Erinnerung. Stolpersteine verschwunden – was dieses Mal anders ist

Unter diesem Titel berichtet Annette Kahlscheuer in der WAZ und NRZ am 26.7.2024 über vier Stolpersteine auf der Höhe Koloniestraße 135 in Duisburg, die verschwunden sind. Sie erinnert daran, dass Martin Dietzsch vom DISS im Rahmen seiner Recherche für die Bestandaufnahme „Dreihundert Stolpersteine in Duisburg“ (2019) entdeckte, dass 10 Stolpersteine vermutlich bei Bauarbeiten entfernt wurden und spurlos verschwanden. Im aktuellen Fall gebe es jedoch keinen Bezug zu einer Baustelle.

Die Autorin erinnert an die Menschen, derer durch die verschwundenen Steine gedacht wird: „Rosa, Klara, Ida und Anna-Maria Atsch“. Sie gehörten zu einer Artistenfamilie. „Da sie als ‚Zigeuner‘ galten, durften sie ab 1939 Duisburg nicht mehr verlassen, auch nicht für Auftritte. Deshalb mussten sie „betteln und wurden so durch die NS-Rassenpolitik zu ‚Asozialen‘ gemacht.“ Sie wurden von der Kripo festgenommen, nach Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet.

Die vier Stolpersteine waren das einzige Mahnmal für die über 100 ermordeten Sinti und Roma aus Duisburg.

-> der ganze Artikel vom 26.7.2024 in der WAZ (Paywall)

-> Broschüre „Dreihundert Stolpersteine in Duisburg“ des DISS (siehe S. 281-285)

-> Broschüre „Spurensuche. Zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Duisburg“ des DISS

-> Karte mit allen Stolpersteinen in Duisburg

Die Verfolgung der Duisburger Sinti in der NS-Zeit

Ausstellung in der Salvatorkirche Duisburg, Burgplatz 19, 47051 Duisburg
Eröffnung mit einem Gottesdienst am So, 28.1., 16 Uhr
Dann 28.1.2024 – 11.2.2024 zu den Öffnungszeiten der Kirche: Di-Sa 10-17 Uhr, So 9-13 Uhr. Mo geschlossen

Unter der Überschrift „Die Verfolgung der Duisburger Sinti in der NS-Zeit“ eröffnet am Sonntag, dem 28. Januar, um 16.00 Uhr mit einem Gottesdienst eine Ausstellung über die Ausgrenzung und Entrechtung der Minderheit der Roma und Sinti im Nationalsozialismus bis hin zu ihrer systematischen Vernichtung im besetzten Europa. In der Salvatorkirche werden sechs Tafeln zu Duisburger Sinti-Biografien gezeigt, die als Ergänzung zu einer Wanderausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma vom Zentrum für Erinnerungskultur erarbeitet wurden.
Es ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ an dem es Jahr um Jahr wichtig ist zu erinnern und zu mahnen. Die Aktualität wird darin deutlich, dass wir uns gerade in diesem vergehenden Jahr neu mit dem latent lauernden Antisemitismus und Rassismus auseinandersetzen müssen, was klare Antworten braucht.
Die Ausstellung machte die zerstörten persönlichen Lebenswege hinter den abstrakten Dokumenten der bürokratisch organisierten Vernichtung sichtbar. Neben der unvorstellbaren Verfolgung und Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens, waren auch Homosexuelle, Kommunisten und politisch Andersdenkende, sowie eben auch Roma und Sinti der Verfolgung ausgesetzt. Historische Familienfotos geben wiederum Einblicke in ihre Lebenswirklichkeit und lassen sie als Menschen, die unter uns ihr Leben lebten, hervortreten – bis sie durch Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung herausgerissen wurden.

Die Ausstellung wird bis zum 11. Februar in der Salvatorkirche zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen sein.

Eröffnunggottesdienst am So, 28.1., 16 Uhr:

Gottesdienst zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (Pfarrerin Süselbeck mit Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Duisburg-Mülheim-Oberhausen e.V., Schüler*innen des Landfermann-Gymnasiums, Kirchenkreis und kath. Gemeinde).

-> https://salvatorkirche.de/

DISS Neuerscheinung zu TV und Antiziganismus

Ab sofort lieferbar ist der Band 46 der Edition DISS im Unrast-Verlag:

Katharina Peters
Das deutsche Fernsehen und der Fall ›Rassismus‹
Mediale Inszenierungen von Sinti und Roma im Tatort und in politischen Talkshows

Das Buch ist erhältlich im guten Buchhandel oder direkt beim Unrast-Verlag.
ISBN 978-3-89771-775-6
164 Seiten, 18 EUR

 

Das vermeintliche Wissen, das über Sinti*ze und Rom*nija kursiert, ist geprägt von negativen Stereotypen bei kaum vorhandenen Kontakterfahrungen mit Angehörigen der Minderheit. Die dominierenden Bilder werden durch die Medien verbreitet und als Wahrheiten ausgegeben und rezipiert. Sie beschränken sich außerdem nicht auf Mitglieder der Minderheit, sondern werden ohne Widerspruch auf Menschen aus Bulgarien und Rumänien übertragen. Neben der emanzipatorischen Arbeit einer zunehmenden Zahl an Selbstorganisationen, ist es ein Anliegen dieser Arbeit, die medialen Inszenierungen, deren Schauplätze und Akteur*innen, sowie die dahintersteckenden Wirkmechanismen und Strukturen aufzudecken.

