Netzfundstücke: Denk mal!

Die Evangelische Akademie der Nordkirche hat eine Website erstellt zur kritischen Auseinandersetzung mit Kriegsdenkmälern. DENK MAL! http://www.denk-mal-gegen-krieg.de/

»Für Kaiser und Reich – Gott mit uns.«

1914 – vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Die Kriegsbegeisterung großer Teile der Bevölkerung kannte keine Grenzen. Fast immer waren Kirchen und Pastoren beteiligt. 17 Millionen Menschen verloren in den mörderischen Schlachten bis 1918 ihr Leben.

»Jede glorifizierung eines menschen,
der im krieg getötet worden ist,
bedeutet drei Tote im nächsten krieg.«
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Zwischen den Kriegen verhinderten Trauer und Schrecken nicht, dass nationale und militärische Ambitionen bald wieder erstarkten. Ein sichtbarer Ausdruck dafür sind die Kriegerdenkmäler, die in den zwanziger Jahren in fast allen Städten und Dörfern errichtet wurden. Stimmen des Protestes und der Vernunft wurden nicht beachtet.

1939 – vor 75 Jahren überfiel die Wehrmacht das Nachbarland Polen und begann den Zweiten Weltkrieg, ein Verbrechen gegen die Menschheit. Nach der deutschen Niederlage und damit der Befreiung vom Nationalsozialismus sollte ein neues Deutschland aufgebaut und gestaltet werden – erstmals ohne Militär und Armee.

»Nie wieder Faschismus,
nie wieder Krieg.«

2014 – können Deutschland und fast alle Staaten Europas auf eine lange Periode ohne Krieg zurückblicken. Doch solange dieser Frieden auf Rüstung und militärischen Optionen beruht, bleibt er gefährdet und gefährdet andere. Wer ernsthaft einen stabilen Frieden will, kommt nicht umhin, sich mit den Ursachen und Folgen der Kriege des letzten Jahrhunderts auseinanderzusetzen.

Die Website bietet viel interessantes Material, Texte, Fotos, Verantstaltungshinweise. In der Rubrik Texte wird u.a. auch ein Auszug aus der DISS-Online-Broschüre Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit präsentiert.

Netzfundstücke: Teddys gegen Kriegsverherrlichung

Auf der Seite des Westdeutschen Rundfunks erschien im Themenschwerpunkt zum Ersten Weltkrieg ein Beitrag von Sabine Tenta über die Kriegsdenkmäler auf dem Duisburger Kaiserberg.

In nahezu jedem Ort erinnert auch 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein Kriegsdenkmal an das Ereignis. Auf dem Duisburger Kaiserberg stehen mehrere umstrittene Denkmäler. Sie locken Neonazis an, wecken aber auch kreativen Bürgerprotest.

Die Autorin sprach u.a. mit DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch. Zum Gedenkklotz von 1933 heißt es:

Auf dem Duisburger Kaiserberg, einer weitläufigen Parkanlage im Stadtteil Duissern, befindet sich ein Denkmal aus dem Jahr 1933 mit martialischer Inschrift. Unter anderem steht dort: „Und finden die Zeichen die Enkel später, hört wie sie stammeln, Gott, nur das Eine, mach uns so eisern, so deutsch wie die Väter.“ Auf dem Sockel stand ein Steinkubus, der jedoch zerstört ist. Weder Vandalismus noch Weltkriegsbomben, sondern Frostschäden haben das Denkmal für das 193. Infanterieregiment in seine Einzelteile zerlegt. Die Stadt Duisburg hat im Herbst 2013 die Steinbrocken eingezäunt. Susanne Stölting, Sprecherin der Stadt Duisburg, erklärte, dass die Restaurierung unabhängig vom 100. Jahrestag des Weltkriegsbeginns sei. Im letzten Jahr, als die Schäden auftraten, hätten schlicht die 20.000 Euro für diese Arbeiten im Etat der Stadt gefehlt, darum wurden sie auf 2014 verschoben. Bis zur Instandsetzung bleiben die Denkmalreste eingezäunt.

