Helmut Kellershohn zur Neuen Rechten

 

Helmut Kellershohn

In der DISS-Online-Bibliothek erschien der Essay von Helmut Kellershohn:

Die Neue Rechte: wo sie herkommt, was sie will, wohin sie geht

Die Modernisierungsarbeit der Neuen Rechten, wie sie hier am Beispiel des Ethnopluralismus und des Volkstumsbegriffs aufgezeigt wurde, wäre vergebene Liebesmüh’ gewesen, hätten sich nicht unter dem Druck des Neoliberalismus die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse erheblich verändert und hätten nicht vielfältige, sich gegenseitig verstärkende Krisenprozesse zu einer massiven Verunsicherung großer Teile der Bevölkerung geführt, die für völkisches Gedankengut empfänglich macht. Mit der Entstehung der AfD hat sich in Deutschland zumindest vorläufig eine rechtspopulistische Kraft etabliert, die – zeitverzögert – Anschluss an vergleichbare Bewegungen und Parteien in Europa gefunden hat. Für die Neue Rechte, die, wie oben angedeutet, sich als eine Gegen-Elite im Wartestand versteht, ist dies eine Situation, die sie immer angestrebt hat. Um ein militärisches Bild, das in diesen Kreisen geläufig ist, zu gebrauchen: Die von ihr betriebene Metapolitik sei die Artillerie, die aus sicherer Entfernung die feindlichen Stellungen bombardiere und diese sturmreif zu schießen versuche; die Eroberung der Stellungen aber müsse die Infanterie leisten. Nichts anderes aber ist aus dieser Sicht die AfD, sie ist die Infanterie der Neuen Rechten. Paradoxerweise aber sind, um im Bild zu bleiben, die „Generäle“ uneins, wie der Einsatz des Fußvolkes zu erfolgen hat. Man schwankt zwischen dem konventionellen Konzept eines Marschs durch die Institutionen (Junge Freiheit) und dem Konzept einer „fundamentaloppositionellen Bewegungspartei“, wie es von Björn Höcke im trauten Einklang mit Götz Kubitschek offeriert wird. Ein Kampf zweier Linien ist entbrannt, der sowohl die AfD als auch die Neue Rechte durchzieht und über dessen Ausgang noch nicht entschieden ist – und über den die AfD möglicherweise zerbrechen könnte.

 

Den vollständigen Essay von Helmut Kellershohn lesen Sie in der Online-Bibliothek des DISS:
Die Neue Rechte: wo sie herkommt, was sie will, wohin sie geht

DISS-Journal 33 erschienen

Die Ausgabe 33 der Institutszeitschrift des DISS ist erschienen. Wie immer können Sie das DISS-Journal kostenlos als PDF-Datei herunterladen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Feiern! Trotz alledem!

Drei Jahrzehnte, ist das kurz oder lang? Seit 1987 forscht das DISS zu den Themen Rassismus und Einwanderung, zur extremen Rechten, zu Antisemitismus und Diskurstheorie. Mit dem Erscheinen dieses DISS-Journals feiern wir das 30-jährige Bestehen des Instituts.

Nach wie vor sind Analysen und Interventionen der kritischen Sozialforschung dringend notwendig. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns deshalb mit der Normalisierung von Racial Profiling und mit dem kleiner gewordenen Sagbarkeitsfeld für die Kritik an Grundrechtsverletzungen. Außerdem geht es um die Geschichte der völkischen Bewegung und die Aktualität völkischer Diskurse. Weitere Themen sind das Narrativ vom „dummen Nazi“ und die wirkmächtige Sozialfigur des „kleinen Mannes“. Wir beleuchten, wie die NPD auf ihr Nicht-Verbot reagierte und wie Pegida und die populistische extreme Rechte in der FAZ verhandelt wurden.