Katharina Peters untersucht am Beispiel der medialen Inszenierung von ›Sinti und Roma‹ im deutschen Fernsehen, wie Rassismen adaptiert und verbreitet werden. Die mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien ausgezeichnete Analyse entlarvt die als Realitäten ausgegebenen Bilder in ihrer Konstruiertheit und schafft so Raum für andere Wirklichkeitsentwürfe, die ein vielfältigeres Bild zulassen und Stereotype negieren. Der diskurs- und medienwissenschaftliche Ansatz leistet einen Beitrag, Erscheinungsformen des Rassismus in Zeiten eines weltweit erstarkenden Nationalismus am Beispiel von Antiziganismus im deutschen Fernsehen detailliert zu beschreiben. Mit dem Ziel, die Sensibilität für eine diskriminierungsfreie mediale Darstellung zu schärfen und das Bewusstsein für die Realität Deutschlands als eine Einwanderungsgesellschaft zu stärken.

Katharina Peters

Katharina Peters (*1987) studierte Germanistik, Anglistik, Literatur- und Kulturwissenschaften und lebt im Ruhrgebiet. Als Mitarbeiterin am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und als Lehrbeauftragte arbeitet sie zu den Themen Rassismus, Antiziganismus und Gender Studies – insbesondere in den Medien.

Sie ist Verfasserin der Expertise Diskursivierung von ›Sinti und Roma‹ und ›Antiziganismus‹ in Bundestagsdebatten 2010 – 2019 im Auftrag der von der Bundesregierung eingesetzten Unabhängigen Kommission Antiziganismus, in der sie die politischen Positionen der einzelnen Fraktionen und deren Argumentationsstrategien untersucht. Die Ergebnisse der Studie werden 2021 veröffentlicht.

2020 erschien der von ihr und Stefan Vennmann herausgegebene Sammelband Nichts gelernt?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus. Weitere Infos dazu unterwww.diss-duisburg.de.

Für die vorliegende Arbeit wurde sie mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für interkulturelle Studien 2020 ausgezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorspann – Die Verwischung der Grenzen im Interdiskurs Fernsehen

Drehbuch – Korpus und Struktur der Analyse
Im Visier – Sint*ezza und Rom*nja als Objekte medialer Inszenierung
Wiederholung – Die Rolle des Fernsehens
Immer wieder sonntags – Der Tatort
Modus operandi – Zur Methode

‚Sinti und Roma‘ im mediopolitischen Diskurs – Eine Spurensuche

Die Bürde der kollektiven Schuld – Armer Nanosh (1989)
Musikalität und Leidenschaft – Die schlafende Schöne (2005)
Kriminalität und Elend
Klau-Kids: aus ‚Osteuropa‘ – Brandmal (2008) und Kleine Diebe (2000)
‚Menschenhandel‘, ‚Prostitutoon‘, ‚Arbeiterstrich‘, ‚Bettel-Clans‘ und ,Müll’ – Mein Revier (2012), Angezählt (2013), Mi sanjetz da, wo’s weh tut (2016), Klingelingeling (2016)

Auflösung oder offenes Ende? Résumé und Ausblick

Literatur
Verzeichnis Filme und Fernsehsendungen
Anhang
Übersicht Tatort-Folgen
Übersicht Polit-Talkshows
Übersicht (diskursauslösende) Ereignisse und mediale Bearbeitungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Antiziganismus im Fernsehen. Analyse von Katharina Peters in der DISS Online-Bibliothek

Die WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ vereinte in geballter Form, was im deutschen Fernsehen schief läuft, wenn es um „kontroverse“ Themen wie Diskriminierung, Migration, Gleichberechtigung geht. Den geladenen Gästen fehlt es an Expertise, die immer-gleichen (rechts-)konservativen Positionen werden wiedergekäut und die lautesten gewinnen die meiste Redezeit. Komplexe Inhalte werden darauf runtergebrochen, „was man ja wohl noch sagen darf“ – und überhaupt, „die sollen sich nicht so anstellen“, die von Rassismus Betroffenen. „Und wer sagt denn, dass die das als Problem empfinden?“ Schließlich „kennt man einen, der einen kennt, der das überhaupt nicht schlimm findet, wenn man ihn mit der rassistischen Fremdbezeichnung anspricht“…

Die Sendung des WDR steht zu Recht unter scharfer Kritik. Allerdings ist sie nur die kondensierte Form dessen, was in deutschen Debatten-Shows gang und gebe ist. Wir nehmen die Diskussion um „Die letzte Instanz“ zum Anlass, die generellen Defizite des Formats Talkshow und das mangelnde Diversitätsbewusstsein vieler Redaktionen in den Fokus zu rücken.

In unserem Sammelband NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus erschien der Beitrag von Katharina Peters „Sind wir zu intolerant?“ Die mediale Inszenierung von ‚Sinti und Roma‘ in Polit-Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Aus aktuellem Anlass stellen wir diesen Text in der DISS Online-Bibliothek kostenlos zur Verfügung. (Hier abrufbar)

Bitte erwerben Sie dieses Buch über den Buchhandel oder direkt beim Verlag Situationspresse bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
NICHTS GELERNT?!
Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus
Katharina Peters / Stefan Vennmann (Hg.)
Situationspresse (Duisburg) 2019
ISBN 978-3-935673-46-4
211 Seiten, 18 Euro

 

Pater Oliver: „Der Tote wird nicht der letzte sein“

Das Domradio Köln sendete gestern ein Interview mit Pater Oliver vom Sozialpastoralen Zentrum Petershof in Marxloh.

