AfD – Das Interesse der jungkonservativen Neuen Rechten

In der DISS Online-Bibliothek erschien der dritte Teil der Artikelserie von Helmut Kellershohn zur Partei Alternative für Deutschland (AfD). Welche Hoffnungen und Erwartungen verbinden jungkonservative Ideologen aus dem Umfeld der Jungen Freiheit mit der AfD?

[…] Dieter Stein […] sieht die politische Hauptaufgabe der JF darin, mit publizistischen Mitteln an der Bildung eines für die Durchsetzung rechter Positionen auf parlamentarischer Ebene tragfähigen gesellschaftlichen Milieus mitzuwirken. Es sei „höchste Zeit für die Formierung eines starken konservativ-freiheitlichen Widerlagers“ (JF 41/2009, 1), das in der Lage sei, die staatstragenden Parteien, insbesondere aber „die Union von rechts unter Druck“ zu setzen und eine Ausdifferenzierung des Parteiensystems nach rechts hin zu bewirken. Die AfD scheint nun der Hebel zu sein, um dies bewerkstelligen zu können. Die AfD habe das Verdienst, schrieb Stein im Mai 2013, das „Thema der verantwortungslosen Euro-Rettung“ und damit verbunden „die endgültige Schleifung der nationalen Souveränität“ in das „Zentrum der Debatte“ gerückt; es müsse nun, trotz mancher Zweifel gegenüber der weiteren Entwicklung der AfD, „von übergeordnetem Interesse“ sein, das „Monopol der CDU“ zu brechen.

Soviel Pragmatismus mag politischen Existentialisten wie Götz Kubitschek („Ein-Mann-Kaserne“) verdächtig sein. Aber, gramscianisch gesprochen, ging es der JF immer darum, ein Hegemonieprojekt zu entwickeln, d.h. die Bildung eines Netzwerks von Akteuren zu fördern, das vielleicht einmal in der Lage sein könnte, in den Kampf um die Hegemonie einzugreifen. Welche „Akteurskonstellationen“ bringt nun die JF ein, wo gibt es Anknüpfungspunkte an das Projekt einer „konservativen Volkspartei“? – Dies soll im Weiteren anhand einiger „Eckpunkte“ geklärt werden, die für die JF (und das IfS in der ‚Ära Weißmann’) von zentraler Bedeutung gewesen sind. Bezugspunkt auf Seiten der AfD ist ihr Wahlprogramm in Sachsen. […]

Helmut Kellershohn kommt am Ende seines Textes zu folgendem Fazit.

[…] Die vorstehenden Überlegungen machen deutlich, dass die Selbstdarstellung der AfD als „konservative Volkspartei“ tatsächlich sich dem nähert, was dem jungkonservativen Hegemonieprojekt um die Junge Freiheit schon seit längerem vorschwebt: nämlich durch die Verknüpfung von nationalliberalen, christlich konservativen, völkischen und staatspolitischen Ideen eine „moderne“ völkisch-konservative Bewegung im vorpolitischen Raum zu inspirieren und über deren parteipolitische Implementierung in den politischen Raum zu einer „Umwälzung“ (Stein) des politischen Systems beizutragen. Karlheinz Weißmann als ausgewiesener Kenner der Konservativen Revolution hat bereits 2003 die JF als in der Tradition der sog. „Volkskonservativen“ stehend bezeichnet, einer Teilströmung des Weimarer Jungkonservatismus, die sich aus abtrünnigen Deutschnationalen, Teilen der Bündischen Jugend und des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes zusammensetzte und von Vordenkern der Konservativen Revolution wie Hermann Ullmann, Georg Quabbe und Edgar Julius Jung „geistig“ beeinflusst wurde. Dieter Stein hat damals zu dieser „Verortung“ geschwiegen. Heute wiederholt Weißmann genau diesen historischen Bezug, wenn er in seiner Begründung für seinen Abschied vom Institut für Staatspolitik die Notwendigkeit und die Möglichkeit betont, dass sich die AfD in Richtung einer Volkspartei entwickelt.

Bitte lesen Sie den vollständigen Text in der DISS Online-Bibliothek: „Konservative Volkspartei“ – Über das Interesse der jungkonservativen Neuen Rechten an der AfD. Sondierungen im Feld der AfD Nr. 3

Diskurspiraten bei den Duisburger Piraten?

