Netzfundstücke: ARIC Wahlprüfsteine Duisburg

Das Anti-Rassismus Informations-Centrum (ARIC) hat anlässlich der Kommunalwahl am 25.5.2014 die Duisburger Parteien befragt, welche Konzepte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der EinwanderInnen aus Südosteuropa sie vertreten. In einer Presseerklärung des ARIC heißt es:

Es gibt in dieser Stadt auf der einen Seite viele Einrichtungen und engagierte BürgerInnen, die sich bemühen, die Notlagen der EinwanderInnen unbürokratisch und mit kreativen Lösungen zu lindern. Auf der anderen Seite treffen die NeubürgerInnen oft auf abweisendes Verhalten von Institutionen, Behörden und einheimischen Stadtgesellschaften.

Auf die Fragen des ARIC haben acht Duisburger Parteien geantwortet: CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, Die Piraten, FDP, AfD und Junges Duisburg. Zusammenfassend heißt es in der Presseerklärung des ARIC:

Die Antworten der Parteien lassen eine Versachlichung im Umgang mit der Bewältigung der sozialen Probleme mancher ZuwanderInnen erkennen, wenngleich von einigen Parteien immer noch mit Zuschreibungen gearbeitet wird, die die Neu-DuisburgerInnen in Integrationswillige und –unwillige unterscheiden. Bemerkenswert ist, dass bei den Fragen zur Schaffung legaler Arbeit nicht wie bisher die zu illegaler ausbeuterischer Arbeit gezwungenen Menschen in den Fokus genommen werden, sondern der Aufbau von Qualifizierungsprogrammen und das Vorgehen gegen ausbeuterische Arbeitgeber als prioritär angesehen wird.

Ein großes Fragezeichen bleibt jedoch auf der Umsetzungsebene, denn wir beobachten unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle nach wie vor eine in weiten Teilen auf Abweisung ausge-richtete Verwaltungspraxis. Die Wohnraumversorgung ist für die NeuDuisburgerinnen nicht gesichert.

Download Antworten der Parteien im Überblick
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um Download Antworten der Parteien im Überblick zur Ansicht und zum Ausdruck:

und für den Aushang:

Die AfD als „Staubsauger“ und „Kantenschere“

In der DISS-Online Bibliothek erschien der zweite Text in der Reihe Sondierungen im Feld der AfD von Helmut Kellershohn. Darin geht es um die Turbulenzen im jungkonservativen Lager, die von der AfD ausgelöst wurden.

Das bisher relativ erfolgreiche Auftreten der AfD in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland hat anscheinend zu Umgruppierungen im jungkonservativen Lager der Neuen Rechten geführt. Karlheinz Weißmann, die intellektuelle Führungsfigur in diesem Lager, hat sich aus der Redaktion der Sezession, der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik (IfS) zurückgezogen. Auch auf dem Blog wird er nicht mehr als Autor geführt. Inwieweit das seine Rolle im IfS berührt, das er zusammen mit Götz Kubitschek gegründet hat und als dessen wissenschaftlicher Leiter er bislang fungierte, wird sich zeigen. Im Kern geht es um die Haltung zur AfD und um die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß die AfD unterstützt werden kann und soll. Theoretisch gesprochen: es geht um das ‚rechte’ Verständnis von Real- und Metapolitik. Zur Debatte steht aber auch das Verhältnis zwischen IfS und der Jungen Freiheit, die sich für die AfD von Anfang an publizistisch engagiert hat.

Den vollständigen Text lesen Sie in der DISS-Onlinebibliothek:
http://www.diss-duisburg.de/2014/06/helmut-kellershohn-afd-sondierungen-2/

Marc Jongens AfD-Manifest und die jungkonservative Neue Rechte

In der DISS-Online Bibliothek erschien der erste Text in der Reihe Sondierungen im Feld der AfD von Helmut Kellershohn. Der Autor analysiert das von Marc Jongen verfasste und in der Zeitschrift Cicero erschienene „Manifest der Partei“ Alternative für Deutschland (AfD).

[…] Wir erinnern uns: In einer Serie von Artikel in den Jahren 2009/10 ‚bombardierte’ Sloterdijk die mediale Öffentlichkeit mit seiner Sicht von Staat und Gesellschaft, darunter ein Manifest genannter Text zum „Aufbruch der Leistungsträger“, der im November 2009 in der Zeitschrift Cicero erschien.