In einem Schlafcontainer der Gemeinde St. Peter in Duisburg-Marxloh wurde am Wochenende ein Obdachloser tot aufgefunden. Der Pfarrer der Gemeinde sieht dahitner ein größeres Problem – und erhebt Vorwürfe gegen die Stadt Duisburg.

Pater Oliver Potschien (Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Peter in Duisburg-Marxloh): Am Samstagmorgen ist der schlimmstmögliche Fall eingetreten, den wir uns immer ausgemalt haben: Dass einer unserer Bewohner tot im Bett lag. Der Punkt ist: Der Tote von Samstag wird nicht der letzte sein, weil wir viele Menschen haben, die schwer krank sind und die nicht vernünftig versorgt werden.

Man hat den Eindruck, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die durch die gängigen Konzepte fallen und einfach abgeladen werden.

[…]

DOMRADIO.DE: Sie sagen, die Stadt Duisburg lässt die Obdachlosen im Stich. Inwiefern?

Potschien: Ja, ich habe schon vor längerer Zeit einen Hilferuf an die Stadt geschickt. Und da kommen dann so Sätze zur Antwort wie „Im Spannungsfeld dieser Problematik bedarf die institutionelle Entscheidung der sorgfältigen Abwägung aller relevanten Aspekte.“ Dazu fällt mir nichts mehr zu ein, der Stadt offensichtlich auch nicht, aber mir fällt gar nichts mehr dazu ein. Wir müssen uns doch anständig um die Menschen kümmern!

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich konkret von der Stadt Duisburg?

Potschien: Wir müssen uns an einen Tisch setzen und versuchen, dass wir für die Leute, die offensichtlich durch das Raster fallen, eine menschenwürdige Lösung finden. Der erste Schritt wäre, dass die Stadt Duisburg überhaupt erst einmal anerkennt, dass es ein Obdachlosen-Problem in Duisburg gibt. Das wäre vielleicht schonmal ein Anfang. Die Menschen bilde ich mir ja nicht ein, ich habe ja keine Halluzinationen, sondern sie sind sehr real.

Der erste Schritt wäre: Wir erkennen an, es gibt in Duisburg ein Problem mit Obdachlosen. Der zweite Schritt: Jetzt versuchen wir, das zu lösen. Das würde ich mir wünschen.

Lesen Sie den vollständigen Artiken auf Domradio.de:
Schwere Vorwürfe nach Obdachlosen-Tod in Duisburg „Der Tote wird nicht der letzte sein“

Hören Sie das Interview mit Pater Oliver bei Domradio.de:
Tod in der Notschlafstelle: Hilferuf aus Duisburg – Ein Interview mit Pater Oliver Potschien (Petershof Duisburg-Marxloh)

Dokumentation: Offener Brief zur Situation der Obdachlosen in Duisburg

Pater Oliver und Schwester Ursula vom Petershof Marxloh (Sozialpastorales Zentrum an der kath. Kirche St. Peter) machten vor einem Monat in einem Offenen Brief auf die äußerst zugespitzte Lage der Obdachlosen in Duisburg aufmerksam.

 

Die Lokalzeit Duisburg des WDR berichtete zuletzt am 30.4. über das Thema. Die Sendung ist noch bis zum 7.5. abrufbar.
Pater Oliver kämpft für Bedürftige trotz Corona | Studiogast: Sandra Hankewitsch, Pflegewissenschaftlerin

 

 

 

Wir dokumentieren den Wortlaut des Offenen Briefes und die Antwort der Stadt Duisburg. Die Original-Dokumente entnahmen wir der Website des Georgswerks: Aktuelle Corona-Hilfe. Das Statement der Stadt Duisburg wird dort mit den Worten kommentiert: „Halten Sie sich fest: Hier die Antwort“

 

Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg

Petershof

Herrn
Oberbürgermeister Link
per Mail: oberbuergermeister@stadt-duisburg.de

Situation der Obdachlosen in Duisburg
Offener Brief

01.04.2020

Sehr geehrter Herr Link,

auch wenn die Eingangsfrage vielleicht etwas platt ist, steckt doch das ganze derzeitige Elend darin:

Möchten Sie derzeit in der Haut eines Obdachlosen stecken?

Mit einer gewissen Fassungslosigkeit konstatieren wir, wie das hier seit langem fehlende Konzept für einen angemessenen, menschlichen und dem 21. Jahrhundert entsprechenden Umgang mit Obdachlo­sigkeit in der gegenwärtigen Situation für viele Duisburger lebensbedrohlich wird.

Daher bitten wir Sie, folgende Punkte zu überdenken:

1. Es muss für jeden Duisburger eine angemessene Unterkunft geben.
Suchtkrankheiten und ihre Folgen können keine Ausrede für die Verweigerung eines Schlafplat­zes sein.

2. Es muss für jeden Duisburger etwas zu essen geben.
Und zwar unabhängig von Gabenzäunen, Pfandflaschensammlungen oder Durchwühlen von Müllcontainern.

3. Es muss für jeden Duisburger (warme) Kleidung zur Verfügung stehen.

4. Es muss für jeden Duisburger Zugang zu einem Arzt möglich sein.
Und zwar weder in ehemaligen Schlafzimmern alter Pfarrhäuser noch in ausrangierten Kranken­wagen noch im Nieselregen auf irgendwelchen öffentlichen Plätzen.

