Migazin berichtet über Hausräumungen in Duisburg

In der Online-Zeitschrift Migazin berichtet Joachim Krauß über die Hausräumungen in Duisburg durch die sogenannte „Taskforce“. Statt gemäß dem Wohnaufsichtsgesetz die Situation der Mietenden zu verbessern wird in Duisburg vermeintliche ‚Gefahr im Verzuge‘ in Bezug auf Branschutz zum Vorwand genommen, und Mietende werden obdachlos und mittellos gemacht.

Brandschutz als vertreibender Mieterschutz für Rumänen in Duisburg

In Duisburg werden Wohngebäude von Rumänen und Bulgaren brandschutztechnisch überprüft. Finden sich Mängel, haben die Bewohner fünf Stunden, um ihre Sachen zu packen und sich für eine neue Bleibe zu kümmern. Tausende haben bereits ihre Wohnungen verloren. Diese Praxis wirft Fragen auf: Geht es wirklich um Brandschutz?

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Das Wohnaufsichtsgesetz wurde durch die damalige SPD-Landesregierung mit dem Schutz von Mietenden begründet. In Duisburg dient es der städtischen „Taskforce Problemimmobilien“ nicht als erste Handlungsgrundlage. Die Ordnungsbehörde agiert primär nach Brandschutzlogik. Dieses Vorgehen ist unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr sehr effektiv und unmittelbar, es lässt auch keine Güterabwägung zu. Auf die Gefahrenfeststellung erfolgt die Nutzungsuntersagung und sofortige Schließung, um Leib und Leben der Bewohnenden zu schützen. Die Behörde könnte im Zuge einer Ersatzvornahme auch die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anstelle der Hauseigentümer ergreifen und diesen die Kosten in Rechnung stellen, aber davon ist in keinem nach der Neuausrichtung der „Taskforce Problemimmobilien“ bekanntgewordenen Fall Gebrauch gemacht worden.

In der Kritik an der kommunalen Praxis wird gefragt, weshalb die Mietenden nicht vorab über eine Hausbegehung informiert und einbezogen werden, um auch präventiv tätig sein zu können und sie nicht schutzlos zu lassen. Nach der Logik des Brandschutzes verbietet sich gerade das, da mit Bekanntwerden der Gefahr, durch die Behörde eine Handlung erfolgen muss. Sollte aber die Gefahrenlage bereits vor der Begehung bekannt sein, würde sich die Behörde der verspäteten Abwehr schuldig machen und die Menschen wissentlich in der Gefahr belassen.

Die Mietenden vorab über mögliche Gefahren zu informieren und mit ihnen die Beseitigung zu planen, wäre eine präventive Herangehensweise, läge aber außerhalb der Gefahrenabwehrlogik einer Brandschutzüberprüfung. Hausräumungen könnten so vermieden werden. Sie kämen nur gleichzeitig nicht mehr als Steuerungsinstrument zwecks Abschreckung in Frage. Die Gefahrenabwehrlogik einer Brandschutzüberprüfung verbietet also behördliche Vorsorge, ihr Ergebnis kann (theoretisch) vorher nicht feststehen.

Vorauseilendes Jobcenter

Im April 2022 erhielten EU-Zugewanderte Bescheide des zuständigen Jobcenters. Darin hieß es: „Die Zahlung ihrer Leistungen wurde vorläufig eingestellt. Laut Aktenklage gibt es eine Räumung ihrer Wohnung zum 4.5.2022. Um Leistungen nach dem SGB II in Duisburg zu beziehen, muss ihr gewöhnlicher Aufenthalt in Duisburg sein. Nach der Räumung zum 04.05.2022 ist dies nicht sichergestellt.“ Eine lokale Organisation die u.a. eine Sozialberatung anbietet brachte den Fall in die Öffentlichkeit. Nach Bekanntwerden sagte die Ordnungsbehörde den Einsatz ab.

[…]

Lesen Sie den vollständigen Artikel auf den Seiten des Migazin: Brandschutz als vertreibender Mieterschutz für Rumänen in Duisburg

 

 

DISS-Journal 43 erschienen

Die neue Ausgabe unserer Institutszeitschrift DISS-Journal ist erschienen und kostenlos als PDF-Datei abrufbar.