Von Martin Dietzsch

Das Blog der Duisburger Piratenpartei hat am 19.6.2014 den Beitrag „Duisburger Konsens – Eine Klarstellung“ veröffentlicht. In ihm versucht der Piraten-Kreisverband seine Ablehnung der Erklärung des Duisburger Stadtrats „Duisburger Konsens gegen Rechts: Wir alle sind Duisburg!“ noch einmal zu begründen. Der Blogbeitrag beruft sich dabei auf einen Vortrag, den ich am 28.4.2014 bei einer Veranstaltung des Landesintegrationsrats im Ratssaal gehalten habe. Inhalt und Intention meines Vortrages stützen aber in keiner Weise die vom Pressesprecher der Duisburger Piratenpartei vertretene Position.

Nicht die Duisburgerinnen und Duisburger aus Rumänien und Bulgarien sind in Duisburg das „Problem“, sondern der Rassismus in beträchtlichen Teilen der Bevölkerung. Ich plädierte dafür, diesem Rassismus offensiv entgegenzuwirken, statt ihn weiter zu verharmlosen. Die Presseerklärung der Duisburger Piraten scheint mir eher in die Richtung zu gehen, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und zu verschlimmern.

Der „Duisburger Konsens gegen Rechts“ ist meines Erachtens ein begrüßenswerter erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Es wäre gut, wenn er nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Zur Erinnerung und Klarstellung hier die Schlusspassage aus meinem Vortrag vom 28. April:

„Abschließend ein paar Worte zum Thema Gegenstrategien. Die Duisburger Stadtverwaltung trat einmal mit dem sehr begrüßenswerten Anspruch an, Integration zu fördern, statt zu diskriminieren und Verdrängung zu praktizieren. Leider ist sind diesen Worten bisher nur wenig Taten gefolgt. Man sollte die Verantwortlichen immer wieder an ihr Versprechen erinnern.

Der Protest gegen Rechts allein greift zu kurz. Es muss auch dem Rassismus und Antiziganismus innerhalb von großen Teilen der Duisburger Bevölkerung entgegengewirkt werden. Die Empathie mit den Neubürgern muss gefördert werden. Die vielen Duisburger Bürger, die in diesem Bereich bereits in Eigeninitiative tätig sind, benötigen dringend moralische und finanzielle Unterstützung. Langfristiges Ziel sollte es sein, Duisburg zu einer gelungenen Ankunftsstadt zu machen. Davon hätten alle Bewohner dieser Stadt etwas. Und Duisburg könnte endlich einmal ein Vorbild für andere Städte werden.“

P.S.:

Vergl. auch die Distanzierung der Jungen Piraten NRW von der Duisburger Presseerklärung und die Twitter-Meldung von Britta Söntgerath, der Ratsfrau der Piraten:

„Britta Söntgerath @Kapetanio 17. Juni
@twena ja deshalb habe ich auch zugestimmt, wie auch meine Fraktion + alle anderen, außer: AfD, proNRW und NPD. Jetzt weiß man wo AfD steht“

Netzfundstücke: Hoffnung aus dem Süden

In der Zeitschrift analyse und kritik erschien ein Beitrag von DISS-Mitarbeiter Sebastian Friedrich über die Ergebnisse der Europawahl.

[…] Vor dem Hintergrund der Krisen in den letzten Jahren scheint das Ergebnis die Annahme zu bestätigen, ökonomische und soziale Krisen begünstigten nationalistische und reaktionäre Kräfte. Ein genauerer Blick auf die Wahlergebnisse in Europa und speziell in Deutschland offenbart ein differenzierteres Bild. In den südeuropäischen Ländern, wo die Krise bisher die tiefsten Spuren hinterlassen hat, konnte die Rechte kaum profitieren. Ausgenommen von Griechenland – hier holte die neofaschistische Goldene Morgenröte 9,3 Prozent – gewannen rechte Parteien in den »Krisenländern« im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren keine Stimmen hinzu. In Portugal und Spanien bleiben offen rechte Parteien marginal und schicken auch weiterhin keine Abgeordneten ins Parlament.

[…]

Augenfällig bei der Betrachtung der Ergebnisse der rechten Parteien ist, dass diese vor allem in den Ländern zulegen konnten, in denen die Auswirkungen der Krise verhältnismäßig wenig zu spüren sind. In Dänemark wurde die Dänische Volkspartei mit 26,6 Prozent stärkste Partei, was ein Plus von 11,8 Prozent bedeutete, in Finnland gewannen die Wahren Finnen mehr als drei Prozent hinzu, die Schwedendemokraten verdreifachten ihren Anteil und kamen auf knapp zehn Prozent, in Österreich gewann die Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) sieben Prozent hinzu, im Vereinigten Königreich wurde die EU-skeptische UKIP, die United Kingdom Independence Party, mit 26,8 Prozent stärkste Partei und in Deutschland holte die Alternative für Deutschland (AfD) aus dem Stand sieben Prozent.