In derselben Zeitschrift, welch ein Zufall, veröffentlicht Marc Jongen, zwei Tage vor dem Artikel Gaulands, ganz unbescheiden einen Text, der als AfD-Manifest für Aufsehen erregen sollte, obwohl im Text selbst nur davon die Rede ist, dass Jongen einige „politische Grundsätze und Leitlinien“ formulieren möchte, die in einem „Manifest der Partei“ (!) „unbedingt beachtet werden“ sollten. Es handelt sich also kurioserweise um ein persönliches, von niemandem beauftragtes Manifest für ein zukünftiges Partei-Manifest. Der Titel lautet. „Das Märchen vom Gespenst der AfD“, und schon der erste Satz greift in die Vollen: „Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der AfD.“ Das ist pfiffig. Da kommt ein relativ unbekannter Autor und hebt seine Ausführungen auf die Höhen des Kommunistischen Manifests, um der „historische Mission“ der AfD, gewissermaßen auf Weltniveau, das entsprechende rhetorische Kostüm zu verleihen. An sich erstaunlich, gilt doch die „historische Mission“ des Kommunismus dem bürgerlichen Alltagsverstand zufolge als gescheitert. Aber Jongen ist Optimist, versteht sich als Visionär.

Wir unterziehen den Text einer symptomatischen Lektüre. Der Text ist zwar rhetorisch, nicht aber in den Aussagen originell. Er enthält eine Reihe von Anspielungen auf Quellen, die nicht offengelegt werden. Sie führen den Leser zu Denkfiguren, die seit mehr als zwanzig Jahren von der jungkonservativen Neuen Rechten publizistisch verbreitet werden, allen voran von der Jungen Freiheit. Die JF gibt sich konservativ, okkupiert aber den Konservatismusbegriff aus dem Geiste der Konservativen Revolution bzw. in der Tradition des Weimarer Jungkonservatismus, theoretisch unterstützt, wenn auch nicht ohne Vorbehalte, vom Institut für Staatspolitik.

Ein zweites Augenmerk liegt auf der Logik der Argumentation. Wie denkt Jongen über Staat und Gesellschaft, wie sieht er die Rolle der AfD, von der er glaubt, sie verfolge eine „historische Mission“? […]

Lesen Sie bitte den vollständigen Text von Helmut Kellershohn in der DISS Online-Bibliothek: Sondierungen im Feld der AfD (Teil 1) – Marc Jongens AfD-Manifest und die jungkonservative Neue Rechte.

Netzfundstücke: Pressemitteilung des Runden Tisches „Offenes Rheinhausen“ 2.4.2014

Wir brauchen dringend Wohnungen und Arbeit


In Sorge um die Menschen, die das Haus In den Peschen teils fluchtartig verlassen, bittet der Runde Tisch „Offenes Rheinhausen“ alle, die in Duisburg Verantwortung tragen, die Betroffenen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche aktiv zu unterstützen.

Seit fast 1 ½ Jahren engagieren sich Menschen am Runden Tisch für ein Offenes Rheinhausen. Viele Begegnungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitarbeitenden in Institutionen und Ämtern haben dazu beigetragen, dass eine größere Eskalation verhindert wurde.

Das Projekt Bahtalo hat seinen Teil getan, um in der Öffentlichkeit ein differenziertes Bild der Menschen aus Rumänien und Bulgarien zu zeigen. Darüber hinaus haben persönliche Begegnungen in Teilen der Bevölkerung das Verständnis für die schwierige Situation rumänischer Zuwanderer wachsen lassen. Mit dem Schulbesuch vieler Kinder seit ca. einem halben Jahr wurde nicht nur eine Forderung des Runden Tisches umgesetzt. Das Engagement der Kinder und das Interesse ihrer Eltern haben sehr deutlich gemacht, wie wichtig es ihnen ist, Teil unserer Gesellschaft zu werden.

Die Wohnsituation und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind jedoch schlecht geblieben. Trotz vieler Bemühungen ist es nur in Einzelfällen gelungen besseren Wohnraum zu finden. Die Herkunft aus dem Haus In den Peschen in Rheinhausen-Bergheim erzeugt bei möglichen Vermietern und Arbeitgebern große Vorbehalte und schränkt die Offenheit für die individuellen Personen von vornherein ein.

Obwohl die Veränderung der Wohnsituation im Haus In den Peschen von Anfang an zu den Zielen des Runden Tisches gehörte, ist der Druck, der durch nicht nachvollziehbare Räumungsandrohungen, durch Abmeldungen des Wohnsitzes ohne Kenntnis der Betroffenen sowie durch die angedrohte Unterbrechung der Wasser- und Energieversorgung nicht akzeptabel. Der Einsatz für die Rechte aller Menschen, hier beheimateter und zugewanderter, gehört zu den Grundlagen unseres Engagements. Deshalb müssen auch Rechte und Pflichten des deutschen Mietrechts beidseitig eingehalten werden.