 

Inhalt:

Autoritarismus im Namen der Frauenrechte
Die gesellschaftspolitischen Folgen der Silvester-Ereignisse
Von Isolde Aigner

„‚Nafris’ – wo ist das Problem?“
Oder: Der aktuelle Umgang mit ‚Racial Profiling’ als Indiz für eine Rechtsverschiebung des öffentlichen Diskurses
Von Thomas Kunz

Der „kleine Mann“ und sein großer Auftritt – mal wieder
Von Wolfgang Kastrup

Volk, völkisch, völkische Bewegung
Von Helmut Kellershohn

„… diese warme Badewanne, in der unser Volk ertrinkt“
Gespräche über die Dekadenz im Institut für Staatspolitik
Von Tobias Wallmeyer

„Stunde des Triumphs“ und „tödliche Weichenstellung“?
Das Nichtverbot der NPD aus Sicht der NPD
Von Martin Dietzsch

„Faschos sind doof“, die Nation ist normal!
Über ein altes und beliebtes Narrativ zur Erklärung von Rechtsextremismus
Von Robin Heun

Schnittstellen und Abgrenzungen
Zum Umgang der FAZ mit der populistischen extremen Rechten
Von Roisin Ludwig und Regina Wamper

Eine profunde Auseinandersetzung mit dem Rechtsruck in Deutschland
Eine Rezension von Michael Lausberg

Kontinuität des Antiziganismus aus verschiedenen Blickwinkeln
Eine Rezension von Alexandra Graevskaia

Englischsprachige Forschungsliteratur
Rezensionen von Jobst Paul

It‘s not over till it‘s over:
Wie Großbritannien sich am Brexit abarbeitet.
Robert Tonks, Vorsitzender der Deutsch-Britischen Gesellschaft Duisburg, im DISS-Interview.

30 Jahre DISS: Fotos

30 Jahre DISS – Glückwünsche und Begegnungen
Ulrich Brieler, Fabian Virchow, Thomas Kunz, Jürgen Link, Martin Edjabou, Xavi Giro

Workshop zur Berichterstattung über Migration und Flucht

Besser berichten über Migration und Flucht

Workshop beim Deutschlandfunk am 17.02.2017

In Zusammenarbeit mit den Neuen Deutschen Medienmachern und dem Deutschlandfunk veranstaltete das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) am 17. Februar 2017 einen Workshop mit dem Titel Besser berichten über Migration und Flucht. In den Räumen des Deutschlandfunks in Köln bekamen über 20 TeilnehmerInnen so einen kritischen Einblick in die aktuelle Berichterstattung über Migration und Flucht in Deutschland.

Nach einleitenden Worten des Gastgebers Marco Bertolaso (Deutschlandfunk), präsentierte Iris Tonks (DISS) die Ergebnisse einer Studie zur lokalen Berichterstattung über die Zuwanderung aus Südosteuropa sowie den aktuellen Fluchtdiskurs

Nach einer Diskussion der Ergebnisse, leitete Iris Tonks die Arbeitsphase des Workshops ein. Unter dem Motto Ambiguitäten in der Berichterstattung und der Wirkung von Bildern analysierten die TeilnehmerInnen einen exemplarischen Zeitungsartikel und tauschten sich über die Ergebnisse aus. In diesem Zusammenhang stellten die TeilnehmerInnen die Wichtigkeit von präziser und eindeutiger Sprache heraus, um ausgrenzend wirkenden Ambiguitäten entgegenzuwirken.

Im letzten Teil des Workshops stellte Sheila Mysorekar das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher vor. Das Glossar bietet neben der Benennung von begrifflichen Fallstricken auch konkrete Alternativen zu einem diskriminierenden Sprachgebrauch. In diesem Zusammenhang stellte Sheila Mysorekar anhand der aktuellen Presseberichterstattung heraus, wie derzeit über Flucht und Migration berichtet wird und in welchem Zusammenhang eine ausgrenzende Sprache (z. B. Clan, Ehrenmord, besorgte Bürger) verwendet wird und zeigte Alternativen auf, die im journalistischen Alltag verwendet werden können.

Duisburg, Mai 2017

Weiterführende Links

– Die Migration aus Südosteuropa in lokalen Medien in Duisburg 2014

Eine kritische Diskursanalyse des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) im Auftrag der Open Society Foundations (OSF)

http://www.diss-duisburg.de/wp-content/uploads/2015/07/DISS-Migration-Suedosteuropa-Medien-Duisburg-2014.pdf

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung –

Der Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016

Eine kritische Diskursanalyse des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS)

http://www.diss-duisburg.de/wp-content/uploads/2017/02/DISS-2017-Von-der-Willkommenskultur-zur-Notstandsstimmung.pdf