Vorwort

Das neue DISS-Journal steht im Zei­chen des Ukraine-Krieges. Die Ableh­nung und Verurteilung des russischen Angriffs auf die ukrainische Zivilge­sellschaft, das Entsetzen über die sys­tematische Zerstörung ukrainischer Städte und die Ermordung vieler ihrer Bewohner:innen sind nahezu einhellig, sieht man einmal von den Anhängern des „Putinismus“ im rechten Lager oder etwa in Kreisen alter SED-Kader ab. Die Sympathien gelten den zahlreichen aus der Ukraine Geflüchteten, freilich mit dem Unterton in manchen Medien, dass doch bitte nicht die „Falschen“ kommen mögen.

Trotz Krieg: Es ist auch die Zeit zum Nachdenken. Die einen verstehen das im Nachhinein als „Abrechnung“ mit den „Sünden“ deutscher Außenpolitik in puncto Energiepolitik und einer Po­litik des „Wandels durch Handel“. Viele wissen es jetzt besser und zeigen mit dem Finger auf den einen oder ande­ren Übeltäter, wahlweise auch die eine oder andere Übeltäterin. Selbst dem Verkünder der „Zeitenwende“, Kanzler Scholz, wird die Rolle des „Cunctators“ von Seiten einiger Koalitionäre oder aus den Reihen der Opposition angekrei­det. Es scheint, als ob die Zeit klarer Freund-Feind-Bestimmungen ange­brochen ist, und jedem, der sich dieser binären Logik entziehen will, droht die öffentliche Rüge.

Nachdenken heißt Innehalten, heißt nüchterne Bestandsaufnahme der Mög­lichkeiten, die weitere Eskalation des Krieges verhindern zu helfen und den Neubau einer europäischen Friedens­ordnung nicht aus dem Blick zu verlie­ren. Das schließt die Analyse und Kri­tik der gegensätzlichen Interessenlagen sowie das Ausloten von Kompromissen ein. Ich gestehe: ich bin – heute – pessi­mistisch gestimmt. Ohne ein Aufstehen der russischen Zivilgesellschaft oder zumindest eine Revolte aus den Reihen der postsowjetischen Nomenklatura gegen den „Putinismus“ und gegen den Krieg wird es keine Lösung geben. Und im Westen? Die Kritik der NATO hat Mélenchon immerhin 22 Prozent der französischen Wählerschaft gebracht. Kann dies Ansporn für eine europäi­sche Friedensbewegung sein, gegen eine enorme Hochrüstung auf Kosten sozialer Sicherheit und einer klimapoli­tischen Wende, die diesen Namen ver­dient, zu mobilisieren?

Fragen über Fragen. Deshalb wollen wir die Debatte mit einem Beitrag von Jür­gen Link beginnen und mit einem Son­derheft (siehe S. 75) fortführen. Neh­men Sie aber auch, liebe Leser:innen, die Artikel in diesem Heft zur Kenntnis, die sich nicht mit dem Ukraine-Krieg beschäftigen.

Helmut Kellershohn

 

Inhalt

Die ›Ukraine-Krise‹ und ihre tendenzielle Dynamik
PUNKTE FÜR EINE STRUKTURAL-FUNKTIONALE ANALYSE
Von Jürgen Link
Ende Februar 2022

Die extreme Rechte im Russland-Ukraine-Krieg
Von Lucius Teidelbaum

Belarus: Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg
Von Guido Arnold

Demokratie und Sozialstaat bewahren –
Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!

Was haben Spaziergänge mit Vigilantismus zu tun?
EIN BLICK AUF DIE ENTWICKLUNG EINER RECHTEN BÜRGERWEHR UND DEREN WAHRNEHMUNG IN MEDIEN UND POLITIK
Von Margarete Jäger und Iris Tonks

Wiedergelesen: Ein Gründungstext des Ordoliberalismus
ALEXANDER RÜSTOW ÜBER DEN „NEUEN LIBERALISMUS“ 1932
Von Helmut Kellershohn

Zeitschriftenporträt „CATO“
EIN „MAGAZIN FÜR NEUE SACHLICHKEIT“ IM „HEILSGESCHICHTLICHEN KAMPF“?
Von Andrea Becker und Lana Knappe