Viele Initiativen in Duisburg kümmern und sorgen sich – oft bis an den Rand des individuell Möglichen – um ihre Mitmenschen. Viele Duisburger beteiligen sich, indem sie Lebensmittel, Ideen, Kleidung, Geld, Arbeitskraft und Zeit investieren.

Ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept bleibt dies alles aber nur Flickwerk.

Mit freundlichen Grüßen
Pater Oliver
Schwester Ursula

Petershof Marxloh | Sozialpastorales Zentrum an der kath. Kirche St. Peter
Mittelstr. 2 |47169 Duisburg – Marxloh | Tel.: (0203) 500 66 07 | Fax: (0203) 500 89 46 www.georgswerk.de

 

Die Antwort der Stadt Duisburg

Der Oberbürgermeister
Dezernat für Familie, Bildung und Kultur, Arbeit und Soziales
Dez. III Stadtverwaltung Duisburg, 47049 Duisburg

Petershof Marxloh
Sozialpastorales Zentrum St. Peter
Herrn Pater Oliver

Ihr Schreiben „Offener Brief“ vom 01.04.2020, Reg.Nr. 1052/2020

Sehr geehrter Pater Oliver, sehr geehrte Schwester Ursula,

mit Ihrem Offenen Brief haben Sie sich an Herrn Oberbürgermeister Sören Link gewandt. Dieser gab Ihre Zuschrift an mich als den zuständigen Fachdezernenten weiter.

Zunächst bedanke ich mich für Ihre Zuschrift vom 01.04.2020, in der Sie erneut die Problematik der von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen in unserer Stadt beleuchten. Die Beantwortung Ihrer darin eingangs gestellten Frage erübrigt sich. Für die allermeisten Einwohnerinnen und Bürgerinnen unserer Stadt ist ein Leben auf der Straße unvorstellbar. Welche Nachteile und Einschränkungen damit verbunden sind, lässt sich erahnen; insbesondere wenn die Betroffenen durch extreme Wetterlagen, Katastrophen oder die aktuell vorgegebenen Beschränkungen der Behörden im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stehen.

Ihrem Hinweis, wonach es in Duisburg kein Konzept für einen angemessenen, menschlichen und dem 21. Jahrhundert entsprechenden Umgang mit Obdachlosigkeit gibt, widerspreche ich ausdrücklich. Bereits vor vielen Jahren hat Duisburg sich zur Vermeidung und Beseitigung von Wohnungs- und/oder Obdachlosigkeit konzeptionell neu aufgestellt. Diese Konzeption hat einen stark präventiv ausgeprägten Charakter und sieht eine dauerhafte Beherbergung in Obdacheinrichtungen nicht mehr vor. Vorrangig im Interesse der betroffenen Personen, weil hierdurch eine weitere Isolation und Verelendung vermieden werden soll. Primäres Ziel hierbei ist eine bedarfsgerechte Versorgung des Personenkreises, bevorzugt in eigenem Wohnraum. Nach hier vorherrschender Ansicht ist jeder Mensch wohnfähig. Fachgerechte Beratung und Begleitung der Betroffenen sind hierbei inclusive.

Bekannt ist, dass Hilfe in dieser Form nicht von allen Betroffenen angenommen wird. Bewusst entscheiden sich Einzelne für einen Verbleib und das Leben auf der Straße. Damit verbundene Unannehmlichkeiten, Nachteile und sonstige Beeinträchtigungen ihres Daseins nehmen sie bewusst in Kauf. Das Schicksal dieser Personen macht auch die Verantwortlichen in der Kommune betroffen; nicht nur in diesen Tagen.

Obwohl sich die Stadt Duisburg, wie erwähnt, auch im Interesse der Betroffenen vom Grundsatz her entschieden hat, keine Obdachloseneinrichtungen zu betreiben, kann im Rahmen der Gefahrenabwehr jederzeit eine Unterbringung erfolgen. Hierfür steht eine begrenzte Anzahl von Plätzen, die bedarfsweise ausgeweitet werden müssen, zur Verfügung. Viele der Betroffenen lehnen jedoch eine derartige Unterbringung in einer Not- oder Sammelunterkunft ab. Erfolgt eine Unterbringung in diesem Rahmen, kann diese nur vorübergehenden Charakter haben. Angestrebt wird weiterhin die Versorgung mit Normalwohnraum. Problematisch wird dies, wenn der betroffene Personenkreis aufgrund europa- oder ausländerrechtlicher Bestimmungen über kein Erwerbs­oder Transferleistungseinkommen verfügt. In diesen Fällen werden Hilfen zur Rückkehr oder dem Aufsuchen der heimischen Landesvertretung angeboten.

Das vorgenannte Unterbringungsangebot gilt auch dann, wenn der Personenkreis situativ von weiteren Einschnitten im öffentlichen Lebensraum betroffen ist. Viele lehnen jedoch auch in diesen Situationen weiterhin die Unterbringung in einer Not- oder Sammelunterkunft ab. Dem entgegen werden mit Blick auf die Fürsorgepflicht des Staates/der Kommune passgenaue Lösungsmöglichkeiten erwartet. Mitunter stehen diese konträr zu den übergeordneten Zielen des Hilfesystems und fördern einen Verbleib auf der Straße. Im Spannungsfeld dieser Problematik bedarf die institutionelle Entscheidung der sorgfältigen Abwägung aller relevanten Aspekte.