Diese Ergebnisse deuten auf einen erstarkten Wohlstandschauvinismus hin, bei dem sich die Identifikation mit der Nation als Wirtschaftsstandort mit einer Abwertung derjenigen einhergeht, die als Gefahr für den Standort identifiziert werden. Für standortnationalistische und wohlstandschauvinistische Ideologien sind – entgegen verbreiteter Meinung – keineswegs diejenigen am ehesten anfällig, die akut von sozialem Abstieg bedroht sind oder bereits deklassiert sind. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. […]

Den vollständigen Artikel lesen Sie hier: Hoffnung aus dem Süden (ak Nr. 595 / 17.6.2014)

Die AfD als „Staubsauger“ und „Kantenschere“

In der DISS-Online Bibliothek erschien der zweite Text in der Reihe Sondierungen im Feld der AfD von Helmut Kellershohn. Darin geht es um die Turbulenzen im jungkonservativen Lager, die von der AfD ausgelöst wurden.

Das bisher relativ erfolgreiche Auftreten der AfD in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland hat anscheinend zu Umgruppierungen im jungkonservativen Lager der Neuen Rechten geführt. Karlheinz Weißmann, die intellektuelle Führungsfigur in diesem Lager, hat sich aus der Redaktion der Sezession, der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik (IfS) zurückgezogen. Auch auf dem Blog wird er nicht mehr als Autor geführt. Inwieweit das seine Rolle im IfS berührt, das er zusammen mit Götz Kubitschek gegründet hat und als dessen wissenschaftlicher Leiter er bislang fungierte, wird sich zeigen. Im Kern geht es um die Haltung zur AfD und um die Frage, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß die AfD unterstützt werden kann und soll. Theoretisch gesprochen: es geht um das ‚rechte’ Verständnis von Real- und Metapolitik. Zur Debatte steht aber auch das Verhältnis zwischen IfS und der Jungen Freiheit, die sich für die AfD von Anfang an publizistisch engagiert hat.

Den vollständigen Text lesen Sie in der DISS-Onlinebibliothek:
http://www.diss-duisburg.de/2014/06/helmut-kellershohn-afd-sondierungen-2/

Marc Jongens AfD-Manifest und die jungkonservative Neue Rechte

In der DISS-Online Bibliothek erschien der erste Text in der Reihe Sondierungen im Feld der AfD von Helmut Kellershohn. Der Autor analysiert das von Marc Jongen verfasste und in der Zeitschrift Cicero erschienene „Manifest der Partei“ Alternative für Deutschland (AfD).

[…] Wir erinnern uns: In einer Serie von Artikel in den Jahren 2009/10 ‚bombardierte’ Sloterdijk die mediale Öffentlichkeit mit seiner Sicht von Staat und Gesellschaft, darunter ein Manifest genannter Text zum „Aufbruch der Leistungsträger“, der im November 2009 in der Zeitschrift Cicero erschien.

In derselben Zeitschrift, welch ein Zufall, veröffentlicht Marc Jongen, zwei Tage vor dem Artikel Gaulands, ganz unbescheiden einen Text, der als AfD-Manifest für Aufsehen erregen sollte, obwohl im Text selbst nur davon die Rede ist, dass Jongen einige „politische Grundsätze und Leitlinien“ formulieren möchte, die in einem „Manifest der Partei“ (!) „unbedingt beachtet werden“ sollten. Es handelt sich also kurioserweise um ein persönliches, von niemandem beauftragtes Manifest für ein zukünftiges Partei-Manifest. Der Titel lautet. „Das Märchen vom Gespenst der AfD“, und schon der erste Satz greift in die Vollen: „Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst der AfD.“ Das ist pfiffig. Da kommt ein relativ unbekannter Autor und hebt seine Ausführungen auf die Höhen des Kommunistischen Manifests, um der „historische Mission“ der AfD, gewissermaßen auf Weltniveau, das entsprechende rhetorische Kostüm zu verleihen. An sich erstaunlich, gilt doch die „historische Mission“ des Kommunismus dem bürgerlichen Alltagsverstand zufolge als gescheitert. Aber Jongen ist Optimist, versteht sich als Visionär.