Clearview AI
DER NEOREAKTIONÄRE UND NEONAZISTISCHE HINTERGRUND DER WELTWEIT LEISTUNGSFÄHIGSTEN GESICHTSERKENNUNGSTECHNOLOGIE
Von Guido Arnold

Die Reichweite kommunaler Interventionen in Armutsquartieren
Von Peter Höhmann

Als Soziologe in der Dortmunder Nordstadt
Von Dirk Dieluweit

Nudging
DIE POLITISCHE DIMENSION PSYCHOTECHNOLOGISCHER ASSISTENZ
Von Guido Arnold

Eine Analyse der Beziehungen zwischen Aussagen
AM BEISPIEL DES FLUCHTDISKURSES UM CAROLA RACKETE UND MORIA
Von Anna-Maria Mayer, Benno Nothardt, Milan Slat, Judith Friede, Louis Kalchschmidt, Fabian Marx & Christian Sydow

Roma: Leben in Bulgarien, aber nicht mit Bulgaren
von Liliia Peicheva

Den Kapitalismus verstehen
SØREN MAUS STUMMER ZWANG ALS „ÖKONOMISCHE MACHT“ IM KAPITALISMUS
Mau, Søren 2021: Stummer Zwang
Eine Rezension von Wolfgang Kastrup

„Die diskursive Seite hegemonialer Ordnungen“
Kempe, Lene 2021: Die diskursive Seite hegemonialer Ordnungen
Eine Rezension von Wolfgang Kastrup

Konservativ-faschistische Konvergenzmomente
Natascha Strobl: Radikalisierter Konservatismus.
Rezension von Stefan Vennmann

Die Aporien der sozialwissenschaftlichen Populismusforschung
Kolja Möller: Populismus
Rezension von Stefan Vennmann

Neues aus dem Institut

Finding Afghanistan
FOTOBAND UND ERGÄNZENDE TEXTE
Martin Gerner: Finding Afghanistan
Buchtipp von Benno Nothardt

Albert Einstein

Björn Borgmann: ‚Logbuch Malerei‘

Werkschau im Großen Ausstellungssaal des Kunstvereins Duisburg
Weidenweg 10, 47059 Duisburg
29. April 2022 bis 29. Mai 2022
Kurator Dr. Jobst Paul
Fr/Sa: 17.00 – 20.00 Uhr; So 14.00 – 18.00 Uhr

Zur Ausstellungseröffnung am 29. April 2022, 19 Uhr,
laden wir Sie, Ihre Freunde und Ihre Familie sehr herzlich ein.
Es sprechen: Herbert Gorba, Kunstverein Duisburg, und Dr. Jobst Paul, Kurator der Ausstellung.

In expressiver Farblichkeit schildert Björn Borgmann das Gewaltsame gegen Natur und Mensch und das Scheitern ideologischer und technischer Höhenflüge. Die überwiegend großen Formate beeindrucken nicht nur in ihrer Dramatik und räumlichen Tiefe. Sie verweisen auch auf das jeweils Andere, auf Endlichkeit und das Fortschreiten der Zeit. In der Tradition kritischer Kunst von Francis Bacon, Richard Hamilton bis Sigmar Polke stellt Borgmann jedoch das Malerische selbst in den Vordergrund, wobei Kritik und Ironie auch in beißenden Sarkasmus umschlagen können. Borgmann konfrontiert den Betrachter nicht mit Gewalt selbst, sondern verarbeitet ihre tiefen Spuren in Natur und Psyche.

Mit ‚Logbuch Malerei‘ knüpft der Kunstverein Duisburg nach der Pandemie wieder an seine Bemühung an, der Öffentlichkeit bedeutende deutsche Künstler und hervorragende künstlerische Positionen zu präsentieren.
Die Ausstellung des Wuppertaler Künstlers ist im Großen Ausstellungssaal des Kunstvereins Duisburg vom 29. April 2022 bis 29. Mai 2022 zu sehen.