Nachdem der Zaun im Herbst 2013 errichtet worden war, nahmen Bürger ihn zum Anlass, auf ihre Art gegen das Denkmal zu protestieren: Sie setzten einen riesigen Plüsch-Eisbär in diesen „Käfig“, sagt Martin Dietzsch. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des „Duisburger Instituts für Sprache und Sozialforschung“, und verfolgt seit Jahren die Kontroversen um die Kaiserberg-Kriegsdenkmäler. Für Dietzsch ist der Eisbär ein politisches Statement. Denn am Bauzaun hing ein Schild, das dazu aufforderte, den Bären mit Liebe zu füttern. Als politische Aussage verstanden es auch Neonazis. Sie verbrannten den Eisbären und hinterließen Aufkleber mit rechtsextremen Parolen. Daraufhin haben Duisburger Bürger wiederum Teddys auf den Sockel gesetzt und konterten mit dem Aufkleber „Nie wieder Krieg“. Ein ständiges Hin und Her zwischen „den Anwohnern und den Neonazis führt dazu, dass sich der Stofftier-Zoo immer wieder verändert“, so Martin Dietzsch. Jedes zerstörte Plüschtier werde durch mehrere neue ersetzt.

Ein Vertreter des Volksbundes Deutsche Kriegsgäberfürsorge sprach sich gegen eine kritische Auseinandersetzung mit solchen Denkmälern aus.

Wolfgang Held von der Kriegsgräberfürsorge NRW verteidigt die Zurückhaltung: „Wir wollten keine Polemik reinbringen.“ Für ihn sind die Kriegsgräberstätten „wichtige Zeitzeichen“, die erhalten werden müssen. „Sonst wird die Geschichte mit dem Meißel geklittert. Dann ist Geschichte nicht mehr Geschichte.“

Der Gedenkklotz von 1933 wurde nach 1945 tatsächlich mit dem Meißel verändert. Den Sockel zierten zwei Hakenkreuze. War die Entfernung nach Ansicht von Herrn Held eine Geschichtsklitterung?

 

Den vollständigen Beitrag von Sabine Tenta lesen Sie hier: Teddys gegen Kriegsverherrlichung

 

Lesen Sie auch den Artikel von Robin Heun im DISS-Journal 27: 100 Jahre erster Weltkrieg – 40 Jahre diskursive Kämpfe um Kriegsdenkmäler

Und die DISS Online-Broschüre Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit

 

Die Normalisierung des Einsatzes von militärischer Gewalt als Produkt multipler Denormalisierung

Autor: Siegfried Jäger

Normalerweise bedarf es eines längeren und oft Jahrzehnte langen diskursiven Vorlaufs, wenn ein wichtiges Essential der Verfassung gegenstandslos gemacht werden soll, wie etwa der Umbau der Bundeswehr von der Verteidigungsarmee zur Angriffsarmee und ihre Umrüstung zur Kriegsarmee, die für Blitzkriege und kriegerische sogenannte out-of-area-Einsätze aller Art in aller Welt geeignet ist. Bereits im Juli 1992 meinte der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe in einem Spiegel-Gespräch sinngemäß: Schön, dass deutsche Soldaten nun auch als Blauhelme agieren können, was ja ein erster Schritt in Richtung Angriffsarmee sei, der von ihm gewünschte Umbau zu einer Armee, die out-of-area operieren könnte, bedürfe aber eines langen Atems, da die Bevölkerung diese Erblast des Nazireiches nicht so schnell hinzunehmen bereit sei. ((Der Spiegel vom 20.7.1992. Wenig später geht Rühe aber schon einen Schritt weiter: „Ich kann mich bestimmten Maßnahmen nicht verschließen.“ Aber auch noch grundgesetzgemäß: „Für Deutschland bleibt es bei seinen von der Geschichte vorgegebenen Begrenzungen.“ (Der Spiegel vom 21.12.1992) Der Diskurs weicht sich bereits etwas auf, orientiert sich letzten Endes aber noch klar am Grundgesetz. Rühe antizipiert, wie sich der militaristische Diskurs in Deutschland entwickeln wird und sich bis heute auch entwickelt hat. Das ist jedoch nicht der Person Volker Rühes zu „verdanken“, der, wie heute de M., nur Sprachrohr eines politischen Diskurses ist, an dem unter Federführung viele konservative Politiker die gesamte medio-politische Klasse mitstrickt.))

