DISS Presseerklärung zur Debatte um die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln

Duisburg, 16. Februar 2016

In der Debatte um die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln dominieren rassistische und sexistische Deutungsmuster

Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung analysiert seit über 25 Jahren migrationspolitische Debatten und deren Verknüpfung mit Themen wie Geschlechterverhältnisse und Meinungsfreiheit. Wir haben uns in der Vergangenheit vielfach gegen eine Ethnisierung von Sexismus und gegen diskriminierende Berichterstattung ausgesprochen. Daran halten wir auch nach den Ereignissen von Köln fest.

In Köln und anderen Städten kam es Silvester zu einer großen Anzahl sexualisierter Übergriffe von Männern auf Frauen. Nach diesen Ereignissen entbrannte in der bundesdeutschen Presse eine Debatte, die bis heute anhält. In dieser Debatte werden verschiedene Themen miteinander verknüpft.

Zum einen wird eine Verbindung zwischen Geschlechterverhältnissen und Migration hergestellt. Die Betonung, dass die vermeintlichen Täter einen Migrationshintergrund haben, vermittelt den Eindruck, dass die Ausübung sexualisierter Gewalt etwas mit der Herkunft zu tun habe. Hier wird eines der ältesten patriarchalen Argumente bemüht, wenn der Schutz der „eigenen“ Frauen vor dem „Fremden“ gefordert wird.

Die Bildsprache ist dabei eindeutig: Der Focus titelte beispielsweise mit einem Cover, auf dem eine weiße, nackte Frau mit schwarzen Handabdrücken auf ihrem ganzen Körper abgebildet wurde. Der Chefredakteur Reitz verteidigte das Cover gegen Kritik damit, dass man die Entwürdigung und Degradierung der Frau zum Sex-Objekt habe kritisieren wollen. Tatsächlich wird durch diese Darstellung aber nicht nur die Degradierung der Frau zum Sex-Objekt plakativ reproduziert, sondern gleichzeitig werden auch rassistische Effekte produziert.

Eine Ethnisierung von Sexismus, mit der Sexismus ins „Außen“ verlagert wird, beinhaltet implizit immer auch Aussagen über „das Eigene“, denn auf diese Weise werden sexistische Strukturen in der eigenen Gesellschaft und die Auseinandersetzung damit ausgeblendet. So werden der deutschen Gesellschaft in den Debatten um die Vorfälle in Köln sowohl Geschlechtergerechtigkeit bescheinigt. Außerdem werden die strukturellen Ursachen für sexualisierte Gewalt nicht berücksichtigt. Dies legt den Schluss nahe, sexualisierte Gewalt könne durch Abschottung nach Außen gemindert werden. Besonders eklatant ist, dass damit asyl- und migrationspolitische Gesetzesverschärfungen als legitime Mittel gegen sexualisierte Gewalt nahegelegt werden.

Außerdem wird in der Debatte eine Verbindung zum Islam gezogen. Die Betonung der „nordafrikanischen“ Herkunft der Täter ordnet diese einer Kultur zu, in der Geschlechtergerechtigkeit kein gesellschaftlicher Wert sei. Dabei wird häufig unterstellt, dass die Täter Moslems seien und deshalb ein rückständiges Frauenbild hätten. Im Gegensatz dazu wird das Christentum als weniger problembehaftet konstruiert und Frauenverachtung zum Alleinstellungsmerkmal des Islam erklärt. Hierbei wird unterschlagen, dass weder die christliche Religion noch westliche Gesellschaften patriarchale Strukturen überwunden haben. So ergab eine europaweit angelegte Umfrage aus dem Jahr 2014, dass der gefährlichste Ort für eine Frau in Deutschland das eigene Zuhause ist.

Ein weiterer zentraler Punkt der Debatte um die Ereignisse von Köln ist die Verknüpfung mit der Debatte um Meinungsfreiheit. Vor den Ereignissen von Köln orientierten sich viele Journalist_innen an der Richtlinie des Deutschen Presserats, in der Berichterstattung über Kriminalität die Herkunft vermeintlicher Täter_innen nicht zu nennen, sofern diese für den Tathergang keine Rolle spielt. Dies scheint innerhalb weniger Tage obsolet geworden zu sein. Es wird sogar konstatiert, es sei nicht früh genug über die Herkunft der Täter berichtet worden. Gefordert wird damit im Namen der Meinungsfreiheit, künftig eine antidiskriminierende Berichterstattung durch eine diskriminierende zu ersetzen.

