DISS Workshop 29.9.2012

 

DISS Workshop 29. September 2012
Autoritärer Etatismus und extreme Rechte

Tagungsort: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, Siegstraße 15, 47051 Duisburg
Zeit: Samstag, 29.09.2009 / 15.00 Uhr – 19.00 Uhr

Nicos Poulantzas’ Staatstheorie ist ein origineller und wichtiger Beitrag zur Theorie des Staates und zur Analyse des kapitalistischen Staates. Insbesondere seine Thesen zum Autoritären Etatismus, obwohl 30 Jahre zurückliegend, sind von großer Bedeutung für die Analyse der aktuellen Veränderungen bürgerlicher Demokratie. Inwieweit auch die Erforschung der extremen Rechten davon profitieren kann, ist eine Fragestellung des Workshops.

Programm

15.00 Uhr Begrüßung

15.15 – 16.00 Wolfgang Kastrup:
Kurze Einführung in Leben und Werk von Nicos Poulantzas

16.00 – 17.30 Stephan Adolphs / Serhat Karakayali:
Das Konzept des Autoritären Etatismus bei Nicos Poulantzas.
Darstellung, Kritik und weiterführende Fragestellungen

17.30 – 18.00 Pause

18.00 – 19.00 Diskussion:
Lässt sich das Konzept des Autoritären Etatismus für die Erforschung der extremen Rechten fruchtbar machen?

19.00 Abendessen

 

Zu den Referenten: Stephan Adolphs und Serhat Karakayali arbeiten am Institut für Soziologie der Universität Halle-Wittenberg. Wolfgang Kastrup ist Mitarbeiter des DISS.

Eine kurze Information über Leben und Werk von Nicos Polantzas finden Sie im Wikipedia-Artikel unter http://de.wikipedia.org/wiki/Nicos_Poulantzas
Lesen Sie bitte auch den Artikel von John Kannankulam:
Autoritärer Etatismus und Populismus der Neuen Mitte

Die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist begrenzt. Wir bitten um eine frühzeitige verbindliche Anmeldung. Kontakt: m.dietzsch@diss-duisburg.de

 

 

„Eklat“ im niedersächsischen Landtag

Autor: Martin Dietzsch

„… und es gibt auch Wissenschaftler, die bezeichnen das als ‚Institutionellen Rassismus‘ was wir hier erleben…“

Am Mittwoch (20.6.2012) nahm SPD-Fraktionschef Stefan Schostok in seiner Rede im niedersäschsischen Landtag das böse Wort „Institutioneller Rassismus“ in dem Mund und löste damit tumultartige Szenen bei Abgeordneten und Ministern der CDU aus.

„Niemand dürfe sich im Parlament dazu hinreißen lassen, der Regierung Rassismus vorzuwerfen.“

So fasst die WELT die heftigen Reaktionen höflich zusammen.

Einen drastischeren Eindruck vermittelt ein TV-Beitrag des NDR:
Eklat im Landtag, NDR 20.6.2012, 19.30 Uhr (Diesen Beitrag findet man inzwischen auch bei youtube)

Bildschirmfoto NDR 20.6.2012

Stefan Schostock zitierte eine kurze Passage aus einer Stellungnahme des DISS, die in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung  erwähnt worden war (Umstrit­tene Abschie­bung in Nie­der­sach­sen — In Stur­heit gefangen, vergl. auch DISSkursiv vom 18.6.2012).

Wir veröffentlichen hier den „Stein des Anstoßes“, auf den „„Eklat“ im niedersächsischen Landtag“ weiterlesen

Tagungsbericht DISS-Colloquium 2011

Vom 18. bis 20. November 2011 trafen sich in der Frankenwarte in Würzburg Rassismusforscherinnen und –forscher zu einem Colloquium mit dem Ziel, aktuelle Formen von Rassismus in Deutschland auszumachen und vor diesem Hintergrund Perspektiven für die Rassismusforschung zu formulieren. Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung und Pro Asyl hatten bereits vor 10 Jahren ein gemeinsames Colloquium zum institutionellen Rassismus in Deutschland ausgerichtet. Beim diesjährigen Colloquium wurde diese Fragestellung allerdings ausgeweitet: Die Rassismusforschung sollte insgesamt in den Blick genommen und die Frage gestellt werden, was diese Forschung, die sich in Deutschland ab den 1980er Jahren entfaltete, zur Bekämpfung von Rassismus beigetragen hat und was sie überhaupt dazu beitragen kann.