Wir unterziehen den Text einer symptomatischen Lektüre. Der Text ist zwar rhetorisch, nicht aber in den Aussagen originell. Er enthält eine Reihe von Anspielungen auf Quellen, die nicht offengelegt werden. Sie führen den Leser zu Denkfiguren, die seit mehr als zwanzig Jahren von der jungkonservativen Neuen Rechten publizistisch verbreitet werden, allen voran von der Jungen Freiheit. Die JF gibt sich konservativ, okkupiert aber den Konservatismusbegriff aus dem Geiste der Konservativen Revolution bzw. in der Tradition des Weimarer Jungkonservatismus, theoretisch unterstützt, wenn auch nicht ohne Vorbehalte, vom Institut für Staatspolitik.

Ein zweites Augenmerk liegt auf der Logik der Argumentation. Wie denkt Jongen über Staat und Gesellschaft, wie sieht er die Rolle der AfD, von der er glaubt, sie verfolge eine „historische Mission“? […]

Lesen Sie bitte den vollständigen Text von Helmut Kellershohn in der DISS Online-Bibliothek: Sondierungen im Feld der AfD (Teil 1) – Marc Jongens AfD-Manifest und die jungkonservative Neue Rechte.

Netzfundstücke: Rechtspopulismus

In der Ausgabe 6/2014 der Wochenzeitung jungle world erschien ein Interview mit Sebastian Reinfeld über sein in der Edition DISS im Unrast-Verlag erschienenes Buch:

„Wir für Euch“
Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise
Edition DISS Band 33, Dezember 2013, 144 Seiten, 16 EUR, ISBN 978-3-89771-762-6

Rechter Populismus ist eine politische Technologie, eine Mechanik, wie man in und mit den politischen Systemen kommuniziert und diese im Laufe der Zeit verändert. Und diese Diskursmaschinen sind Open Source, sie werden also nicht nur von den entsprechenden Parteien in Anschlag gebracht. Wenn der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beispielsweise die Parole »Wer betrügt, der fliegt« ausgibt und damit offenbar auf Sinti und Roma zielt, die aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland kommen könnten, dann wird die Allgemeinheit dieser Technologie doch offensichtlich. Er markiert eine Fremdgruppe und zielt zugleich auf »die da oben«, die Politiker in Brüssel, die durch die allgemeine Freizügigkeit »unserer« Nation schaden würden. Und das alles in einem einzigen diskursiven Schachzug, der seitdem tagein, tagaus diskutiert und damit verbreitet wird. Rechtspopulismus läuft darauf hinaus, in Abgrenzungen, durch diskursive Ein- und Ausschlüsse, ein »Wir« zu bilden und anzurufen. […]

 

[…] Ein anderes Beispiel: Hans-Olaf Henkel, der als Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Industrie einer der mächtigsten deutschen Wirtschaftsführer war, hat nun offiziell bekanntgegeben, dass er die AfD unterstützt und dem deutschen rechtspopulistischen Eliteprojekt beitritt, das ebenso aus dem dominanten konservativ-liberalen Zusammenhang in Deutschland herausfällt. Dieser bricht auseinander in der europäischen Krisenpolitik, aber die ihm Zugehörigen treffen sich wieder in der Betonung des Nationalen. Dennoch ist Angela Merkels »Wir« der deutschen Dominanz in Europa ein Wir, das im täglichen Wettbewerb steht und dort bestehen muss, wohingegen das rechtspopulistische »Wir« ein Wir einer angeblich gegebenen biologischen, mentalen oder kulturellen Stärke ist, was Henkel auch ausdrücklich so formuliert hat. Beide »Wirs« rufen die Menschen unterschiedlich an und wirken demnach auf andere Weise. Die Herrschenden sprechen eben nicht mit einer Stimme, sie sind gespalten und vielstimmig, deshalb sind sie wirkungsmächtig, denn wir haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, rechtspopulistische Parteien in sämtlichen europäischen Parlamenten. In acht Fällen sind oder waren sie, direkt oder indirekt, sogar an Regierungen beteiligt. Dieser institutionelle Einfluss verändert die Gesellschaften Europas.

Das vollständige Interview lesen Sie bitte hier: »Die Herrschenden sprechen nicht mit einer Stimme«

Rechter Terror in Griechenland und zivilgesellschaftliche Gegenwehr

 

Ein Reisebericht aus Korfu von Robin Heun

Am 18. September 2013 erstach in Athen ein Anhänger der Neonazi Partei „Chrysi Avgy“ (Goldene Morgenröte) auf offener Straße den antifaschistischen Rapper Pavlos Fissas (Killah P). Dieser Mord sorgte über die Landesgrenzen hinweg für Empörung. Auch deutsche Medien berichten seitdem vermehrt über die Ereignisse rund um die Neonazi- Partei, die mit 18 Mandaten (von 300) im griechischen Parlament vertreten ist.

