Pro NRW: Der Kreuzzug wird vertagt

Autor: Michael Lausberg

Ein „politisches Erdbeben an Rhein und Ruhr“ und einen Tag der Abrechnung“ hatte die Partei Pro NRW angekündigt. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai verfehlte sie deutlich ihr selbst gestecktes Ziel von 5%+x. Trotzdem redet sie sich das Ergebnis schön.

Auf dem „Programmparteitag“ von Pro NRW am 19.2.2010 im „Forum Leverkusen“ verkündete ihr Vorsitzender Markus Beisicht den Einzug in den Landtag als leicht erreichbares Ziel:

„Eine Rüttgers-CDU, die schon Planspiele für eine schwarz-grüne Koalition macht, kann keine Alternative für konservative und patriotische Bürger dieses Bundeslandes mehr sein. Wir dagegen füllen das Vakuum zwischen den prinzipienlosen Altparteien in der Mitte und abgehalfterten Splittergruppierungen im Rechtsaußenbereich. Wir machen eine Politik für die einheimische Bevölkerung im Stile unserer Partnerparteien FPÖ und Vlaams Belang, die dafür in ihren Heimatländern Wahlergebnisse von 20 % und mehr der Stimmen erreichen. Dieses Potential für eine rechtspopulistische Partei gibt es theoretisch auch in Deutschland, und wir wollen im Flächenland Nordrhein-Westfalen den Beweis antreten, dass wir auch kurzfristig ein Ergebnis von 5 + x erreichen können.“ ((www.pro-nrw.net/index.php?option=com_content&view=article&id=1500:unser-ziel-ist-es-am-9-mai-in-den-landtag-einzuziehen&catid=42&Itemid=42))

Beisicht sah ein politisches „Vakuum rechts der Mitte“, das von der Pro-Bewegung besetzt werden soll:

„Die nordrhein-westfälischen Landtagsparteien unterscheiden sich immer weniger. Zwischen Frau Kraft (SPD) und dem farblosen CDU-Ministerpräsidenten Rüttgers sind relevante inhaltliche Unterschiede kaum auszumachen. Beide sind im Zweifel stets politisch korrekt und links. Es ist demzufolge rechts der Mitte ein Vakuum entstanden, das durch uns besetzt werden wird.“ ((Ebd.))

Als politische Gegner wurden die „abgewirtschafteten Altparteien.“ gesehen „und nicht irgendwelche Splittergrüppchen, die um die Vorherrschaft im Nullkomma-Ghetto kämpfen“. Bei diesen „Splittergrüppchen“ handelt es sich um NPD und die „Republikaner“, die mit der Pro-Bewegung um die Hegemonie im rechten Lager streiten.

Pro NRW stellte sich als „patriotische Oppositionsbewegung“ ((www.pro-nrw.net/wp-content/uploads/programm-rgb.pdf)) dar, die angeblich die „wahren Interessen“ der „einheimischen steuerzahlenden Bevölkerung“ vertritt:

„Es wird alles beim Alten bleiben, wenn nicht endlich ein frischer Wind die vermieften Parlamente durchzieht. Es geht nicht um die Verlustängste der Parteibonzen in Düsseldorf, sondern um ihre Sorgen, um die Sorgen der Bürger. Wir sind gegen diesen volksfernen Parteienstaat und für mehr direkte Demokratie. Wir sind gegen eine Politik der großen Finanzinteressen, wir sind für die Wahrnehmung der mittelständischen Interessen.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1230))

Die WählerInnen wurde dazu aufgerufen, „ein weithin vernehmbares Ausrufezeichen des Protestes gegen die Politik der Altparteien zu setzen.“ Pro NRW inszenierte sich als „die Stimme der schweigenden Mehrheit“ ((Ebd.)), was jeder empirischen Grundlage entbehrt. Bei Meinungsumfragen oder Wahlen kam Pro NRW niemals über den Status einer Kleinpartei hinaus.

