Nachruf in analyse & kritik

Nachruf von Regina Wamper, Sebastian Friedrich, Sara Madjlessi-Roudi und Jens Zimmermann auf Prof. Dr. em. Siegfried Jäger in der Zeitschrift analyse & kritik Nr. 663 vom 15. September 2020 (S. 5).

Gegen den Strich

Der Duisburger Diskursanalytiker Siegfried Jäger ist im Alter von 83 Jahren gestorben

Von Regina Wamper, Sebastian Friedrich, Sara Madjlessi-Roudi und Jens Zimmermann

Eigentlich wird im Besprechungsraum des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung nicht geraucht. Doch das scherte Siegfried Jäger, den wir alle nur Sigi nannten, wenig. Auch ohne die Autorität des Institutsgründers hätte er sich während der Diskussion genüsslich eine Zigarette angezündet. Als er mal aufgefordert wurde, doch bitte die Kippe auszumachen, fluchte er, argumentierte eloquent mit Foucaults Bio-Politik und zog ein weiteres Mal demonstrativ an seiner Zigarette.

Vom französischen Philosophen Michel Foucault, der Sigi wie kein zweiter geprägt hatte, gibt es eine interessante Passage zur Herrschaft im Kapitalismus: »Die Bourgeoisie ist intelligent, scharfsichtig und berechnend. Keine Herrschaftsform war jemals so fruchtbar und damit so gefährlich, so tief eingewurzelt wie die ihrige. Wenn man ihr laute Anklagen entgegenschleudert, wird sie nicht umfallen; sie wird nicht verlöschen wie eine Kerze, die man ausbläst.« Das wusste Sigi nur allzu gut, forschte und publizierte er mit dem DISS hauptsächlich zu den Themen extreme Rechte, Rassismus, Nationalismus, Neoliberalismus, Militarismus und Biopolitik; zu Themen also, die im Laufe seines wissenschaftlichen und politischen Lebens nicht gerade an Relevanz verloren haben – im Gegenteil.

Sigi war seit 1972 Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Duisburg. Bis in die 1970er noch stark vom Marxismus geprägt, widmete er sich ab den 1980er Jahren dann vor allem Foucault. 1987 gründete er mit seiner Frau Margarete Jäger und anderen das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Ein linkes, undogmatisches, unabhängiges Institut. Zentrales Motto: Wissenschaft gegen den Strich. In diesem Sinne wurde dort, federführend von Sigi, die Kritische Diskursanalyse (KDA) entwickelt.

In die gesellschaftliche Debatte intervenieren

Auch durch den Austausch mit seinem Umfeld und seinen Studierenden beschäftigte er sich seit den 1980er Jahren mit der Neuen Rechten. Zentral war dabei, völkisches Denken nicht als etwas zu verstehen, das lediglich exklusiv für einige wenige Splittergruppen ist. Gerade weil der völkische Nationalismus in der »Mitte der Gesellschaft« verankert ist, geht von ihm eine gesamtgesellschaftliche Gefahr aus.

Ähnliches gilt für ein weiteres für Sigi wichtiges Thema: In den frühen 1990er Jahren, in der Zeit der Pogrome und Morde gegen Migrant*innen, Geflüchtete und neuerlich erstarkender rassistischer und nationalistischer Diskurse wandte er sich der Analyse des alltäglichen und institutionalisierten Rassismus zu, in einer Zeit wohlgemerkt, in der ein Großteil der Meinungsmacher*innen noch immer davon ausging, Rassismus aka »Ausländer- « oder »Fremdenfeindlichkeit« seien mit dem Ende des NS von der Bildfläche verschwunden. Mit den Publikationen wie »Brandsätze« intervenierte das DISS in die Erzählung, Rassismus könne wirksam durch eine Beschneidung des Asylrechtes begegnet werden. Dabei hob das Institut die Mitverantwortung von Medien und Politik an den Angriffen hervor.

Für Sigi war immer klar: Wissenschaft muss eingreifend sein. Diese Devise vertrat Sigi auch bei wissenschaftlichen Konferenzen, wo er sich dann eben von so manchen Kolleg*innen anhören musste, das DISS betreibe eher politischen Aktivismus als objektive Wissenschaft.

Sigi wusste mit Foucault, dass Wissensproduktion immer auch Wahrheitsproduktion ist. Wer anderes behauptet, so Sigi, spielt eine machtvolle Karte aus, macht sich und die wissenschaftlichen Wahrheiten unangreifbar. Und diese akademische Unangreifbarkeit, also Wissenschaft, die Konsens erzeugt, war Sigi zutiefst suspekt. So verachtete er die »akademischen Esel, ihre Dumpfheit und Kurzsichtigkeit, die Wissens- und Kritikfeindlichkeit der heutigen Universität insgesamt«, wie er 2007 in einem Nachruf auf Alfred Schobert schrieb.

