DESPERATE – Der Tod kam, bevor Menschen starben

Duisburg wollte die Loveparade – es gab einen Beschluss des Rates der Stadt und dieser wurde unter der Verantwortung von Oberbürgermeister Adolf Sauerland letztlich unterschrieben.

Der Veranstalter wollte die Loveparade. Rainer Schaller, alleiniger Gesellschafter der Lopavent GmbH machte die Loveparade zum Marketinginstrument seiner Fitnessstudio-Kette McFit.

Die Landesregierung wollte die Loveparade – Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft setzten sich dafür ein.

Die Kulturhauptstadt wollte die Loveparade in Duisburg – Fritz Pleitgen sah die positive Ausstrahlung für die Ruhrstadt.

Die Loveparade sollte die größte Veranstaltung im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 sein, für Europa, Deutschland, NRW, das Ruhrgebiet und für Duisburg. Geld dafür gab es nicht aus dem Topf Kulturhauptstadt. Duisburg wurde mit seinen Ravern allein gelassen.

Und in den Medien wurde begeistert die Werbetrommel gerührt.

In Duisburg gibt es einen alten Güterbahnhof. Der kann schwerlich als ein sicheres, gut begehbares Gelände bezeichnet werden, auch nicht, nachdem einige Tonnen Schotter ausgeschüttet und plattgeklopft, die Schienen gesichert und die Fenster der alten Halle eh schon fast keine Glasscheiben mehr hatten.

Kosten durfte das ganze wenig, bringen sollte es viel. Hätte man die Bevölkerung der angrenzenden Stadtteile und die Leute gefragt, die das Gelände von eigenen Ausflügen kennen, so hätte man schwerlich Begeisterung über den Plan festgestellt. Über einen Plan, der schwer durchschaubar war und bleibt.

Foto: Tunnel Karl-Lehr-Str. 27.7.2010
Tunnel Karl-Lehr-Straße, 27.7.2010: "Berlin = Love / Duisburg = Kommerz, Finanzieller Gewinn, 19 Tote..."

Zwar hieß es früh, die Loveparade fände auf dem geschlossenen Gelände des alten Bahnhofs statt. Es gab auch das Gerücht, die A 40 werde für die Floats bereit stehen. Im Internet war ein Streckenverlauf zu sehen, auf dem eine Route durch die Innenstadt eingezeichnet war – deutbar war dieser Plan als Plan für den Verlauf der Parade. Dann gab es wieder die Meldung, dass die Parade nur auf dem abgeschlossenen Gelände stattfände. Noch am Abend vorher gab ein Floatbesitzer zu verstehen, es gingen Floats durch die Stadt. Die Polizei gab während der Feier die Auskunft, die Parade sei nur im Gelände des alten Güterbahnhofs. Gegen 15.15 Uhr fuhr ein Float in Polizeibegleitung die Friedrich-Wilhelm-Straße herunter bis zum Friedrich-Wilhelm-Platz und wurde dort von einer jubelnden Menge umlagert.

Es habe deutliche Sicherheitsbedenken gegeben, von der Polizei, von der Feuerwehr, diese seien in Gutachten formuliert und den Verantwortlichen vorgelegt worden. Weder die Stadt, noch der Veranstalter Rainer Schaller hätten darauf angemessen reagiert. Sicherheitsvorschriften seien umgangen, mit Sondergenehmigungen abgeändert und auch schlicht nicht eingehalten worden. Und trotzdem fand sie statt – die Loveparade -und alle, alle kamen:

Der Veranstalter, die Polizei und die Stadtspitze und die 250.000 Besucher, für die das Gelände frei gegeben war und die ca. 1,2 Millionen, für die kein Platz auf dem Gelände vorgesehen war (105.000 kamen offenbar mit der Bahn und die Zahl der verkauften Tickets ist zurzeit die einzige Zahl auf die objektiv zurückgegriffen werden kann – Offenbar liegen weder Auswertungen von Zählungen der Fußgängerströme, der Kraftfahrzeuge, der Busse, der Radfahrern etc. vor – Luftbilderauswertungen sind bis heute nicht bekannt).