Mit großer Sorge sehen wir, dass die Anstrengungen der letzten 1 ½ Jahre sinnlos erscheinen, wenn Familien nach den ersten Schritten der Verständigung und Integration jetzt Rheinhausen verlassen. Wir halten es für unabdingbar, dass die Menschen, die unter anderem durch Schulbesuch und Beteiligung in Sportvereinen und Kulturprojekten ihre Bereitschaft zur Integration deutlich machen, entsprechend unterstützt werden. In der aktuellen Situation bedeutet das vor allem die aktive Begleitung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche.

Duisburg-Rheinhausen, 2. April 2014

 

Den Text entnahmen wir der Seite von Werner Jurga http://www.jurga.de/469.html

Im Lokalteil der Rheinischen Post erschien am 6.4.2014 der Artikel Runder Tisch fordert: „Stadt muss Roma helfen“

Presseerklärung: „Eine Vertreibung ist inakzeptabel“

Presseinformation des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung

Mit großer Beunruhigung nimmt das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) die aktuellen Entwicklungen rund um die Häuser In den Peschen 3-5 in Duisburg-Rheinhausen zur Kenntnis. Prof. Dr. Siegfried Jäger fordert die Stadt Duisburg auf, ihrer sozialen Verantwortung endlich gerecht zu werden.

Obwohl die rechtliche Grundlage fragwürdig ist, will Vermieter Branko Barisic die Häuser räumen lassen. Die dort aktuell bereits unter sehr schlechten Bedingungen lebenden Menschen sind von Wohnungslosigkeit und weiterer sozialer Ausgrenzung bedroht. Einige haben die Häuser bereits verlassen. Entgegen eines Ratsbeschlusses aus dem vergangenen Herbst existiert bisher kein Unterbringungskonzept, mit dem die städtische Wohnungsbaufirma Gebag den Mieterinnen und Mietern Alternativwohnungen anbieten sollte.

„Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Häuser handelt es sich um Duisburger Bürgerinnen und Bürger“, sagt Prof. Dr. Siegfried Jäger. „Es sind Familien mit Kindern, die hier zur Schule gehen und die sich hier eine Zukunft aufbauen wollen. Menschen, die nach Duisburg eingewandert sind, haben die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Eine Vertreibung ist inakzeptabel. Die Stadt muss den Betroffenen dabei helfen, eine menschenwürdige Unterkunft in Duisburg zu finden.“

Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung forscht seit 27 Jahren zu den Themen soziale Ausgrenzung, Rassismus und Einwanderung in Deutschland. Im Jahr 2012 gründete sich im DISS der Arbeitskreis Antiziganismus, der seitdem zur Diskriminierung vonm Menschen forscht, die als Roma oder Sinti identifiziert werden. Vor diesem Hintergrund bewertet das DISS Äußerungen des Duisburger Sozialdezernenten Reinhold Spaniel kritisch. Spaniel hatte im Dezember erklärt, die Stadt müsse die von der Räumung bedrohten Menschen nicht bei der Suche von Ersatzwohnungen unterstützen. Vielmehr setze man darauf, dass sie wegen ihrer „hohen Mobilität“ die Stadt verlassen.

„Seit Jahrhunderten leiden Menschen, die als Roma identifiziert werden, unter Vertreibung“, sagt DISS-Mitarbeiterin Alexandra Graevskaia. „Durch diese Geschichte der Vertreibungen entstanden die rassistischen Vorurteile vom Nomadentum und von der Heimatlosigkeit und wurden zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Es ist Aufgabe einer Sozialbehörde, diesen Kreislauf der Diskriminierung zu durchbrechen und den Menschen hier eine Perspektive zu geben. Keinesfalls sollte sie die Vorurteile und die besonders prekäre soziale Situation der Betroffenen auch noch als Argument dafür in Stellung bringen, um eine erneute Vertreibung zu rechtfertigen“, so Graevskaia weiter.