Dass die Herrschaftsform nicht einfach umfallen wird, rechtfertige eine gewisse Traurigkeit, fährt Foucault in der Passage über die bürgerliche Herrschaft des Kapitalismus fort. »Umso mehr gilt es, in dem Kampf so viel Fröhlichkeit, Helligkeit und Ausdauer wie nur möglich hineinzutragen. Wirklich traurig wäre, sich nicht zu schlagen.« Mit solcher Leidenschaft begab sich auch Sigi in Auseinandersetzungen. Wenn wir abends nach der Diskurswerkstatt länger auf ein paar Gläser Wein zusammen saßen, fragte er meist als erstes, was es Neues aus den politischen Zusammenhängen gebe, in denen wir zu diesem Zeitpunkt jeweils unterwegs waren. Die grundsätzliche Veränderung der Verhältnisse, die radikale Herrschaftskritik war das, was Sigi immer Orientierung war. Am 16. August · 2020 ist er gestorben.

Regina Wamper, Sebastian Friedrich, Sara Madjlessi-Roudi und Jens Zimmermann haben mit Siegfried Jäger am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) zusammengearbeitet.

FGW-Neuerscheinung: #120Dezibel: Frauenrechte oder Antifeminismus?

Neuerscheinung:

Cover-FGW-120dB-Frauenrechte-oder-AntifeminismusMargarete Jäger, Max Kroppenberg, Benno Nothardt, Benno und Regina Wamper
#120Dezibel: Frauenrechte oder Antifeminismus?
Populistische Diskursstrategien der extremen Rechten und Anschlussstellen im politischen Mainstream.

Forschungsgesellschaft für gesellschaftliche Weiterentwicklung, 2019.
86 Seiten, online verfügbar, ISSN 2699-1446.
Lynn Berg, Andreas Zick (Hg.): FGW-Studie Rechtspopulismus, soziale Frage & Demokratie 02.

 

Abstract

2018 riefen Aktivist_innen der Identitären Bewegung die Kampagne #120Dezibel ins Leben, die anschließend an ein Tötungsdelikt in Kandel und abgrenzend zur feministischen #MeToo-Kampagne Gewalt gegen ‚deutsche‘ Frauen durch ‚migrantische‘ Männer thematisiert. In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob die Kampagne #120Dezibel der Identitären Bewegung eine spezifische Form des rechten Antisexismus hervorbringt oder ob der völkische Antifeminismus in der extremen Rech-
ten weiter vorherrschend ist. Ferner wird analysiert, ob Leitmedien in Deutschland Anschlussstellen für rechtspopulistische Diskursstrategien bieten, wenn es um Diskursverschränkungen zwischen Geschlecht, Migration und Kriminalität geht. Zu fragen ist, ob durch die Leitmedien Ethnisierungen von Sexismus hervorgebracht werden und wie Leitmedien mit Ethnisierungen umgehen, sofern diese von der extremen Rechten formuliert werden. Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, wurden verschiedene Diskursanalysen unterschiedlicher Leitmedien in Deutschland, aber auch extrem rechter Medien zu unterschiedlichen Ereignissen durchgeführt.

Auf einen Blick

  • Das Verhältnis der extremen Rechten in Deutschland zum Feminismus ist durch einen ausgeprägten völkischen Antifeminismus bestimmt. Das zeigt sich deutlich in deren Rezeption der #MeToo-Kampagne.
  • Durch die Kampagne #120Dezibel der Identitären Bewegung wird keine spezifische Form des rechten Antisexismus hervorgebracht, auch wenn man vordergründig auf Frauenrechte rekurriert. Der völkische Antifeminismus in der extremen Rechten ist weiter vorherrschend. Bei der Kampagne und ihrer Rezeption in der extremen Rechten handelt es sich um eine populistische Diskursstrategie.
  • In der Debatte um ein Tötungsdelikt in Kandel im Jahr 2017 wurden in deutschen Leitmedien Ethnisierungen von Sexismus und von Femiziden vorgenommen. Dies bot Anschlussstellen für rechtspopulistische Interventionen in den Diskurs, wie sie die Kampagne #120Dezibel darstellt.
  • Gleichzeitig grenzen sich deutsche Leitmedien aber von Ethnisierungen ab, wenn diese von der extremen Rechten hervorgebracht werden.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Das Tötungsdelikt in Kandel in den Leitmedien
  3. Die Kampagne #MeToo in extrem rechten Medien
  4. Die Kampagne #120Dezibel in extrem rechten Medien
  5. Die Kampagne #120Dezibel in den Leitmedien
  6. Resümee: Anschlussstellen und Abgrenzungen

