Erinnerung. Stolpersteine verschwunden – was dieses Mal anders ist

Unter diesem Titel berichtet Annette Kahlscheuer in der WAZ und NRZ am 26.7.2024 über vier Stolpersteine auf der Höhe Koloniestraße 135 in Duisburg, die verschwunden sind. Sie erinnert daran, dass Martin Dietzsch vom DISS im Rahmen seiner Recherche für die Bestandaufnahme „Dreihundert Stolpersteine in Duisburg“ (2019) entdeckte, dass 10 Stolpersteine vermutlich bei Bauarbeiten entfernt wurden und spurlos verschwanden. Im aktuellen Fall gebe es jedoch keinen Bezug zu einer Baustelle.

Die Autorin erinnert an die Menschen, derer durch die verschwundenen Steine gedacht wird: „Rosa, Klara, Ida und Anna-Maria Atsch“. Sie gehörten zu einer Artistenfamilie. „Da sie als ‚Zigeuner‘ galten, durften sie ab 1939 Duisburg nicht mehr verlassen, auch nicht für Auftritte. Deshalb mussten sie „betteln und wurden so durch die NS-Rassenpolitik zu ‚Asozialen‘ gemacht.“ Sie wurden von der Kripo festgenommen, nach Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet.

Die vier Stolpersteine waren das einzige Mahnmal für die über 100 ermordeten Sinti und Roma aus Duisburg.

-> der ganze Artikel vom 26.7.2024 in der WAZ (Paywall)

-> Broschüre „Dreihundert Stolpersteine in Duisburg“ des DISS (siehe S. 281-285)

-> Broschüre „Spurensuche. Zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Duisburg“ des DISS

-> Karte mit allen Stolpersteinen in Duisburg

Ein anderes Duisburg

Ein sehr spannendes Projekt zur Duisburger Zeitgeschichte ist am Wochenende mit einer Website online gegangen: Ein anderes Duisburg.

Eine rassismuskritische Erinnerungskultur und die Migrationsgeschichte in Duisburg stehen im Mittelpunkt von „Ein Anderes Duisburg“. Mit historischen Dokumenten, Fotos und Videointerviews von Zeitzeug:innen archiviert die Webdokumentation sowohl eindringliche Migrations-, Flucht- und Rassismuserfahrungen als auch Widerstände und Selbstorganisierungen. In thematisch aufgebauten Episoden werden bisher ungehörte Geschichten sicht- und hörbar. Die Webdokumentation zeigt: Eine multidirektionale Erinnerungskultur im städtischen Gedächtnis ist auch Voraussetzung für den Aufbau einer solidarischen Stadt für Alle an Rhein und Ruhr.

In Episode 1 (weitere sollen folgen) geht es um den Brandanschlag in Wanheimerort in der Nacht vom 26. auf den 27. August 1984, durch den sieben Menschen gestorben sind: Von Rassismus wurde nicht gesprochen!

Wir freuen uns, dass wir mit einigen Dokumenten aus dem DISS-Archiv zu dieser wichtigen Recherche beitragen konnten.

Am 26.8.2023 konnte endlich eine Gedenktafel am Haus des Brandes  enthüllt werden, die im öffentlichen Raum an die Ereignisse von 1984 erinnert.

Gedenktafel, Wanheimer Straße 301, enthüllt am 26.8.2023. Foto: M. Dietzsch

DISS-Journal Sonderausgabe 4: Neue Rechte und AfD

Die neue Sonderausgabe unserer Institutszeitschrift DISS-Journal ist erschienen und kostenlos als PDF-Datei abrufbar.

Neue Rechte und AfD
Wirtschaft | Klima | Soziales – die Bundestagswahl 2021

AUTOR*INNEN
Andrea Becker
Fynn Bitz
Johanna Bongers
Laura Geray
Helmut Kellershohn
Maria Luna Kindermann
Karina Korneli
Max Kroppenberg
Laura Schlöter
Louisa von der Weydt
Lara Wiese