Das schwache, bzw. nicht vorhandene Agieren der Bewegung in den Stadträten und Kreistagen wurde von Pro NRW in ungerechtfertigter Weise als Erfolg gefeiert:

„Und wir rechten Demokraten von pro NRW haben bereits in vielen Stadträten und Kreistagen bewiesen, dass wir es ehrlich meinen mit Nordrhein-Westfalen und seinen Menschen!“ ((www.pro-nrw.net/wp-content/uploads/programm-rgb.pdf))

Das Wahlprogramm von Pro NRW war durchdrungen von antimuslimischer Hetze, rassistischen Stereotypen gegenüber MigrantInnen, vorgeblicher Korruptionsbekämpfung und von einer rigiden Law-and-Order-Politik. In knappen, undifferenzierten Sätzen wurden die acht Punkte des Programms (Wir pro NRW, Zuwanderung begrenzen, Islamisierung stoppen, Innere Sicherheit herstellen, Soziale Gerechtigkeit schaffen, Demokratie und Bürgerrechte stärken, Korruption stoppen, Wertorientierte Bildung und Erziehung ermöglichen, Rückbesinnung auf kulturelle Werte durchsetzen ((Ebd.))) abgehandelt.

Wahlkampf

Eigens für den Wahlkampf wurde ein Internetportal unter dem Motto „Abendland in Christenhand“ eingerichtet, wo eine Zusammenfassung des politischen Programms und Berichte über Wahlkampfaktivitäten zu sehen sind. Auf die bei anderen Parteien üblichen Angebote am die Leserinnnen und Leser, sich im Internet mit Fragen oder Anregungen an die jeweiligen Bewerber zu wenden, verzichtete Pro NRW völlig. Dies konterkariert ihren eigenen Anspruch auf „direkte Demokratie“ und „Bürgernähe“.

Im Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stand ein am Wochenende vom 26. bis 28. März 2010 durchgeführter sogenannter „Sternmarsch“ zur Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh sowie eine „Konferenz für ein europaweites Minarettverbot“ in Gelsenkirchen. Pro NRW wollte dort gegen die „schleichende Islamisierung“ der BRD demonstrieren und gleichzeitig ihre antimuslimischen rassistischen Parolen in die mediale Öffentlichkeit tragen. Dank eines breiten antifaschistischen Engagements konnten diese Veranstaltungen nicht als Erfolg für Pro NRW gewertet werden. Die von Pro NRW erhoffte Signalwirkung für den Landtagswahlkampf blieb aus. ((Vgl. „Pro NRW“ und Die Reise nach Absurdistan)) Auch die einwöchige Tour von ca. zehn Pro NRW Aktivisten in einem allem Anschein nach von der belgischen extrem rechten Partei „Vlaams Belang“ organisierten Reisebus mit der Aufschrift „Kreuzug für das Abendland“ ((Vgl.: 1. Mai: PRO-Zikus in Solingen)) dürfte außer den zahlreichen GegendemonstrantInnen kaum jemand zur Kenntnis genommen haben.

Da Pro Köln nur über sehr wenige aktive Mitglieder verfügt, versuchte die Partei über kostspielige Postwurfsendungen und Plakate für sich zu werben.

Beistand im Wahlkampf erhielt Pro NRW durch den islamfeindlichen Weblog „Politically Incorrect“ (PI) und dem dem NPD-Umfeld zuzuordnenden Blog „Gesamtrechts“. Pro NRW gab an, „zahlreiche konservative und freiheitliche Medien und Vereinigungen im vorpolitischen Raum“ hätten ihre Kandidatur unterstützt. ((www.pro-nrw.net/?p=1273)) Welche Medien und Vereinigungen dies gewesen sein sollen, wurde natürlich nicht genannt. Selbst die in diesem Zusammenhang allenfalls in Frage kommende Wochenzeitung „Junge Freiheit“ fiel der Pro-Bewegung in den Rücken ((Vgl: Felix Kautkrämer: Millionär sucht Partei, in: JF 6/10, S. 4)) . Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass es sich dabei wieder einmal nur um ein Luftblase handelt, um den Eindruck von Bedeutsamkeit zu suggerieren.

