Netzfundstück: Falter-Rezension

Im Wiener Magazin Falter erschien eine Rezension zu zwei Publikationen, in denen die Anschläge von Norwegen analysiert und bewertet werden:  Das hat doch nichts mit und zu tun (Edition DISS im Unrast-Verlag, Hg. Marc Jacobsen, Ekaterina Jadschenko, Regina Wamper) und Vorboten der Barbarei (Laika-Verlag, Hg. Rainer Just, Gabriel Ramin Schor).

Der Rezensent Matthias Falter schreibt u.a.:

Eine Auseinandersetzung mit den ideologischen Rechtfertigungen der Tat, so die Autoren, habe nur in unzureichendem Maß stattgefunden. Manche Aspekte, wie zum Beispiel Breiviks Antimarxismus und Antifeminismus, seien – obwohl oder gerade weil sie von Teilen des politischen Mainstreams geteilt werden – meist gar nicht behandelt worden.
Die beiden empfehlenswerten Sammelbände sind sowohl Anleitung zur Kritik hegemonialer Alltagsdiskurse als auch eine Aufforderung zu politischer Aufklärung.
Beides ist nicht zuletzt auch in Österreich nötig, weil ideologisch motivierte Gewalt, die sich entpolitisiert gibt, sich auch in der Arbeit von Behörden bemerkbar macht, wie zum Beispiel der Fall des „Breiviks aus Traun“ zeigt (siehe Falter 29/11). Am 22. Juli 2011, dem Tag der Anschläge in Norwegen, ermordete ein Rassist im oberösterreichischen Traun einen Migranten und verletzte zwei Menschen schwer. Der Leiter des Verfassungsschutzes, Peter Gridling, sagte daraufhin, er könne bei der Tat keinen politischen Hintergrund erkennen und sprach von einem „Nachbarschaftsstreit“.

Den vollständigen Text der Rezension finden Sie hier: Terror aus der Mitte unserer Gesellschaft (Falter 7/2012 vom 15.2.2012, Seite 15)

Netzfundstück: Neuerscheinung zur Sarrazin-Debatte

In der edition assemblage erschien vor wenigen Tagen ein lesenswerter Sammelband zur Sarrazin-Debatte, an dem auch einige Autorinnen und Autoren aus dem engeren und weiteren Umfeld des DISS mitgewirkt haben:

Sebastian Friedrich (Hg.):
Rassismus in der Leistungsgesellschaft
Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der ›Sarrazindebatte‹

Buchcover Sebastian Friedrich (Hg.): Rassismus in der LeistungsgesellschaftAugust 2011
ISBN 978-3-942885-01-0
© edition assemblage
Postfach 27 46
D-48014 Münster
Telefon: 0251 – 149 12 56
info@edition-assemblage.de | www.edition-assemblage.de

Das mediale Ereignis der »Sarrazindebatte« führte zu einer breiten gesellschaftlichen Verschiebung nach rechts, enttabuisierte rassistisches Denken und verband in besonderer Weise Rassismus mit Elite- und Nützlichkeitsdenken. Dieses komplexe Ereignis wird in 15 Beiträgen mit unterschiedlichen theoretischen Perspektiven kritisch analysiert. Der Sammelband gibt Anstöße für den Alltag, die politische Praxis und die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung.

Inhalt

Sebastian Friedrich
Rassismus in der Leistungsgesellschaft
Einleitung

Migration und Rassismus

Sabine Hess
Welcome to the Container
Zur wissenschaftlichen Konstruktion der Einwanderung als Problem

Yasemin Shooman
Keine Frage des Glaubens
Zur Rassifizierung von ›Kultur‹ und ›Religion‹ im antimuslimischen Rassismus

Sebastian Friedrich / Hannah Schultes
Von ›Musterbeispielen‹ und ›Integrationsverweigerern‹
Repräsentationen von Migrant_innen in der ›Sarrazindebatte‹