Lesen Sie den ausführlichen Tagungsbericht bitte hier:
Aktuelle Formen des Rassismus. Rassismusforschung auf dem Prüfstand

Büroraum zu vermieten

Auf der Siegstraße 15 in Duisburg-Stadtmitte ist ab 1.1.2012 ein Büroraum von 24 qm zu vermieten. Die Miete von 335 € monatlich schließt die Mitnutzung einer Küche (ausgestattet mit Kühl- und Gefrierschrank, Herd mit Backofen), WC und eines Seminarraums (32 qm) ein. In der Miete enthalten sind ebenso alle Betriebskosten, also Heizung, Strom und andere Nebenkosten wie z.B. Fensterreinigung.

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS)Der Raum und die mit zu nutzenden Räume befinden sich in der Hochparterre des Hauses, in dem auch das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Vermieter) seine Räume hat. Die Entfernung zum Duisburger Hauptbahnhof beträgt etwa 12 Minuten Fußweg. Die Ausfahrt Duisburg-Stadtmitte der Stadtautobahn A 59 ist etwa 100 Meter entfernt.

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung
Siegstr. 15, 47051 Duisburg
tel.: 0203-20249
info@diss-duisburg.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veranstaltungshinweis: Wissenschaftsmesse

Unter dem Motto „Wissenswelten – regional verankert – global vernetzt“ findet 15. Juli 2011 die erste internationale Wissenschaftsmesse des Wissenschaftsforums Ruhr statt. Dort werden sich mehr als 40 Forschungsinstitute aus der Region präsentieren, unter anderem auch das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS).

Termin:
Freitag, 15. Juli 2011, 14.30 Uhr bis Mitternacht, in der Dortmunder DASA Arbeitswelt Ausstellung

Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des Wissenschaftsforums Ruhr und im Programmflyer (PDF-Datei).

 

Netzfundstück: Interview mit Rolf van Raden

Im Blog Ruhrbarone interviewte Chantal Stauder den DISS-Mitarbeiter Rolf van Raden zur Ausstellung „Freedom of Speech“.

Gibt es etwas, dass du selbst im Zuge des „Freedom of Speech“-Projekts dazugelernt hast?

Klar, eine ganze Menge. Am Anfang haben wir zum Beispiel versucht, Aussagen danach zu unterscheiden, ob sie subversiv sind oder nicht. Das kam aus so einem vermeintlich kritischen Selbstverständnis heraus, dass subversive Aussagen in der Lage sind, ungleiche und blockierte Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Bei den Analysen hat sich aber ziemlich schnell herausgestellt: Ob jemand subversiv argumentiert oder nicht, das ist vor allem eine Frage der Diskurstaktik. Das sagt aber noch nichts über die Inhalte aus. Auch Nazis können scheinbare Allgemeingültigkeiten in Frage stellen. Sie tragen dann aber nicht zu einem Abbau von Ausgrenzung bei, sondern wollen herrschende Ausgrenzungspraktiken durch noch viel stärkere ersetzen.

Lässt sich die Frage nach der Ausgrenzung immer so eindeutig beantworten?