-> FGW-Impuls (Kurzfassung auf 4 Seiten)
-> FGW-Stuide (die ganze Studie)
-> Homepage der FGW
Logo der FGW

DISS-Neuerscheinung: Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe

Cover Handbuch Kampfbegriffe
Cover Handbuch Kampfbegriffe

Ab sofort ist die zweite, komplett überarbeitete und erweiterte Auflage des Handbuchs rechtsextremer Kampfbegriffe lieferbar.

 

Das Buch ist erhältlich beim Wochenschau-Verlag.

 

 

Bente Gießelmann, Benjamin Kerst, Robin Richterich, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hg.)
Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe
Wochenschau-Verlag (Frankfurt/M.) 2019
424 Seiten, 29,80 EUR
ISBN: 978-3-7344-0819-9 (Print) / 978-3-7344-0820-5 (PDF)

 

Was meinen Rechtsextreme, wenn sie von Islamisierung, Kameradschaft oder Schuld-Kult sprechen? Dieses Hand­wörterbuch zeigt, wie die extreme Rechte mit Begriffs(um)deutungen und Wortneuschöpfungen Bausteine ihrer Welt­anschauung über die Sprache zu vermitteln und zu verankern versucht.

Das Buch wendet sich insbesondere an Multiplikator_in­nen aus Schule, Medien, Sozialarbeit und Gewerkschaft. Der Band ist Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und dem Forschungs­schwer­punkt Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf.

Das Handwörterbuch erschließt das begriffliche Kontinuum der extremen Rechten und bietet eine Grundlage für die fundierte Auseinandersetzung damit. Für diese Neuauflage wurde es komplett überarbeitet und um mehrere Stichworte, wie z.B. Identität oder Lügenpresse, ergänzt.

Inhalt:

68er
von Fabian Virchow
Abendland
von Jespa J. Kleinfeld
Dekadenz
von Felix Kronau
Demokratie
von Robin Richterich
Deutschenfeindlichkeit
von Bernhard Steinke
Flüchtling
von Michael Lausberg
Freiheit
von Fabian Virchow
Gemeinschaft
von Leroy Böthel
Gender-Ideologie
von Regina Wamper
Heldengedenken
von Robin Richterich und David Freydank
Identität
von Kathrin Glösel, Natascha Strobl und Julian Bruns
Islamisierung
von Benjamin Kerst
Jude
von Stefan Vennmann und Frank Lattrich
Kameradschaft
von Christoph Schulze
Kapitalismus
von Fabian Virchow
Lügenpresse
von Jan Rathje
Nation
von Alexander Häusler
Nationaler Sozialismus
von Mark Haarfeldt
Natur
von Fabian Virchow
Political Correctness
von Bente Gießelmann
Rasse
von Sebastian Friedrich
Raum
von Mark Haarfeldt
Schuld-Kult
von Lenard Suermann
Staatsversagen
von Helmut Kellershohn
Umvolkung
von Helmut Kellershohn
USA
von Tim Ackermann
Zigeuner
von Alexandra Graevskaia

Veranstaltungsreihe in Hamm, 18.10. bis 13.12.2017

Mit einem neuen Format – den „WERKSTADT-Gesprächen“ – lädt die „WERKSTADT für Demokratie und Toleranz“ in Hamm zu acht Vorträgen und Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus dem „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS) ein. Themen wie Rassismus und Rechtsextremismus, aber auch die AfD, Hate Speech in den sozialen Medien oder die aktuellen Debatten um Flucht und Asyl stehen dabei im Mittelpunkt.

„Die Idee der Veranstaltungsreihe ist, mit renommierten Fachleuten über Ausformungen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) ins Gespräch zu kommen und deren Bedeutung für das Geschehen in Hamm herauszuarbeiten“, erläutert Benjamin Kerst von der WEKRSTADT für Demokratie und Toleranz. Zu Beginn gibt es immer einen Impuls-Vortrag. Die Kölner Silvester-Ereignisse und ihre politischen Folgen kommen ebenso auf die Tagesordnung wie die unzulässig vereinfachende Gleichsetzung von „ganz rechts“ und „ganz links“ in bestimmten politischen Debatten. Benjamin Kerst, von der WERKSTADT für Demokratie und Toleranz ist froh, „das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung als hochkarätige Kooperationspartnerin gewonnen zu haben“.