INHALT
3 VORWORT
4 VORÜBERLEGUNGEN
8 METHODIK / VORGEHENSWEISE
9 VÖLKISCHER NEOLIBERALISMUS – ANMERKUNGEN ZUM BUNDESTAGSWAHLPROGRAMM 2021 DER AFD
22 DISKURSE GEGEN DEN KLIMASCHUTZ IN AFD-PROGRAMMEN
29 UMKÄMPFTE RENTENPOLITIK IN DER AFD
35 ZEITSCHRIFTENPORTRÄT DIE KEHRE
39 PORTRÄT RECHERCHE D
42 PORTRÄT „ZUERST!“
44 PORTRÄT „EIGENTÜMLICH FREI“
46 DER MITTELSTANDS-DISKURS IN MEDIEN DER NEUEN RECHTEN
54 RECHTE POSITIONEN ZUM BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN
57 DISKURS „NIEDRIGLOHN UND MIGRATION“ IN DER JUNGEN FREIHEIT
59 VÖLKISCHER ANTIKAPITALISMUS
61 AUSGEWÄHLTE LITERATUR ZUR NEUEN RECHTEN

Vorwort
Auf der 20. Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik 2019 hielt Götz Kubitschek, einer der Vordenker der sogenannten Neuen Rechten, einen Vortrag, der dann unter dem Titel „Normalisierungspatriotismus“ in der in
stitutseigenen Zeitschrift Sezession erschien (92/2019). Der Begriff erinnert an einen Text von Peter Glotz (SPD) aus dem Jahr 1994, in dem dieser die unter dem Label „Neue demokratische Rechte“ auftretende intellektuelle Rechte – ihr Aushängeschild war der von Heimo Schwilk und Ulrich Schacht herausgegebene Sammelband Die selbstbewußte Nation – mit dem kritisch gemeinten Begriff „Normalisierungsnationalisten“ belegte. Kubitschek macht sich ihn zu Nutze, verändert ihn und seine Bedeutung und empfiehlt ihn nunmehr der AfD als Kampfbegriff. „Normalisierungspatriotismus: Das ist die Wiederherstellung des Selbstverständlichen und Tragfähigen, die Rekonstruktion des Angemessenen und Zuträglichen, und bereits das ist, so bescheiden es klingt, eine Herkulesaufgabe.“ Die Renormalisierung der Verhältnisse, gleichbedeutend mit der Renationalisierung der Repu
blik – das sei das „politische Minimum“, das sich die AfD zu eigen machen müsse und auch schon tatsächlich anstrebe.
Es verwundert nicht, wenn – auf welch verschlungenen Pfaden auch immer – die Normalisierungs-Parole auf dem neuen Wahlprogramm der AfD für die Bundestagswahl 2021 als Motto erscheint: „Deutschland. Aber nor
mal.“ Das klingt in der Tat „bescheiden“ oder „defensiv“, wie Kubitschek formulierte. Über das „politische Maximum“ freilich schwieg er 2019 genauso wie heute die AfD. Wir haben es hier mit einem schönen Beispiel für das Zusammenspiel der Neuen Rechten und der AfD, von Metapolitik und Realpolitik zu tun. Die Neue Rechte – unabhängig von ihren disparaten Fraktionen – betrachtet die AfD als Transmissionsriemen ihrer Ideen, die AfD ihrerseits – unabhängig von ihren Flügeln – bedient sich des Arsenals ihrer Argumente.
Das hier vorliegende Sonderheft des DISS-Journals widmet sich schwerpunktmäßig, nicht zuletzt aus Gründen der Aktualität, der „Normalisierungs“-Agenda der AfD im Vorfeld der Bundestagswahl (Wahlprogramm, Klimapolitik, Rentenpolitik). Die diesbezüglichen Texte sind im Rahmen eines vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW geförderten und in die Wissenschafts- und Praxiscommunity des Netzwerks CoRE-NRW (Connecting Research on Extremism) eingebundenen Projekts entstanden, das noch bis Juni 2022 läuft („Metapolitik und Weltanschauung. Konzepte und Debatten der Neuen Rechten zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik“). Im Verlauf der Arbeit an diesem Projekt sind auch die Beiträge entstanden, die in diesem Heft einzelnen Facetten der Neuen Rechten nachgehen. Ihr verbindendes Moment ist die Thematisierung wirtschafts- und sozialpolitischer Vorstellungen in Medien der Neuen Rechten. Vier dieser Medien werden zudem porträtiert. Die beiden einleitenden Artikel, darauf sei zuletzt verwiesen, stellen die theoretischen Überlegungen vor, die dem Projekt zugrunde liegen, gefolgt von einem Methodenkapitel, in dem Andrea Becker die Arbeit an der Erstellung eines Textkorpus zur Publizistik anschaulich darstellt.
Bedanken möchte ich mich bei den Praktikantinnen und Praktikanten, die das Projekt unterstützt haben und dem DISS hoffentlich ‚geistig‘ verbunden bleiben werden, sowie bei Martin Dietzsch für die Betreuung des Heftes. Guido Arnold verdanken wir wie immer ein anregendes Layout.
Helmut Kellershohn

