Netzfundstücke: Im Namen der Menschenrechte

DISS-Mitarbeiterin Regina Wamper analysiert in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift analyse & kritik wie die deutschen Leitmedien derzeit offenen Rassismus verurteilen, wie aber zugleich Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt werden.

Um die Forderung nach der Begrenzung von Flucht zu untermauern, werden Flüchtlinge gespalten in diejenigen, die aus den Balkanländern kommen, und jenen, die syrischer Herkunft sind. Erstere würden das Asylrecht zuungunsten der zweiten missbrauchen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht man von »(wahren) Flüchtlingen« und solchen, »die sich nur so nennen«, die also »lediglich wegen der Armut und der Rückständigkeit in ihrer Heimat auswandern«, wie die SZ ergänzt. Entsprechend werden die angekündigten restriktiven Gesetzesänderungen von Innenminister de Maizière kaum kritisiert, ebenso wenig wie die in Bayern bereits umgesetzten »speziellen Auffanglager« an deutschen Außengrenzen für Geflüchtete aus Balkanstaaten. Nicht mit Verweis auf deutsche Interessen sollen Geflüchtete aus Balkanstaaten abgewiesen, abgeschoben und abgeschreckt statt »alimentiert« (FAZ) werden, sondern im Namen der Menschenrechte der anderen. Es scheint so, als vollzögen die deutschen Medien einen Spagat zwischen den frühen 1990er Jahren und dem »Aufstand der Anständigen«. Momentan wird beides geteilt: die Abschreckungspolitik des Staates ebenso wie das eigene humanistische Selbstverständnis unter Verweis auf die vielen Helfenden.

Auffällig ist, dass die Fluchtursachen weitgehend ausgeblendet werden. Zwar wird hier und da auf Armut und Krieg verwiesen, häufiger noch auf durchlässige Grenzregimes, keinesfalls aber auf die globale Ungleichverteilung von Ressourcen oder gar auf die Rolle Deutschlands in einer neokolonialen Weltpolitik. Wird die Frage nach der Situation in Herkunftsstaaten doch gestellt, dann lautet die Antwort, Deutschland müsse verstärkt wirtschaftliche und militärische »Verantwortung« in der ganzen Welt übernehmen. Stefan Kornelius etwa stellt in der SZ die Frage, welche Einwirkungsmöglichkeiten »die reiche EU auf die Afrikanische Union« habe, »in deren Reihen Staaten regelrecht ausbluten«. Nicht gefragt wird, welche Einwirkungsmöglichkeiten die reiche EU bereits wahrgenommen hat und was dies mit dem »Ausbluten« zu tun haben könnte.

Die Medien inszenieren Deutschland momentan als die hilfsbereite Nation. Die geplanten weiteren Entrechtungen von Geflüchteten werden mit empathischer Geste als Sachzwang vermittelt. Rassistische Mobilisierungen, Brandanschläge und andere Übergriffe werden medial durchgängig verurteilt, auch wenn mitunter verniedlichende Phrasen der »besorgten Bürger« oder der »Angst« der Rassist_innen bemüht werden. Dem anhaltenden militanten Rassismus von organisierten und unorganisierten Brandstiftern wird die »Willkommenskultur« der vielen »guten Deutschen« gegenübergestellt.

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel auf der Website von analyse & kritik: Im Namen der Menschenrechte (ak Nr. 608 / 15.9.2015)

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