Serhat Karakayali
Reflexiver Eurozentrismus
Zwischen diskursiver Kombinatorik und Latenz

Vassilis Tsianos / Marianne Pieper
Postliberale Assemblagen
Rassismus in Zeiten der Gleichheit

Bevölkerungs- und Biopolitik

Juliane Karakayali
Bevölkerungspolitik im Postfeminismus
Rassistische Debatten um Gebärquoten und ihre Einbettung in aktuelle Geschlechterpolitiken

Moritz Altenried
Rassismus und biopolitischer Kapitalismus
Sarrazin und das Dispositiv der Integration

Elke Kohlmann
Die Ökonomie lügt doch … und zur Hölle mit Goethe!
Sarrazinscher (Post-) Rassismus in Zeiten neoliberaler Gouvernementalität

Kapital und Nation

Jürgen Link
Sarrazins Deutschland
Ein Streifzug durch ein protonormalistisches Manifest

Christoph Butterwegge
Zwischen neoliberaler Standortlogik und rechtspopulistischem Sarrazynismus
Die turbokapitalistische Hochleistungs- und Konkurrenzgesellschaft in der Sinnkrise

Jörg Kronauer
Deutschland richtet sich auf
Sarrazin und die Formierung des aufstrebenden deutschen Nationalstaates

Nora Räthzel
Sarrazin und die neoliberale Globalisierung
Zu einigen übersehenen Aspekten der Debatte

Interventionen und Perspektiven

Charlotte Misselwitz
›Parasiten, die auf Kosten der Gesellschaft leben…‹
Narrative Spiegelung als Intervention im Sarrazindiskurs

Gabriel Kuhn / Regina Wamper
›Das wird man ja wohl noch sagen dürfen‹
Wie männliche, weiße, sozial Privilegierte zum Opfer der Unterdrückung werden.

Netzfundstück: Darf man lachen?

„Darf man über Nazis lachen?“ lautete die telefonische Anfrage von Spiegel-Online Anfang Juli. Heute erschien nun ein Artikel zum Thema, in dem auch DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch zitiert wird:

Quatsch mit brauner Soße. Humor gegen rechts (Link auf den Artikel bei Spiegel-Online)

Martin Dietzsch kommentierte:

Schade, dass der Spiegel mein Beispiel für eine gelungene Demo-Parole nicht brachte:
„NPD – ohne Verfassungsschutz wär’t ihr nur zu dritt.“
Der Interviewer musste jedenfalls lachen, und die anderen Experten hätten mir doch sicher auch zugestimmt.

Mein Dank für die Inspiration geht an die mir unbekannten zivilgesellschaftlichen Akteure vom Blog „Antifaschistische Nachrichten aus Duisburg und Umgebung“, die u.a. das „Türen raus“ dokumentierten.
Hier die Quelle: Nazischmiererei des Monats

Netzfundstück: Jedes Jahr dasselbe – die Polizei wiegelt ab

Seit etwa 2 Jahren gibt es eine sich steigernde Welle von Anschlägen von Neonazis vor allem gegen Parteibüros der Linkspartei, aber auch gegen Büros anderer demokratischer Parteien. Der Schwerpunkt dieser Gewalt-Kampagne liegt neben Mecklenburg-Vorpommern in NRW.

 

Auf dem sehr lesenswerten Blog npd-blog.info findet man eine Presseerklärung des Beratungsvereins LOBBI, der zu einer größeren öffentlichen Ächtung der rechts motivierten Attacken auf Parteibüros in Mecklenburg-Vorpommern und einer stärkeren Solidarisierung mit den Betroffenen aufruft:

Angriffe auf Parteibüros: LOBBI beklagt öffentliches Desinteresse

 

Hier findet man auch eine Dokumentation mit der umfangreichen, aber immer noch unvollständigen Auflistung der Anschläge auf Büros der Linkspartei seit Januar 2010.