 

 

DISS-Neuerscheinung: Stolpersteine

In der DISS-Online-Bibliothek erschien die Broschüre

Dreihundert Stolpersteine in Duisburg

Eine Bestandsaufnahme November 2019

Martin Dietzsch

Kostenlose Online-Broschüre, 338 Seiten, DIN-A4

 

Bis November 2019 wurden in Duisburg 300 Stolpersteine verlegt. Die Leserinnen und Leser finden hier erstmals eine ausführliche und vollständige Liste dieser Steine mit Verlegungsort, Fotos des jeweiligen Steines und dessen Umgebung, das Verlegungsdatum, sowie Kurztexte zu den Biografien, die der Literatur und Zeitungsartikeln entnommen sind und Verweise auf weitere Quellen.

 

Vor 20 Jahren wurde Egon Effertz ermordet

Mahnmal für Egon Effertz. Duisburg Walsum, Franz-Lenze-Platz, 17.3.2019. Foto: M. Dietzsch.

Vor 20 Jahren wurde in Duisburg Walsum Egon Effertz von Neonazis ermordet. In einem Artikel auf Der Westen kommt auch DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch zu Worte.

Auch der Prozess habe gezeigt, dass die Täter in der rechten Szene verwurzelt waren: „Das Lieblingslied des Haupttäters war ein Hetzlied gegen Juden, darin heißt es ‚Wetzt die langen Messer / Auf dem Bürgersteig! / Laßt die Messer flutschen / In den Judenleib!“ Davon aufgepeitscht, sind sie auf die Straßen gegangen. Aber er wurde damals als unpolitisch gewertet.“ Kein Einzelfall, so der Soziologe: „Es gab mehrere Fälle in Duisburg, in denen die Ideologie heruntergespielt wurde, etwa den Fall der ‚Legion 47‘ 2015.“

Lesen Sie den vollständigen Artikel auf dem Portal Der Westen:

https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburg-rechte-menschenjagd-der-tag-als-egon-effertz-starb-id216652659.html

Veranstaltungsreihe in Hamm, 18.10. bis 13.12.2017

Mit einem neuen Format – den „WERKSTADT-Gesprächen“ – lädt die „WERKSTADT für Demokratie und Toleranz“ in Hamm zu acht Vorträgen und Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus dem „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS) ein. Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus, aber auch die AfD, Hate Speech in den sozialen Medien oder die aktuellen Debatten um Flucht und Asyl stehen dabei im Mittelpunkt.

„Die Idee der Veranstaltungsreihe ist, mit renommierten Fachleuten über Ausformungen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) ins Gespräch zu kommen und deren Bedeutung für das Geschehen in Hamm herauszuarbeiten“, erläutert Benjamin Kerst von der WEKRSTADT für Demokratie und Toleranz. Zu Beginn gibt es immer einen Impuls-Vortrag. Die Kölner Silvester-Ereignisse und ihre politischen Folgen kommen ebenso auf die Tagesordnung wie die unzulässig vereinfachende Gleichsetzung von „ganz rechts“ und „ganz links“ in bestimmten politischen Debatten. Benjamin Kerst, von der WERKSTADT für Demokratie und Toleranz ist froh, „das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung als hochkarätige Kooperationspartnerin gewonnen zu haben“.

„Wir möchten auf diese Weise über Themen informieren, die Bedeutung für das Hammer ‚Handlungskonzept gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ haben“, ist auch WERKSTADT-Mitarbeiterin Christina Vetter überzeugt, dass die Veranstaltungsreihe eine gute Mischung aus Information und Diskussion bietet. „Uns ist es wichtig, miteinander über die ganze Bandbreite von GMF und die Möglichkeiten, dem etwas entgegen zu halten, ins Gespräch zu kommen“, sind sich Vetter und Kerst, die die Veranstaltungsreihe entwickelt haben, einig.