Glossar der Neuen deutschen Medienmacher

Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland

http://www.neuemedienmacher.de/wp-content/uploads/2014/05/Glossar_Nov2016_web.pdf

DISS-Neuerscheinung: Querfront-Magazin COMPACT

Ab sofort lieferbar ist der Band 39 in der Edition DISS im Unrast-Verlag:

Felix Schilk:
Souveränität statt Komplexität
Wie das Querfront-Magazin COMPACT die politische Legitimationskrise der Gegenwart bearbeitet
Unrast-Verlag, Münster 2017
192 Seiten, 19,80 €
ISBN 978-3-89771-768-8

Phänomene wie Pegida und die AfD machen die Ausbreitung rechter Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft deutlich und signalisieren einen Rechtsruck in Deutschland. Der Vertrauensverlust vieler Menschen in die politische Klasse hat durch die Flüchtlingspolitik einen großen Schub erhalten, war aber schon vorher vorhanden. Er ist nicht nur Ausdruck einer politischen Krise, sondern auch das Resultat der Krisenprozesse kapitalistischer Ökonomie in den letzten Jahren. Neurechte Gruppierungen und Netzwerke stehen bereit, diesen Menschen mit völkischer Ansprache Orientierung zu bieten.

Jürgen Elsässers Querfront-Magazin COMPACT ist ein wesentlicher Teil der jüngsten rechtspopulistischen Mobilisierungen in Deutschland. Gemeinsam mit anderen alternativem Medien liefert es Deutungsangebote, Schlagwörter und Symbole. Im Umfeld von AfD und Pegida wird das >Magazin für Souveränität intensiv rezipiert und stellt eine wichtige publizistische Infrastruktur dar, die zuletzt durch Zusammenarbeit mit Akteuren der Neuen Rechten erweitert wurde.

 

Inhalt:

Vorwort

Einleitung:
Compact und die neuen Querfrontbewegungen

Historischer Exkurs:
Die Moderne und der reaktionäre Modernismus

Rechts und Links – Grenzen einer Dichotomie Gesellschaftliche Konfliktlinien Sozialpsychologische Konfliktlinien
Genese und Ursprünge des reaktionären Modernismus
Querfrontbewegungen im 20. und 21. Jahrhundert Carl Schmitt und die Konservative Revolution Metapolitik und die Nouvelle Droite
Das Ende der Geschichte und der Aufstieg der Neuen Rechten

Gegenwartsdiagnosen:
Komplexe Welt, kontingente Gesellschaft

Posthistoire und Neoliberalismus
Postfordismus und Postdemokratie
Populismus, direkte Demokratie und paranoides Denken

Empirische Untersuchung:
Diskursanalyse des Compact-Magazins

Compact – eine Zeitschrift neuen Typus?
Forschungsinteresse und Fragestellung
Kritische Diskursanalyse: Einführende Bemerkungen und Modifikation des methodischen Vorgehens für die Analyse
Analyse und Auswertung
»Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge« – der diskursive Kontext »Was bisher das Normale war, fällt von jetzt an unter ferner liefen« -Strukturanalyse der Diskursstränge und Diskurse »Naldoo und die Lage der Nation« – Exemplarische Feinanalyse

Auswertung:
Souveränität und Homogenität – Hypothesen zum Querfrontdispositiv

Theoretisch-begriffliche Verortung des COMPACT-Magazins
Faktoren und Rahmenbedingungen für den Erfolg des COMPACT-Magazins

Schlussbetrachtungen:
Souveränität und Komplexität

Quellen und Literatur
Primärquellen der Diskursanalyse Literatur

 

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete und ergänzte Version meiner Diplomarbeit, die im Juli 2016 an der Technischen Universität Dresden im Studiengang Soziologie eingereicht wurde. Ihr Anliegen, das Compact-Magazin in seiner Funktion als Impulsgeber für politisch-diskursive Verschiebungen und einen Strukturwandel der Öffentlichkeit in den liberalen Gesellschaften des Westens zu analysieren, hat seitdem weiter an Relevanz gewonnen. Eine Veröffentlichung des Textes schließt daher an zahlreiche Abhandlungen über Verschwörungstheorien, Populismus, die Neue Rechte und neuerdings sogenannte Fake News an, die mittlerweile zu den dominierenden Leitartikelthemen in den Zeitungsfeuilletons, in wissenschaftlichen Journalen und den Weiten der digitalen Blogosphäre gehören. Ihr geht die Hoffnung voraus, der Auseinandersetzung mit den genannten Phänomenen empirisches Material und analytische Begriffe beizusteuern. Ersteres ist Ziel der vom Material ausgehenden diskursanalytischen Untersuchung, letzteres Resultat einer theoretischen Erschließung struktureller Krisentendenzen moderner Vergesellschaftung. Compact erscheint dann als ein konkreter Fall eines allgemeinen Phänomens, das an anderen Orten andere Entsprechungen aufweist.