Gleichzeitig wird der Ruf nach staatlicher Repression immer lauter und der öffentliche Raum kann mehr und mehr von rechten Kräften und sogenannten Bürgerwehren für ihre ausgrenzenden Strategien genutzt werden.

Wir müssen feststellen, dass die Debatte um die Ereignisse in Köln und in anderen deutschen Städten vor dem Hintergrund aktueller migrationspolitischer Debatten stattfindet, in denen rassistische und sexistische Deutungsmuster dominieren. Damit werden jedoch die weltweiten patriarchalen Strukturen, auch die in der deutschen Gesellschaft, ausgeblendet. Sexismus wird zum Problem „der Anderen“ gemacht. Das Recht der Frau auf sexuelle Selbstbestimmung wird vorgeschoben, um rassistische Aussagen zu legitimieren.

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Tagung 12.3.2016: Stimmungsmache gegen Roma – Das Beispiel Duisburg

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Stimmungsmache gegen Roma – Das Beispiel Duisburg

Strategien und Konzepte gegen Antiziganismus

Wann:
12. März 2016
11 bis 18 Uhr

Wo:
Treffpunkt Stollenpark,
Bergmannstr. 51, Dortmund

 

 

Duisburg inszeniert sich als Problemstadt statt als Ankunftsstadt.
Oberbürgermeister Sören Link äußerte im Herbst 2015: „Ich hätte gerne
das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“

Link ließ zwar offen, wer mit der Bezeichnung „Osteuropäer“ gemeint war.
Durch den vorangegangenen Mediendiskurs war die Duisburger
Öffentlichkeit aber so geprägt, dass nur „Roma aus den Balkanländern“
verstanden werden konnte.

Die Ressentiments gegen in Duisburg lebende Roma sind stärker als die
gegen jede andere Bevölkerungsgruppe. Sie werden behandelt als Menschen
dritter Klasse. Ausgrenzung, Diskriminierung und Ausbeutung prägen ihren
Alltag. Vermieter_innen, Arbeitgeber_innen, Behörden, Medien und Polizei
reaktualisieren und verstärken die jahrhundertealten Stereotype und
Vorurteile. Die Stimmungsmache gegen Roma radikalisiert den ohnehin
schon weit verbreiteten Alltagsrassismus in beträchtlichen Teilen der
Duisburger Bevölkerung. Die extreme Rechte ist Nutznießerin dieser
Entwicklung und trägt ihren Teil dazu bei, die Lage zuzuspitzen.

Doch was kann das „Andere Duisburg“, das es ja zweifellos auch gibt,
tun, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Dieser Frage wollen wir im Rahmen unserer Tagung nachgehen.

Programm

11:00 Grußwort von Wilhelm Solms (GfA)

11:20 Martin Dietzsch, Alexandra Graevskaia (DISS):
Vorstellung der Ergebnisse der Broschüre „Stimmungsmache“ und neuer
Entwicklungen in Duisburg seit ihrem Erscheinen

12:00 Zakaria Rahmani (DISS):
Die Migration aus Osteuropa in regionalen und lokalen Medien

13:00 Mittagspause

14:00 Elizabeta Jonuz (GfA):
Was die Städte eigentlich machen müssten. Kritik und Alternativen zu den
Handlungskonzepten der Städte in Bezug auf Einwanderung aus Südosteuropa

14:40 Ismail Küpeli (freier Journalist):
Antirassismus und die Linke

15:20 Ismeta Stojkovic:
Wie können Selbstorganisationen,
Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen gegen Antiziganismus agieren?

16:00 Kaffeepause

16:30 Podiumsdiskussion: Strategien
und Konzepte gegen Antiziganismus mit:
Tülin Kabis-Staubach (Planerladen Dortmund)
N.N. (ARIC NRW)
Ismeta Stojkovic (Terno Drom)

18:00 Ende der Veranstaltung

Leitung: Alexandra Graevskaia(DISS) und Elizabeta
Jonuz (GfA)

Moderation: Udo Engbring-Romang (GfA)

 

 

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu
machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen
angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der
Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder
sonstige menschenverachtenden Äußerungen in Erscheinung getreten sind,
den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser
auszuschließen. (§ 6 VersammlG)

Die Tagung wird ausgerichtet von:

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung

Gesellschaft für Antiziganismusforschung

Rosa Luxemburg Stiftung NRW

Terno Drom

Die Teilnehmer_innenzahl ist begrenzt.
Bitte melden Sie sich kostenlos an über:

