„Döner-Morde“ – diesen Begriff hat die von Prof. Dr. Nina Janich (TU Darmstadt) geleitete Jury zu Recht zum Unwort des Jahres gekürt. Die Begründung ist eine treffende Kurzanalyse:
“Mit Döner-Morde wurden von Polizei und Medien die von einer neonazistischen Terrorgruppe verübten Morde an zehn Menschen bezeichnet. Der Ausdruck steht prototypisch dafür, dass die politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt oder willentlich ignoriert wurde: Die Unterstellung, die Motive der Morde seien im kriminellen Milieu von Schutzgeld- und/oder Drogengeschäften zu suchen, wurde mit dieser Bezeichnung gestützt. Damit hat Döner-Mord(e) über Jahre hinweg die Wahrnehmung vieler Menschen und gesellschaftlicher Institutionen in verhängnisvoller Weise beeinflusst. Im Jahre 2011 ist der rassistische Tenor des Ausdrucks in vollem Umfang deutlich geworden: Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts- terroristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden.“ ((Link zur Presseerklärung als pdf))
Inzwischen wird der Begriff „Döner-Morde“ zwar kaum noch verwendet, und von manchen JournalistInnen ist sogar zu hören, dass es ihnen ein wenig peinlich ist, den Begriff in ihrer Berichterstattung übernommen zu haben. Dennoch haben weder Polizei noch die Medien erklärt, welche Konsequenzen sie daraus ziehen, dass sie mit der Verwendung des Begriffs massiv zur sprachlichen Reproduktion von Rassismus beigetragen haben.
Der Begriff Döner-Morde ist allerdings nicht der einzige, der von der Jury an der TU Darmstadt zum „Unwort“ erklärt wurde. Ausgezeichnet wurden außerdem die Begriffe „Gutmensch“ und „Marktkonforme Demokratie“. Mit „Gutmensch“ erhält ein Begriff den Negativ-Preis, der nach Ansicht der Jury im vergangenen Jahr insbesondere in Online-Medien eine unheilvolle Wirkung hatte:
“Mit dem Ausdruck Gutmensch wird insbesondere in Internet-Foren das ethische Ideal des „guten Menschen“ in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren. Ähnlich wie der meist ebenfalls in diffamierender Absicht gebrauchte Ausdruck Wutbürger widerspricht der abwertend verwendete Ausdruck Gutmensch Grundprinzipien der Demokratie, zu denen die notwendige Orientierung politischen Handelns an ethischen Prinzipien und das Ideal der Aushandlung gemeinsamer gesellschaft- licher Wertorientierungen in rationaler Diskussion gehören. Der Ausdruck wird zwar schon seit 20 Jahren in der hier gerügten Weise benutzt. Im Jahr 2011 ist er aber in unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Kontexten einflussreich geworden und hat somit sein Diffamierungspotential als Kampfbegriff gegen Andersdenkende verstärkt entfaltet.“ ((Link zur Presseerklärung als pdf))
Die aktuelle Konjunktur des Begriffs „Gutmensch“ ist auch am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung nicht unbemerkt geblieben. Daher haben sich Astrid Hanisch und Margarete Jäger bereits im DISS-Journal 22 (November 2011) ausführlicher mit dem „Stigma Gutmensch“ auseinandergesetzt.