Kurator: Dr. Jobst Paul

-> Anreise

-> weitere Bildervorschau beim Kunstverein Duisburg

DISS Neuerscheinung: Ordnen und Regieren

Sara Madjlessi-Roudi
Ordnen und Regieren
Eine postkoloniale Diskursanalyse des Konzepts ›Zivilgesellschaft‹ in der deutschen Entwicklungspolitik
ISBN 978-3-89771-777-0
476 Seiten, 29,80 €
Unrast-Verlag, Edition DISS 48

Das Konzept der ‚zivilgesellschaftlichen Beteiligung‘ hat seit den 1990er Jahren im entwicklungspolitischen Diskurs an Bedeutung gewonnen. Vor diesem Hintergrund wendet Sara Madjlessi-Roudi einen kritischen Blick auf dieses Konzept in der Entwicklungspolitik des BMZ unter spezifischer Bezugnahme auf Afrika.

Der Untersuchungszeitraum, die Jahre zwischen 1998 bis 2013, deckt dabei die ministeriellen Amtszeiten von Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sowie Dirk Niebel (FDP) ab. Anhand von Strategiepapieren des BMZ sowie der Bundesregierung und unter Rückgriff auf Kritische Diskursanalyse und postkolonialeTheorie arbeitet die Autorin heraus, wie sich das Konzept der »Einbindung von Zivilgesellschaft’ zur Regierungstechnologie entwickelt.

Dabei wird Afrika zunächst als tendenziell defizitäres Umfeld für zivilgesellschaftliche Teilhabe konstruiert, wobei man die Differenzlinien unter anderem zu sogenannten ‚Gewaltakteuren‘ und zur Bevölkerung hervorhebt.

Sara Madjlessi-Roudi zeichnet nach, wie die deutsche Entwicklungspolitik danach gleichwohl am Konzept ‚Zivilgesellschaft‘ festhält, mit eigenverantwortlichen Subjekten, von denen bestimmte Handlungen eingefordert werden können.

Im Ergebnis werden so nicht nur politische und ökonomische Machtverhältnisse ausgeblendet, sondern auch koloniale Differenzsetzungen reproduziert, wobei sich das BMZ als handelnder Akteur begreift.

Nachfolgend kann die Autorin wichtige diskursive Effekte aufzeigen, sei es hinsichtlich der Legitimation des deutschen entwicklungspolitischen Handelns in Afrika oder der Zurückweisung von Kritik an entwicklungspolitischem Paternalismus.

 

 

Vortrag und Diskussion zum Fluchtdiskurs über Carola Rackete und Moria.

Donnerstag, 24.03.2022, 17:00 Uhr
Deutsche Rettung?
Vortrag und Diskussion zum Fluchtdiskurs über Carola Rackete und Moria.
DISS: Anna-Maria Mayer und Christian Sydow

Zoom | Meeting-ID: 704 601 2888 ~ Kenncode: 1323
Keine vorherige Anmeldung erforderlich.

Als im Juni 2019 Carola Rackete dem Verbot trotzte, mit dem Seenotrettungsboot »Sea-Watch 3« im Hafen von Lampedusa anzulegen, jubelten die Medien und sprachen das vorher verdrängte Leid von Geflüchteten wieder an. Im September 2020 brannte dann das Geflüchtetenlager Moria und die Abschottungspolitik der EU geriet ins mediale Scheinwerferlicht: Die katastrophalen Zustände seien von Griechenland gewollt, dienten zur Abschreckung und würden von den anderen EU-Staaten insgeheim gebilligt.

Wo bieten diese Debatten Anschlussstellen für humane Positionen? Wo lauern Gefahren? Werden Seenotretter*innen als deutsche Held*innen konstruiert und so die deutsche Mitschuld am Sterben im Mittelmeer verdeckt?

Auch in  Anbetracht der aktuellen Flucht aus der Ukraine, lohnt ein Blick zurück und auf den Fluchtdiskurs der letzten Jahre, um dessen Fallstricke zu erkennen, anstatt auf sie hereinzufallen.  Dazu stellen wir Ergebnisse unserer aktuellen Studie vor und freuen uns auf eine spannende Diskussion.