RLS Nordrhein-Westfalen
Hedwigstr. 30 – 32
47058 Duisburg
Telefon: 0203 3177392
E-Mail: post@rls-nrw.de

Ein Online-Formular zur Anmeldung finden Sie hier:
http://www.nrw.rosalux.de/event/54851/stimmungsmache-gegen-roma-das-beispiel

Den Flyer zur Tagung finden Sie HIER als PDF-Datei

Kellershohn: Autoritärer Liberalismus

Das Thema des DISS-Colloquiums im November 2015 lautete: »Rechte Wutbürger im Kulturkampf«. Dort wurde sich vor allem mit den aktuellen rechten Protestbewegungen von Pegida, AfD und Co. beschäftigt. Wir veröffentlichen in der DISS Internet-Bibliothek den einführenden theoretischen Beitrag von Helmut Kellershohn.

Aus ideengeschichtlicher Perspektive soll der Zusammenhang zwischen den Anfängen des Ordoliberalismus in Deutschland während der Weltwirtschaftskrise und einigen Argumentationsfiguren der sogenannten Konservativen Revolution und insbesondere des Jungkonservatismus, speziell Carl Schmitts, herausgearbeitet werden. Dem liegt die These zugrunde, dass in dem, was Hermann Heller als »autoritären Liberalismus« bezeichnen sollte, der Schnittpunkt zu suchen ist, der sich heute in den dominanten Strömungen der Neuen Rechten und in Teilen der AfD wiederfinden lässt.

Lesen Sie den vollständigen Text hier:
Helmut Kellershohn: Autoritärer Liberalismus

Kampfbegriff „Islamisierung“

Leseprobe aus dem Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe: ‚Islamisierung‘

cover-kampfbegriffeMit dem Aufkommen neuer rechter Bewegungen wie Pegida oder Hogesa hat der Kampfbegriff ‚Islamisierung‘ eine enorme Verbreitung gefunden. Doch obwohl sich in ihm ein antimuslimisch-rassistischer Diskurs verdichtet, wird er kaum thematisiert und teilweise unhinterfragt übernommen. Im Handwörterbuch hat Benjamin Kerst diesen Kampfbegriff untersucht. Durch die Analyse der darin enthaltenen Kernaussagen, der Verwendung des Begriffs innerhalb unterschiedlicher extrem rechter Strömungen und der Anschlussfähigkeit auch an die gesellschaftliche ‚Mitte‘ leistet er einen wichtigen Beitrag für die inhaltliche Auseinandersetzung.

Den Artikel gibt es hier als PDF-Datei:

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(Die PDF-Datei enthält auch das Inhaltsverzeichnis und das Vorwort)

DISS-Journal 30 erschienen

Die Ausgabe 30 der Institutszeitschrift des DISS ist erschienen. Wie immer können Sie das DISS-Journal kostenlos als PDF-Datei herunterladen.

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Schwerpunktthema in dieser Ausgabe: Auf der Flucht

Die Debatte um Flucht und Migration ist weiterhin Dauerthema im gesamtgesellschaftlichen Diskurs. In diesem DISS-Journal geht es unter anderem um eine kritische Auseinandersetzung mit Positionierungen in der politischen Klasse, um den Einsatz der Bundeswehr in Flüchtlingsunterkünften, sowie um den Diskurs zu Flucht in den italienischen Medien. Außerdem im Heft: Die Rolle von modernen Kommunikationssystemen im Kontext von Flucht, eine Einschätzung zur Entwicklung der AfD in Nordrhein-Westfalen, das Ende der Geschichte eines umstrittenen Kriegsdenkmals in Duisburg sowie Ergebnisse einer Diskursanalyse zu antisemitischen Straftaten und ethnisierter Berichterstattung.