Titelcover Wissenschaft & Frieden 3-2011

Und fast 20 Jahre hat es auch gedauert, bis dieses Ziel nach Durchlauf vieler Etappen und mancher diskursiver Kämpfe auch erreicht wurde. Das ist zwar nicht ohne Qualen und Querelen abgegangen und hat sogar einen Bundespräsidenten das Amt gekostet, doch jetzt, nachdem Köhler auch die ökonomischen Interessen, die mit deutschen Auslandeinsätzen zu wahren seien, ins Feld geführt hatte und deshalb heftigst gescholten wurde und wenig später der amtierende Kriegsminister zu Guttenberg völlig offen und ungeschützt dasselbe sagte und damit völlig ungeschoren davonkam, ohne auch nur ein wenig Qualm oder gar Gegenfeuer zu provozieren, ist die Wahrung deutscher ökonomischer Interessen aus dem Diskurs eliminiert und durch andere, bedeutend „ehren“-vollere konservative deutsche Interessen ersetzt worden, die der Mottenkiste des unseligen deutschen Militarismus von vor 1945 entsprungen zu sein scheinen. Was diesen zwar zu erwartenden, in seiner Konsequenz dennoch überraschenden Diskurswandel ermöglicht oder doch beschleunigt hat, dürfte auch mit der keineswegs bewältigten Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 ff. und anderen Denormalisierungen zu tun haben, primär aber als Effekt einer Verschränkung von militaristischem und ökonomischem Diskurs (und auch anderen Diskursen und manifesten Denormalisierungen) zu verstehen sein. ((Wir haben es mit einem diskursiven Gewimmel zu tun, aus dem heraus sich jedoch dominantere Diskurse herauskristallisieren konnten. Im Endeffekt hat eine Normalisierung eines militanten Kriegsdiskurses stattgefunden. Zum Problem der Normalisierung vgl. Jürgen Link: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, 3., ergänzte, überarbeitete und neu gestaltete Aufl., Göttingen 2006. Um ein etwas willkürliches Beispiel aus einem schriftstellerischen Diskurs zu nennen, sei auf Martin Walsers Loblied: Schlageter. Eine deutsche Verlegenheit hingewiesen, in: Martin Walser: Heilige Brocken, Weingarten 1986 S. 111-124. Hier wird ein extrem rechter Soldat gefeiert, der „ein Reiner“ gewesen sei. Schlageter spricht vom Krieg als etwas, „in dem Gott die Besten und Tüchtigsten als Opfer fordert.“ (zit. nach ebd. S. 115) Könnte dies de M. als Pflichtlektüre für junge Soldaten vorschweben, als der neue Resonanzboden für ein neues Verständnis von soldatischer Ehre?)) In dieser Situation multipler Denormalisierungen konnte Guttenberg offen verkünden, was wenig zuvor noch nicht ungestraft sagbar war.

Man könnte auch sagen, was Köhler seinen Rücktritt wert war oder ihn den präsidialen Kopf kostete, ist zur alltäglichen Wahrheit oder doch zur Selbstverständlichkeit mutiert, über die kein Hahn mehr kräht. Ist das diskursiver fauler Zauber, der gegen alle Regeln der normalen Überwältigung auch noch grundgesetzlich verankerter und historisch zutiefst begründeter Diskurse verstößt? Wie erklärt sich dieses diskursive Wunder, wie ist dieser ungeheuerliche Normalisierungsschub, der Nicht Normales als völlig normal erscheinen lässt, möglich geworden, den dieses diskursive Ereignis kennzeichnet?