Ihre unter den Punkten eins bis vier beschriebene Forderung nach der Erfüllung existentieller Grundbedürfnisse teile ich. Vom Grundsatz her sehe ich diese mit den vom Gesetzgeber erlassenen Vorgaben, an die sich auch die Stadt Duisburg strikt hält, als gegeben an. Dennoch ist mir durchaus bewusst, dass es hier einzelfallbezogen Lücken gibt und die Bedarfsdeckung nicht oder nur mangelhaft sichergestellt ist. Hier bin ich den von Ihnen benannten ehrenamtlich tätigen Initiativen, Vereinen und Institutionen für ihr aufopferndes Engagement dankbar. Allein durch die öffentliche Hand ist hier Abhilfe in ausreichendem Maße nicht möglich.

Aktuell werden weltweit durchgängig allen Personen in den unterschiedlichsten Konstellationen massive Einschränkungen in ihrem Lebensumfeld abverlangt. Mit Blick hierauf bitte ich um Verständnis dafür, dass die Lösung der Problematik nicht unmittelbar erfolgen kann. Seien Sie jedoch versichert, dass innerhalb der

Verwaltung zeitnah das bisherige Angebot permanent geprüft und ggf. den aktuellen Bedingungen angepasst wird. Die Stadt Duisburg hat alle Menschen im Blick und wir arbeiten mit vereinten Kräften und hoher Motivation an der Bewältigung der momentanen Herausforderungen.

Ihnen und Ihren vielen Helfern*innen danke ich an dieser Stelle noch einmal für Ihr Engagement in dieser schwierigen Zeit.

Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Thomas Krützberg
Beigeordneter

 


Spenden kann man hier: Hilfe für den Petershof

DISS-Neuerscheinung: Nichts gelernt?! – Antiziganismus

Ab sofort lieferbar ist der Band:

NICHTS GELERNT?!
Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus
Katharina Peters / Stefan Vennmann (Hg.)
Situationspresse (Duisburg) 2019
ISBN 978-3-935673-46-4
211 Seiten, 18 Euro

Erhältlich über  den Verband für interkulturelle Arbeit (VIA) und über den Buchhandel (Verlag Situationspresse, Duisburg)

Der Sammelband mit Aufsätzen zum Thema Antiziganismus vereint Beiträge aus der Wissenschaft und der Praxis zur in Deutschland leider immer noch am meisten verbreiteten Form des Rassismus. Er wurde vom Arbeitskreis Antiziganismus im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) erstellt – in Kooperation mit dem Verband für interkulturelle Arbeit (VIA).

Antiziganismus hat Tradition. Er ist trauriges Zeugnis einer Kontinuität von ausgrenzenden und menschenverachtenden Verhältnissen. Die spezifische Form von Rassismus wirkt seit Jahrhunderten in Deutschland und Europa in zahlreichen Variationen der immergleichen Stereotype sowie den damit verbundenen Gedankenmustern und Diskriminierungspraktiken. Dabei zeichnet sich Antiziganismus durch eine enorme Anpassungsfähigkeit und eine hohe Widerständigkeit gegen seine Bekämpfung aus. Welche Wirkmechanismen und Strukturen lassen sich identifizieren? Welche Strategien und Lösungsansätze können diesem Ressentiment entgegengesetzt werden?

 

Aus dem Inhalt:

Dirk Wolff
‚AIDD – Angekommen in Duisburg und Dortmund‘
Ein Projektbericht

Dirk Wolff von VIA e.V. (Verband für interkulturelle Arbeit e.V.) stellt zu Beginn des Sammelbandes das kürzlich abgeschlossene Projekt Angekommen in Duisburg und Dortmund vor. Die sozialen Jugendprojekte mit Rom*nja in ausgewählten Stadtteilen in Dortmund und Duisburg werden beschrieben und zeigen Möglichkeiten gelingender, inklusiver Jugendarbeit auf, während gleichzeitig Schwierigkeiten und Limitierungen benannt werden.

Wibke Kleina
Zwischen Passfähigkeit und Besonderung
Eine Betrachtung der schulischen Situation von Sint*ezza und Rom*nja

Ebenfalls mit Inklusion, allerdings aus schulpädagogischer Sicht, setzt sich Wibke Kleina in ihrem Beitrag auseinander. Anhand der Kriterien Passfähigkeit und Besonderung wird die historische und gegenwärtige Bildungssituation von Sint*ezza und Rom*nja in Deutschland analysiert und herausgearbeitet, welche Faktoren im aktuellen Bildungssystem Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen hervorbringen beziehungsweise begünstigen. Die Autorin zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass die Verantwortung inklusiver Schulbildung bei den staatlichen Institutionen und Lehrkräften liegt und eben nicht — entgegen antiziganistischer Zuschreibungen wie einer behaupteten ‚Bildungsferne‘ — bei den Schüler*innen und ihren Familien zu suchen ist.

Katharina Peters
„Sind wir zu intolerant?“
Die mediale Inszenierung von ‚Sinti und Roma‘ in Polit-Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens

Katharina Peters untersucht in ihrem Artikel die mediale Berichterstattung über ‚Sinti und Roma‘ in Polit-Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Dabei wird den Fragen nachgegangen, durch welche Strategien und Merkmale die Diskursivierung der Minderheit innerhalb der Diskussionsrunden gekennzeichnet ist, im Rahmen welcher Themenfelder über ‚Sinti und Roma‘ berichtet wird, welche Leerstellen es gibt und welche Kollektivsymbole sich ausmachen lassen. Die Autorin identifiziert und problematisiert in diesem Zusammenhang besonders auch diskursive Kopplungen zwischen nicht-fiktionale Formaten (Polit-Talks) und fiktionalen Sendungen (z.B. Tatort), die sich durch ihre gegenseitige (inhaltliche und bildliche) Bezugnahme in ihren Realitätseffekten bestärken und so maßgeblich zum Fortbestehen antiziganistischer Stereotype in Medien und Gesellschaft beitragen.