-> zum Buch beim Unrast-Verlag

Erste Projektergebnisse: Das Judentum in der Alltagspresse und in der didaktischen Praxis

FoNA21 – Forschungsnetzwerk Antisemitismus im 21. Jahrhundert

Jüdische Reaktionen auf Antisemitismus: die Entgrenzung des Sag- und Machbaren in der jüdischen Ritualpraxis

Duisburger Projektteil (DISS): Das Judentum in der Alltagspresse und in der didaktischen Praxis

Projektpräsentation DISS-Duisburg:
‚Das Judentum in der Alltagspresse‘

Jobst Paul und Dyana Rezene stellten am 24.2.2022 erste Ergebnisse der Diskursanalyse vor. Die Vorträge der Veranstaltung können hier gehört und angeschaut werden:

Teil I Kontextualisierung
(0h37)

Teil II Methode / Untersuchungsschritte
(0h22)

Teil III Erste Ergebnisse / Auswertung
(1h26)

-> zur Projektseite

                           

Radio Corax Halle: Talk über Fluchtstudie des DISS

Im deutschen Diskurs sind Geflüchtete keine Subjekte

Wie die Kriminalisierung von Seenotrettung im Fall von Carola Rackete und der Brand im September 2020 im Geflüchtetenlager Moria medial aufgegriffen wurden, ist Gegenstand des Buchs „Deutsche Rettung? Eine kritische Diskursanalyse des Fluchtdiskurses um Carola Rackete und Moria“. Darin wird genau das Sprechen über die beiden Ereignisse untersucht und gezeigt wie über Geflüchtete und Flucht gesprochen wird. Radio Corax sprach mit Milan und Anna, die an dem Buch mitgeschrieben haben, über ihre Ergebnisse und welche Rolle diese auch für die weitere Solidaritätsarbeit mit Geflüchteten spielen kann.

Das Buch „Deutsche Rettung? Eine kritische Diskursanalyse des Fluchtdiskurses um Carola Rackete und Moria“ ist vergangenen Februar im Unrast Verlag erschienen.

-> Talk anhören

Flüchtlingshilfe von unten

Spendenaufruf Medico International
Flucht aus der Ukraine

Logo medico international

Jetzt gilt es, die Netzwerke der Solidarität zu unterstützen und zu ermöglichen, dass Menschen an- und weiterkommen.

Wir wissen nicht, was in den nächsten Tagen noch passieren wird. Es ist Krieg in der Ukraine und er betrifft Millionen Menschen. Sie bringen sich vor den russischen Angriffen in Sicherheit und fliehen aus Angst vor dem, was noch kommen mag, in die Nachbarländer, in die Europäische Union. In Polen werden zurzeit bis zu 3 Millionen Menschen erwartet, über 300.000 sind bereits angekommen. Dazu wird es Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge in anderen angrenzenden Ländern geben.

Auf Hilfe von außen hat niemand gewartet. Innerhalb von Stunden sind Netzwerke der Solidarität entstanden, die wichtige Telefonnummern, Tipps zu Grenzübergängen, Asylfragen und andere nützliche Informationen teilen. Willkommenskomitees geben an den Grenzen warme Getränke aus. Inzwischen sind Hilfsorganisationen vor Ort und es gibt staatliche Unterstützung für die Flüchtenden. Ukrainischen Flüchtenden stehen die Grenzen offen, es gibt Zusagen der EU für Aufnahme. Das ist gut so. Es gibt jedoch tausende Menschen, für die dies nicht gilt. Menschen aus afrikanischen und arabischen Ländern, die sich in der Ukraine aufhalten müssen an der Grenze oft stundenlang warten. Haben sie es dennoch nach Polen geschafft erreicht sie keine gleichberechtigte Hilfe.

Jetzt gilt es, die Netzwerke der Solidarität zu unterstützen und zu ermöglichen, dass alle Menschen an- und weiterkommen. Auch in Deutschland gibt es erste Aufrufe in die Netzwerke der Willkommensstrukturen. Vieles erinnert an 2015 und profitiert von dem, was damals entstanden ist.