Das Wahlergebnis

Pro NRW errang 1,4% der abgegebenen Zweitstimmen und verfehlte damit meilenweit ihr selbst ausgegebenes Wahlziel von 5% +x. Die Wahlergebnisse von Pro NRW sind sehr heterogen. Ihre besten Ergebnisse erzielte die Partei in Bergheim mit 5,8%, in Dormagen und Gelsenkirchen mit 4,2%, in Duisburg und Leverkusen mit 3,9%, in Remscheid 3,6% und in Solingen mit 3,1%. ((www.pro-nrw.net/?p=1295)) Diese Schwerpunkte im Rheinland rund um Köln und in den großen Städten des Ruhrgebiets waren auch schon bei der Kommunalwahl 2009 die Regionen mit dem höchsten Stimmenanteil. Dort war es der Pro-Bewegung damals auf Anhieb gelungen, in folgende Städte in Fraktionsstärke einzuziehen: Bergheim 6,0%, Radevormwald 5,1%, Dormagen 4,5%, Gelsenkirchen 4,3% und Leverkusen 4,0%. ((Pro NRW und Pro Köln errangen damals 46 Sitze in den Kreistagen, Stadträten und Bezirksvertretungen in NRW. Vgl. dazu Lausberg, M.: Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte und Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“, Münster 2010, S. 119))

In ihrer Hochburg Köln schaffte Pro NRW lediglich 2,4%, dies bedeutete im Gegensatz zu den Kommunalwahlen den Verlust mehr als ein Drittels der WählerInnen. ((http://nrwrex.wordpress.com/2010/05/10nrw-%.e2%80%9epro%e2%80%9c-freut-sich-über-geld-vom-staat))

Im Sauerland und in den ländlichen Regionen Westfalens konnte Pro NRW keine nennenswerten Erfolge erzielen. Dort erzielte die Partei sogar ihre niedrigsten Ergebnisse; in den Wahlkreisen Borken II, Münster II, Warendorf I bekam sie 0,3%, in den Wahlkreisen Steinfurt II und Steinfurt III 0,2% der Stimmen. ((www.pro-nrw.net/?p=1295))

Da muss Tünche drüber!

In seiner Betrachtung der Wahlergebnisse versuchte Markus Beisicht, das Ergebnis schön zu reden. Kein einziges Mal wird dabei von ihm das noch auf dem Parteitag im Februar frenetisch bejubelte Ziel vom Einzug in den Landtag eingegangen. Die „Erfolge“ werden aufgebauscht, um eine positive Grundstimmung auch unter den eigenen Mitgliedern für die zukünftigen Aufgaben zu erzeugen und das Verlierer-Image zu vermeiden. Ein kritisches Hinterfragen der eigenen Wahlstrategie wird unter allen Umständen vermieden.

Beisicht erklärte, das Wahlergebnis von 1,4% sei „kein Resultat, bei dem man den Kopf in den Sand stecken müsste.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1305)) Der „kommunale Wahlerfolg“ von Pro NRW 2009 sei „keine Eintagsfliege, sondern wurde bei den Landtagswahlen noch einmal nachhaltig bestätigt.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1307)) Überall dort, wo pro NRW über „wahlkampffähige Strukturen, handlungsfähige Verbände und vor Ort verankerte Kandidatinnen und Kandidaten“ verfüge, seien Ergebnisse erzielt worden, die „an die 5% Prozent heranreichen oder diese Marke überschreiten“. Damit wäre das Ziel, „Leuchttürme aufzubauen, die signalisieren: Ein Ergebnis von 5 % im Westen für eine demokratische Rechtspartei sind drin.“ aufgegangen. ((Ebd.))

Diese „Leuchtturm-Strategie“ wurde erst nach der Wahl verkündet. In keinem Wahlprogramm von Pro Köln war zuvor von dieser „Strategie“ zu lesen.

Den Rückgang der Stimmen in der Hochburg Köln erklärte Beisicht einerseits mit der Vernachlässigung der Stadt aufgrund „wichtiger Schwerpunktbildungen“ in anderen Regionen. Als zweiten Grund gab Beisicht an, dass es nicht gelungen sei, „allen Wählerinnen und Wählern klarzumachen, dass pro NRW das landespolitische Pendant von pro Köln ist.“

Dieser zweite Grund kann nur als politische Bankrotterklärung verstanden werden. Laut eigener Aussage wurden unzählige Werbemittel (Plakate, Postwurfsendungen, Internetpräsenzen) eingesetzt, wodurch der Bekanntheitsgrad gesteigert wurde. Wenn jetzt eingeräumt wird, dass der simple Zusammenhang zwischen Pro Köln und Pro NRW von den eigenen potentiellen WählerInnen nicht begrifffen worden sein soll, ist dies mehr als peinlich.