Auftakt ist am Mittwoch, 18. Oktober 2017, um 18.30 Uhr mit einem WERKSTADT-Gespräch mit Isolde Aigner über „Die ‚Wahrheit‘ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln.“ Mit Ausnahme des 1. Novembers wird dann bis zum 13. Dezember jeden Mittwoch von 18.30 bis 20.30 Uhr ein WERKSTADT-Gespräch stattfinden. Die ersten sechs Termine finden in der Evangelischen Jugendkirche Hamm (Oktober und November) statt, die Termine im Dezember im Helios-Theater Hamm.

 

 

Überblick über die Veranstaltungstermine

Die „Wahrheit“ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln

Vortrag und Diskussion mit Isolde Aigner

Mittwoch den 18. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung. Die Debatte um Flucht und Asyl 2015/2016 in deutschen Leitmedien

Vortrag und Diskussion mit Dr. Margret Jäger

Mittwoch den 25. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Trauer oder Heldenkult? Kriegsdenkmäler. Unreflektierte Traditionspflege und rechte Vereinnahmungsversuche

Vortrag und Diskussion mit Martin Dietzsch

Mittwoch den 08. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Das rechte Geschlecht. Geschlechterbilder im Rechtsextremismus

Vortrag und Diskussion mit Dr. Regina Wamper

Mittwoch den 15. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

„Volksverräter“! Sprache und Ausgrenzung. Strategien gegen Herabsetzung

Vortrag und Diskussion mit Dr. Jobst Paul

Mittwoch den 22. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Feindschaft gegen Sinti und Roma in Deutschland. Am Beispiel aktueller Medienberichte

Vortrag und Diskussion mit Zakaria Rahmani

Mittwoch den 29. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Die Neue Rechte und die AfD. Geistiger Bürgerkrieg
Vortrag und Diskussion mit Helmut Kellershohn

Mittwoch den 06. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Rechts gleich links? Geschichte und Effekte eines problematischen Vergleichs

Vortrag und Diskussion mit Jens Zimmermann

Mittwoch den 13. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Quelle: Kirchenkreis Hamm

Netzfundstücke: Bandenkriege, Drogen und Angela Merkel

Einen schönen Kontrapunkt zur Marxloh-Katastrophenberichterstattung anlässlich des Merkel-Besuches setzt Felix Huesmann im Online-Magazin Vice. Zur Recherche war er in Duisburg und hat u.a. DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch befragt.

Die Polizei sieht Martin Dietzsch auch für die anfängliche Eskalation der Stimmung in Rheinhausen in der Mitverantwortung: „Wie jetzt in Marxloh gab es damals ein seltsam lanciertes Papier der Polizei. Das tauchte im August 2013 plötzlich auf und behauptete völlig abenteuerliche Kriminalitätszahlen in dem Haus und im Stadtteil. Das wird in den Medien teilweise bis heute noch als Fakt behandelt, obwohl die spätere offizielle Kriminalstatistik dem widerspricht. Vor der Veröffentlichung des Polizeipapiers hatte sich die Situation rund um das Haus halbwegs beruhigt, danach eskalierte die Lage.“ „Etwas Ähnliches“, sagt Dietzsch, „erleben wir jetzt in Marxloh.“

Lesen Sie den vollständigen Artikel auf Vice: Bandenkriege, Drogen und Angela Merkel: Die No-Go-Area von Duisburg

Netzfundstücke: Déjà-Vu

Der Westen veröffentlichte am 7.4.2015 den Artikel Rassismusforscher sehen Rechtsruck in Asyl-Debatte.

Sie erleben gerade ein Déjà-Vu, die Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS): „In den 90er Jahren sagten viele, „ich bin nicht ausländerfeindlich, aber…“ und am Ende brannten Häuser, starben Menschen in Hoyerswerda, Solingen. Heute sagen Menschen „Ich bin nicht rechts, aber…“ und spätestens im zweiten Satz äußern sie sich extrem rechts“, analysiert Martin Dietzsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter. Taten könne man nach solchen Äußerungen nicht ausschließen.

Lesen Sie den vollständigen Artikel bitte hier: Rassismusforscher sehen Rechtsruck in Asyl-Debatte

 

 

Netzfundstücke: Die Informanten

Patrick Gensing schreibt in der Jüdischen Allgemeinen vom 2.4.2015 zum Thema NPD-Verbot.