Die medico-Partner:innen der polnischen Grupa Granica sind an der ukrainischen Grenze aktiv. Sie bauen ihre Hilfsnetzwerke aus – auch in der Ukraine – teilen Informationen und leisten praktische Hilfe für die Flüchtenden aus der Ukraine. Sie unterstützen besonders diejenigen, die ohne ukrainischen Pass an der Grenze ankommen und organisieren Schlafplätze und juristische Beihilfe für die Flüchtenden. Grupa Granica ist ein Netzwerk aus verschiedenen Initiativen, die medico seit letztem Winter unterstützt. Das Netzwerk kümmert sich bis heute um Geflüchtete, die an der polnisch-belarussischen Grenze aufgehalten und zurückgedrängt werden. Auch sie dürfen jetzt nicht vergessen werden.

Mit einer Spende unter dem Stichwort „Flucht und Migration“ können Sie die Arbeit des medico-Partners Grupa Grancia in Polen unterstützen.

-> Wir bitten um Spenden unter dem Stichwort „Flucht und Migration“

-> Hintergrund: Wie konnte es soweit kommen?

DISS Neuerscheinung zum Fluchtdiskurs

Ab sofort lieferbar ist der Band 47 der Edition DISS im Unrast-Verlag:

Judith Friede, Louis Kalchschmidt, Fabian Marx, Anna-Maria Mayer, Benno Nothardt, Milan Slat, Christian Sydow

Deutsche Rettung?
Eine Kritische Diskursanalyse des Fluchtdiskurses um Carola Rackete und Moria

Das Buch ist erhältlich im guten Buchhandel oder direkt beim Unrast-Verlag.

ISBN 978-3-89771-776-3
Münster: Unrast-Verlag, 2022
310  Seiten, 24 €

 

Inhalt

Als im Juni 2019 die Kapitänin Carola Rackete dem Verbot trotzte, mit dem Seenotrettungsboot »Sea-Watch 3« im Hafen von Lampedusa anzulegen und daraufhin festgenommen wurde, brach sich eine mediale Welle der Solidarität Bahn.

Während die ZEIT noch 2018 in einem viel diskutierten Beitrag gefragt hatte, ob Seenotrettung von Geflüchteten nicht besser zu lassen sei, wurde nach der Verhaftung Racketes die Kriminalisierung humanitärer Rettungsmaßnahmen im medialen Diskurs Deutschlands unsagbar. Stattdessen rückte das Leid von Geflüchteten ins Scheinwerferlicht und Seenotretter*innen wurden als Held*innen gefeiert.

Ein Jahr später geriet die Abschottungspolitik der EU in den Fokus der medialen Öffentlichkeit, als im September 2020 das Geflüchtetenlager Moria fast komplett abbrannte. Die katastrophalen Zustände im Lager wurden scharf kritisiert; sie seien, so der Vorwurf, von Griechenland gewollt, dienten zur Abschreckung und würden von den anderen EU-Staaten insgeheim gebilligt.
Die vorliegende kritische Diskursanalyse der medialen Debatte über diese beiden Ereignisse untersucht Struktur und Verschiebungen des Sagbarkeitsfeldes, widmet sich Kollektivsymbolik und Held*innenkonstruktionen und sucht Antwort auf eine Reihe von Fragen: Inwieweit bietet der Diskurs Anschlussstellen für humane Positionen? Wo lauern Gefahren? Wird auch mit Geflüchteten diskutiert oder nur über sie? Und wird in diesem Fluchtdiskurs womöglich eine moralische deutsche Rettung inszeniert, die die Mitschuld am Sterben im Mittelmeer verdecken soll? Die Struktur- und Feinanalysen zu einzelnen Zeitungen sowie zur Held*innenkonstruktion, die auch einzeln gut lesbar sind, ermöglichen einen Einblick in transportiertes Wissen und Vermittlungsweisen, die auf den ersten Blick gar nicht auffallen. So wird nicht nur deutlich, was besser nicht gesagt würde, sondern auch, welche Themen und Aussagen im Sagbarkeitsfeld fehlen.

-> Leseprobe: Einleitung

-> Inhaltsverzeichnis

 

Dank

Wir danken ganz herzlich der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die ein Projekt des DISS zur Konzeption von Workshops zum Flucht- und Migrationsdiskurs in deutschen Medien unterstützte, in dessen Kontext auch diese Studie entstanden ist.

 

Workshops / Vorträge

Bei Interesse an der Wiederholung eines Workshops wenden Sie sich gerne an das DISS.