Leserinnen und Leser werden bei der Lektüre der theoretischen Überlegungen feststellen, dass sich ihre Form bisweilen an akademischen Gepflogenheiten orientiert und ihr Stil von der empirischen Analyse des Compact-Magazins unterschieden ist. Aufgrund der aktuellen Relevanz haben sich Autor und Herausgeber entschieden, die eigentümliche Form keiner zeitaufwendigen sprachlichen Glättung zu unterziehen, sondern sie als theoretische Unterfütterung und nützliche Ergänzung einer häufig leider nur schlagwortgespickten Schematisierung beizubehalten. Wem indes an einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit Compact gelegen ist, dem sei vor allem der Blick in das vierte und fünfte Kapitel empfohlen.

Spätestens der überraschende Wahlsieg Donald Trumps im November des letzten Jahres verdeutlicht, welchen Einfluss publizistische Skandalisierungsangebote auch mit geringem Ressourceneinsatz erlangen können. Im amerikanischen Wahlkampf trug das Onlineportal des digitalisierten Rechtspopulismus, Breitbart, das seit 2007 eine Revolution gegen das Establishment, die etablierten Medien und politische Korrektheit führt, wesentlich zur Verbreitung von Feindbildern, politischer Paranoia und ideologischen Schlagwörtern bei. Der Aufstieg von Breitbart, das unter Stephen Bannon zu einer Plattform für die amerikanische »Alt-Right« erklärt wurde, ähnelt in gewisser Weise dem des Compact-Magazins. Möglicherweise bekommt dieses durch die angekündigte Expansion von Breibart in Kontinentaleuropa nun bald einen weiteren Verbündeten im Kampf um Desinformation zur Seite gestellt. Gegen diesen Erfolg soll das vorliegende Buch einen weiteren Beitrag leisten.

Für die unterstützende Betreuung danke ich Prof. Dominik Schräge und Dr. Tino Heim, für hilfreiche Anregungen, Korrekturhinweise und interessierte Diskussionen meinen Kommilitonen und Freunden Jan Ackermann, Markus Ciesiel-ski, Markus Herklotz, Justus Pötzsch, Mathias Pleger und Tim Zeidler. Schließlich gebührt auch Helmut Kellershohn für die Korrektur des Manuskripts und dem Unrast-Verlag für die unkomplizierte Möglichkeit der Veröffentlichung mein außerordentlicher Dank.

Dresden im Januar 2017 Felix Schilk

 

Netzfundstücke – Terkessidis: Über Rassismus reden

In der Artikelserie „Über Rassismus reden“ in der taz meldete sich Mark Terkessidis mit einem Beitrag zu Wort.

„Eigentlich hat Deutschland eine eigene Tradition der Rassismuskritik. Wir sollten uns daran erinnern, statt US-amerikanische Theorien abzukupfern.“

Mark Terkessisdis schreibt:

„Was mir immer wieder in der öffentlichen Debatte auffällt, ist der Mangel an Kontinuität oder Traditionsbildung im Bereich Antirassismus – man könnte von einer „Amnesie des Antirassismus“ sprechen. (…)

Die Amnesie nun macht sich bemerkbar, wenn in der Öffentlichkeit alle Jahre wieder die gleichen Phänomene beschrieben und beklagt werden, als würde das alles zum ersten Mal passieren. Es könnte helfen, eine Sprache zu finden, wenn man sich daran erinnert, dass vieles zuvor schon gesagt wurde bei Yüksel Pazarkaya, Dursun Akcam, Giorgos Tsiakalos, Haris Katsoulis, Lutz Hoffmann, Herbert Even, Katharina Oguntoye, May Ayim, Annita Kalpaka, Nora Räthzel, Hennig Melber, Santina Battaglia, den Filmen von „Kanak TV“ und vielen mehr. Schon gehört?