Daumen hoch, Daumen runter? Nein, so einfach ist das nicht. Wir haben zum Beispiel das amerikanische Pornomagazin Hustler untersucht. Der Herausgeber Larry Flynt ist mit dem Heft nicht nur steinreich geworden, sondern hat in den USA sogar einige politische Bedeutung erlangen können. Sein Erfolg beruht darauf, dass das Magazin geschickt Ausgrenzung mit der Forderung nach Teilhabe kombiniert. Und zwar so: Hustler richtet sich an weiße, heterosexuelle Männer aus der Arbeiterklasse. Gegenüber dem politischen Establishment fordert das Magazin mehr Mitbestimmung und Gleichberechtigung ein. Es legt sich auch regelmäßig mit der religiösen Rechten an. Deswegen wurde das Pornomagazin häufig sogar der politischen Linken zugeordnet. Die andere Seite der Medaille ist aber: Hustler verteidigt die Privilegierung von weißen heterosexuellen Männern mit einer Radikalität gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen, die auf dem Zeitungsmarkt seinesgleichen sucht. Das reicht von der Reproduktion sexistischer und rassistischer Vorurteile bis zur offenen Glorifizierung von sexualisierter Gewalt. Diese Kombination macht den Erfolg von Hustler aus: In Bezug auf Gruppen, die gegenüber der eigenen Zielgruppe privilegiert sind, werden mehr Rechte gefordert. Gegenüber Frauen und alternativen Männlichkeitsmodellen wird die eigene Position durch Diffamierung und Ausgrenzung abgesichert.

Das komplette Interview finden Sie unter:
http://www.ruhrbarone.de/freedom-of-speech/

21.2.2011 – Grußwort von Professor Dr. Andreas Schlüter

Grußwort von Professor Dr. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft
aus Anlass der Präsentation der Edition „Deutsch-jüdische Autoren im 19. Jahrhundert. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft“ – 21. Februar 2011 in der „Alten Synagoge“, Haus Jüdischer Kultur, Essen

 

Sehr verehrte Frau Minsterin, sehr geehrter Herr Professor Brocke, sehr geehrter Herr Professor Jäger, sehr geehrter Herr Dr. Paul, meine Damen und Herren, 

als der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft am 4. Oktober 2006 dem Salomon Ludwig Steinheim Institut an der Universität Duisburg-Essen in einem Bewilligungsbescheid mitteilte, eine Anschubfinanzierung für das Vorhaben „Staat, Nation, Gesellschaft – Jüdische Autoren zum Projekt der Aufklärung“ – wie es damals im Antrag hieß – zu bewilligen, stand uns sicherlich nicht vor Augen, heute an diesem angemessenen Ort und in diesem Rahmen an der Präsentation der Arbeitsergebnisse beteiligt zu werden.

Es ist eines der eher seltenen Ereignisse, in denen sich Projekte der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung einer größeren Öffentlichkeit zeigen und so auf ihre Leistungen aufmerksam machen. Ich freue mich, dass dies in dieser Form geschieht. Hier geht es ja auch darum, die von Gershom Scholem behauptete und vehement verfochtene Dialogverweigerung in Deutschland gegenüber seiner jüdischen Minderheit zu überwinden. ((vgl. Scholem, Gershom, Wider den Mythos vom deutsch-jüdischen Gespräch. Offener Brief an Manfred Schlösser, den Herausgeber von „Auf gespaltenem Pfad. Zum neunzigsten Geburtstag von Margarete Susman“. Jerusalem, den 18. Dezember 1962, in: Bulletin des Leo Baeck Institute 7 (1964), S. 278-281, und in: Scholem, Gershom, Judaica II, Frankfurt a. M. 1970, S. 7-12.)) Und auch deshalb habe ich es gern übernommen, dieses Fördervorhaben im Kontext heutiger privater Wissenschaftsförderung zu verorten. „21.2.2011 – Grußwort von Professor Dr. Andreas Schlüter“ weiterlesen

21.2.2011 – Kurzreferat von Dr. Jobst Paul

Kurzreferat von Dr. Jobst Paul
aus Anlass der Präsentation der Edition „Deutsch-jüdische Autoren im 19. Jahrhundert. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft“ – 21. Februar 2011 in der „Alten Synagoge“, Haus Jüdischer Kultur, Essen

Ein so vielschichtiges Projekt wie jenes, das wir Ihnen heute vorstellen, hat seine Vorgeschichte – und es eröffnet neue Einsichten, die unversehens auch den Blick auf die Gegenwart und die Zukunft verändern.

