Braune Schattenseiten.
Joseph Beuys und seine fehlende Distanz zu rechtem Gedankengut
Eine Rezension von Michael Lausberg
Die Beuys Biographie von Hans Peter Riegel erschien 2013 in ihrer ersten Fassung, die kontrovers diskutiert wurde. Nun liegt sie aktualisiert und mit neuen Recherchen ergänzt in drei Bänden vor. Die Bände 1 (1921-1964) und 2 (1964-1986) sind biographische Darstellung. Band 3 ist eine Sammlung von überwiegend bislang unveröffentlichten Dokumenten und Fotografien.
Diese Rezension bezieht sich auf den zweiten Band. Dort wird Beuys‘ Aufstieg zum weltweit anerkannten und gefragten Künstler und sein Privatleben thematisiert. Einen breiten Raum nimmt auch Beuys‘ Lehrtätigkeit ein. Riegel schildert die politischen Aktivitäten von Beuys und geht dabei auf die Schattenseiten ein, die es im Leben des großen Künstlers leider auch gegeben hat.
Er weist nach, dass Beuys in seinem persönlichen Umfeld intensiven Kontakt und Austausch mit ehemaligen Nationalsozialisten, völkischen Nationalisten, Holocaustleugnern und Vertretern des rechten Flügels der Anthroposophie pflegte, die ihre Denkmuster zum Teil offensiv und öffentlich vertraten.
Dazu einige Beispiele: Karl Fastabend, Beuys Sekretär, der in den 1970er fast alle politischen Texte für Beuys formulierte, war ein überzeugter Altnazi.
Johannes Stüttgen, Beuys Adlatus, schrieb Beiträge in der nationalrevolutionären Zeitschrift „wir selbst“. Dort propagierte er einen „Befreiungsnationalismus“ und die Hervorhebung der „deutschen Identität“. (S. 323)
Beuys pflegte eine intensive Beziehung zum Ehepaar Haverbeck. Werner Haverbeck gründete 1963 die „Heimvolkshochschule für Umwelt und Lebensschutz“ des Collegium Humanum in Vlotho. Die „Heimvolkshochschule“ wurde für viereinhalb Jahrzehnte viel besuchter Tagungsort der extremen Rechten. Seine Frau Ursula Haverbeck ist bekennende Rassistin und mehrmals verurteilte Holocaustleugnerin. An den Veranstaltungen des Ehepaars Haverbeck nahmen friedensbewegte Linke und Atomkraftgegner ebenso teil wie völkische Nationalisten und rechte Anhänger einer neuen Querfront.
Bei den Bundestagswahlen 1976 in Nordrhein-Westfalen kandidierte Beuys als parteiloser Spitzenkandidat für die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) und erhielt in seinem Wahlkreis Düsseldorf-Oberkassel 598 Stimmen (3 %).
Riegel beschreibt die AUD zu Recht als eine rechte Partei, zwischen 1965 und 1980 mit national-neutralistischer Ausrichtung und einem völkischen Nationalismus. In der Partei waren ein rigider Antiamerikanismus und die Ablehnung der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO und in der westlichen Wertegemeinschaft vorherrschend. Die Person August Haußleiter, der einen Kurs Richtung brauner Ökologie predigte, prägte die AUD als Vorsitzender maßgeblich und bestimmte in weiten Teilen auch den politischen Kurs der Partei.
Beuys distanzierte sich nie von seiner Mitgliedschaft in der HJ und seiner Zeit als Stuka Pilot im 2. Weltkrieg unter den Nationalsozialisten. Spätestens 1936 ist für Riegel die Mitgliedschaft des 15-jährigen Beuys in der Hitler-Jugend belegt, als er am reichsweiten großen Sternmarsch zum Reichsparteitag nach Nürnberg teilnahm. Im Frühjahr 1941 meldete sich Beuys freiwillig zur Luftwaffe, wobei er sich für zwölf Jahre verpflichtete. Ab Dezember 1943 wurde er in Königgrätz im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren als Bordschütze und Funker in einem Sturzkampfflugzeug (Stuka) ausgebildet. Nach der Verlegung zum Luftwaffenstab Kroatien im Sommer 1943 war er bis Oktober 1943 an der östlichen Adria stationiert und Ende November auf die Krim verlegt. Während eines Einsatzes im März 1944 bekam Beuys’ Stuka Bodenkontakt und zerschellte auf dem Boden. Beuys wurde bei diesem Unfall verletzt, und wurde von Russen gefunden. Er wurde in ein mobiles Militärlazarett eingeliefert. Nach dem Krieg nahm er an „Kameradschaftsabenden“ seiner Stuka-Einheit teil.
Beuys beschäftigte sich intensiv mit dem Gedankengut des Anthroposophen Rudolf Steiner. Walter Kugler, einer der besten Kenner Steiners, beschreibt ihn folgendermaßen: Steiner benutze eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So werde etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin würden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den nicht-europäischen Völkern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. Seine antisemitischen Denkmuster waren ebenfalls stark ausgeprägt.1
Dies schlug sich laut Riegel in einem Germanenkult an der Akademie in den 1960er Jahren nieder, gegen den es öffentliche Proteste gab. Inwiefern einzelne Werke von Beuys Elemente der Rassenlehre Steiners enthalten, wird in dem Band nicht explizit nachgewiesen und wären Desiderata für intensivere Forschungen.
Diese von Riegel gut herausgearbeiteten Tatsachen verdunkeln das Lebenswerk eines der besten und bekanntesten Künstler der deutschen Nachkriegszeit. Intensivere Forschungen zu diesem Thema werden hoffentlich folgen.
Hans Peter Riegel: BEUYS: Die Biographie Band 2 – Erweiterte Neuausgabe, Riverside Publishing, Zürich 2018, 28,50 EURO (D)
1 Walter Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Eine Einführung in sein Lebenswerk. DuMont, Köln 2010, S. 16