Richtungsweisend ist jedoch, dass auf den letzten Loveparade-Veranstaltungen in anderen Städten mehr als 1,3 Millionen Menschen waren – und auch das Event „Still-Leben“ auf der A-40 am 18. Juli 2010 hatte mit ca. 3 Mio. Besuchern mehr Interessierte als erwartet. Der Unterschied war: Es ging gut – es gab 60 km Autobahn, Auf- und Abfahrten, Zugänge und nur Leitplanken, über die man gut springen und sich ins Umland hätte retten können, wäre dies denn notwendig gewesen.

Foto: Tunnel Karl-Lehr-Straße, 27.7.2010
Tunnel Karl-Lehr-Straße, 27.7.2010: "Das konservative Bürgertum hat die Subkultur, aus der die Loveparade entstanden ist, zu keiner Zeit akzeptieren, geschweige denn verstehen wollen."

Verfolgte die Loveparade bei ihrer Gründung keine kommerziellen oder prestige-geleiteten Ideen, so bildet sie im Jahre 2010 mit ihren Profit- und Marketinginteressen einen Teil der viel zitierten Dienstleistungsgesellschaft.

Die Situation stellt sich dar wie folgt. Duisburg lädt ein zu einer Loveparade. Das ist ein Musikfestival mit sog. Floats, das sind riesige Lastwagen, die bis zu 200 Raver fassen, die auf den Wagen tanzen zu den Tönen, die verschiedene gefeierte DJs auflegen. Die Musik ist nicht jedermanns Sache; doch welche Musik ist das schon? Fest steht jedoch, dass man auf Techno gut tanzen kann. Viele Menschen verkleiden sich, es wird Alkohol getrunken und es werden auch Drogen genommen.

Es wird viel geredet über die Menschen, die auf diese größte Party der Welt gehen. Sie sind eher jung, jedoch nicht alle – wir waren z.B. auch da – manche sagen, sie sind dumpf, sogar dumm, enthemmt, lüstern, gewalttätig etc. Auf jeden Fall machen sie Dreck und irgendwo in einer anderen Stadt haben sie angeblich in einem Park alle Bäume und Pflanzen tot gepinkelt. Deshalb haben wir in Duisburg viele Reihen Dixi-Klos, den Kant-Park haben wir sicherheitshalber gesperrt und in Folie gepackt, damit ihn keiner sieht. Der Besitzstand der bedrohten Bürgerinnen und Bürger wird gewahrt, indem die Feiernden – fein eingezäunt nach links und rechts – durch von der Polizei bediente Schleusen geleitet werden, damit sie nicht ins offene Terrain ausbrechen und die Landschaft verunstalten können. Kleinbürgerliche Konzepte lassen kein freies Denken, Handeln und auch keine freie Bewegung zu; Profit- und Prestigedenken aber lassen sie zu – und ebenso Besitzstandswahrung in jeder Beziehung.

Eine alte Dame spricht zu ihrem Mann: „Da kannst du nichts mehr zu sagen.“ Er sagt auch gar nichts. er schaut nur interessiert einer aufreizend angezogenen Raverin hinterher.

Und die Dienstleistung? Der Platz liegt ca. 300 Meter weg vom Bahnhof. Die Leute werden jedoch auf vorgezeichneten Wegen ca. 2 Kilometer durch die Stadt geleitet – östlich und westlich vom Bahnhof. Ich sehe keine Hinweisschilder, jeder folgt dem anderen in die Bewegungsrichtung des unüberschaubaren Menschenstroms. Einige Fressbuden bieten ihre Dinge an. Aus einem Polizeiwagen dröhnt ein Megaphon – zu verstehen ist kein Wort. Warum eigentlich nicht?

Denn Musik gibt es nicht; es gibt keine Großbildschirme (bei der WM hatten wir doch genug), es gibt keine Lautsprecher aus denen Techno tönt, es gibt keine Bühnen, auf denen Musik gemacht wird und – es gibt keine Floats (bis auf den einen, eben erwähnten – später).