Inhalt:

  • Lebenlassen oder Sterbenlassen? Die Flüchtlingskrise zwingt die politische Klasse in Deutschland zur Offenlegung ihrer Wertgrundlagen
    Von Jobst Paul
  • Soldat mit geflüchtetem Kind
    Über die Rolle der Bundeswehr in der Flüchtlingsdebatte
    Von Maren Wenzel
  • „An den Grenzen stehen 60 Millionen Flüchtlinge. Wie sollen wir dieser Massen Herr werden? Wir können nicht die ganze Welt retten.“ Andreas Scheuer (Generalsekretär der CSU)
    Eine Analyse von Jobst Paul
  • „ …das ist Pack, das sich hier rumgetrieben hat“
    Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender, am 24. August 2015
    Eine Analyse von Jobst Paul
  • Jetzt kommen die Bilder aus Deutschland. Der Migrations- und Fluchtdiskurs in italienischen Medien
    Von Jörg Senf
  • “… all you need is a mobile phone!” Feldforschung in den mobile Commons
    Von Vassilis S. Tsianos
  • SOS MEDITERRANEE – eine zivilgesellschaftliche Institution nachhaltiger Menschlichkeit
    Von Heiko Kauffmann
  • Kampf um Kobanê, Kampf um den Nahen Osten
    Von Ismail Küpeli
  • Presseerklärung: Das Problem heißt Rassismus
  • Auf dem rechten Weg – Der Landesverband NRW der Alternative für Deutschland
    Von Clemens Schaar
  • Was vom umstrittenen Denkmal übrig blieb
    Von Robin Heun
  • Antiziganismus zwischen Revolution und Völkerkunde
    Rezension zu Wolfgang Wippermann – Niemand ist ein Zigeuner
    Von Stefan Vennmann
  • Die „analytische Untauglichkeit“ des Extremismusbegriffs
    Eine Rezension von Michael Lausberg
  • Ethnisierung von Straftaten
    Diskursanalytische Betrachtung der Berichterstattung über Angriffe auf Synagogen
    Von Melanie Wieschalla
  • Joachim Gauck in Bergen-Belsen zu ‚jüdischer Rache‘ und ‚christlicher Liebe‘
    Von Jobst Paul

 

DISS-Neuerscheinung: Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe

Ab sofort lieferbar ist das „Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe“. Das Buch entstand als Kooperationsprojekt des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) an der Hochschule Düsseldorf. Herausgeberinnen und Herausgeber sind Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann und Fabian Virchow.

cover-kampfbegriffeWas meint die extreme Rechte, wenn sie von Islamisierung, Geschlechtergleichschaltung, Political Correctness oder Schuldkult spricht?

Die Autorinnen und Autoren dieses Handwörterbuchs geben hierzu Antworten und zeigen auf, wie die extreme Rechte mit Begriffs(um)deutungen und Wortneuschöpfungen Bausteine extrem rechter Weltanschauungen über die Sprache zu vermitteln und zu verankern versucht. Die Autorinnen und Autoren richten den Blick auch auf die gesamtgesellschaftliche Anschlussfähigkeit extrem rechter Diskurse.Die einzelnen Beiträge zeigen, wie die menschenverachtenden Äußerungen und die damit einhergehenden politischen Forderungen dekonstruiert und kritisiert werden können.

Dieses Handwörterbuch richtet sich insbesondere an Multiplikator*innen aus Schule, Medien, Sozialarbeit und Gewerkschaft und versteht sich als Beitrag zur notwendigen gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit extrem rechten Deutungskämpfen. Als empirische Grundlage dienen überwiegend aktuelle Artikel aus einschlägigen Publikationsorganen und Online-Plattformen der extremen Rechten.

Die bibliografischen Daten:
Bente Gießelmann, Robin Heun, Benjamin Kerst, Lenard Suermann, Fabian Virchow (Hrsg.)
Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe
Wochenschau-Verlag (Schwalbach/Ts.) 2015
368 Seiten, ISBN 978-3-7344-0155-8

Subskriptionspreis 19,80 EUR (danach 24,80)

Bestellungen bitte über den Wochenschau-Verlag oder über den Buchhandel.

Lesetipp: ZfG-Themenheft – Rechtsextremismus in der Mitte

Die Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG) erschien im September 2015 mit dem inhaltlichen Schwerpunkt „Rechtsextremismus in der Mitte“. Diese Ausgabe enthielt einen Beitrag von DISS-Mitarbeiter Helmut Kellershohn zum Thema AfD.

 

Die ZfG ist erhältlich im Metropol-Verlag.

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T H E M E N H E F T

Rechtsextremismus in der Mitte
Herausgegeben von Wolfgang Benz

A R T I K E L

Wolfgang Benz:
Einführung

Helmut Kellershohn:
Die jungkonservative Neue Rechte zwischen Realpolitik und politischem Existenzialismus??

Alexander Häusler:
Zerfall oder Etablierung?
Die Alternative für Deutschland (AfD) als Partei des Rechtspopulismus??