Dokumentation: Neonazi-Attacken auf Die Linke

 

Zur Mobilisierung für die für Anfang September von der Neonazi-Szene geplante Anti-Friedens-Demonstration in Dortmund gibt es gegenwärtig in NRW eine ganze Welle von Anschlägen, Bedrohungen und Tätlichkeiten.

Bildschirmfoto WDR Lokalzeit Dortmund 9.8.2011

In einem Beitrag der WDR Lokalzeit aus Dortmund vom 9.8.2011 wird u.a. eine Nazi-Schmiererei dokumentiert, in der Neonazis sich mit den Morden an Kindern und Jugendlichen in Oslo schmücken, um Angst und Schrecken zu verbreiten.

Der TV-Beitrag ist noch einige Tage abrufbar unter:

Rechtsradikale Übergriffe im Ruhrgebiet

 

Der WDR berichtet heute in einem Online-Artikel über die „Stimmung in NRW“ vor der Nazi-Demo und nennt einen Anschlag auf die SPD in Hamm, Schmierereien und Drohungen gegen Hammer Jungsozialisten, Anschläge gegen Büros der Linkspartei in Siegen, Lünen und Dortmund und die Bedrohung eines Mitglieds der Piratenpartei.

Die Stellungnahmen der zuständigen Abteilung der Polizei und des Verfassungsschutzes beschreibt der WDR-Artikel so:

Polizei wiegelt ab: „Jedes Jahr dasselbe“.
In der Abteilung Staatsschutz der Dortmunder Polizei, die auch für Hamm zuständig ist, sieht man diese Vorfälle bisher gelassen [… ]. Einen Zusammenhang mit den Anschlägen in Norwegen, bei denen ein Rechtsextremist mehr als 70 Anhänger der sozialistischen Partei getötet hatte, hält Wieland für „zu weit hergeholt“. […] Auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Bonn herrscht keinerlei Aufregung über die Vorfälle. […] Einen größeren Zusammenhang oder gar einen Trend innerhalb der rechten Szene, der sich vermehrt gegen Mitglieder etablierter, linker Parteien richte, sehe die Behörde bisher nicht.

Den kompletten Artikel, in dem auch DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch kurz zu Wort kommt, lesen Sie hier:

Anschläge auf Büros von SPD und Linkspartei

 

 

 

Veranstaltungshinweis: Wissenschaftsmesse

Unter dem Motto „Wissenswelten – regional verankert – global vernetzt“ findet 15. Juli 2011 die erste internationale Wissenschaftsmesse des Wissenschaftsforums Ruhr statt. Dort werden sich mehr als 40 Forschungsinstitute aus der Region präsentieren, unter anderem auch das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS).

Termin:
Freitag, 15. Juli 2011, 14.30 Uhr bis Mitternacht, in der Dortmunder DASA Arbeitswelt Ausstellung

Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des Wissenschaftsforums Ruhr und im Programmflyer (PDF-Datei).

 

Netzfundstück: Völkisch und sozial?

In der Publikationsreihe Standpunkte (13 / 2011), die von der Rosa Luxemburg Stiftung herausgegeben wird, erschien der Aufsatz

Jens Zimmermann und Regina Wamper:
Völkisch und sozial?
Neonazistische Agitation gegen die neue EU -Freizügigkeit
für Arbeitnehmer_innen

Der Text ist als PDF-Datei abrufbar unter:

http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_13-2011.pdf

Netzfundstück: kritisch-lesen Nr. 1

Die Ausgabe 1 des Rezensions-Blogs kritisch-lesen.de ist erschienen. Thema ist diesesmal „Antimuslimischer Rassismus“. Rezensiert werden u.a.

# Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab
# Patrick Bahners: Die Panikmacher
# Thorsten Gerald Schneiders (Hg.): Islamfeindlichkeit
# Kirsten Heisig: Das Ende der Geduld
# Kay Sokolowsky: Feindbild Moslem
# Udo Ulfkotte: Vorsicht Bürgerkrieg

http://www.kritisch-lesen.de/2011/04/antimuslimischer-rassismus/

7.4.2011: Tagung zum Afghanistan-Appell

Die dritte Tagung des Appells “Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan” findet statt am

Donnerstag, 7. April 2011, 16.30 Uhr bis 21.30 Uhr
In der Evangelischen Stadtakademie Bochum, Klinikstr. 20
Referenten:
Tobias Pflüger (IMI-Tübingen): “Vom Einsatz her gedacht” – Zur “Reform” der Bundeswehr. –
Robert Zion: “Den Unwillen der Gesellschaft in die Pro-Kriegs-Parteien tragen – am Beispiel der GRÜNEN”. –
Andreas Zumach: (Zur Libyen-Intervention).

Nähere Informationen finden Sie hier:

Bangemachen gilt nicht

und hier:

Studientag zur Militärstrategie der Bundesrepublik

Netzfundstück: Interview mit Rolf van Raden

Im Blog Ruhrbarone interviewte Chantal Stauder den DISS-Mitarbeiter Rolf van Raden zur Ausstellung „Freedom of Speech“.

Gibt es etwas, dass du selbst im Zuge des „Freedom of Speech“-Projekts dazugelernt hast?

Klar, eine ganze Menge. Am Anfang haben wir zum Beispiel versucht, Aussagen danach zu unterscheiden, ob sie subversiv sind oder nicht. Das kam aus so einem vermeintlich kritischen Selbstverständnis heraus, dass subversive Aussagen in der Lage sind, ungleiche und blockierte Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Bei den Analysen hat sich aber ziemlich schnell herausgestellt: Ob jemand subversiv argumentiert oder nicht, das ist vor allem eine Frage der Diskurstaktik. Das sagt aber noch nichts über die Inhalte aus. Auch Nazis können scheinbare Allgemeingültigkeiten in Frage stellen. Sie tragen dann aber nicht zu einem Abbau von Ausgrenzung bei, sondern wollen herrschende Ausgrenzungspraktiken durch noch viel stärkere ersetzen.

Lässt sich die Frage nach der Ausgrenzung immer so eindeutig beantworten?

Daumen hoch, Daumen runter? Nein, so einfach ist das nicht. Wir haben zum Beispiel das amerikanische Pornomagazin Hustler untersucht. Der Herausgeber Larry Flynt ist mit dem Heft nicht nur steinreich geworden, sondern hat in den USA sogar einige politische Bedeutung erlangen können. Sein Erfolg beruht darauf, dass das Magazin geschickt Ausgrenzung mit der Forderung nach Teilhabe kombiniert. Und zwar so: Hustler richtet sich an weiße, heterosexuelle Männer aus der Arbeiterklasse. Gegenüber dem politischen Establishment fordert das Magazin mehr Mitbestimmung und Gleichberechtigung ein. Es legt sich auch regelmäßig mit der religiösen Rechten an. Deswegen wurde das Pornomagazin häufig sogar der politischen Linken zugeordnet. Die andere Seite der Medaille ist aber: Hustler verteidigt die Privilegierung von weißen heterosexuellen Männern mit einer Radikalität gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen, die auf dem Zeitungsmarkt seinesgleichen sucht. Das reicht von der Reproduktion sexistischer und rassistischer Vorurteile bis zur offenen Glorifizierung von sexualisierter Gewalt. Diese Kombination macht den Erfolg von Hustler aus: In Bezug auf Gruppen, die gegenüber der eigenen Zielgruppe privilegiert sind, werden mehr Rechte gefordert. Gegenüber Frauen und alternativen Männlichkeitsmodellen wird die eigene Position durch Diffamierung und Ausgrenzung abgesichert.

Das komplette Interview finden Sie unter:
http://www.ruhrbarone.de/freedom-of-speech/