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht den Beschluss des Gerichts mit Sorge […]. Das NPD-Verbot sei »schon lange überfällig«, sagte Schuster der Jüdischen Allgemeinen. Er hoffe, »dass das politische Flaggschiff der Rechten nun schnell und endgültig in den Abgrund versinkt«.

Daran glaubt der Politikwissenschaftler Martin Dietzsch vom Duisburger Institut für Sprache und Sozialforschung (DISS) nicht. Das Problem sei nicht, der NPD Verfassungswidrigkeit nachzuweisen, sagt Dietzsch. »Wir haben stattdessen ein Geheimdienstproblem«, meint er.

Aus dem gescheiterten Verbotsverfahren seien keine Konsequenzen gezogen worden, sondern die Kompetenzen und Aufgabenfelder des Geheimdienstes noch ausgeweitet worden. Für ihn gehe es bei einem NPD-Verbotsverfahren schlicht und einfach darum, den Neonazis – also der NPD und den sogenannten Freien Kameradschaften – den staatlichen Schutz und die staatliche Förderung zu entziehen, sagt Dietzsch. »Und das exzessive V-Mann-Unwesen zählt nicht zur Bekämpfung, sondern zur Förderung des Neonazismus.«

Eine These, die der aktuelle Beschluss der Verfassungsrichter zu belegen scheint: Eine Neonazi-Partei bleibt in Deutschland wohl unverbietbar – dank der Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und rechtsextremen Funktionären.

Lesen Sie den vollständigen Artikel bitte hier:
Jüdische Allgemeine Zeitung, Patrick Gensing: Die Informanten. Warum das NPD-Verbot erneut scheitern könnte

NPD-Verbot: staatsfundamentalistische Verfahrenshindernisse

Von Martin Dietzsch

Nach längerer Pause rückt das Verbotsverfahren gegen die NPD wieder einmal in die öffentliche Aufmerksamkeit. Seit dem Antrag des Bundesrats vom Dezember 2013 hatte man kaum noch etwas zum Thema gehört. Nun meldete sich das Bundesverfassungsgericht zu Wort mit einem „Hinweisbeschluss im NPD-Verbotsverfahren“ vom 19.3.2015.

Es geht wieder einmal um die unsägliche V-Leute-Praxis der Geheimdienste. Das Gericht gibt sich nicht zufrieden mit den Testaten der Innenminister, in den Führungsgremien der NPD befänden sich keine V-Leute mehr. Schon diese Testate waren 2013 nur mit Mühe zusammengetragen worden. Jetzt fordert das Gericht – wenn ich die Ausführungen richtige verstehe – die vollständige Offenlegung der V-Leute-Praxis. Das Schreiben schließt mit der Forderung, der Antragsteller solle „insbesondere zur Frage der Quellenfreiheit des Parteiprogramms Stellung nehmen“. Es fordert also Beweise dafür, dass das NPD-Parteiprogramm nicht von V-Leuten verfasst oder beeinflusst wurde.

Diese Forderungen wären nur zu erfüllen, wenn man die Geheimdienste dazu zwingt, sich in die Karten schauen zu lassen. Doch selbst die zahlreichen Enthüllungen im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal haben nicht zu einem Umdenken geführt.

Titelseite der DISS Studie V-Leute bei der NPD
DISS Studie „V-Leute bei der NPD“ (2002)

In Deutschland existiert eine Form des Fundamentalismus, die nicht in das Schema einer Extremismustheorie passt. So wie beim religiösen Fundamentalismus die jeweiligen heiligen Bücher über den weltlichen Gesetzen stehen, vertritt diese weitverbreitete weltliche Form des Fundamentalismus das Axiom: Die Nationale Sicherheit steht über der Politik und über dem Grundgesetz. Bei der Debatte über V-Leute geht es nicht um Quellenschutz, sondern um Verteidigung und Ausbau der Privilegien und der Sonderstellung der Geheimdienste.

Eine neue legale und unverbietbare NSDAP ist im Lichte dieser Form des Fundamentalismus weniger schlimm als eine wirksame demokratische Kontrolle der Sicherheitsapparate.

Aber das schreibe ich ja nicht zum ersten mal. „NPD-Verbot: staatsfundamentalistische Verfahrenshindernisse“ weiterlesen