Wolfgang Benz:
Auftrumpfendes Unbehagen
Der politische Protest der Pegida-Bewegung??

Angelika Benz:
Tröglitz und anderswo
Fremdenhass in der Mitte der Gesellschaft

DISS-Neuerscheinung: Der NSU in bester Gesellschaft

Ab sofort lieferbar ist der Band 37 der edition DISS im Unrast-Verlagcover-ed-37-kl

 

Jens Zimmermann, Regina Wamper, Sebastian Friedrich (Hg.)
Der NSU in bester Gesellschaft
Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat

168 Seiten, 18 EUR, ISBN 978-3-89771-766-4

Der gesellschaftliche Umgang mit den Morden des NSU zeugt von seiner Einbettung in ein medial vermitteltes und institutionell verfestigtes Wissen über Migration, rassistische Gewalt und ihre Ursachen, bei dem Migration und Kriminalität eng miteinander verknüpft sind. Hat sich daran nach Aufdeckung des NSU etwas verändert?

In dem Sammelband werden mit einem Blick in die 1990er Jahre die zentralen Faktoren ausgeleuchtet, die für die Entstehung und die weitgehend ungehinderten Aktivitäten des NSU relevant waren. Ein Blick in die Gegenwart arbeitet die politischen, juristischen und medialen Auseinandersetzungen mit dem NSU nach Bekanntwerden seiner Morde und deren Effekte heraus. Schließlich geht es um die Frage, was der NSU und der gesellschaftliche Umgang mit ihm und den Morden für eine antifaschistisch und antirassistisch ausgerichtete Theorie und Praxis bedeutet.

Inhalt

  • Sebastian Friedrich, Regina Wamper & Jens Zimmermann Einleitung
  • Michael Weiss
    Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18
  • Margarete Jäger
    Skandal und doch normal.
    Verschiebungen und Kontinuitäten rassistischer Deutungsmuster im deutschen Einwanderungsdiskurs
  • Liz Fekete
    Why the NSU case matters. Structural racism and covert policing in Europe
  • Friedrich Burschel
    Entschleunigung, Leerlauf und Langmut.
    Nach 200 Prozesstagen im Münchener NSU-Prozess korrespondiert die Wirklichkeit oft nicht mehr mit der Inszenierung im Gerichtssaal
  • Lynn Klinger / Katharina Schoenes / Maruta Sperling
    »Das ist strafprozessual nicht in Ordnung!«
    Der NSU-Prozess zwischen Beschleunigungsgebot und Aufklärungsinteresse
  • Derya Gür-Şeker
    »In Deutschland die Soko Bosporus, in der Türkei die Soko Ceska.« Die Berichterstattung über die NSU-Morde in deutschund türkischsprachigen Medien im Vergleich
  • Matthias Falter
    Zwischen Externalisierung und Problematisierung. Österreichische Reaktionen auf die NSU-Morde
  • Felix Hansen
    Die Sicht der extremen Rechten auf den NSU
  • Ayşe Güleç und Lee Hielscher
    Zwischen Hegemonialität und Multiplität des Erinnerns.
    Suchbewegungen einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem NSU
  • Ulrich Peters
    Nach dem NSU: Antifa heißt weitermachen?

Bitte bestellen Sie das Buch über der Buchhandel oder direkt beim Unrast-Verlag.

 

 

 

DISS-Colloquium 2015: Rechte Wutbürger im Kulturkampf

coll2015Die Gesellschaft für Politische Bildung e.V. veranstaltet in Kooperation mit dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung e.V. (DISS) vom 6. bis 8. November 2015 in die Akademie Frankenwarte Würzburg ein zum Thema „Rechte Wutbürger im Kulturkampf“.

In Deutschland sind Protestbewegungen von rechts laut und deutlich geworden, sichtbar bei den „Pegida“-Demonstrationen und poli-tisch in Verbindung mit der neuen Partei AfD. Das Seminar widmet sich den Wurzeln der Protestbewegungen und der Fragestellung, wie man die aktuellen Konturen eines Kulturkampfes von rechts umreißen kann und inwieweit es hegemoniefähige Gegenkonzepte von links gibt.

