Kritische Reflektion über Bilder in Themenausstellungen zu Migration
Rezension von Michael Lausberg
In seiner Dissertation an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln untersucht Tim Wolfgarten 814 Ausstellungen zum Thema Migration zwischen 1974 und 2013 und deren Vermittlung auf bildlicher Ebene. Dabei stehen die inhaltliche Vermittlung und die Affekte über die formale Bildgestaltung hinaus im Mittelpunkt.
Zunächst geht es um die Beschreibung der Untersuchung: Es werden Rahmenbedingungen skizziert, wie die Ausstellungen erhoben und welche Kriterien dafür herangezogen wurden. Anschließend geht es um das Bildkorpus: Es wird beschrieben, welche Bilder in den medialen Diskurs eingegangen sind und was sie transportieren. Der Stand der Praxis, Forschung und Theoriebildung zum Themenkomplex Bild, Bildung, Migration und Museum kommen danach zur Sprache. Es wird auch auf die Bildungstheorie von Hans-Christoph Koller, diskurstheoretische Schriften und auf die Konzeption von Aby Warburg zum Nachleben von Bildern eingegangen. Danach folgt die methodische Aufbereitung des Bildkorpus. Weiterhin geht es um die Darstellung der Ergebnisse der analytischen und interpretativen Verfahrensweisen und die Rekonstruktion der diskursiven Ausrichtung der Bildangebote. Am Ende werden die wichtigsten Gesichtspunkte der Studie nochmals zusammengefasst.
Wolfgartens Erkenntnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Eine faktische Migration wird über verhältnismäßig wenig Bilder referenziert, obwohl dies das übergeordnete Thema der Ausstellungen war. Das jeweilige Thema wird selten gesamtgesellschaftlich repräsentiert, und personenzentrierte Darstellungen stehen im Mittelpunkt. In vielen Fällen werden rassistische Konstruktionen transportiert, und es werden idealtypische Körperdarstellungen und stereotype Geschlechterbilder reproduziert. Die Struktur der rekonstruierten Affekterfahrungen ist ebenfalls selektiv als ein Ausdruck freundlicher Zugewandtheit. Es sind hauptsächlich zwei Gruppen kategorisierbarer Bilder zu sehen: Die Gruppe der sinnlichen Bilder und die der vertraut wirkenden. Neben dieser Kritik schlägt Tim Wolfgarten Wege einer weniger selektiven Ausstellungspraxis und Möglichkeiten heterogener Zugänge vor.
Es wird eindrücklich gezeigt, wie wichtig Bilder im Erziehungs- und Bildungsprozess für die Konstruktion von Welt- und Selbstkonstruktionen sind. Ein so sensibles Thema wie Migration ist immer mit bestimmten Bildern verbunden, die Gefühle auslösen und rationales Handeln oft ausblenden. Dabei bleibt es nicht: Es werden Schlussfolgerungen für die kuratorische Praxis und die pädagogische Vermittlung gezogen, an denen sich künftige Ausstellungsprojekte orientieren können.
Tim Wolfgarten: Zur Repräsentation des Anderen. Eine Untersuchung von Bildern in Themenausstellungen zu Migration seit 1974, transcript, Bielefeld 2019, ISBN: 978-3-8376-4618-4, 44,99 EURO (D)
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4618-4/zur-repraesentation-des-anderen/