Auch in anderer Hinsicht sieht das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung die Stadt Duisburg in der Pflicht: Seit vielen Monaten tauchen im Internet unter anderem auf Facebook rassistische Beschimpfungen und Bedrohungen auf, bis hin zu der Forderung nach Pogromen. „Die Stadt muss deutlich machen, dass sie keine Form von Rassismus toleriert, auch nicht, wenn sie sich als Wut besorgter Anwohnerinnen und Anwohner äußert“, sagt Prof. Dr. Siegfried Jäger. „So lange die städtischen Institutionen nicht offensiv das Recht aller Bürgerinnen und Bürger verteidigen, hier unter menschenwürdigen Bedingungen leben zu können, fühlen sich diejenigen bestärkt, die hetzen und Vertreibung fordern.“ Eine solch unheilvolle Entwicklung habe das DISS bereits bei den Analysen im Zusammenhang mit den rassistischen Pogromen der 1990er Jahre ausmachen können.

Weitere Informationen über das DISS finden Sie auf der Website des Instituts http://www.diss-duisburg.de.

Netzfundstücke: Verdrängung als Duisburger Praxis

In der Studentischen Zeitung akduell erschien ein sehr lesenswerter Artikel, der die Vertreibung der Bewohner der Häuser „In den Peschen“ in Duisburg Bergheim thematisiert, die in diesen Tagen stattfindet.

Als den Häusern Mitte letzten Jahres rechte Anschläge drohten, richteten Aktivist*innen sogar Nachtwachen zum Schutz ein. „Da stellte sich die Stadt zunächst ihrer Verantwortung und beauftragte die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gebag, kurzfristig ein Unterbringungskonzept mit städtischem Eigentum auszuarbeiten“, sagt Jürgen Aust, Sprecher vom Duisburger Netzwerk gegen Rechts. „Im Dezember hat sich dann aber der Sozialdezernent Reinhold Spaniel hingestellt und gesagt, die Menschen würden aufgrund ihrer ‚hohen Mobilität‘ schon weiterziehen und die Stadt verlassen“, so Aust weiter.

„Das Vorurteil des Nomadentums gegenüber Rom_nija wird immer wieder neu hergestellt“, sagt Alexandra Graevskaia vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung. „Es entstand durch die Vertreibung über die Jahrhunderte und ist damit eine selbsterfüllende Prophezeiung.“ Dieses Vorurteil diene jetzt als Begründung, den Menschen aus den Häusern In den Peschen und der Beguinenstraße nicht bei der Suche nach Ersatzwohnungen zu helfen. „Schon in der Vergangenheit hat die Stadt aktiv Verdrängung betrieben“, so Graevskaia. Die Stadtsprecherin sagte beispielsweise im Jahr 2008, als sich Rom_nija in Bruckhausen ansiedelten, man wolle den Aufenthalt dort so weit wie möglich erschweren. „Und die Stadt geht noch weiter: Als die Rom_nija dann Duisburg verlassen hatten, sagte man, man habe das Problem mit einer „Taktik der kleinen Nadelstiche“ in den Griff bekommen“, sagt die Sozialwissenschaftlerin.

Und auch jetzt, während sich die Lage für die Menschen in den Peschen immer weiter zuspitzt, bietet die Stadt keine Hilfe an. Sie beschäftigt sich mehr mit dem Grundstück in den Peschen: „Die Stadt Duisburg prüft derzeit eine Kaufoption des Grundstücks“, sagt Anja Kopka, Pressesprecherin der Stadt Duisburg gegenüber akduell. Ein Leerzug sei aber eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen dem Vermieter Barisic und seinen Mietern. Die Schrottimmobilie soll also gekauft werden und der Vermieter soll damit finanziell entlastet werden. Die von der Räumung bedrohten Menschen werden dagegen nicht unterstützt.

Den vollständigen Artikel lesen Sie hier: Verdrängung als Duisburger Praxis

Netzfundstücke: Nur die Guten dürfen rein

DISS-Mitarbeiter Sebastian Friedrich veröffentlichte zusammen mit Marika Pierdicca den Beitrag „Migration und Verwertung. Rassismus als Instrument zur Segmentierung des Arbeitsmarktes“ in dem im Papyrossa-Verlag erschienenen Sammelband Migration und Arbeit in Europa (herausgegeben von Hartmut Tölle und Patrick Schreiner).

In der Tageszeitung junge Welt erschien dieser Text am 6.2.2014 leicht gekürzt als Vorabdruck.

