DISS-Vortrag in Hattingen
Fast auf den Tag zum 205. Geburtstag, am 2. Mai 2010, erinnerte Jobst Paul (DISS) in einem Vortrag in Hattingen an die denkwürdige Biographie des Königsberger Arztes, Publizisten und Bürgerrechtlers Johann Jacoby (1805-1877). Jacoby, der zwischen 1840 und 1870, also über Jahrzehnte für soziale Gerechtigkeit, aber auch für Freiheitsrechte kämpfte und zeitweise zum persönlichen Gegenspieler Bismarcks wurde, wollte zwar als nicht-religiöser Jude verstanden werden, orientierte sich aber gleichwohl an den konsequenten Gleichheitstheoremen der jüdischen Sozialethik. Ruth Jacoby, die schwedische Botschafterin in Berlin und Verwandte Johann Jacobys, war in Hattingen anwesend. ((Vgl. auch: Der Westen: Johannes-Gemeinde. Schwedische Botschafterin zu Besuch, Hattingen, 03.05.2010, Hendrik Steimann ))
Johann Jacoby – Bürgerrechtler
Johann Jacoby hat sich zeitlebens extreme menschliche und politische Spannungen zugemutet, oder besser: er hat sich oft kompromisslos in die Spannungen seiner Zeit hineingeworfen. Es ist deshalb kein Wunder, wenn diese Spannungen auch noch ganz am Schluss, nämlich bei Jacobys Begräbnis am 11. März 1877, aufbrachen:
„Schon Mittags – so ein Augenzeuge – war das Volk von Königsberg auf dem Universitätsplatze und in den umliegenden Straßen in unzähligen Massen erschienen; Deputationen der socialistischen Partei Deutschlands, der Arbeiter Berlins, Breslaus, Hamburgs, Cölns, Braunschweigs und anderer Städte, der Arbeiterfrauen Berlins, der „Berliner Freien Presse“, der „Frankfurter Zeitung“, sowie Abgesandte der demokratischen Vereine von Berlin und von Frankfurt a. M., vom Königsberger Handwerkerverein, von der schwäbischen Volkspartei u. s. w., u. s. w. hatten sich vor dem Hause Jacoby’s aufgestellt und hielten riesige Lorbeerkränze in den Händen.“
Berichtet wird von 5000 Trauergästen allein in Königsberg (Gedenkveranstaltungen gab es auch in anderen deutschen Städten). Ursprünglich planten die Vertreter der „Fortschrittspartei“ eine Art Kundgebung am Grab. Da aber die jüdische Gemeinde dort nur kurze Erklärungen duldete, drängten sie sich schon zuvor, nämlich „hinter dem Leichenwagen möglichst auffällig in den Vordergrund.“
Die jüdische Gemeinde befürchtete aber auch eine innere Zerreißprobe. Jacoby hatte sich stets als nicht-religiös positioniert. Wie sollte sich Rabbiner Isaac Bamberger in seiner Ansprache dazu stellen? „Johann Jacoby, Bürgerrechtler“ weiterlesen