Zudem erinnert kaum jemand an Arbeiten der „autonomen l.u.p.u.s. Gruppe“ oder die Pionierarbeiten des Duisburger Instituts für Sozialforschung. Der Mangel an Erinnerung hat damit zu tun, dass das Thema in den sozialen Bewegungen kaum aufgegriffen wird – im Vordergrund steht hier zumeist die Unterstützung von Geflüchteten oder der Kampf „gegen rechts“.“

Den vollständigen Text von Mark Terkessidis lesen Sie hier: taz 20.2.2017 – Da war doch was?

Helmut Kellershohn zum Richtungsstreit in der AfD

In der DISS-Online-Bibliothek erschien eine Analyse zum aktuellen Richtungsstreit innerhalb der AfD zwischen dem Petry-Flügel und dem Höcke-Flügel.

Helmut Kellershohn: Kampf zweier Linien. Über das Verhältnis von AfD und der Neuen Rechten

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass beide Fraktionen neu-rechts zu verorten sind: Junge Freiheit versus Institut für Staatspolitik.

Mit diesem Gegensatz sind gewissermaßen die Entwicklung der Neuen Rechten und die der AfD unmittelbar miteinander in einem Kampf zweier Linien verwoben. Die weitere Entwicklung der AfD (und mit ihr die der Neuen Rechten) wird u.a. davon abhängig sein, inwieweit sie es schafft, unterschiedliche und womöglich sich als inkompatibel erweisende Parteikonzepte miteinander zu vermitteln. Auf der einen Seite verlockt die Perspektive, es den anderen Parteien gleich zu tun und den Karriereweg einer klassischen Partei einzuschlagen: Einzug in den Bundestag, Status der Koalitionsfähigkeit, Regierungsbeteiligung, Regierungsübernahme. Das Etikett „Volkspartei“, das sich die AfD nur zu gerne anheftet, würde es erforderlich machen, den eigenen Anspruch durch die Anbindung von außerparlamentarischen Vorfeldorganisationen und -bewegungen zumindest soweit zu unterstreichen, dass man sich legitimatorisch auf sie berufen kann. Der Schwerpunkt läge auf der Parlamentsarbeit, ein zweites Standbein auf der Bedienung von Ansprüchen seitens der Basisorganisationen. Propagandistisch würde dieses Konzept durch die JF unterstützt.

Das zweite Parteikonzept verdichtet sich in der bereits erwähnten Formulierung Björn Höckes, der die AfD als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ verstanden wissen möchte. Fundamentaloppositionell heißt, so Höcke in seiner Dresdner Rede (17.01.2017), „diesen Staat, den wir erhalten wollen, vor den verbrauchten politischen Altparteien zu schützen, die ihn nur missbrauchen, um ihn abzuschaffen.“ Und als Bewegungspartei müsse die AfD „immer wieder auf der Straße präsent sein und […] im engsten Kontakt mit den befreundeten Bürgerbewegungen stehen.“ Der Schwerpunkt liegt hier erstens auf der Dienstbarmachung der Partei für außerparlamentarische Bewegungen; das Parlament wäre dann im Liebknechtschen Sinne die „Tribüne“, auf der die Ansprüche dieser Bewegungen (an deren Aushandlung man natürlich selbst maßgeblich beteiligt wäre) artikuliert würden. Zweitens liegt die Betonung auf der Befürchtung, dass der „lange Marsch durch die Institutionen“ die AfD zu einer Staatspartei deformieren könnte, die nicht mehr in der Lage wäre, den nötigen Umbau des Staates und des „Systems“ generell zu bewerkstelligen. Im Hintergrund steht hier die Auffassung des anderen Teils der Neuen Rechten rund um das IfS. Götz Kubitschek, Stichwortgeber für Björn Höcke und Pegida, beruft sich auf Robert Michels Parteientheorie, wonach Organisationen generell und speziell auch demokratische Parteien zu Bürokratisierung, zur Herausbildung einer Machtelite und in der Folge zu einer Oligarchisierung tendierten. Bei Höcke heißt es: „…jede Partei hat eine schlimme Tendenz, und das ist die Tendenz der Oligarchisierung und der Erstarrung. Diese Tendenzen … sind Parteien immanent, das sind praktisch die Naturgesetzlichkeiten des Parteienstaates“.  Bekanntlich trat Michels 1928 der faschistischen Partei Italiens bei und stimmte der von Mussolini vorgebrachten Kritik an der „als ewig unfruchtbar und als innerlich unwahr betrachteten Demokratie“ zu und propagierte nun eine faschismusaffine Theorie der Elite als einer bewussten und energischen, nötigenfalls opferbereiten Minderheit, der die wahre Macht im Staat zukommen müsse. Diese opferbereite, idealistische Elite schwebt Kubitschek als Vorbild offensichtlich vor, auch wenn er sie in Kategorien kleidet, die Spengler und Ernst Jünger entlehnt sind. Björn Höcke, der bereits mehrfach mit NS-Anspielungen zu provozieren suchte, drückt sich da schon klarer aus, wenn er, darauf weist Andreas Kemper hin, von einer „Tat“-Elite im Unterschied zu den demokratischen „Pseudo-Eliten“ spricht und damit auf eine Selbstbezeichnung der SS zurückgreift. Sollten sich derartige Konzepte als zentrales Element einer „fundamentaloppositionellen Bewegungspartei“ in der AfD durchsetzen, kann man sich nur schwer vorstellen, dass dies ohne erneute Spaltungsprozesse abgehen würde.