Geplante Vorträge:

  • Neoliberalismus, politische Romantik und völkischer Nationalismus
    Wolfgang Kastrup, Helmut Kellershohn
  • Rechte Wutbürger und die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft
    Lars Geiges
  • Sächsische Verhältnisse. Pegida, AfD und die Linke
    Kerstin Köditz
  • Zur Lage der AfD im Vorfeld der Landtagswahlen 2016 und der Bundestagswahlen 2017
    Alexander Häusler
  • Die Identitären. Nationale und inter-nationale Kontexte einer neurechten Jugendbewegung
    Natascha Strobl
  • Putin hilf! Russlandbilder zwischen politischer Romantik und geopolitischem Kalkül
    Helmut Kellershohn
  • Lügenpresse. Über ein massenwirksames verschwörungstheoretisches Konstrukt
    Rolf van Raden
  • Christlich-Fundamentalistischer Aufstand in Baden-Württemberg. Der Kampf gegen reproduktive Rechte
    Andreas Kemper
  • Das Dilemma der Islamdebatte
    Floris Biskamp
  • Migration als umkämpftes Feld
    Inva Kuhn
  • Abschlussdiskussion
    Was tun angesichts einer drohenden Machtverschiebung nach rechts?

Netzfundstücke: Im Namen der Menschenrechte

DISS-Mitarbeiterin Regina Wamper analysiert in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift analyse & kritik wie die deutschen Leitmedien derzeit offenen Rassismus verurteilen, wie aber zugleich Flüchtlingsgruppen gegeneinander ausgespielt werden.

Um die Forderung nach der Begrenzung von Flucht zu untermauern, werden Flüchtlinge gespalten in diejenigen, die aus den Balkanländern kommen, und jenen, die syrischer Herkunft sind. Erstere würden das Asylrecht zuungunsten der zweiten missbrauchen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spricht man von »(wahren) Flüchtlingen« und solchen, »die sich nur so nennen«, die also »lediglich wegen der Armut und der Rückständigkeit in ihrer Heimat auswandern«, wie die SZ ergänzt. Entsprechend werden die angekündigten restriktiven Gesetzesänderungen von Innenminister de Maizière kaum kritisiert, ebenso wenig wie die in Bayern bereits umgesetzten »speziellen Auffanglager« an deutschen Außengrenzen für Geflüchtete aus Balkanstaaten. Nicht mit Verweis auf deutsche Interessen sollen Geflüchtete aus Balkanstaaten abgewiesen, abgeschoben und abgeschreckt statt »alimentiert« (FAZ) werden, sondern im Namen der Menschenrechte der anderen. Es scheint so, als vollzögen die deutschen Medien einen Spagat zwischen den frühen 1990er Jahren und dem »Aufstand der Anständigen«. Momentan wird beides geteilt: die Abschreckungspolitik des Staates ebenso wie das eigene humanistische Selbstverständnis unter Verweis auf die vielen Helfenden.

Auffällig ist, dass die Fluchtursachen weitgehend ausgeblendet werden. Zwar wird hier und da auf Armut und Krieg verwiesen, häufiger noch auf durchlässige Grenzregimes, keinesfalls aber auf die globale Ungleichverteilung von Ressourcen oder gar auf die Rolle Deutschlands in einer neokolonialen Weltpolitik. Wird die Frage nach der Situation in Herkunftsstaaten doch gestellt, dann lautet die Antwort, Deutschland müsse verstärkt wirtschaftliche und militärische »Verantwortung« in der ganzen Welt übernehmen. Stefan Kornelius etwa stellt in der SZ die Frage, welche Einwirkungsmöglichkeiten »die reiche EU auf die Afrikanische Union« habe, »in deren Reihen Staaten regelrecht ausbluten«. Nicht gefragt wird, welche Einwirkungsmöglichkeiten die reiche EU bereits wahrgenommen hat und was dies mit dem »Ausbluten« zu tun haben könnte.

Die Medien inszenieren Deutschland momentan als die hilfsbereite Nation. Die geplanten weiteren Entrechtungen von Geflüchteten werden mit empathischer Geste als Sachzwang vermittelt. Rassistische Mobilisierungen, Brandanschläge und andere Übergriffe werden medial durchgängig verurteilt, auch wenn mitunter verniedlichende Phrasen der »besorgten Bürger« oder der »Angst« der Rassist_innen bemüht werden. Dem anhaltenden militanten Rassismus von organisierten und unorganisierten Brandstiftern wird die »Willkommenskultur« der vielen »guten Deutschen« gegenübergestellt.

Lesen Sie bitte den vollständigen Artikel auf der Website von analyse & kritik: Im Namen der Menschenrechte (ak Nr. 608 / 15.9.2015)