„Wir möchten auf diese Weise über Themen informieren, die Bedeutung für das Hammer ‚Handlungskonzept gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit‘ haben“, ist auch WERKSTADT-Mitarbeiterin Christina Vetter überzeugt, dass die Veranstaltungsreihe eine gute Mischung aus Information und Diskussion bietet. „Uns ist es wichtig, miteinander über die ganze Bandbreite von GMF und die Möglichkeiten, dem etwas entgegen zu halten, ins Gespräch zu kommen“, sind sich Vetter und Kerst, die die Veranstaltungsreihe entwickelt haben, einig.

Auftakt ist am Mittwoch, 18. Oktober 2017, um 18.30 Uhr mit einem WERKSTADT-Gespräch mit Isolde Aigner über „Die ‚Wahrheit‘ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln.“ Mit Ausnahme des 1. Novembers wird dann bis zum 13. Dezember jeden Mittwoch von 18.30 bis 20.30 Uhr ein WERKSTADT-Gespräch stattfinden. Die ersten sechs Termine finden in der Evangelischen Jugendkirche Hamm (Oktober und November) statt, die Termine im Dezember im Helios-Theater Hamm.

 

 

Überblick über die Veranstaltungstermine

Die „Wahrheit“ über Silvester. Die politischen Folgen der Silvester-Ereignisse von Köln

Vortrag und Diskussion mit Isolde Aigner

Mittwoch den 18. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung. Die Debatte um Flucht und Asyl 2015/2016 in deutschen Leitmedien

Vortrag und Diskussion mit Dr. Margret Jäger

Mittwoch den 25. Oktober, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Trauer oder Heldenkult? Kriegsdenkmäler. Unreflektierte Traditionspflege und rechte Vereinnahmungsversuche

Vortrag und Diskussion mit Martin Dietzsch

Mittwoch den 08. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Das rechte Geschlecht. Geschlechterbilder im Rechtsextremismus

Vortrag und Diskussion mit Dr. Regina Wamper

Mittwoch den 15. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

„Volksverräter“! Sprache und Ausgrenzung. Strategien gegen Herabsetzung

Vortrag und Diskussion mit Dr. Jobst Paul

Mittwoch den 22. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Feindschaft gegen Sinti und Roma in Deutschland. Am Beispiel aktueller Medienberichte

Vortrag und Diskussion mit Zakaria Rahmani

Mittwoch den 29. November, 18.30, Ev. Jugendkirche Hamm, Nassauerstraße 49

Die Neue Rechte und die AfD. Geistiger Bürgerkrieg
Vortrag und Diskussion mit Helmut Kellershohn

Mittwoch den 06. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Rechts gleich links? Geschichte und Effekte eines problematischen Vergleichs

Vortrag und Diskussion mit Jens Zimmermann

Mittwoch den 13. Dezember, 18.30, Helios Theater Hamm, Willy-Brandt-Platz 1d

Quelle: Kirchenkreis Hamm

Neue DISS-Broschüre: Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016

Ab sofort in der DISS Online-Bibliothek kostenlos als PDF-Datei abrufbar ist die Studie:

Margarete Jäger und Regina Wamper (Hg.)

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung.
Der Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016