Lesen Sie den vollständigen Text in der DISS-Online-Bibliothek:

Helmut Kellershohn: Kampf zweier Linien. Über das Verhältnis von AfD und der Neuen Rechten

 

Neue DISS-Broschüre: Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016

Ab sofort in der DISS Online-Bibliothek kostenlos als PDF-Datei abrufbar ist die Studie:

Margarete Jäger und Regina Wamper (Hg.)

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung.
Der Fluchtdiskurs in deutschen Medien 2015 und 2016

Duisburg 2017, 209 Seiten, PDF-Datei

Spätestens im Sommer 2015 kam es in Deutschland zu einer massiven medialen Debatte um Flucht und Migration, die vor allem durch die Fluchtbewegungen ausgelöst wurde, welche hunderttausende Flüchtende nach Europa brachte. Gleichzeitig gab es zahlreiche Anschläge und Übergriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Sie ließen in Deutschland ein Klima entstehen, das an die Zustände in den frühen 1990er Jahren erinnert. Und tatsächlich gibt es Parallelen. Auch damals wurde die Debatte rassistisch aufgeheizt, indem vom ‚massenhaftem Asylmissbrauch‘ die Rede war. Damals wie heute wird durch eine Verschärfung der Asylgesetzgebung der Auffassung Vorschub geleistet, es seien die Geflüchteten selbst, die rassistische Ausschreitungen provozierten. Damals wie heute werden Flüchtlinge als Gefahr für den ‚inneren Frieden‘ angesehen, weshalb die Bevölkerung vor ihnen geschützt werden müsse. Doch es gibt auch markante Unterschiede. So bemühen sich große Teile der deutschen Bevölkerung, die Flüchtenden zu unterstützen und engagieren sich in der Flüchtlingshilfe.
Eine Analyse des Mediendiskurses zu Flucht und Migration, die im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung vorgenommen wurde, ist diesen gegenläufigen Tendenzen nachgegangen. Im Resultat ist festzustellen, dass sich innerhalb weniger Monate das Sagbarkeitsfeld des Diskurses entscheidend in Richtung einer Problematisierung von Flucht und Asyl verschob. Welche diskursiven Mechanismen zu dieser Verschiebung beitrugen, und vor allem welches Wissen über Flucht und Geflüchtete, über Asyl und Rassismus transportiert wurde, ist zentraler Gegenstand der Untersuchung.
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Diskursiv wurde entweder ein Notstand ausgerufen oder zumindest prognostiziert, die Fluchtbewegungen wurden massiv denormalisiert. Neben der Aufspaltung der Geflüchteten in ‚legitime’ und ‚illegitime’ erlaubt diese Denormalisierung Flucht und Migration als Naturkatastrophe zu bewerten – und zwar nicht als eine Katastrophe für die Flüchtenden, sondern als eine für die Zielländer, also auch für Deutschland. Eine solche Perspektive eignet sich aber dazu, Abwehr gegen Flüchtende zu erzeugen und weiteren Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl zuzustimmen. Sie evoziert Rassismus und trägt damit zu einem angespannten gesellschaftlichen Klima bei. Wir müssen feststellen, dass Aussagen, die noch vor einigen Jahren als extrem rechts oder rassistisch bewertet wurden, heute zum Sagbarkeitsfeld des mediopolitischen Diskurses gehören. Es scheint so, als haben sich auch ‚progressive’ Positionen innerhalb des mediopolitischen Diskurses mit ihm nach rechts bewegt. Kritische Positionen sind 2015/2016 dagegen in die Defensive geraten.
Download als PDF-Datei