Selbst auf der wohlhabenden touristischen Insel Korfu ist der Mord an Pavlos Fissas im öffentlichen Raum allgegenwärtig. In den engen Gassen der Hauptstadt (Korfu-Stadt) findet man an vielen Stellen antifaschistische Schriftzüge und Plakatierungen, die auf den Mord hinweisen. Auf einem Plakat, auf dem ein Foto von Pavlos Fissas abgebildet ist, steht: „Ihr habt sie [die Partei] gewählt. Ihr habt ihr zugehört. Ihr habt ihr applaudiert. Ihr habt sie machen lassen“.

 

„Pavlos Fissas von Nazis ermordet“. Ihr habt sie gewählt…
„Pavlos Fissas von Nazis ermordet“. Ihr habt sie gewählt…

 

Deutungskämpfe im öffentlichen Raum

An zahlreichen Stellen kann man aber auch die diskursiven Kämpfe um die Deutungshoheit im öffentlichen Raum erkennen. Antifaschistische Schriftzüge und Symbole überdecken rassistische Schriftzüge und Symbole, wie das „white power Kreuz“. Oder Graffiti-Tags mit dem Parteinamen „goldene Morgenröte“ wurden z.B. zu „goldene Eier“ abgewandelt.

 

Der Parteiname „Goldene Morgenröte“ (ΧΡΥΣΗ ΑΥΓΗ) wurde zu „Goldenen Eiern" (ΧΡΥΣA ΑΥΓA) abgewandelt.
Der Parteiname „Goldene Morgenröte“ (ΧΡΥΣΗ ΑΥΓΗ) wurde zu „Goldenen Eiern“ (ΧΡΥΣA ΑΥΓA) abgewandelt.

 

Teils übermalte Rassistische Symbole und Schriftzüge.
Teils übermalte Rassistische Symbole und Schriftzüge.

 

Die Partei „Chrysi Avgy“ eine „kriminelle Organisation“…

Zehn Tage nach dem Mord an Pavlos Fissas ließen die griechischen Behörden die gesamte Führung der Neonazi-Partei festnehmen. Die Partei wurde zur kriminellen Organisation ((Ein Parteiverbotsverfahren, wie es in Deutschland vor dem BVerfG verhandelt werden kann, sieht die griechische Verfassung nicht vor. Allerdings will sich die griechische Regierung darum bemühen, die öffentliche Parteifinanzierung zu stoppen.)) erklärt. Im Zuge der Verhaftungen und Hausdurchsuchungen wurden allein beim Parteivorsitzenden drei nicht lizenzierte Schusswaffen sichergestellt. ((Boris Kálnoky / Dimitra Moutzouri: „Enthauptungsschlag“ gegen Nazi-Partei, (Welt-Online), Artikel vom 28.09.2013, http://www.welt.de/politik/ausland/article120478541/Enthauptungsschlag-gegen-Nazi-Partei.html)) Mit diesen Maßnahmen ist nun eingetreten was ExpertInnen zuvor vermutet hatten. Die Regierung nutzt die öffentliche Empörung über den Mord, um ihre entschlossene Handlungsfähigkeit gegenüber der Neonazi-Partei unter Beweis zu stellen. ((Vgl., Boris Kálnoky / Dimitra Moutzouri: Mordfall stürzt Griechenland in politische Krise, (Welt-Online), Artikel vom 27.09.2013, http://www.welt.de/politik/ausland/article120470480/Mordfall-stuerzt-Griechenland-in-politische-Krise.html )) Kritiker werfen den staatlichen Sicherheitsbehörden allerdings vor, die rassistischen Hetzreden und Übergriffe der Partei und ihrer Sympathisanten viel zu lange geduldet zu haben. ((o.V.: Chef der Neonazi-Partei festgenommen, Artikel vom 28.09.2013 auf tagesschau.de, http://www.tagesschau.de/ausland/griechenland2880.html)) Den Mitgliedern und Anhängern der Partei werden mittlerweile vier Morde und 10 Mordversuche zur Last gelegt. ((Boris Kálnoky / Dimitra Moutzouri: Neonazi nennt Regierung “kriminelle Organisation”, (Welt-Online), Artikel vom 28.09.2013, http://www.welt.de/politik/ausland/article120484465/Neonazi-nennt-Regierung-kriminelle-Organisation.html)) Eine Studie der griechischen Ombuds-Behörde hat ergeben, dass es landesweit allein zwischen Januar und April 2013 281 rassistisch motivierte Übergriffe gab. ((o.V.: Gewalt bei Demos gegen Rechts, Artikel vom 25.09.2013 auf tagesschau.de, http://www.tagesschau.de/ausland/proteste-griechenland100.html))