Duisburg 2017, 209 Seiten, PDF-Datei

Spätestens im Sommer 2015 kam es in Deutschland zu einer massiven medialen Debatte um Flucht und Migration, die vor allem durch die Fluchtbewegungen ausgelöst wurde, welche hunderttausende Flüchtende nach Europa brachte. Gleichzeitig gab es zahlreiche Anschläge und Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Sie ließen in Deutschland ein Klima entstehen, das an die Zustände in den frühen 1990er Jahren erinnert. Und tatsächlich gibt es Parallelen. Auch damals wurde die Debatte rassistisch aufgeheizt, indem vom ‚massenhaftem Asylmissbrauch‘ die Rede war. Damals wie heute wird durch eine Verschärfung der Asylgesetzgebung der Auffassung Vorschub geleistet, es seien die Geflüchteten selbst, die rassistische Ausschreitungen provozierten. Damals wie heute werden Flüchtlinge als Gefahr für den ‚inneren Frieden‘ angesehen, weshalb die Bevölkerung vor ihnen geschützt werden müsse. Doch es gibt auch markante Unterschiede. So bemühen sich große Teile der deutschen Bevölkerung, die Flüchtenden zu unterstützen und engagieren sich in der Flüchtlingshilfe.
Eine Analyse des Mediendiskurses zu Flucht und Migration, die im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung vorgenommen wurde, ist diesen gegenläufigen Tendenzen nachgegangen. Im Resultat ist festzustellen, dass sich innerhalb weniger Monate das Sagbarkeitsfeld des Diskurses entscheidend in Richtung einer Problematisierung von Flucht und Asyl verschob. Welche diskursiven Mechanismen zu dieser Verschiebung beitrugen, und vor allem welches Wissen über Flucht und Geflüchtete, über Asyl und Rassismus transportiert wurde, ist zentraler Gegenstand der Untersuchung.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Diskursiv wurde entweder ein Notstand ausgerufen oder zumindest prognostiziert, die Fluchtbewegungen wurden massiv denormalisiert. Neben der Aufspaltung der Geflüchteten in ‚legitime’ und ‚illegitime’ erlaubt diese Denormalisierung Flucht und Migration als Naturkatastrophe zu bewerten – und zwar nicht als eine Katastrophe für die Flüchtenden, sondern als eine für die Zielländer, also auch für Deutschland. Eine solche Perspektive eignet sich aber dazu, Abwehr gegen Flüchtende zu erzeugen und weiteren Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl zuzustimmen. Sie evoziert Rassismus und trägt damit zu einem angespannten gesellschaftlichen Klima bei. Wir müssen feststellen, dass Aussagen, die noch vor einigen Jahren als extrem rechts oder rassistisch bewertet wurden, heute zum Sagbarkeitsfeld des mediopolitischen Diskurses gehören. Es scheint so, als haben sich auch ‚progressive’ Positionen innerhalb des mediopolitischen Diskurses mit ihm nach rechts bewegt. Kritische Positionen sind 2015/2016 dagegen in die Defensive geraten.
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Neue DISS-Broschüre: Pegida im Spiegel der Medien

In unserer Reihe kostenloser Online-Broschüren erschien

Pegida im Spiegel der Medien
Vom „bürgerlichen Protest“ zur „Bedrohung von rechts“

Eine Studie des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung,
durchgeführt von Paul Bey, Mark Haarfeldt, Johannes Richter und Regina Wamper,
gefördert durch die Otto Brenner Stiftung.

 

 

 

Aus dem Vorwort:

Im Oktober 2014 begannen in Dresden anfangs kleine, regelmäßige Kundgebungen und Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Zunächst kaum beachtet, wuchsen die Zusammenkünfte in den folgenden Wochen schnell an. Pegida gelang es zunehmend, Aufmerksamkeit in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zu erzielen. Die Gruppierung entwickelte sich zu einem Phänomen, welches durch eine permanente Präsenz und hohe Mobilisierungskraft gekennzeichnet ist. Pegida positionierte sich abseits des traditionellen Parteiensystems und entzog sich weitgehend einer klaren politischen Einordnung. Seit der Entstehung entwickelte das Phänomen eine hohe Anziehungskraft auf die (wissenschaftliche) Öffentlichkeit. Mehrere Studien zu Pegida wurden veröffentlicht, deren Fokus vor allem auf der Frage nach der politischen Einstellung und sozialen Herkunft der Teilnehmenden lag. Auch das mediale Interesse war hoch und insbesondere in der Entstehungs- und Konsolidierungszeit Pegidas von kontinuierlicher Berichterstattung geprägt. Bislang wurde aber nur ungenügend herausgearbeitet, wie die Medien selbst in ihrer Wahrnehmung Pegidas und der politischen Fragestellungen, die sie in Zusammenhang mit der Gruppierung aufwarfen, die öffentliche Diskussion um Pegida mitbestimmten. In dieser Broschüre wird folglich der Blick auf die Berichterstattung zu Pegida in drei deutschen Tageszeitungen gelenkt. Leitfragen sind dabei, welche politischen Inhalte die Medien bei Pegida identifizieren und wie sie diese Inhalte rezipieren, sowie, wie Pegida in der Presse, die selbst oftmals zum Feindbild der Gruppierung wurde, besprochen, eingeordnet und bewertet wird. Mittels der Methode der Kritischen Diskursanalyse werden in dieser Studie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die Sächsische Zeitung untersucht. Dabei werden Charakterisierungen, Bewertungen und Interpretationen des Phänomens Pegida herausgestellt. Es wird aufgezeigt, ob die Tageszeitungen Pegida problematisierten, welche Lösungsstrategien und gesellschaftlichen Umgangsformen sie favorisierten und mit welchen gesellschaftspolitischen Debatten Pegida in Zusammenhang gebracht wurde. Die vorrangige Frage ist die des gesellschaftlichen Umgangs mit Pegida. Doch auch die Inhalte von Pegida selbst sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

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Netzfundstücke: Durchmarsch von Rechts

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung legt einen aktuellen und lesenswerten Sammelband zum Thema Pegida und AfD vor.

cover-rls-durchmarsch-von-rechtsFriedrich Burschel (Hrsg.)
Durchmarsch von rechts
Völkischer Aufbruch: Rassismus, Rechtspopulismus, rechter Terror

Der Band enthält auch einen Beitrag von DISS-Mitarbeiterin Regina Wamper.