Sammelband zum Institutionellen Rassismus

In der DISS Online-Bibliothek ist ab sofort der Sammelband zum Thema Institutioneller Rassimus aus dem Jahr 2002 kostenlos als PDF abrufbar.

Margarete Jäger und Heiko Kauffmann (Hg.)
Leben unter Vorbehalt
Institutioneller Rassismus in Deutschland

 

Aus der Einleitung:

Unter Institutionellem Rassismus sind rassistische Praxen zu verstehen, die aus Institutionen hervorgehen. Kennzeichnend für Institutionellen Rassismus ist, dass er durch Verordnungen und Gesetze verdeckt wird, in die rassistisches Wissen eingegangen ist. Diejenigen, die diese Verordnungen durchsetzen, können diese zwar durchaus billigen oder auch nicht; entscheidend ist die institutionelle Struktur, die für die Produktion von Rassismus verantwortlich ist. Es versteht sich, dass dieser Begriff ausgesprochen umstritten ist, vor allem bei denjenigen, die solche Diskriminierungen offenbar nicht wahrhaben und vor allem nicht beseitigen wollen.

Inhalt

Zum Begriff »Institutioneller Rassismus«

Siegfried Jäger und Margarete Jäger
Das Dispositiv des Institutionellen Rassismus
Eine diskurstheoretische Annäherung

Jürgen Link
Institutioneller Rassismus und Normalismus

Flucht und Asyl

Heiko Kauffmann
Leben unter Vorbehalt
10 Jahre Kinderrechtskonvention in Deutschland

Andrea Kothen, PRO ASYL
Rassismus hat viele Gesichter
Die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen

Michael Stoffels
‚Residenzpflicht‘.
Zur Tradition einer rassistischen Auflage für Ausländer.

Kai Weber
Abschiebung in die Folterkammer
Deutsche Asylpolitik am Beispiel der kurdischen Flüchtlinge

Heiko Kauffmann
Ein System organisierter Unmenschlichkeit
Abschiebungshaft in Deutschland

Ute Kurzbein und Frank Hartmann
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen
Eine jährlich aktualisierte Dokumentation der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI)

Karl Kopp
Asylrechtlicher Marathon nach Europa
Ein Wettlauf von Schäbigkeiten

Sigrid Töpfer
»Ungleiche Sachverhalte dürfen ungleich behandelt werden«
Diskriminierung durch Gesetze, Vorschriften und Richtlinien

Einwanderung

Andrea Kothen
»Es sagt ja keiner, dass wir keine Ausländer annehmen .«
Zugangsbarrieren für Flüchtlinge und Migrantinnen im System der sozialen Regeldienste

Cordula Baldauf
Institutioneller Rassismus im Sozialamt
Eine diskursanalytische Studie

Thomas Quehl
Institutioneller Rassismus – ein Lackmustest auch für die Schule?

Ingrid Dietrich
Bildung als Instrument der Abgrenzung und Normierung

Beate Brüggemann und Rainer Riehle
Unter der Decke von Alltäglichkeit
Institutionelle Fremdenfeindlichkeit im Betrieb

Iris Bünger
Der Macpherson-Report
Grundlage zur Entwicklung von Instrumenten gegen den institutionellen Rassismus in Großbritannien

Thomas Müller
Mikrophysik des Rassismus
Rassistische Formierungsprozesse auf lokaler Ebene – eine Fallstudie

Stefan Keßler
Jubeln oder Verzweifeln?
Flüchtlingsbewegung und Zuwanderungsgesetz

Jobst Paul
Christliche Dämonologie und Antisemitismus
Ein Arbeitsbericht