Für mich beginnt das Projekt mit einem schmalen Bändchen aus dem Jahr 1965, des Literaturkritikers, Übersetzers und Herausgebers Walther Boehlich – mit dem Titel: Der Berliner Antisemitismusstreit. Das Bändchen dokumentiert einen Teil der publizistischen Reaktionen im Anschluss an den skandalösen Artikel des Historikers Heinrich von Treitschke Unsere Aussichten (1879), in dem dieser der Gleichberechtigung der deutschen Juden den Kampf ansagt.

Boehlich öffnete in dieser knappen Textsammlung allerdings auch eine Tür hinaus, weg von der nur peinlichen Selbstinszenierung Treitschkes und seiner Unterstützer: Er druckte Texte, die empörten Antworten, jüdischer Kollegen Treitschkes ab, wie die des Historikers Heinrich Bresslau, eines Nationalliberalen wie Treitschke, dem allerdings, weil er Jude war, eine ordentliche Professur versperrt war und der – durch seine entschiedene Entgegnung – alle weiteren Chancen preisgab.

Bresslaus Entgegnung enthält aber nicht nur eine treffende, entlarvende Analyse. Sie vermittelt auch – bei aller Empörung – unausgesprochen, aber eben doch ganz präsent, das historische Wissen um Jahrzehnte zuvor, in denen dergleichen Auseinandersetzungen an der Tagesordnung waren.

Folgt man dann tatsächlich dem wissenschaftlichen Impuls, die Perspektive zu weiten, letztlich auf den gesamten Zeitraum seit Moses Mendelssohn bis in die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, so entdeckt man – wie bei der Entwicklung eines Fotos – zuerst langsam und in Umrissen, dann immer detaillierter eine Landkarte einer kontinuierlichen, breit und engagiert geführten publizistischen Auseinandersetzung, „21.2.2011 – Kurzreferat von Dr. Jobst Paul“ weiterlesen

21.2.2011 – Rede von Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Rede von Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren
aus Anlass der Präsentation der EditionSchriften deutsch-jüdischer Autoren des 19. Jahrhunderts zu den Themen Staat, Nation, Gesellschaft“ (21. Februar 2011, Alte Synagoge Essen)
Es gilt das gesprochene Wort!
I. 

 

Sehr geehrter Herr Professor Jäger,
sehr geehrter Herr Professor Brocke,
sehr geehrter Herr Dr. Paul,
sehr geehrter Herr Professor Schlüter,
sehr geehrte Damen und Herren,
zur Vorbereitung auf die heutige Veranstaltung wurde ich auf ein kleines Bändchen aufmerksam gemacht. Ein Bericht von einer Tagung. Genauer gesagt: Von einem Vortrag bei dieser Tagung. Thema: „Jüdische Identität und jüdisches Schicksal.“ – Das war interessant, weil Ende der 90er Jahre alle Welt darüber diskutierte, wann Menschen sich als „Gemeinschaft“ empfinden. Wann – so das Schlagwort in der Wissenschaft – von einer „kollektiven Identität“ gesprochen werden kann.
Sie können sich vorstellen: Eine solche Debatte ist immer spannend. Denn da geht es ja nie nur um die Frage: Wer gehört dazu? Sondern da geht es immer auch darum: Wer soll nicht dazugehören? Wer soll draußen bleiben? Oder ausgestoßen werden? „21.2.2011 – Rede von Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren“ weiterlesen

Landesregierung und Stifterverband unterstützen Dialog zwischen Judentum und Öffentlichkeit

Pressemitteilung zum Symposium „Deutsch-jüdische Autoren im 19. Jahrhundert. Schriften zu Staat, Nation, Gesellschaft“ am 21.02.2011 in der „Alten Synagoge“ Essen

Duisburger Institute legen Grundlagenwerke zur jüdischen Sozialethik vor: „Grundlage für die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit“.