Die Schuld an der Wahlniederlage wird nicht bei sich selbst, sondern (wie immer) bei anderen gesucht. Beisicht erklärte:

„Die Strategie der politischen Gegner der Bürgerbewegung war und ist ein Dreiklang aus Totschweigen, Diffamieren und Kleinreden. Die Schweigespirale wird von den wenigen Monopolmedien und den öffentlich rechtlichen Programmen bis zum Anschlag genutzt. Da kann pro NRW in einigen Regionen bei 4 – 5 % liegen, und trotzdem wird der Name nicht genannt. Wenn die Bürgerbewegung die Schweigespirale durchbrochen hat, dann wird entweder die ‚Faschismuskeule’ herausgeholt, Kandidaten wurden in ein mediales Sperrfeuer geschickt und bis über jede Schamgrenze hinaus diffamiert.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1305))

Um in Zukunft diese „Schweigespirale zu durchbrechen, soll „der Aufbau eigener Medien vorangetrieben“ werden. ((Ebd.))

Sieg über die anderen Verlierer

Im rechten Lager habe man eine hegemoniale Stellung erreicht. In dem katastrophalen Wahlergebnis der „Republikaner“ (0,3%) sieht Pro NRW den „Schlusspunkt eines tragischen politischen Auflösungsprozesses.“ ((Ebd)) Die neonazistische NPD, die mit 0,7% ihr Wahlziel ebenfalls klar verfehlte, sei eine „ferngesteuerte Partei von Ewiggestrigen, die politisch keine Relevanz haben wird: Im Westen nicht, und auch im Osten werden keine Durchbrüche erzielt werden.“ ((Ebd)) Pro NRW verkündet, „dass sich alle grundgesetztreuen, demokratischen Kräfte rechts der Union sammeln“ sollten, selbstverständlich unter dem Dach der Pro-Bewegung. ((Ebd)) Dabei werden bestimmte Führungspersönlichkeiten der „Republikaner“ namentlich angesprochen:

„Es gibt jedoch auch bei dieser Gruppierung honorige Persönlichkeiten, wie zum Beispiel den Mainzer Stadtrat Stritter oder die nordrhein-westfälischen Stadträte Schubeus, Krüger u.a. Mit solchen Personen kann es zukünftig eine Zusammenarbeit geben.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1307))

Pro beschließt Wahlsieg 2015

Das eigene Wahldebakel wird verdrängt, und man orientiert einfach auf die nächsten Wahlen, die aber erst in vier bzw. fünf Jahren bevorstehen:

„In vier Jahren werden die kommunalen Ergebnisse vervielfacht werden, um die Voraussetzung für einen Landtagseinzug in fünf Jahren zu schaffen.“ ((www.pro-nrw.net/?p=1305))

Am 11.5.2010 beschloss der Vorstand von Pro NRW schließlich das „Projekt 2015“, das wohl eher den Schmerz über die erlittene Niederlage mit heißer Luft lindern soll. Zunächst soll ein Grundstein für „eine noch erfolgreichere Kommunalwahlteilnahme 2014“ gelegt werden, bis ein Jahr später dann „mit landesweit kampagnenfähigen Strukturen und mehreren hundert kommunalen Mandatsträgern erneut der Sturm auf den Düsseldorfer Landtag unter ganz anderen Voraussetzungen gewagt werden“ könnte. ((www.pro-nrw.net/?p=1346))

Staatlich aufgepäppelter Marsch auf Düsseldorf

Ein zentrales Wahlziel konnte Pro NRW allerdings tatsächlich erreichen. Mit landesweit mehr als einem Prozent kommt die Partei ab sofort in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung. Die aufgehäuften Schulden wird die Partei also aus Steuermitteln begleichen können.

Noch am Wahlabend verkündete Markus Beisicht in einer Rede vor Parteifreunden, die als Propagandavideo auf Youtube abrufbar ist:

„Wenn wir jetzt auch finanziell ordnungsgemäß staatlich aufgepäppelt werden, dann besteht eine sehr gute Chance, eine sehr gute Perspektive, dass wir in fünf Jahren das umsetzen, was wir eigentlich schon heute umsetzen wollten. Der Marsch nach Düsseldorf geht weiter.“ ((http://www.youtube.com/watch?v=y-4RkV_InCM&feature=player_embedded))

Ganz gewiss wird später einmal in den Geschichtsbüchern vom „Marcia su Düsseldorf“ zu lesen sein!

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