Bereits im Vorfeld der Verhaftungen drohte die Partei im Falle staatlicher Repressionen mit dem Rücktritt aller ihrer Abgeordneten. Dies könnte möglicherweise Nachwahlen in 15 Regionen bedeuten. Allerdings sei die Partei in Meinungsumfragen nach Bekanntwerden des Mordes von 11% Zustimmung auf 6% abgestürzt. Unabhängig davon drohten einige „Reserveoffiziere“ im Internet mit einem Putsch. Eine Demonstration dieser Offiziere am Syntagma-Platz wurde daraufhin aus Gründen der öffentlichen Sicherheit verboten. ((Siehe Anm. Nr. 3.)) Laut einiger Medienberichte verfügt die Partei aber auch vereinzelt über Verbindungen zu Polizeikräften.

Der Aufstieg der „goldenen Morgenröte“

Der elelektorale Erfolg der Partei „Chrysi Avgy“ wird in einem Artikel auf dem ZDF-Nachrichtenportal heute.de, der wohl auf einer dpa-Meldung basiert, vor dem Hintergrund der Euro-Schuldenkrise mit der Protestwahlhypothese erklärt. Ein „bislang unkontrollierter Flüchtlingsstrom“ hätte zu einem „dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und des Rassismus“ geführt. Ein „verzweifelter“ Teil der Gesellschaft hätte sich daher radikalisiert und aus Protest die Neonazi Partei gewählt. ((o.V.: Führende Neonazis in Griechenland verhaftet, Artikel auf dem ZDF-Nachrichtenportal heute.de, Stand: 28.09.2013, http://www.heute.de/F%C3%BChrende-Neonazis-in-Griechenland-verhaftet-29971288.html)) Hier greift der Autor/die Autorin auf einen höchst problematischen Erklärungsansatz zurück. Rassistische Einstellungsmuster werden bei der einheimischen Bevölkerung demzufolge durch den „Flüchtlingsstrom“ hervorgerufen. Den LeserInnen wird außerdem suggeriert, dass Zuwanderung im kausalen Zusammenhang mit negativen sozialen Entwicklungen, wie Arbeitslosigkeit, stünde.

Der „Orkan“ des Rechtsextremismus…

Im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen bezeichnete der griechische Staatspräsident die rassistischen Übergriffe als „Orkan“ des Rechtsextremismus. Seine höchste Pflicht sei es nun, die Demokratie vor diesem „Orkan“ zu schützen. ((o.V.: Präsident warnt vor “Orkan des Rechtsextremismus”, (Welt-Online), Artikel vom 23.09.2013, http://www.welt.de/politik/ausland/article120317507/Praesident-warnt-vor-Orkan-des-Rechtsextremismus.html)) Wie so häufig wird der Rechtsextremismus hier als Naturgewalt (um)gedeutet. Die gesellschaftlichen Ursachen werden in die Sphäre der Naturkatastrophen katapultiert und somit verschleiert. ((Vgl., Heun, Robin 2013: Duisburg im „Strudel“ des Nationalsozialismus, in: DISS-Journal 25 (2013), 32-34.))

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie ernst der griechische Präsident und die Behörden es mit der Verfolgung der rechtsextremen Übergriffe meinen. Zusätzlich zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter sollten auch die Opfer rechter Gewalt sowie die Angehörigen der Getöteten angemessen betreut werden. Dass sie von engagierten AntifaschistInnen unterstützt werden, zeigen die Plakatierungen z.B. auf Korfu. Eigentlich hätte das Wahlergebnis der aggressiv agitierenden Neonazi-Partei „Chrysi Avgy“ von knapp 7% vom Mai 2012 die griechische Regierung bereits in Alarmbereitschaft bringen müssen.

 

Netzfundstück: taz über Thüringens Regierungssprecher

Die taz berichtet über die Auseinandersetzung um Thüringens Regierungssprecher Karl-Eckhard Hahn wegen rechter Verbindungen. Umstritten ist vor allem seine Mitgliedschaft in der studentischen Verbindung „Deutsche Gildenschaft“ (DG).

Das Kabinett beschloss überprüfen zu lassen, ob die DG auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe.