Joachim Krauß
Der Zukunft abgewandt
Duisburger Wege der Desintegration

Den realen Auswirkungen dieser Ausgrenzungsphantasien widmet sich Joachim Krauß in seinem Beitrag, der den konkreten Fall der verfehlten Integrationspolitik der Stadt Duisburg in den Blick nimmt. Ausgehend von einer misslungenen Umsetzung des wirtschaftlichen Strukturwandels seit dem zunehmenden Niedergang der Industrie und der damit verbundenen städtischen Krise folgte eine jahrzehntelange Abschottung und Ausgrenzung neuzugezogener Stadtbewohner*innen. In der Gegenwart sind insbesondere Migrant*innen aus Bulgarien und Rumänien von dieser Politik betroffen. Anhand jüngerer Zahlen, Fakten sowie Äußerungen in Lokalmedien und Stadtpolitik wird das Agieren der Stadtverwaltung in Duisburg unter die Lupe genommen. Besondere Beachtung findet die institutionelle Diskriminierung bei der Beantragung von Sozialleistungen, und die zahlreichen Hausräumungen werden als effektive Verhinderung einer inklusiven Stadtpolitik kritisiert.

Sylvia Brennemann und Joachim Krauß
Ein guter Ort wird schlechtgemacht — ein Gespräch zur Situation in Duisburg-Marxloh

Anschließend an diese Ausführungen schildern Sylvia Brennemann und Joachim Krauß im Gespräch mit dem Arbeitskreis Antiziganismus des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung die aktuelle Situation in Duisburg-Marxloh. Sie geben Einblicke in die Entwicklung des Stadtteils, teilen Erfahrungen aus der praktischen Stadtteilarbeit, thematisieren Fälle struktureller Diskriminierung und sprechen politische Zusammenhänge und Agenden an. Dabei kritisieren sie vor allem eine Stadtpolitik, bei der Menschen auf der Strecke bleiben und ein ganzer Stadtteil zur ‚No-Go-Area‘ stilisiert wird.

Markus End
Die Dialektik der Aufklärung als Antiziganismuskritik
Thesen zu einer Kritischen Theorie des Antiziganismus

Markus End beschäftigt sich mit den gesellschaftstheoretischen Grundlagen und der Möglichkeit einer Kritik des Antiziganismus. In seinem Beitrag unterzieht er die Dialektik der Aufklärung von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno – insbesondere die darin enthaltenen Elemente des Antisemitismus – einer antiziganismuskritischen Lesart und plädiert dafür, dass bereits in diesem zentralen Werk der Kritischen Theorie eine Reflexion auf Antiziganismus angelegt ist. Dabei wird insbesondere auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Antisemitismus eingegangen und thesenhaft angedeutet, welche psychologischen Mechanismen antiziganistische Ressentiments hervorbringen.

Sebastian Winter
‚Femme fatale‘ und ‚Zwangsprostituierte‘
Über den Wandel antiziganistischer Weiblichkeitsbilder

Sebastian Winter setzt sich in seinem Beitrag mit dem Wandel antiziganistischer Weiblichkeitsbilder auseinander und illustriert die Notwendigkeit einer auf die Intersektionalität von Antiziganismus und Sexismus konzentrierten Forschung. Sozialpsychologisch geht er der Dialektik von Faszination und Verachtung nach und hebt diese Parallelität an antiziganistischen Elementen hervor, die den Diskurs um ‚Zwangsprostitution‘, ‚organisierter Kriminalität‘ und ‚Multikulti-Romantik‘ prägen. Dabei wird insbesondere auf die unterschiedlichen, stereotypen Vorstellungen ‚männlicher‘ und ‚weiblicher‘ ‚Zigeuner‘ eingegangen, die die vermeintlich monogam strukturierte Ordnung moderner Gesellschaften durch ihre non-konforme Sexualität in Gefahr bringt.

Rafaela Eulberg
Das Bild der wahrsagenden ‚Zigeunerin‘ als ‚nicht-okzidentale Andere‘
Anmerkungen zum Magie-Diskurs in antiziganistischen Formationen

Diese gendertheoretische Perspektive ergänzt Rafaela Eulberg in ihrem Beitrag mit einem Fokus auf das antiziganistische Stereotyp der ‚wahrsagenden‘, ‚magisch‘ begabten ‚Zigeunerin‘. Aus der Forschungsperspektive des Kritischen Okzidentialismus wird darauf eingegangen, dass sich in der exotisierenden Vorstellung der ‚Zigeunerin‘ nicht nur antiziganistische und sexistische Stereotype reproduzieren, sondern diese sich besonders in der ihnen zugeschriebenen magischen Begabung potenzieren. Der Vorwurf einer vermeintlichen ‚Religionslosigkeit der Zigeuner‘ wird hier zur Legitimationsinstanz der Dominanzgesellschaft erhoben, der das Paradigma des christlich-abendländischen Monotheismus zum Inbegriff religiöser Vernunft erklärt. Die vermeintliche Nutzung von ‚Zigeuner-Magie‘ als Gegenbegriff westlich-religiöser Vernunft rechtfertigt die Ausgrenzung und Verfolgung der stereotyp als unvernünftig, archaisch und primitiv Stigmatisierten.