Um die »differentielle Inklusion« von (Post-)Migranten am Arbeitsmarkt zu verstehen, muß der Blick von der hegemonialen Geschichtsschreibung hin zu der Perspektive der Migra­tionskämpfe gewendet werden. Aus diesem Blickwinkel stellt die Anwerbung der Gastarbeiter keineswegs eine Erfindung des Staates dar. Vielmehr sind Anwerbeabkommen als eine Reaktion auf Kämpfe zu verstehen, die bedeutende soziale und politische Veränderungen erbrachten: Die Ethnologin Manuela Bojadžijev schrieb 2006 in einem Aufsatz: »Die Kämpfe der Migration der 1960er und 1970er Jahre lassen sich in drei große Felder unterteilen. Eine massive soziale und politische Transformation war das Ergebnis: Die Praktiken der Einwanderung müssen selbst als soziale Bewegung interpretiert werden, insofern sie eine Autonomie gegenüber den staatlichen Migrationspolitiken entfaltet haben. Die Beteiligung der Migranten an den Arbeitskämpfen hat grundlegend zur Krise der fordistischen Gesellschaftsform beigetragen und öffnete die enge Perspektive der Betriebskämpfe hin zu sämtlichen Lebensverhältnissen der Migration, hin zu Alltag und Reproduktion, zu Sprache und Kultur und nicht zuletzt hin zu den Wohnverhältnissen, die neben den Bedingungen in der Fabrik den entscheidenden Grund migrantischer Kämpfe bildeten.«

Vor diesem Hintergrund wandelten sich die institutionellen Formen und die soziale Praxis des Rassismus immer wieder zu dem Zweck, die für den Kapitalismus notwendigen Klassenungleichheiten zu bewahren. Dabei wird die Herausbildung von Differenzen und Hierarchien zentral, die jeder Person einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuweisen.

Lesen Sie den vollständigen Vorabdruck in der Tageszeitung junge Welt: Nur die Guten dürfen rein

Netzfundstücke: Rechtspopulismus

In der Ausgabe 6/2014 der Wochenzeitung jungle world erschien ein Interview mit Sebastian Reinfeld über sein in der Edition DISS im Unrast-Verlag erschienenes Buch:

„Wir für Euch“
Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise
Edition DISS Band 33, Dezember 2013, 144 Seiten, 16 EUR, ISBN 978-3-89771-762-6

Rechter Populismus ist eine politische Technologie, eine Mechanik, wie man in und mit den politischen Systemen kommuniziert und diese im Laufe der Zeit verändert. Und diese Diskursmaschinen sind Open Source, sie werden also nicht nur von den entsprechenden Parteien in Anschlag gebracht. Wenn der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beispielsweise die Parole »Wer betrügt, der fliegt« ausgibt und damit offenbar auf Sinti und Roma zielt, die aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland kommen könnten, dann wird die Allgemeinheit dieser Technologie doch offensichtlich. Er markiert eine Fremdgruppe und zielt zugleich auf »die da oben«, die Politiker in Brüssel, die durch die allgemeine Freizügigkeit »unserer« Nation schaden würden. Und das alles in einem einzigen diskursiven Schachzug, der seitdem tagein, tagaus diskutiert und damit verbreitet wird. Rechtspopulismus läuft darauf hinaus, in Abgrenzungen, durch diskursive Ein- und Ausschlüsse, ein »Wir« zu bilden und anzurufen. […]

 

[…] Ein anderes Beispiel: Hans-Olaf Henkel, der als Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Industrie einer der mächtigsten deutschen Wirtschaftsführer war, hat nun offiziell bekanntgegeben, dass er die AfD unterstützt und dem deutschen rechtspopulistischen Eliteprojekt beitritt, das ebenso aus dem dominanten konservativ-liberalen Zusammenhang in Deutschland herausfällt. Dieser bricht auseinander in der europäischen Krisenpolitik, aber die ihm Zugehörigen treffen sich wieder in der Betonung des Nationalen. Dennoch ist Angela Merkels »Wir« der deutschen Dominanz in Europa ein Wir, das im täglichen Wettbewerb steht und dort bestehen muss, wohingegen das rechtspopulistische »Wir« ein Wir einer angeblich gegebenen biologischen, mentalen oder kulturellen Stärke ist, was Henkel auch ausdrücklich so formuliert hat. Beide »Wirs« rufen die Menschen unterschiedlich an und wirken demnach auf andere Weise. Die Herrschenden sprechen eben nicht mit einer Stimme, sie sind gespalten und vielstimmig, deshalb sind sie wirkungsmächtig, denn wir haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, rechtspopulistische Parteien in sämtlichen europäischen Parlamenten. In acht Fällen sind oder waren sie, direkt oder indirekt, sogar an Regierungen beteiligt. Dieser institutionelle Einfluss verändert die Gesellschaften Europas.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: »Die Herrschenden sprechen nicht mit einer Stimme«