Das Buch ist kostenlos als PDF-Datei abrufbar.

 

 

 

 

 

 

Inhalt:

Felix Korsch
Wehrhafter Rassismus
Materialien zu Vigilantismus und zum Widerstandsdiskurs der sozialen Bewegung von rechts

Volkmar Wölk
Kreuzritter für das Abendland
Oder: Lutz Bachmann als Katechon der Apokalypse?

Andreas Bohne
«Die Burschenschafterfahne ist zurück auf der Straße»
Deutsche Burschenschaften in den Reihen der Anti-Geflüchteten-Proteste

Christoph Kopke
Der III. Weg
Personal, Inhalte und Auftreten einer neonazistischen Kleinpartei

Verena Grün
Neue Unübersichtlichkeit
Verschiebung im (extrem) rechten Demonstrationsgeschehen am Beispiel Nordrhein-Westfalen

Robert Andreasch
«Geflüchtete gefährden Schlittenberg»
Unten rechts in Kaltland: Eine Chronik aus dem Land der CSU

Kerstin Köditz
Vorrevolutionäre AfD
Vorläufige polemische Bemerkungen anlässlich einiger Wahlen

Sara Madjlessi-Roudi
Unsäglicher Rassismus
Wie die Köln-Debatte den politischen Diskurs im Land verändert hat

Regina Wamper
Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung
Einblicke in den Fluchtdiskurs 2015

Esther Lehnert, Enrico Glaser
Verstellter Blick
Eine Absage an «Deradikalisierung» im Zusammenhang mit Jugend- und Präventionsarbeit

Maximilian Fuhrmann
Konjunkturen der Containerbegriffe
Das neue Bundesprogramm «Demokratie leben!» in extremismustheoretischer Hinsicht

Netzfundstücke: Im Namen der Menschenrechte

DISS-Mitarbeiterin Regina Wamper analysiert in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift analyse & kritik wie die deutschen Leitmedien derzeit offenen Rassismus verurteilen, wie aber zugleich Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt werden.

Um die Forderung nach der Begrenzung von Flucht zu untermauern, werden Flüchtlinge gespalten in diejenigen, die aus den Balkanländern kommen, und jenen, die syrischer Herkunft sind. Erstere würden das Asylrecht zuungunsten der zweiten missbrauchen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht man von »(wahren) Flüchtlingen« und solchen, »die sich nur so nennen«, die also »lediglich wegen der Armut und der Rückständigkeit in ihrer Heimat auswandern«, wie die SZ ergänzt. Entsprechend werden die angekündigten restriktiven Gesetzesänderungen von Innenminister de Maizière kaum kritisiert, ebenso wenig wie die in Bayern bereits umgesetzten »speziellen Auffanglager« an deutschen Außengrenzen für Geflüchtete aus Balkanstaaten. Nicht mit Verweis auf deutsche Interessen sollen Geflüchtete aus Balkanstaaten abgewiesen, abgeschoben und abgeschreckt statt »alimentiert« (FAZ) werden, sondern im Namen der Menschenrechte der anderen. Es scheint so, als vollzögen die deutschen Medien einen Spagat zwischen den frühen 1990er Jahren und dem »Aufstand der Anständigen«. Momentan wird beides geteilt: die Abschreckungspolitik des Staates ebenso wie das eigene humanistische Selbstverständnis unter Verweis auf die vielen Helfenden.

Auffällig ist, dass die Fluchtursachen weitgehend ausgeblendet werden. Zwar wird hier und da auf Armut und Krieg verwiesen, häufiger noch auf durchlässige Grenzregimes, keinesfalls aber auf die globale Ungleichverteilung von Ressourcen oder gar auf die Rolle Deutschlands in einer neokolonialen Weltpolitik. Wird die Frage nach der Situation in Herkunftsstaaten doch gestellt, dann lautet die Antwort, Deutschland müsse verstärkt wirtschaftliche und militärische »Verantwortung« in der ganzen Welt übernehmen. Stefan Kornelius etwa stellt in der SZ die Frage, welche Einwirkungsmöglichkeiten »die reiche EU auf die Afrikanische Union« habe, »in deren Reihen Staaten regelrecht ausbluten«. Nicht gefragt wird, welche Einwirkungsmöglichkeiten die reiche EU bereits wahrgenommen hat und was dies mit dem »Ausbluten« zu tun haben könnte.