Merfin Demir
Antiziganismus, Kolonialismus und Neoliberalismus
Eine Analyse aus Sicht einer Selbstorganisation

Merfin Demir geht in seinem Beitrag von einer Vergleichbarkeit von Antiziganismus mit der europäischen Kolonialgeschichte und der damit einhergehenden Entmenschlichungspraxis des Kolonialrassismus aus. Hierbei werden insbesondere das Verhältnis und Parallelen zur Sklaverei sowohl der amerikanischen Indigenen wie auch der durch Zwangsarbeit ausgebeuteten Afrikaner*innen näher betrachtet. Er plädiert dafür, die nahezu unbekannte Geschichte der Versklavung der Rom*nja in Rumänien und die sich später formierende Bürgerrechtsbewegung als maßgeblich durch das afroamerikanische civil rights movement geprägt zu verstehen. Dieser bisher in der Forschung kaum betrachteten Verbindung folgt eine thesenhafte Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Ausgrenzung und Verfolgung von Rom*nja am Beispiel des postsozialistischen Ungarn im Kontext dessen zunehmender Neoliberalisierung.

Astrid Messerschmidt
Antiziganismuskritik in Auseinandersetzung mit Rassismus und Nationalismus
Geschichtsbewusst handeln und Diskriminierung abbauen

Ähnlich wie Markus End geht auch Astrid Messerschmidt auf das Verhältnis von Antiziganismus und Antisemitismus als Element einer nationalbürgerlichen Konstellation ein. Dabei wird das Verhältnis von Antiziganismus und Nationalismus, insbesondere die ‚Arbeit‘ als Motor moderner, nationalstaatlicher Kollektivbildung und die Ausgrenzung von ‚fremd gemachten Anderen‘ reflektiert, die diesem westlichen Arbeitsethos nicht entsprechen und als ‚arbeitsscheu‘ und ‚müßiggängerisch‘ stigmatisiert werden. Im Kontext dieser Ideologisierung der Arbeit werden die Nachwirkungen des NS-Völkermordes thematisiert und die Notwendigkeit dargestellt, sich in antiziganismuskritischer Bildungsarbeit mit antiziganistischer Ausgrenzung im allgemeinen, aber insbesondere mit dem Nationalsozialismus als rassistischer Vernichtungsideologie – von dem neben Juden* – insbesondere als ‚Zigeuner‘ Stigmatisierte betroffen waren.

Stefan Vennmann
Der Nicht-Ort der Vernichtung
Zum Problem einer Analyse von Antiziganismus bei Giorgio Agamben

Stefan Vennmann kritisiert in seinem Beitrag die politische Philosophie Giorgio Agambens, der zwar ‚Zigeuner‘ im Kontext seiner philosophischen Untersuchungen immer wieder als Opfer von Ausgrenzung und Vernichtung versteht, im Kern aber alle Opfer von Ausgrenzung unter seinem Theorem des homo sacer – des straffrei tötbaren, gewissermaßen vogelfreien Lebens – subsumiert. Dies hat zur Folge, dass die von Astrid Messerschmidt als absolut notwendig postulierte Aufarbeitung der antiziganistischen Vernichtungspolitik im Nationalsozialismus ihres Spezifikums beraubt wird und Agamben spezifische Ausgrenzungsformen, die unterschiedlichen Logiken und Dynamiken folgen, weder erkennen noch erklären kann. Für die theoretische Verortung und Kritik von Antiziganismus wird Agambens Ansatz dahingehend problematisiert, dass er die Kontinuitäten und Diskontinuitäten antiziganistischer Ausgrenzung nur auf Phrasen reduzieren kann und gerade nicht auf spezifische, historische Konstellationen verweist.

Drita Jakupi
Antiziganismus, Romaphobie, Gadje-Rassismus? Kritische Einwände

Den Band schließen kritische Einwände von Drita Jakupi, in denen sie neben Einblicken in ihren Aktivismus auch zur Verwendung des Antiziganismus- Begriffs in der Forschung Position bezieht. Sie klagt die nach wie vor bestehende Ungleichbehandlung von Rom*nja durch die Dominanzgesellschaft an, die sich eben auch in der sprachlichen Weiterverwendung solch problematischer Begriffe wie ‚Antiziganismus’ zeige und attestiert stattdessen eine ‚Romaphobie‘. Diese sicherlich kontroverse These regt zum Weiterdenken an und kann exemplarisch dafür stehen, dass der Prozess der Auseinandersetzung und des Dialogs noch lange nicht beendet ist.

 

 

Zu den Autorinnen und Autoren:

Sylvia Brennemann ist Kinderkrankenschwester und lebt in Duisburg- Marxloh, wo sie sich seit vielen Jahren im Stadtteil engagiert, u.a. im Petershof und in der Praxis für Menschen ohne Krankenversicherung, die bis 2017 dort angesiedelt war. Mit ihrer Forderung nach gleichen Rechten für alle stößt sie vor allem im örtlichen Rathaus auf großen Widerstand.

Merfin Demir, 1980 als Sohn muslimischer Rom*nja geboren, ist Autodidakt. Sein Schwerpunkt liegt in der rassismuskritischen Empowermentarbeit. Er ist derzeit freier Mitarbeiter der Alice Salomon Hochschule (Berlin).