Schauen wir uns zunächst einmal das Personal an, das diesen Normalisierungschub repräsentiert. Da ist zum einen Guttenbergs auf den ersten Blick seriöser auftretender und medial nüchtern agierender Nachfolger, Thomas de Maizière, Sohn des ehemaligen Generalinspektors der Bundeswehr (von 1966-1972) Ulrich de Maizière zu nennen. Dieser hütet sich davor, offen von ökonomischen Interessen zu sprechen. Das muss er auch nicht mehr, denn das ist diskursiv „durch“, Schnee von Gestern und nicht mal mehr ein schlafender Hund, den man nicht wecken sollte. Offenbar schläft dieser Hund nicht nur, sondern er ist mausetot. Es gibt ihn nicht mehr. De Maizière ist zum Sprachrohr eines militaristischen Diskurses geworden, der seit ehedem in konservativen Kreisen rumort, und er konnte zu diesem Sprachrohr werden, weil er nicht wie Guttenberg den eleganten aber unseriös wirkenden Zappelhans spielt, sondern den bedächtigen und abwägenden Rhetor, der das globale deutsche Interesse Deutschlands im Auge hat, und dies ist vor allem ein wirtschaftliches Interesse. Er ist somit nicht der Zauberlehrling, der das Wunder vollbringt, und keine Geister beschwören muss, die er vielleicht nicht mehr los werden kann (wie dies etwa Köhler passiert ist) und der sich auch nicht als wissenschaftlicher Schwindler und Betrüger (wie Günter Grass ihn nennt ((S. Günter Grass: Die Steine des Sisyphos, SZ vom 4.7.2011, S. 11.)) )desavouiert hat. Sein Auftreten ist eher väterlich, eher jovial und er hat ein Herz für die kleinen Leute, die da in den Kampf geschickt werden. Beruhigend gibt er ihnen auf ihrem Weg in die Kämpfe zu verstehen: „Töten und Sterben gehören dazu“. ((Die im Folgenden nicht sonderlich gekennzeichneten Zitate entstammen einem Interview mit de M., das am 29. 6. 2011 an prominenter Stelle in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.)) Soldaten sind halt von Beruf Mörder und, wenn sie Pech haben, Helden zugleich. Der Minister sieht den pädagogischen Wert des Umgangs mit den Kriegs-Instrumenten: „Wer aber lernt, eine Handgranate in der Hand zu halten und den Abzugsring zu ziehen, der geht später auch verantwortungsvoller mit dem Thema Gewalt um.“ Und sinniger und schlichter Weise: Er lässt sich nicht von Computerspielen zu einem verantwortungslosen Umgang mit Waffen verführen.

Lassen wir das! Die Armee als Schule der Nation? Das hatten wir ja schon. Dies garstig Lied ist bekannt und soll hier nicht weiter ausgebreitet werden. Auch wenn es typisch ist für den militarisierenden Diskurs, der den Kampf und den Krieg mit zu legitimieren versucht. Überhöht wird das nun aber noch durch de Maizierès Angebot an die zu werbenden und auszubildenden harten Krieger. 19-jährige sollen erstens gutes Geld verdienen, an die 1000 Euro netto, zweitens durch eine „attraktive Zeit“ bei der Bundeswehr, aber besonders durch etwas Drittes, einen darüber hinausgehenden Mehrwert, den er mit dem „Begriff der Ehre“ und dem Gefühl des Dienens in Verbindung bringen möchte. Dieser Mehrwert stellt nach de M. sich ein, wenn man etwas für den Staat tut, „für Freiheit und Frieden in Deutschland und in der Welt.“ De M. beklagt nämlich: “Wir Deutschen verbinden mit Ehre und auch Dienen zu oft etwas Schwerblütiges. Etwas, das drückt. Wer dient, hat hängende Schultern oder Mundwinkel. Ich will versuchen, diesen Begriffen einen neuen Resonanzboden zu geben, ein breiteres Spektrum. Dienen ist nobel und ehrenhaft, aber es kann einfach auch Freude machen und das Selbstbewusstsein stärken.“ Ob das noch oder wieder nötig sein wird, dürfte angezweifelt werden können. De M. kann einfach auf das zurückgreifen, was vielen unserer Väter auch heute noch klar ist. Denn, wie es im Rat eines Vaters an einen deutschen Jungen in Afghanistan heißt: „Mach es wie ich auf der Jagd. Der Kopfschuss ist auf kurze Distanz das Beste. Deine Ehre heißt Treue. Vergiss das nie!!“ ((Zitiert aus einer Reportage „Zwei von 4397“ in der SZ vom 12./13 Juni 2010.))