Die Medien inszenieren Deutschland momentan als die hilfsbereite Nation. Die geplanten weiteren Entrechtungen von Geflüchteten werden mit empathischer Geste als Sachzwang vermittelt. Rassistische Mobilisierungen, Brandanschläge und andere Übergriffe werden medial durchgängig verurteilt, auch wenn mitunter verniedlichende Phrasen der »besorgten Bürger« oder der »Angst« der Rassist_innen bemüht werden. Dem anhaltenden militanten Rassismus von organisierten und unorganisierten Brandstiftern wird die »Willkommenskultur« der vielen »guten Deutschen« gegenübergestellt.

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel auf der Website von analyse & kritik: Im Namen der Menschenrechte (ak Nr. 608 / 15.9.2015)

Netzfundstücke: Telepolis-Interview zur Griechenland-Berichterstattung

Im Online-Magazin Telepolis erschien ein ausführliches Interview mit den DISS-Mitarbeiterinnen Margarete Jäger und Regina Wamper. Sie analysierten die Kommentierung der Griechenland-Krise in der Süddeutschen Zeitung. Im Telepolis-Interview stellen sie die Ergebnisse ihrer Analyse detailliert vor und mahnen die Medien an, die Positionen der Herrschenden kritischer zu hinterfragen.

Kritik findet sich also schon in den Kommentaren?

Margarete Jäger: Sicher, das haben wir ja bereits erwähnt, es gibt Kritik – aber nur in einem sehr engen Rahmen. Die Kritik überschreitet nämlich nicht die Feststellung der Notwendigkeit von „Reformen“ im Sinne der Sparpolitik und des Umbaus der griechischen Wirtschaft.

Was bedeutet das?

Margarete Jäger: Das bedeutet, dass über den Kapitalismus hinausweisende Konzepte außerhalb der Grenze des Sagbaren liegen, ebenso wie sozialpolitische Maßnahmen. Sozialpolitik gilt als wirtschaftsschädigend. Insofern wird dann eine Kritik an dem Agieren der Troika auch als „absurd“ bewertet.

In den SZ-Kommentaren zu Griechenland fließt an manchen Stellen auch das Thema Russland mit ein. Was ist Ihnen da aufgefallen?

Regina Wamper: Das ist in der Tat sehr interessant. Die Rolle von Russland wird in Verbindung mit der Krise in Griechenland als besonders destruktiv wahrgenommen. Russland wird als äußerer Feind begriffen, der insgesamt als weltpolitischer Akteur seinen Einfluss durch Bestechung, Gewalt und Krieg abzusichern suche. Damit wird Russland im Griechenland-Diskurs zu einer außenpolitischen Gefahr für Europa, sollte es zu einer Kooperation zwischen Tsipras und Putin kommen.

Durch eine solche Positionierung wird Europa als eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, die untereinander in einem produktiven Wettbewerb steht, abgegrenzt. Europa, so lautet der Umkehrschluss, vertrete seine Interessen eben nicht durch etwa Kriegspolitik.

Laut einer von der Wochenzeitung DIE ZEIT in Auftrag gegebenen Umfrage haben 52 Prozent der Befragten kein Vertrauen in die Berichterstattung der deutschen Medien in Sachen Russland und Ukraine, 46 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen in die Griechenland-Berichterstattung. Können Sie diesen Umfragewert im Hinblick auf ihre Analyse kommentieren?

Margarete Jäger: Ich denke, diese Zahlen sagen herzlich wenig darüber aus, aus welchen Gründen die Menschen kein Vertrauen in die Berichterstattung haben, also aus welcher Diskursposition sie ihr Unbehagen artikulieren. Grundsätzlich ist es aber zu begrüßen, wenn die Konsumenten der Medien diese nicht als Produzenten von „Wahrheiten“ ansehen und ihnen mit einer gewissen Skepsis begegnet wird.