Doch die Leute sind noch ganz gut drauf und feiern sich selbst mit Freunden, mit Fremden, mit den Leuten, die aus den Fenstern hängen und Party in der eigenen Wohnung machen. Dann wird es eng und enger. Am Polizeipräsidium sehen die Einsatzkräfte noch ganz entspannt aus. Erste Schleusen werden geschlossen – man verengt, wie ein Beamter erklärt. Warum die Leute denn jetzt alle hier stehen, wird gefragt. Weil es hier so schön ist, lautet die polizeiliche Antwort. Mit den Polizeikräften über die Lage in der Stadt, über Wege und Anreisen zu sprechen ist hoffnungslos. Es kommen Antworten wie: „Ich hab keine Ahnung“; „ich bin nicht von hier“; „die Straße kenne ich nicht“ oder „ich hab doch keine Zeit, Wege zu erklären“.

Es verdichtet sich mehr und mehr. Leute sind auf die Straßenbahnhäuschen, auf Laternen, Lampen, Verteilerhäuschen, Hausdächer, Imbissbuden geklettert. Um besser sehen zu können. Was? Es passiert nichts, keine Musik, keine Floats und – keine Bewegung mehr. Es ist 15 Uhr und links geht es in den Tunnel an der Karl-Lehr-Straße.

Wir drehen um. Wir sind verabredet um 17 Uhr in der Altstadt. Durch Seitenstraßen gehen wir heim. Mit uns sind tausende Menschen, die alle in die falsche Richtung laufen, enttäuscht, fragend, suchend. Telefonisch teilen sie Freunden mit: „Ich bin in Duisburg, auf einer Polizeiparade.“ Oder: „Wir sind 2,5 Stunden gefahren, dann fahren wir eben wieder nach Hause – hier ist ja sonst gar nichts los.“ Oder: „Wo ist denn das Gelände?“ Oder: „Gibt es einen Plan?“

Ja, wie war das gleich mit dem Plan?

Auf dem Boden kleben nun schon viele Sticker: Dance or die! Get no sleep!

Das sind die Slogans der Loveparade – die sich auf verhängnisvolle Weise verwirklichten.

Gegen 17 Uhr brach im Tunnel auf der Karl-Lehr-Straße eine Massenpanik aus – in dem Tunnel, der als einzige Zugangsmöglichkeit zum Festival-Gelände geöffnet war. Jedenfalls als einzige Zugangsmöglichkeit für die Gäste – der VIP-Eingang war in Bahnhofnähe – von der A 59 gab es großzügige Zugangsmöglichkeiten – doch die waren gesperrt – für den Notfall, wie die Notfalltüren. Notfallwege im Tunnel, eine Regulierung der ankommenden und das Gelände verlassenden Besucherströme, Überwachungskameras und genug Luft gab es im Tunnel nicht.

Das Desaster war vorprogrammiert und – ich kann es immer noch nicht wirklich glauben – es gab nur diesen einen Tunnel – Gelber Bogen genannt – der zum Festivalgelände führte. Ein Tunnel, 40 m breit und 200 m lang, der schon an normalen Tagen irgendwie gruselig ist, voll gedrängt mit Menschen, die in alle Richtungen drängen, deren Zugang – aus welchen Gründen auch immer – nun nicht mehr kontrolliert wird; ein Nadelöhr wird zur Todesfalle.

16 Menschen sterben vor Ort, 21 bis jetzt, über 500 werden verletzt. Es spielen sich unglaubliche Szenen ab (es gibt Videos im Netz, welche in keiner Nachrichtensendung liefen). Die Toten werden unter Planen gestapelt. Schuldzuweisungen zerreißen die politische Landschaft, Verschleierung herrscht neben blindem Aktionismus.

Die Loveparade glich einem Viehtransport. Nicht stärker hätte die Zielgruppe diskriminiert und degradiert werden können, nicht stärker hätte bewusste Fehlinformation stattfinden können und nicht geschickter hätte die Zielgruppe um ihr eigentliches Vergnügen gebracht werden können. In der Hoffnung, dass die Menschen das Festivalgelände nicht erreichen, weil sie schon zu müde oder zu betrunken sind oder weil sie etwas anderes abgelenkt hat, wurden sie durch die Stadt geschleust. Nicht ernstgenommen wurden sie, menschenverachtend behandelt. Dies wäre niemals bei einer Sportveranstaltung in Duisburg mit internationalem Flair passiert – und, dies wäre auch nicht bei einem Karnevalsumzug passiert.