Die taz zitiert DISS-Mitarbeiter Helmut Kellershohn:

Helmut Kellershohn, der beim „Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung“ zur Gildenschaft forscht, sagt: „Mitglieder der DG leisten signifikante ideologische und personelle Vermittlungsdienste im Übergangsfeld zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“. Viele DG-Mitglieder – wie Karlheinz Weißmann, der auch bei der „Etappe“ mitwirkte – sind heute führend bei neurechten Projekten, wie dem „Institut für Staatspolitik“ aktiv.

Lesen Sie hier den kompletten Artikel: Hahn lässt rechte Verbindung ruhen

Presserat und Minderheitenschutz – ein Erfahrungsbericht

von Alexandra Graevskaia

Wie man an den im aktuellen DISS-Journal zusammengefassten Ergebnissen der Analyse der Berichterstattung über die Zuwanderung nach Duisburg ((Vgl. den Beitrag „Die machen unser schönes Viertel kaputt“ – Rassismus und Antiziganismus am Beispiel Duisburg im DISS-Journal Nr. 25 und den gleichnamigen Beitrag in: Kellershohn, Helmut / Paul, Jobst (Hg.): Der Kampf um Räume: Neoliberale und extrem rechte Konzepte von Hegemonie und Expansion. Münster: Unrast, 2013 (im Erscheinen).)) erahnen kann, verstoßen einige der Artikel – aufgrund diskriminierender Inhalte und dem Schüren von Vorurteilen gegen eine Minderheit – gegen den Pressekodex. Der Presserat sieht es anders und lehnte eine vom DISS und von der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit beim ARIC-NRW (Anti-Rassismus Informations-Centrum) eingereichte Beschwerde ab. Wir haben gegen mehrere Artikel aus der Rheinischen Post und der WAZ wegen Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde ), 2 (Sorgfalt), 9 (Schutz der Ehre) und 12 (Diskriminierungen) des Pressekodex ((Der Pressekodex kann unter http://www.presserat.info/uploads/media/Pressekodex_2013.pdf abgerufen werden)) Beschwerde eingelegt. Zusammengefasst ging es darum, dass nicht belegte und größtenteils verallgemeinernde Äußerungen, sowie Nennung der Ethnie ohne begründeten Sachbezug für das Verständnis des berichteten Vorgangs, erfolgte.

Ein Beispiel dafür ist die Formulierung „Tochter seiner nach Sinti-Art angetrauten Frau in einem Artikel, der beschreibt wie ein Mann einen anderen, der dem Mädchen nachstellte, angriff. Dieses Detail ist unserer Ansicht nach irrelevant für den Inhalt des Artikels und suggeriert eine vermeintliche Andersartigkeit einer Sinti-Ehe, wodurch Vorurteile gegenüber dieser Minderheit geschürt wurden. Der Presserat folgt in seiner Ablehnung der Begründung des Justiziariats der WAZ NewMedia. Demnach sei das Detail wichtig, da man die Frau aufgrund nicht vorhandener standesamtlicher Trauung nicht als Ehefrau bezeichnen darf. Dass es sich um eine auf Dauer angelegte Beziehung handelt, sei für „die Motivation des Angeklagten“ sich für die Tochter seiner Frau verantwortlich zu fühlen, wichtig. Dass dieser Sinn nicht verloren geht, wenn im Artikel nur „Tochter seiner Frau“ stehen würde, sieht der Presserat nicht ein.

Ein anderer Artikel mit der Überschrift „Kriminelle Banden aus Osteuropa von Duisburg aus auf Raubzug in der Region“ enthält u.a. die problematische Formulierung „Die Polizei weiß natürlich, dass die Täter aus Duisburg-Hochfeld stammen, wo sich ein paar Tausend angesiedelt haben“. Durch den Satzbau werden tausende zugewanderten Menschen in Duisburg-Hochfeld pauschal als Täter_innen verunglimpft. Außerdem wurde im Artikel an mehreren Stellen die rumänische Staatsbürgerschaft der Festgenommenen betont. Der Presserat sieht darin allerdings keinen Verstoß gegen den Pressekodex, führt aber auch keinen begründeten Sachbezug für die Nennung der Nationalität auf. Als Begründung für die Ablehnung der Beschwerde wird geäußert, dass es sich bei dem Artikel um „eine auf Tatsachen gestützte aktuelle Bestandsaufnahme von Problemen in der Sozialsphäre ohne diskriminierenden Duktus“ handele.

