Ausstellungen in Hamburg und Berlin
Freedom of Speech: Grenzen der Redefreiheit
Autor: Rolf van Raden
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ – mit diesem Satz verbrieft das deutsche Grundgesetz die sogenannte Meinungsfreiheit. Und doch können längst nicht alle alles sagen. Es ist ein inhärenter Teil von bürgerlich-demokratischen Verfassungen, die freie Meinungsäußerung nicht nur zu gewähren, sondern sie sogleich mit weiteren Bestimmungen einzuschränken. Darüber hinaus ist das, was faktisch sagbar ist, von weit umfangreicheren diskursiv-sozialen Macht- und Regelsystemen bestimmt als nur durch Gesetze.
In Zusammenarbeit mit dem DISS hinterfragen und analysieren der Hamburger Kunstverein und der Neue Berliner Kunstverein das Konzept der Redefreiheit. Dazu wurde eine Doppelausstellung konzipiert, die im Dezember 2010 sowohl in Hamburg als auch in Berlin ihre Pforten öffnet. Insgesamt geht es dabei um die ideologische Rolle, die Freedom of Speech in den westlichen Demokratien spielt: Als identitär-kollektiver Wert, als ständig bedrohtes Grundrecht, als uneingelöstes Versprechen und als zweischneidiges Schwert. Denn auf die Meinungsfreiheit können sich schließlich auch all jene berufen, die etwa rassistische Ausgrenzungsdiskurse forcieren wollen.
Anhand von Exponaten aus den Bereichen Medien, Geschichte und vor allem der Kunst macht die Doppelausstellung ganz unterschiedliche Strategien sichtbar, die das Feld des Sagbaren erweitern. Gezeigt werden vor allem künstlerische, politische und publizistische Grenzüberschreitungen, von denen viele vor Gericht landeten oder anderen empfindlichen Angriffen ausgesetzt waren. Das Spektrum der Ausstellungsstücke reicht dabei von progressiver und antirassistischer Kunst über gut gemeinte, aber doch gescheiterte Projekte bis hin zur Pornografie des Hustler- Magazins und den islamfeindlichen Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung Jyllands-Posten. Die von Mitarbeiterinnen des DISS erstellten Analysen setzen sich jeweils kritisch mit den Exponaten, ihrem jeweiligen diskursiven Kontext und ihren Wirkungen auseinander. „Uns geht es vor allem auch darum, die Unterschiede klar herauszuarbeiten“, erklärt Regina Wamper, die an dem Projekt mitarbeitete. „Welche angeblichen oder tatsächlichen Tabubrüche wirken als Selbstermächtigung und untergraben Ausgrenzungsdiskurse? Und wo wird andererseits Free Speech zur Hate Speech, die selbst massiv ausgrenzt?“ Letztendlich steht die Frage im Raum, wie eine Gesellschaft ohne Einschränkungen von Redefreiheit, aber ebenso ohne Rassismus und andere Ausgrenzungsdiskurse denkbar ist.
Eine mögliche Antwort auf diese Frage haben DISS-Mitarbeiterinnen in einem umfangreichen Essay ausgearbeitet.
Der Text erscheint im Januar in der Begleitpublikation zu der Doppelausstellung. Neben diesem theoretischen Beitrag werden in dem Buch außerdem Analysen zu insgesamt 18 Kunstwerken und publizistischen Äußerungen veröffentlicht, die vom DISS erstellt worden sind. Ebenfalls im Januar findet in Berlin und Hamburg ein Symposium statt, auf dem die Fragen noch einmal gründlich diskutiert werden können. Als Vortragende sind unter anderem Astrid Deuber-Mankowsky, Siegfried Jäger, Gabriel Kuhn und Jürgen Link eingeladen.
Freedom of Speech – Termine:
Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein: 11.12.2010-30.01.2011
Ausstellung im Hamburger Kunstverein: 18.12.2010-13.03.2011
Eröffnungsveranstaltung Berlin: Freitag, 10.12.2010, 19 Uhr
Symposium: 21.01.2011 (Berlin) und 22.01.2011 (Hamburg)
Eine umfangreiche Buchpublikation unter anderem mit dem Analysen des DISS erscheint im Januar 2011 im Verlag der Buchhandlung Walther König.
Der Kunstverein, seit 1817 (Hamburg)
http://www.kunstverein.de/ausstellungen/vorschau/20101218-freedomofspeech.php
Neuer Berliner Kunstverein
http://www.nbk.org/ausstellungen/freedom_of_speech.html
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 20 des DISS-Journal, die im November 2010 erschien. Hier finden Sie das komplette DISS-Journal 20 als PDF-Datei.