abschiebung

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 18. Juni 2012 über einen besonders drastischen Fall von Abschiebung in Niedersachsen. Neben Pro Asyl und einigen hochrangigen Politikern hat auch das DISS versucht, im konkreten Fall zu intervenieren. Bisher waren alle Bemühungen vergeblich. Die SZ berichtet, dass Pro Asyl gegen den Verstoß gegen die  Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen protestiert und die Einsetzung einer unabhängigen Institution zum institutionellen Rassismus fordert. Weiter heißt es in dem Artikel:

Hinter die Forderung gestellt hat sich auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen sowie das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. In einem Brief des Instituts an Ministerpräsident McAllister heißt es, die Abschiebung und die Verweigerung einer Zusammenführung der Familie Siala/Salame müsse als „besonders eklatanter Fall von institutionellem Rassismus bewertet werden“.

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel hier:
Umstrittene Abschiebung in Niedersachsen – In Sturheit gefangen

 

Rezensionen

Auf zwei neue Rezensionen von DISS-Publikationen möchten wir hinweisen: Auf dem PW-Portal (Portal für Politikwissenschaften) erschien eine Rezension von Christoph Busch zum Buch Rechte Diskurspiraterien.

Diese Diskurspiraterie wurde bereits in mehreren Aufsätzen an einzelnen Beispielen analysiert, allerdings gelingt es hier erstmals, das Thema hinsichtlich mehrerer Dimensionen in einem größeren Kontext zu bearbeiten. Aufschlussreich sind unter anderem die Artikel zu den Themenfeldern Antikapitalismus, Feminismus und Pazifismus. Sie verdeutlichen, wie die radikale Rechte diese aufgreift, völkisch-nationalistisch umdeutet und damit Anschlüsse an die Diskurse der „Mitte“ sucht. Interessant ist insbesondere der Beitrag von Lenard Suermann zu den Autonomen Nationalisten. Er arbeitet überzeugend am Material „ein vielschichtiges Bild des Phänomens ‚AN‘“ (188) heraus, das eben auch die Widersprüche und Spannungsfelder akzentuiert und in den Kontext der gesamten Neonaziszene setzt. Dabei wird auch deutlich, dass die AN keine Entwicklung nach einem Masterplan nehmen, sondern dass es sich vielmehr um eine tentative Suchbewegung handelt, die vor allem jugendkulturelle Praxen erfolgreich integrieren konnte.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie bitte hier: Rezension Christoph Busch

Michael Lausberg beschäftigt sich in TABULA RASA – Zeitschrift für Gesellschaft und Kultur mit dem DISS-Titel zu den Anschlägen in Norwegen Das hat doch nichts mit uns zu tun.

Als Untersuchungsergebnis wurde festgehalten, dass alle untersuchten Medien eine Externalisierungen des Täters und der Tat betrieben: „Während zu Recht konstatiert wird, dass Breivik sich in rechten Milieus bewegt hat und offenkundig deren Ideologien vertritt, wird eine Auseinandersetzung mit zentralen Aussagen Breiviks Ideologie im je eigenen Spektrum abgewehrt.“
Die Morde Breiviks wurden vor allem in rechten Medien als Reaktion auf „islamistischen Terror“ gewertet, auf diese Weise wurde eine Schuldumkehr betrieben. Bei der Berichterstattung über die Anschläge in Norwegen kam es selbst zu rassistischen Argumentationsmustern; die Ursachen für (antimuslimischen) Rassismus wurden oft in der Migration selbst und bei den Migranten gesucht. Das Denken und Handeln Breiviks wurde in den Bereich des Pathologischen verschoben. Die These des „Einzeltäters“ wurde gebetsmühlenartig wiederholt. Diese Argumentationsmuster dienten auch der Abwehr der eigenen Verantwortung für die entsprechenden Diskurse.
Es wurde festgestellt, dass „rassistische Implikationen in Islam- und Migrationsdiskursen so fest verankert sind, dass dieses Ereignis nicht bewirkte, diese grundlegend zu hinterfragen.“ Eine Selbstreflexion über eigene Schuld und Mitverantwortung fand in den seltensten Fällen statt. Viele bürgerliche Medien betonten eine Mitschuld der extremen Rechten, die – gemäß der Extremismustheorie – am Rand der Gesellschaft verortet werden. Der alltägliche Rassismus in der bundesrepublikanischen Gesellschaft spielte eine bei der Berichterstattung nur eine marginale Rolle, Verweise auf die so genannte Sarrazindebatte gab es kaum. Margarete Jäger konstatierte: „Dabei hätte die mediale Verarbeitung der Anschläge in Norwegen den Journalistinnen die Augen öffnen können. Sie hätten ein Lehrstück darüber werden können, was die Diskurse mit uns machen und wie stark wir in diese verstrickt sind. Dazu wäre allerdings eine kritische Hinterfragung der jeweiligen Perspektiven notwendig gewesen. Diese hat jedoch nur zaghaft stattgefunden und betraf auch nur die Notwendigkeit der anderen Kontextualisierung. (…) Aber vielleicht sind die Ereignisse in Norwegen ja dazu geeignet, die Diskurse in Deutschland auf mittlere Sicht durcheinander zu wirbeln und die reflexartige Reaktion der Medien zu korrigieren.“

Den vollständigen Artikel von Michael Lausberg lesen Sie hier: Tabula Rasa No 74 (4/2012)

 

DISS Online-Text zur christlichen Judenfeindschaft

In der DISS Online-Bibliothek können Sie ab sofort einen Aufsatz von Jobst Paul abrufen, der bereits 2001 entstand. Thematisiert werden verschiedene Varianten christlicher, insbesondere calvinistisch-reformierter und angelsächsischer Judenfeindschaft, u.a. die Legenden, die an die Existenz des Chasaren-Reiches im 8. Jahrhundert anknüpfen.

Von Anglo-Israelismus zu Christian Identity
Entwicklungslinien calvinistisch-reformierter und angelsächsischer Judenfeindschaft
Autor: Jobst Paul

Lutherische und katholische Regionen entwickelten oft militant-abweisende Formen der Judenfeindschaft. Dagegen bildeten die calvinistisch-reformierten Regionen Europas, vor allem England und die Niederlande, in der Folge auch die amerikanischen Staaten und der Staat der Voortrekkers, der burischen Pioniere Südafrikas, paternalistische Formen der Judenfeindschaft aus. Insbesondere das Bewusstsein, die Juden als herrschendes Geschlecht bereits abgelöst und von ihnen die jüdisch-alttestamentarische Identität übernommen zu haben, beherrschte bereits die Millennialisten im Gefolge Cromwells, aber auch die niederländischen Eliten des 17. Jahrhunderts. Hinzu kam der reformierte Glaube an eine Wiederkunft des Messias in Jerusalem, wenn sich dort die inzwischen zerstreuten Juden zur Bekehrung zum Christentum versammelten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verbanden sich damit sektiererische Theorien, die sich – meist von Großbritannien ausgehend – in den USA unter kontinental-europäischem Einfluss zu rechtsextrem-antisemitischen Lehren radikalisierten und seitdem nach Europa zurückwirken.

Lesen Sie den Text von Jobst Paul in der DISS-Online-Bibliothek. Sie können ihn hier als PDF-Datei abrufen (57 Seiten):
Jobst Paul: Von Anglo-Israelismus zu Christian Identity