Allerdings haben die auf den Pegida-Demonstrationen artikulierten Vorbehalte gegenüber einer „Lügenpresse“ auch gezeigt, dass es vielfältige Gründe für eine Kritik und Distanz zu den Medien gibt, und diese Vorbehalte eben nicht immer progressiv oder kritisch sind sondern hier vor allem Verschwörungskonstruktionen artikuliert werden.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: Telepolis 12.8.2015 „Die SZ folgt dem technokratischen Herangehen der politischen Akteure“

 

 

Von der freiwilligen Unterwerfung

„Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“

Eine Rezension von Regina Wamper

Wie ein Krimi liest sich das neue Buch von Andrea Röpke und Andreas Speit. Verständlich und spannend geschrieben vermitteln die AutorInnen ein vielschichtiges Bild von Frauen in der männerdominierten Neonaziszene. Diese treten seit einigen Jahren selbstbewusster auf, präsentieren ihre Ideen in der Öffentlichkeit und spielen eine wichtige Rolle bei der kommunalen Verankerung extrem rechter Strukturen.

Das Buch behandelt Frauen in der NPD als Akteurinnen im Wahlkampf, die Neonaziorganisationen „Ring Nationaler Frauen“ und die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ sowie die Rolle von Frauen in freien Kameradschaften und bei sogenannten Autonomen NationalistInnen. Auch das Wirken von Einzelakteurinnen innerhalb brauner Netzwerke wird dargestellt, so beispielsweise die Aktivitäten der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.

Cover: Röpke/Speit: Mädelsache!Ein Kapitel widmet sich zudem heidnisch-völkischen Siedlungsprojekten und zeigt zugleich die Schwerpunktsetzung von Frauen in der Neonaziszene auf, Brauchtumspflege und Kindererziehung.

Röpke und Speit nähern sich ihrem Untersuchungsgegenstand sensibel. Sie betonen, dass extrem rechte Frauen und Mädchen sowohl radikal und aggressiv auftreten, nicht minder nazistische Positionen vermitteln als ihre männlichen Gesinnungsgenossen, jedoch „vor Ort, in Stadtteilen oder Gemeinden“ auch diejenigen sind, „die freundlich und nett das Gespräch mit Nachbarn und Vereinsmitgliedern suchen, über Kürzungen im sozialen Bereich, Streichungen bei den kommunalen Angeboten oder Einschränkungen im privaten Umfeld reden wollen“ (S. 8). Hier wird der sanfte Weg gewählt.

Neben dem Werben für Mutterschaft, Brauchtum und völkischer Tradition ist ein weiteres inhaltliches Feld das der sexualisierten Gewalt gegen Kinder, welches Neonazistinnen für eine Kampagne zur Wiedereinführung der Todesstrafe instrumentalisieren.

Bei ihren „Kameraden“ lösen sie mit selbstbewusstem Auftreten in den seltensten Fällen Wohlgefallen aus. Zwar werden Frauen gerne zum Zwecke des Wahlkampfes von Männern „eingesetzt“, die versprochenen Posten erhalten sie jedoch nur in Ausnahmen. Zwar weiß man inzwischen um die Wirkung, die Frauen bei der Vermittlung politischer Inhalte erzielen, doch werden männliche Privilegien gegen Frauen innerhalb der szeneinternen patriarchalen Hierarchie strikt verteidigt.

In der Öffentlichkeit löst das Wirken von Neonazistinnen im sogenannten vorpolitischen Raum immer wieder Verwunderung aus. Auch hier bestimmen nicht weniger sexistische Klischees die Wahrnehmung. Frauen fallen nicht auf, ihnen werden keine aktiven Rollen zugeschrieben. Dies lässt ihnen dann auch den Freiraum, von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeobachtet agieren zu können. Umso wichtiger ist dieses Buch, das mit Hilfe von Gesprächen mit Aussteigerinnen und hervorragender Recherche die aktive Rolle von Frauen im Neonazismus aufzeigt und Handlungsmöglichkeiten gegen die völkische „Graswurzelarbeit“ (S. 21) diskutiert.

Keinen Zweifel lassen die AutorInnen daran, dass es sich bei Aufstreben von Neonazistinnen nicht um antipatriarchale Akte handelt oder gar Positivbezüge auf Feminismen gezogen werden. Feminismus gilt rechten Frauen (wie Männern) nach wie vor als zersetzendes Prinzip. Vielmehr handelt es sich hier um einen offensiven Kampf für die Rückkehr von Frauen ins Private, in Familie und Mutterschaft. Binäre Geschlechterordnungen werden ebenso verteidigt wie Heterosexismus und männliche Dominanz, so widersprüchlich das aktive Eintreten für die eigene Unterwerfung auch sein mag.

 

Andrea Röpke / Andreas Speit: Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene, Ch. Links Verlag, Berlin, 2011, 237 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-86153-615-4