Im Rahmen der Projektkooperation zwischen dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und dem Salomon Ludwig Steinheim Institut für deutsch-jüdische Geschichte (Duisburg) fand am 21.02.2011 in der Alten Synagoge Essen ein Symposium zur Edition Deutsch-jüdische Autoren im 19. Jahrhundert. Schriften zu Staat, Nation und Gesellschaft statt.

Foto: Symposium am 21.02.2011 - Dr. Angelica Schwall-Düren, Prof. Dr. Siegfried Jäger, Prof. Dr. Michael Brocke, D. Jobst Paul

Dr. Angelica Schwall-Düren (Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NRW) hob in ihrem Geleitwort die Bedeutung des Projekts für die gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatten hervor. Die sozialethischen Grundpfeiler des Judentums, ohne die auch das Christentum nicht denkbar wäre, seien eine „das Humanum in den Blick nehmende Vorstellung von unschätzbarem Wert.“ Gerade jene Traditionen des Judentums, welche die Fähigkeit zur Selbstkritik und intellektuellen Freiheit gestärkt haben, können heute als Vorbild für gesellschaftliches Engagement gelten. Die Edition könne auch der Beginn des so lange verweigerten Dialogs zwischen der christlichen Mehrheitsgesellschaft und ihren jüdischen Mitbürgern sein.

Prof. Dr. Andreas Schlüter (Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft) betonte, wie wichtig es für private Stiftungen sei, gerade transdisziplinäre Projekte aus dem Bereich der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften zu fördern und so eine für die Gesamtgesellschaft wichtige Transferleistung von Wissen zu ermöglichen. Die Arbeiten der beiden Institute zur deutsch-jüdischen Publizistik des 19. Jahrhunderts stünden für diese Bemühungen. Die Publikationen könnten als Impulsgeber für neue Forschungsräume und auch als Grundlage für die Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit und Selbstpositionierung sowie für die „deutsch-jüdische Zukunft“ stehen.

Foto: Symposium am 21.02.2011 - Dr. Jobst Paul, Dr. Angelica Schwall-Düren, Prof. Dr. Siegfried Jäger

Prof. Dr. Michael Brocke (Steinheim-Institut) und Prof. Dr. Siegfried Jäger (DISS), die Leiter der kooperierenden Institute, würdigten die intensiven Analysen der Mitarbeiter-Teams und deren Begeisterung bei der anspruchsvollen Textarbeit. Prof. Brocke unterstrich die Dringlichkeit, den Blick auf das Judentum und die Analyse des Antisemitismus zu trennen. Prof. Dr. Siegfried Jäger wies insbesondere auf den Zusammenhang von Judaistik und Diskurstheorie hin. Über die vollständige Erfassung des Kerns des Diskurses der deutschjüdischen Publizistik im 19. Jahrhundert könnten über Analysen weit reichende Akzente für vielfältige gegenwärtige Forschungen gesetzt werden.

Dr. Jobst Paul, der wissenschaftliche Koordinator des Gesamtprojekts, skizzierte anschließend die „Landkarte einer kontinuierlichen, breit und engagiert geführten publizistischen Auseinandersetzung“ deutscher Juden im 19. Jahrhundert zu Recht, Politik und Kultur. Das interdisziplinär angelegte Projekt erlaube einen ganz neuen, innovativen Blick auf diese Landkarte. Viele deutsch-jüdische Autoren hätten die künftige Bedeutung des Judentums in Deutschland und Europa in seiner Rolle „als Moderator und als Bewahrer der den drei monotheistischen Religionen gemeinsamen Ethik“ gesehen und große Hoffnungen in die Zukunft gesetzt.

Foto: Symposium am 21.02.2011 - Podium

Ein Podium erörterte danach die Frage, welche Bedeutung die deutsch-jüdisch Debatte des 19. Jahrhunderts um Sozialethik und Gerechtigkeit für heutige Gesellschaftsentwürfe hat und welchen Beitrag das Projekt zu gegenwärtigen Debatten um Mehrheit und Minderheit, zu Diskriminierung und Integration leisten könne.