Angesprochen auf den desolaten und aussichtslosen Krieg in Afghanistan und den Tod deutscher Soldaten sowie auf den ausbleibenden deutschen Abzugsplan, geht aber de M. nicht von der Fahne und vertraut der alten Doppelstrategie: „Eine zeitweilige militärische Verstärkung, um die Taliban wirksamer zurückzudrängen und zu bekämpfen, und einen politischen Ansatz zur Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit an die Afghanen.“ Und er beharrt: „Diese Strategie ist auf dem richtigen Weg.“ Angesprochen auf die abweichende Option der USA, reagiert de M. zwar leicht verunsichert, doch mit deutscher Sturheit: Auf die Frage der SZ: „Sie haben jüngst gesagt, Wohlstand verpflichtet. Heißt das: mehr Einsätze für die Bundeswehr“, antwortet er „Ich erwarte, dass es zunächst keine Abstriche bei den Kernfähigkeiten gibt.“ Die entstehende Lücke in der Front lässt sich ja schließen: durch die deutschen Jungs, die bereit sind, zu töten und zu sterben.

Nun sind das keine Tagträume eines Mannes, der sich nicht von der Lektüre von Ernst Jüngers armee- und kriegsverherrlichenden Auslassungen frei machen kann, also dummes Zeug, das auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen gehört, sondern Ausdruck einer konservativen Restauration oder vielleicht auch Revolution, die die deutsche Politik und ihren Anspruch auf Demokratie insgesamt zu beherrschen begonnen hat. ((Das geschieht nur scheinbar hinter dem Rücken der Kanzlerin, die allerdings die Unbeteiligte spielt. Vgl. dazu Klaus Naumann: Ohne Strategie und Leitbild. Die neue deutsche Berufsarmee, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 7/2011, S. 68-76. Naumann weiß auch: „Hier ist mehr gefragt als Ressortkompetenz.“ (Ebd., S. 69) Das Ressort ist nur ein Element eines weite darüber hinausgehenden politischen Konzepts, das dieses allerdings insgesamt repräsentiert und, wenn auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt vielleicht eher zufällig, stark macht.)) De M. ist ja nicht ein beliebiger alter Haudegen, der seine privaten Ansichten zum Besten geben möchte, sondern prominentes Mitglied einer Regierung, der mit dem, was er sagt, auch deren Sprachrohr ist. Dabei geht es nicht allein um völkisch-militaristische Wahnvorstellungen, sondern – aus de M.s´ Mund – um den Standort Deutschland und um Deutschlands Rolle in der Welt- und um Wirtschaftsmacht, die umso stärker geschützt und entwickelt werden muss je tiefer die Krise ist. Woran Köhler noch gescheitert ist, was Guttenberg bereits forsch hinausposaunen konnte, umschreibt der „nüchterne Minister“ der Verteidigung deutscher Interessen in der Welt zwar etwas kryptisch, aber deutlich: „Deutschland ist mit der Einheit erwachsen geworden. Wir können keine Sonderrolle mehr beanspruchen, sondern müssen wie andere auch internationale Verantwortung übernehmen. Wir haben jetzt knapp 7000 Soldaten im Einsatz. Wir wollen die Zahl der Soldaten, die wir der internationalen Völkergemeinschaft anbieten können, auf 10000 erhöhen, weil wir künftig von den Vereinten Nationen absehbar stärker gefragt sein werden.“ Wenn Klaus Naumann die Perspektive des Umbaus der Bundeswehr, „nun endgültig zur interventionsfähigen Streitmacht“ zu werden, als Schwarzmalerei der Linkspartei oder einiger ihrer Anhänger abtut, kann man sich nur noch an den Kopf fassen. ((Nauman, ebd., S. 71. Grass dürfte wohl kaum der Partei der Linken zuzurechnen sein, obwohl er schreibt „die gegenwärtigen Ermüdungs- und Zerfallserscheinungen im Gefüge unseres Staates bieten Anlass genug, ernsthaft daran zu zweifeln, ob unsere Vwerfassung noch hält, was sie verspricht, …nicht zuletzt der Würgegriff der Banken machen aus meiner Sicht die Notwendigkeit vordringlich, etwas bislang Unaussprechliches zu tun, nämlich die Systemfrage zu stellen.“ (S. Anm. 3.) )) Da ist schon ein wenig mehr an analytischer Kompetenz ins Spiel zu bringen als sich allein auf das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft allgemein zu kaprizieren. Es geht nicht allein und keineswegs in erster Linie um den Umbau der Bundeswehr und hier geht es auch nicht nur um ein paar technische Probleme, sondern um den Umbau der gesamten deutschen Gesellschaft.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden 3/2011, S. 6-8