Netzfundstücke: Vorträge Tübingen 2.2. / Köln 17.2.

Alles nur Sarrazin? Rückblick auf eine (LEID-)Debatte

Mittwoch, 02. Februar 2011, 20 Uhr, Tübingen Infoladen, Schellingstr. 6

Warum löste ein langweiliges Buch mit dem Titel „Deutschland schafft sich ab“ (DSSA) eine solche Medienwelle aus? Um welche Inhalte ging es in der folgenden Debatte? Welchen Anteil hatte die mediopolitische Klasse daran – und wie wurde über die Themen gesprochen?

Der Verfasser von DSSA, der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo S., und dessen Interview in „Lettre International“ wird genauer betrachtet, und die zentralen Passagen von DSSA werden vorgestellt. Der Hauptteil ist dem Verlauf der medialen und politischen Verhandlung und den dabei vorherrschenden Themen gewidmet, die sodann in einen allgemeineren Kontext gestellt werden. Es wird sich zeigen, dass die vorherrschenden Diskurse keinesfalls „neu“ sind oder durch „Tabubrüche“ zum Vorschein kamen. Vielmehr unterliegen sie Kontinuitäten und Konjunkturen – und scheinen besonders in ihrer Bündelung (Verschränkung) besonders wirksam zu sein.

Die Veranstaltung richtet sich sowohl an Personen, die die Debatte nur am Rande verfolgt haben, als auch an diejenigen, die sich intensiver mit der „Problematik“ befasst haben bzw. befassen.

Sebastian Friedrich (Berlin) und Hannah Schultes (Düsseldorf) sind Redaktionsmitglieder des im März startetenden Projekts kritisch-lesen.de. Außerdem sind sie aktiv bei der Diskurswerkstatt und dem AK Rechts des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS).

Buchvorstellung und Diskussion: Rechte Diskurspiraterien

Donnerstag, 17. Februar 2011, 20 Uhr, AZ Köln, Wiersbergstraße 44

“Rechte Diskurspiraterien” – Buchvorstellung und Diskussion. Mit Regina Wamper (Mit-Herausgeberin von Rechte Diskurspiraterien) und Sebastian Friedrich (Redaktion kritisch-lesen.de)

In den letz­ten Jah­ren ist ein ver­stärk­tes Bemü­hen auf Sei­ten der extre­men Rech­ten zu beob­ach­ten, The­men, poli­ti­sche Stra­te­gien, Akti­ons­for­men und ästhe­ti­sche Aus­drucks­mit­tel lin­ker Bewe­gun­gen zu adap­tie­ren und für ihren Kampf um die kul­tu­relle Hege­mo­nie zu nut­zen. Dabei han­delt es sich kei­nes­wegs mehr nur um ein Ste­cken­pferd der intel­lek­tu­el­len Neuen Rech­ten, viel­mehr wird dies auch von der NPD und von mili­tan­ten Neo­na­zis prak­ti­ziert. Im Resul­tat hat sich die extreme Rechte eine ganze Band­breite kul­tu­rel­ler und ästhe­ti­scher Aus­drucks­for­men ange­eig­net, wobei sie sich am ver­hass­ten ‚Vor­bild’ der Lin­ken abge­ar­bei­tet hat. Man könnte auch sagen: Um über­zeu­gen­der zu wir­ken, hat sie kul­tu­relle Prak­ti­ken und Poli­tik­for­men der Lin­ken ‚ent­wen­det’ – aller­dings nicht, ohne sie mit den eige­nen Tra­di­tio­nen zu ver­mit­teln. Sol­che Phä­no­mene sind kei­nes­wegs neu. Auch der Natio­nal­so­zia­lis­mus bediente sich der Codes und Ästhe­ti­ken poli­ti­scher Geg­ner und versuchte, Deu­tungs­kämpfe in die The­men­fel­der zu tra­gen, die als tra­di­tio­nell links besetzt gal­ten. Auch in den 1970er Jah­ren wurden sol­che Stra­te­gien praktiziert. Es stellt sich die Frage, warum und in wel­cher Form diese Dis­kurspi­ra­te­rien heute wie­der auftreten.

(Ankündigungstexte der Veranstalter, leicht redigiert.)