Markus End ist Fellow und Lehrbeauftragter am Zentrum für Antisemitismusforschung und Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen Theorien des Antiziganismus, antiziganismuskritische Bildungsarbeit sowie Antiziganismus in den Medien, bei Polizei- und Sicherheitsbehörden und in der Sozialen Arbeit.

Rafaela Eulberg ist neben ihrer Arbeit als hauptamtliche pädagogische Mitarbeiterin im Bildungswerk interKultur wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Religionsforschung am Forum Internationale Wissenschaft der Universität Bonn. Promoviert wurde Rafaela Eulberg 2018 an der Universität Luzern im Fach Religionswissenschaft mit der Dissertation Neue Orte für die Götter. Lokalisierungsdynamiken von Hindu-Praxis in der Schweiz im Kontext der sri-lankisch tamilischen Diaspora. Im Juni 2018 erhielt sie für ihre Dissertation den Fritz-Stolz-Preis der Schweizerischen Gesellschaft für Religionswissenschaft. Ihre Forschungsschwerpunkt sind ‚Religion und Migration‘, Religionsästhetik und gendertheoretische Religionswissenschaft.

Drita Jakupi ist Rom*nja-Aktivistin und hat Politikwissenschaft und Soziologie in Duisburg und Paris studiert. Sie hat als Projektkoordinatorin Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas sowie für die Stiftung Denkmal gearbeitet. Ihre aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind Systemische Traumatherapie und transgenerative Traumata.

Wibke Kleina ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik an der TU Dortmund sowie Mitarbeiterin im Projekt Schul- und Unterrichtsentwicklung im Rahmen von RuhrFutur – 2. Phase und zuständig gemeinsam mit Frau Prof. Dr. Silvia-Iris Beutel und Dr. Christiane Ruberg für die wissenschaftliche Begleitforschung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Inklusion, Bildung im Kontext von Migration und Flucht sowie Lehrer*innenbildung und Professionalisierung.

Joachim Krauß, M. A., Studium Osteuropastudien, Politik und Soziologie, Quartiersmanager in Berlin Marzahn NordWest, davor Bereichsleitung Migration und Integration bei der AWO-Integrations GmbH in Duisburg, Koordination und Durchführung von Forschungsprojekten wie Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien in Duisburg-Marxloh und Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Themenschwerpunkte: Vorurteilsforschung, aktuelle und historische Situation von Sint*ezza und Rom*nja, Neuere und Neueste Geschichte Südosteuropas.

Astrid Messerschmidt ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Diversität an der Bergischen Universität Wuppertal. Studium der Pädagogik, Religionspädagogik, Germanistik und Politikwissenschaft; Berufstätigkeiten in der Erwachsenenbildung; Arbeitsschwerpunkte: Erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung, Bildung in der Migrationsgesellschaft, Antisemitismus-, Antiziganismus- und Rassismuskritik, Bildungsarbeit zu Geschichte und Wirkung des Nationalsozialismus, Kritische Bildungstheorie.

Katharina Peters, M.A., Studium der Fächer Germanistik und Anglistik sowie der Angewandten Literatur- und Kulturwissenschaften an der TU Dortmund und der Karlstads Universitet, Schweden (Schwerpunkte: Intercultural Communication und Film Studies), Abschlussarbeit zum Thema Mediale Inszenierungen von ‚Sinti und Roma’ am Beispiel der Krimi-Reihe Tatort und Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Mitarbeiterin des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, Forschungsschwerpunkte: Rassismus, Antiziganismus, Film- und Medienanalyse, Gender Studies, Kollektivsymbolik.

Stefan Vennmann ist Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, promoviert am Institut für Philosophie der Universität Duisburg-Essen zum Thema Kollektive Schuld. Zur kritischen Theorie eines umkämpften Begriffs und ist seit 2013 Mitarbeiter im AK Antiziganismus des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Politische Theorie und Sozialphilosophie, insbesondere Kritische Theorie, Schuld- und Verantwortungstheorien, sowie Nationalsozialismus, Antisemitismus und die Philosophie der ‚Neuen Rechten‘.

Sebastian Winter, Dr. phil, ist Sozialpsychologe, Redaktionsmitglied der Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, derzeit Verwaltung einer Professur für Heilpädagogik an der Hochschule Hannover, Arbeitsschwerpunkte: Geschlechtertheoretische Sozialisationstheorie, Psychoanalytische Sozialpsychologie von Gemeinschafts- und Feindbildungsprozessen/ Ressentimentforschung, Geschlechter- und Sexualitätsgeschichte der völkischen Bewegung, des NS und der postnationalsozialistischen Gesellschaften, Deutsche Erinnerungskultur bzgl. des Nationalsozialismus.

Dirk Wolff ist mit der Koordinierung des Projekts ‚AIDD – Angekommen in Duisburg und Dortmund‘ am Standort Duisburg betraut. Er realisiert als Medienkompetenz-Trainer an Schulen und in Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen digitale Bildung.

 

Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben! und von der Amadeo Antonio Stiftung.

Audiomitschnitt: Anne Ley-Schalles, Nicolás Brochhagen, Wolfgang Esch und Robin Richterich

Vortragsreihe: Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute

Den Audiomitschnitt des Vortrags von Anne Ley-Schalles, Nicolás Brochhagen, Wolfgang Esch und Robin Richterich können Sie ab sofort auf youtube hören.