Auch die Ethnisierung sozialer Probleme, wie in der Überschrift „Stadt Duisburg scheint Roma-Problem in Hochfeld nicht in den Griff zu bekommen“, wertet der Presserat nicht als diskriminierend, sondern als „zulässige Verkürzung des Textinhalts“. In der Ablehnungsbegründung heißt es dazu u.a. „Es ist darüber hinaus jedem in den betroffenen Städten klar, um wen es sich bei den Zuwanderern handelt.“ Letzteres ist allerdings nur aufgrund der permanenten Ethnisierung seitens der Medien „klar“. Der Presserat rechtfertigt hier also einen Verstoß gegen den Pressekodex mit vorangegangenen Verstößen.

Des Weiteren ist der Presserat der Ansicht, dass ein Kommentar, der beschreibt, man würde in Moers Gefahr laufen, an jeder Ecke belästigt oder überfallen zu werden und die Verantwortung dafür „überwiegend aus Rumänien und Bulgarien stammenden Banden“ zuschreibt, niemanden diskriminiere und sieht hier keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Dabei war neben der Kommentarfunktion des Textes, die Bewertungen erlaubt, der Punkt, „dass sich der Autor explizit von rechtsextremen Äußerungen distanziert“ „von Gewicht für die Gesamtbewertung“ des Presserats. Dass mit den Zeilen um diese Distanzierung herum rassistische Diskurse gespeist und die extreme Rechte gefördert wird, wird ignoriert.

Berichterstattung, die rassistische und antiziganistische Ressentiments (re)produziert, stellt eine traurige Realität dar. Die Ablehnung unserer Beschwerden scheint leider die Regel zu sein, wenn man beachtet, dass nur etwas ein Viertel der zwischen 1996 und 2010 vom Zentralrat der Sinti und Roma, wegen Diskriminierung, eingereichten 546 Beschwerden, erfolgreich waren. Diese Information wurde auf der Jahrestagung 2011 des Netzwerks Medienethik von dem Vorsitzenden des Presserates, Manfred Protze, der auch unsere Beschwerde mitbegutachtet hat, vorgetragen  ((Vgl. http://www.netzwerk-medienethik.de/jahrestagung/tagung2011/manfred-protze-minderheitendiskriminierung-in-den-medien-aus-der-perspektive-des-presserats-arbeitstitel/ 12.06.2013)) .

Wenn die o.g. Beispiele nach Ansicht des Presserats keine Diskriminierung beinhalten, welchen Wert haben dann noch die Richtlinien des Pressekodex?

Netzfundstück: „Sie wollen den autoritären Staat“

Die Tageszeitung junge welt veröffentlichte am 20.7.2013 ein ausführliches Gespräch mit DISS-Mitarbeiter Helmut Kellershohn über die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit, den ­»faschistischen Stil« und die Chancen des Jungkonservatismus in der Wirtschaftskrise. Ein kurzer Auszug:

(…) Seit einiger Zeit ist allerdings wieder eine ideologische Radikalisierung zu bemerken. Das hat mit zwei Dingen zu tun: Zum einen mit der Frage der Zuwanderung, zum anderen mit der Frage des Euro und der EU. Auf einmal tauchen vermehrt militante Stichworte auf wie »geistiger Bürgerkrieg«, »Vorbürgerkrieg«, »Umvolkung«, »deutsche Opfer, fremde Täter«.

Frage: Kehrt der Faschismus Armin Mohlers auf diese Weise in die Zeitung zurück?

In dem von Götz Kubitschek verwendeten Begriff »Vorbürgerkrieg« auf jeden Fall. Die Junge Freiheit ist Teil eines arbeitsteiligen Netzwerks. Was anfangs ihre Leserkreise leisteten, die Intellektualisierung der Rechten, wurde in das Institut für Staatspolitik ausgelagert, einem rechten Think Tank mit Weißmann, Kubitschek und Erik Lehnert als Geschäftsführer, an der Spitze. Dazu gehören die Theoriezeitschrift Sezession und der Verlag Antaios. Die Junge Freiheit ist das popularisierende »Massenorgan«, das immer darum bemüht ist, an gesellschaftliche Debatten anzuschließen und rechtspopulistische Bewegungen zu unterstützen. Die Sezession und das Institut für Staatspolitik fahren demgegenüber eher einen puristischen Ansatz. Hier geht es um die Zuspitzung von Argumentationen. In den Publikationen kommen die verschiedenen Strömungen und Facetten des Jungkonservatismus zu Wort. (…)

Das vollständige Gespräch lesen Sie hier: junge welt 20.7.2013 – »Sie wollen den autoritären Staat«