Heribert Prantl hielt die Laudatio zur Verleihung der „Verschlossenen Auster“ an die katholische Kirche. Den vollständigen Text finden Sie hier:
Heribert Prantl: Das kalte Herz der Kirche – Katholische Kirche erhält Negativ-Preis. Süddeutsche Zeitung, 10.07.2010
Es gibt eine Kirche, deren Selbstmitleid größer ist als das Mitleid mit den Opfern. Es gibt eine Kirche, die glaubt, sie habe lediglich ein Problem mit angeblich missliebigen Medien. Dieser Kirche widme ich diesen Negativ-Preis, die „Verschlossene Auster“. Ich widme ihn, pars pro toto, dem Bischof meiner Heimatdiözese Regensburg, dem Bischof Gerhard Ludwig Müller. In diesem Bistum Regensburg liegt Wackersorf, der Ort, an dem einst eine Wiederaufbereitungsanlage gebaut und mit aller Macht und Staatsgewalt gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden sollte. Was Wackersdorf für die CSU war, ist Bischof Müller für die katholische Kirche: ein Fiasko.
Kirche kann ihr gesellschaftliches Gewicht nicht mit Geld, Geschichte und Steuermitteln erhalten oder zeugen. Es entsteht von selber durch Glaubwürdigkeit, und es verfällt mit Unglaubwürdigkeit. Die Kirche braucht das, was die Mediziner „restitutio in integrum“ nennen, die vollständige Ausheilung. Mit der Forderung nach Öffnung und Demokratisierung hat Papst Johannes Paul II. einst den Ostblock gesprengt. Diese Forderung „liegt jetzt auf den Stufen des Petersdoms“ (so Jobst Paul im DISS-Journal 19/2010). Damals, im Ostblock, hieß das Neue „Glasnost“ und „Perestrojka“. Heute, in der katholischen Kirche, heißt es, unter anderem, Aufhebung des Pflicht-Zölibats und Frauen-Ordination. Glaubwürdig wird die Kirche nur dann, wenn sie den Ursachen für die sexuelle Gewalt und deren jahrzehntelange Vertuschung auf den Grund geht. Sie muss dazu die verstörten und empörten Fragen der Menschen hören.
Ich habe mit dem Heiligen Franz von Sales begonnen; mit ihm will ich meine Rede jetzt auch beschließen. Dieser heilige Franz von Sales ist nämlich nicht nur Patron der Journalisten. Er ist auch Patron der Gehörlosen. Als solchen möchte man ihn bitten, sich doch der katholischen Kirche anzunehmen.