DJ20: Volk, Raum und Rasse

Autor: Helmut Kellershohn

Es gibt zweifellos unterschiedliche Lesarten des Völkischen Nationalismus, mal moderate, mal weniger moderate. Die folgenden Ausführungen sollen zwei Knotenpunkte kenntlich machen, über die ein völkisches Verständnis von „Volk“ und „Nation“ sowohl implementiert als auch radikalisiert werden kann: zum einen über die Kopplung mit geopolitischen (Volk und Raum), zum anderen über die Verbindung mit eugenischen bzw. rassenhygienischen Ideen (Volk und Rasse). Öffentliche Debatten, die diese Knotenpunkte berühren, selbst wenn sie ursprünglich nicht einem explizit völkischen Denkhorizont entstammen sollten, sind daher für eine extreme Rechte, die sich als Gralshüterin in Sachen Ethnopolitik versteht, von besonderer Bedeutung. Gerade die Sarrazin-Debatte hat eindrucksvoll belegt, wie etwa eugenische Gedankengänge – Frank Schirrmacher (FAZ) hat sie schon zu Beginn der Debatte als Kernstück von Sarrazins Brandschrift bezeichnet – in den Medien der extremen Rechten als Bestätigung von Weisheiten gefeiert wurden, die sie, die Rechte, schon immer verkündet habe. Bezeichnenderweise setzte die sich konservativ gebende Junge Freiheit als allererstes das „Heidelberger Manifest“ ins Internet, um ihre Leser an das Original zu erinnern, das als heimliches Vorbild Sarrazin die Feder geführt haben könnte.

Volk und Raum: Kolonialpolitik, „innere Kolonisation“, „Lebensraum im Osten“

Volk und Raum stehen im völkisch-nationalistischen Denken in einer engen Beziehung zueinander. Erstens entfaltet sich seine ganze Wirksamkeit aus der immer wieder behaupteten Inkongruenz von Staatsgebiet und Volksnation, von Staats- und Sprachgrenzen, die es zu beseitigen gelte. So schreibt einer der wichtigsten deutschen Volkstumstheoretiker Max Hildebert Boehm 1936:

„Gesamtdeutsch ist jede Betrachtungsweise völkischer Fragen, die unter bewußter Absage an jede bloß reichsdeutsche, kleindeutsche Blickverengung auf das Gesamtvolk über staatliche Grenzen hinaus bezogen ist. Die Erziehung zu allseitigem und selbstverständlichem gesamtdeutschen Denken ist namentlich im Hinblick auf das schwer gefährdete Deutschtum außerhalb des Reiches eine der wichtigsten Gegenwartsaufgaben verantwortlicher Volkstumspflege. Hier entscheidet sich, ob wir ein Volk „DJ20: Volk, Raum und Rasse“ weiterlesen

Neuerscheinung: Rechte Diskurspiraterien

Ab sofort lieferbar:

Regina Wamper / Helmut Kellershohn / Martin Dietzsch (Hg.)
Rechte Diskurspiraterien

Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen

ISBN: 978-3-89771-757-2
Ausstattung: br., 288 Seiten
Preis: 19.80 Euro
Edition DISS Band 28

In den letzten Jahren ist ein verstärktes Bemühen auf Seiten der extremen Rechten zu beobachten, Themen, politische Strategien, Aktionsformen und ästhetische Ausdrucksmittel linker Bewegungen zu adaptieren und für ihren Kampf um die kulturelle Hegemonie zu nutzen. Dabei handelt es sich keineswegs mehr nur um ein Steckenpferd der intellektuellen Neuen Rechten, vielmehr wird dies auch von NPD und militanten Neonazis praktiziert.

Buchcover - Regina Wamper / Helmut Kellershohn / Martin Dietzsch (Hg.): Rechte DiskurspiraterienIm Resultat hat sich die extreme Rechte eine Bandbreite kultureller und ästhetischer Ausdrucksformen angeeignet, indem sie sich am verhassten ‚Vorbild’ der Linken abgearbeitet hat. Man könnte auch sagen: Um überzeugender zu wirken, hat sie kulturelle Praktiken und Politikformen der Linken ‚entwendet’ – allerdings nicht, ohne sie mit den eigenen Traditionen zu vermitteln.
Solche Phänomene sind keineswegs neu. Auch der Nationalsozialismus bediente sich der Codes und Ästhetiken politischer Gegner und suchte Deutungskämpfe gerade verstärkt in die Themenfelder zu tragen, die als traditionell links besetzt galten. Auch in den 1970er Jahren waren solche Strategien vorhanden. Es stellt sich die Frage, warum und in welcher Form diese Diskurspiraterien heute wieder verstärkt auftreten.

Aus dem Inhalt

Helmut Kellershohn
Strategische Optionen des Jungkonservatismus

Martin Dietzsch
Strategiediskussion in der NPD

Christina Kaindl
Die extreme Rechte in der Krise

Sabine Kebir
Dekonstruktion von Wackelkandidaten und Diskurspiraten
Gramsci, Brecht und Anverwandlung linker Signifikanten durch rechte Politik

Volker Weiß
›Deutscher Sozialismus‹
Karriere eines Konzeptes von der Sozialdemokratie zu Oswald Spengler und Arthur Moeller van den Bruck

Volkmar Woelk
Tertium non datur
Anmerkungen zum Widerschein des revolutionären Nationalismus in der ›Neuen‹ Rechten

Renate Bitzan
Feminismus von rechts?

Richard Gebhardt
Völkischer Antikapitalismus
Zur Analyse und Kritik eines zentralen Strategie- und Ideologieelements des modernen Neonazismus

Fabian Virchow
Völkischer Nationalismus und Atomwaffen
Was die extreme Rechte unter einer »Politik des Friedens« versteht

Lenard Suermann
Rebel Without a Course
Der Diskurs um die »Autonomen Nationalisten«

Christoph Schulze / Regina Wamper
»Adolf H. didn’t booze or smoke«
Konsumkritik, Jugendkultur, Drogenverzicht von Rechts:
Die neonazistische Adaption von Hardcore und Straight Edge

Helmut Kellershohn
Provokationselite von rechts: Die Konservativ-subversive Aktion

Regina Wamper / Britta Michelkens
Was tun?!
Gegenstrategien zu Adaptionen von rechts

Regina Wamper / Siegfried Jäger
Überlegungen zu einem Forschungsprogramm zum Völkischen Nationalismus in Deutschland im Anschluss an die Diskussionen auf dem DISS-Colloquium 2009

Jens Zimmermann
Wissenschaftstheoretische Elemente einer Kritik an der Extremismusforschung und Kritische Diskursanalyse als alternative Perspektive für eine kritische Rechtsextremismusforschung

Bitte bestel­len Sie den Band in Ihrer Buch­hand­lung oder direkt beim Ver­lag unter: http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,365,16.html