Prof. Dr. Dr. Daniel Krochmalnik (Hochschule für jüdische Studien, Heidelberg) wies darauf hin, dass die vorliegende Edition neue Perspektiven auf die insgesamt 150jährige Geschichte des deutschen Judentums (1783-1933) zuließe und so eine Gedankenwelt erschließe, die noch in der ganzen Breite erst ausgelegt werden muss.

Prof. Dr. Christian Wiese (Martin-Buber-Professor für Jüdische Religionsphilosophie, Frankfurt) machte in seinem Redebeitrag zwei wichtige Impulse des Projektes aus. Der deutsch-jüdische Diskurs des 19. Jahrhunderts sei alleine durch eine Fokussierung auf religiöse Dimensionen nicht begreifbar, sondern müsse durch machtanalytische Elemente erweitert werden. So können dann auch in interreligiösen Diskursen spezifische Sprecherpositionen und Machtgefälle in der öffentlichen Diskussion ausgemacht werden. Die Dialogverweigerung der christlichen Mehrheitsgesellschaft gegenüber der deutsch-jüdischen Minderheit sei dafür ein Beispiel. Als zweite Perspektive schlug Wiese vor, die Texte deutsch-jüdischer Autoren als Selbstbehauptungsversuche einer Minderheit zu lesen, die um kulturelle und gesellschaftliche Emanzipation rang. In diesen Versuchen verschränken sich sowohl die Forderung nach Akzeptanz der kulturellen und religiösen Eigenständigkeit als auch der Wunsch nach Integration unter dem Begriff des Pluralismus.

Prof. Dr. Itta Shedletzky (Hebrew University of Jerusalem) wies darauf hin, dass das Judentum im 19. Jahrhundert jenseits des Religionsunterrichts Zugänge zur nicht-jüdischen Öffentlichkeit suchte. Da der Mainstream der Juden in Deutschland sich als deutsch und jüdisch verstand, könne in Bezug auf das Judentum nicht von Assimilation gesprochen werden. Diese Aspekte zeigten, dass es letztlich um die Fragen ging und geht, wie Mehrheit und Minderheit in einen Dialog kommen.

PD Dr. Dirk Halm (Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, Essen) fragte, was aus den Texten der deutsch-jüdischen Publizistik im 19. Jahrhundert über interreligiöse Debatten gelernt werden könne. Bei der Übertragung der Konzepte und Lösungen aus den Texten auf die in Deutschland lebenden Muslime heute sei jedoch größte Vorsicht geboten, da zum einen die Shoa unvergleichbar sei und es sozialstrukturelle Unterschiede gebe. Trotzdem gebe es bei Fragen der Integration Parallelen zwischen der Situation der Jüdinnen und Juden im 19. Jahrhundert und Muslimen gegenwärtig. Diese Gemeinsamkeiten tauchten beim Umgang mit Minderheiten insgesamt, den Machtpositionen einzelner Sprecher, der Ähnlichkeit der zugeschriebenen Fremdbilder und Überlegenheitsgefühlen auf.

Prof. Dr. Michael Brocke (Salomon Ludwig Steinheim-Institut, Duisburg) verwies auf die jüngste Debatte um das Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin und den Vergleich von Antisemitismus und Islamophobie und meinte, dass der Vergleich trotz aller Unvergleichbarkeit nützlich sein könnte, um Differenzen und Überschneidungen zum Verhältnis der Mehrheits- und der Minderheitsgesellschaft herausarbeiten zu können. Auch die zurückliegende Integrationsdebatte mit dem Begriff der deutsch-jüdischen Tradition belege die Notwendigkeit, sich einerseits gegen den Ausschluss des Islam und andererseits gegen das Herausdrängen des Jüdischen zu wehren.

Einig waren sich die anwesenden Vertreterinnen aus Politik und Wissenschaft, dass die begonnene wissenschaftliche Aufarbeitung unbedingt fortgesetzt werden müsse.