Vorankündigung: Rechte Diskurspiraterien

Vorraussichtlich im Oktober 2010 erscheint in der Edition DISS im Unrast-Verlag der Band:

Martin Dietzsch / Helmut Kellershohn / Regina Wamper (Hg.)
Rechte Diskurspiraterien
Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen

ISBN: 978-3-89771-757-2
ca. 250 Seiten, ca. 20 Euro

In den letzten Jahren ist ein verstärktes Bemühen auf Seiten der extremen Rechten zu beobachten, Themen, politische Strategien, Aktionsformen und ästhetische Ausdrucksmittel linker Bewegungen zu adaptieren und für ihren Kampf um die kulturelle Hegemonie zu nutzen. Dabei handelt es sich keineswegs mehr nur um ein Steckenpferd der intellektuellen Neuen Rechten, vielmehr wird dies auch von NPD und militanten Neonazis praktiziert. Im Resultat hat sich die extreme Rechte eine Bandbreite kultureller und ästhetischer Ausdrucksformen angeeignet, indem sie sich am verhassten ‚Vorbild’ der Linken abgearbeitet hat. Man könnte auch sagen: Um überzeugender zu wirken, hat sie kulturelle Praktiken und Politikformen der Linken ‚entwendet’ – allerdings nicht, ohne sie mit den eigenen Traditionen zu vermitteln.
Solche Phänomene sind keineswegs neu. Auch der Nationalsozialismus bediente sich der Codes und Ästhetiken politischer Gegner und suchte Deutungskämpfe gerade verstärkt in die Themenfelder zu tragen, die als traditionell links besetzt galten. Auch in den 1970er Jahren waren solche Strategien vorhanden. Es stellt sich die Frage, warum und in welcher Form diese Diskurspiraterien heute wieder verstärkt auftreten.

Aus dem Inhalt:

Helmut Kellershohn / Martin Dietzsch
Aktuelle Strategien der extremen Rechten in Deutschland

Sabine Kebir
Gramscismus von rechts?

Volker Weiss
Sozialismusbegriff bei Moeller van den Bruck und Oswald Spengler

Volkmar Woelk
Strasserismus und Nationalbolschewismus

Renate Bitzan
Feminismus von rechts?

Richard Gebhardt
Völkischer Antikapitalismus

Fabian Virchow
Antikriegs-Rhetorik von rechts

Helmut Kellershohn
Das Institut für Staatspolitik und die Konservativ-subversive Aktion

Lenard Suerman
Autonome Nationalisten

Regina Wamper / Britta Michelkens
Gegenstrategien

Jens Zimmermann
Kritik des Rechtsextremismusbegriffs

Was tun gegen rechte Diskurspiraten

Autorin: Regina Wamper / Arbeitskreis Rechts des DISS

Entwendungsversuche der extremen Rechten finden auf drei Ebenen statt (die natürlich nur analytisch trennbar sind):

1. auf inhaltlicher Ebene

2. auf (sub)kultureller Ebene

3. auf taktischer Ebene

1. Inhaltliche Interventionen

Von „inhaltlichen Entwendungen“ zu sprechen, heißt nicht, Themenfelder „für sich“ zu proklamieren. Verschiedene Themen werden aus verschiedenen politischen Perspektiven gedeutet, niemand hat „Copyright“ auf Diskurse.

Die extreme Rechte forciert in den letzten Jahren einen Deutungskampf um Themen, die als Gegendiskurse (zu hegemonialen Diskursen) traditionell von links besetzt sind, so Feminismus, Antikapitalismus, die soziale Frage, „Was tun gegen rechte Diskurspiraten“ weiterlesen

Tagungsbericht DISS Colloquium 2009

DISS – Colloquium 2009

Rechte Diskurspiraterien

Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole, Aktionsformen

Ein Tagungsbericht von Jan-Henning Kromminga und Marianne Heinze

Das 22. Colloquium des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) fand in Kooperation mit der Gesellschaft für Politische Bildung e.V. vom 27.11. bis zum 29.11.2009 in der Akademie Frankenwarte in Würzburg, statt. Die Tagungsleitung hatten Helmut Kellershohn (Duisburg) und Regina Wamper (Aachen) inne.

Das Thema war die aktuelle Strategie extrem Rechter, als links codierte Ästhetiken, Codes, Symboliken zu adaptieren, verstärkt in Diskurse zu intervenieren, in denen politische Gegnerinnen bisher eine gewisse Deutungshoheit behaupten können und sich politische Praktiken der Linken anzueignen. „Tagungsbericht DISS Colloquium 2009“ weiterlesen