In Duisburg kam der Tod schon, bevor Menschen starben. Der Tod eines Traumes, eines Konzeptes von Freiheit, Feier und Liebe. Der Tod der Dienstleistung, der Tod der Kulturhauptstadt, der Verantwortung und der Tod des Ernstnehmens der Zielgruppe, für die man arbeitet – und daran haben alle mitgewirkt:

Der Veranstalter, die Stadtverwaltung und die Polizei und auch die Medien.

Entschuldigungen und Ausreden sind nicht möglich. Es ist vorbei und nicht wieder gut zu machen – nirgendwo, zu keiner Zeit und mit keinen verfügbaren Mitteln.

Liz Henry

Zum Bochumer Tortenprozess

Neues Bilderverbot durch Bochumer Tortenprozess:
Stehen wir vor einer Einschränkung der Pressefreiheit?

Autor: Rolf van Raden

Vor dem Bochumer Amtsgericht hat am Mittwoch ein Aufsehen erregender Prozess stattgefunden: Der verantwortliche Redakteur des lokalen Internetportals bo-alternativ ist zu einer Strafe von 1.500 Euro verurteilt worden, weil er ein Anti-Nazi-Plakat dokumentiert hat. Auf dem Plakat ist eine Comicfigur zu sehen, die eine Torte in der Hand hält. In den Augen der Staatsanwaltschaft und der Richterin stellt die Abbildung auf dieser Seite aus dem Jahr 2008 einen „Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“ dar.

http://www.bo-alternativ.de/aktuell/wp-content/uploads/2008/10/nazistopp.jpg
„Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“? Die dokumentierende Abbildung dieser Grafik soll strafbar sein.

Es handelt sich bereits um den dritten Prozess zum Thema – vor einem Jahr gab es bereits einen Freispruch, worauf die Staatsanwaltschaft allerdings Revision einlegte. Der beschuldigte Redakteur hat jetzt angekündigt, gegen das neue Urteil selbst in Berufung zu gehen. Sollte die Verurteilung vor weiteren Instanzen Bestand haben, könnte das die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland empfindlich einschränken.

Die Anklage der Bochumer Staatsanwaltschaft (hier im Wortlaut) stand von Anfang an unter massiver Kritik. In einer Solidaritätserklärung bewerteten eine Reihe prominenter Persönlichkeiten den Prozess als einen „Affront gegen die Menschen, die sich am 25. Oktober in Bochum und an anderen Tagen in anderen Städten den Nazi-Aufmärschen entgegen stellten.” Andere BeobachterInnen weisen darauf hin, welche politischen Folgen die Verurteilung haben kann: Wenn nämlich schon die Abbildung einer Comicfigur mit einer Torte in der Hand dazu ausreicht, um das Recht auf Äußerungsfreiheit im Internet einzuschränken, dann wäre der behördlichen Willkür Tür und Tor geöffnet.

Die Anklage hat die Abbildung einer Torte zu einer „getarnten Bombe“ umgedeutet. Damit aber nicht genug. Denn im nächsten Schritt erklärte die Staatsanwaltschaft die angebliche Bombe zu einem verbotenen Aufruf, „Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, ohne behördliche Genehmigung mit sich zu führen und diese zur Begehung von Vergehen der gefährlichen Körperverletzung einzusetzen“. In einfache Sprache übersetzt behauptet die Staatsanwaltschaft: Indem das Internetportal das Plakat dokumentiert, rufe es dazu auf, mit Waffen zur Demo zu gehen und diese zu benutzen.

Kommt die Staatsanwaltschaft mit dieser obskuren Argumentation durch, wäre künftig keine grafische Veröffentlichung mehr vor solch aggressiver Interpretation und Umdeutung geschützt. Ein Plakat mit einer erhobenen Faust? Klar, da holt jemand zum Schlag aus. Es droht ein neues Bilderverbot für politische Publikationen. Und noch mehr: Die Strafverfolgungsbehörden bekämen ein einfaches wie mächtiges Instrument an die Hand, um politisch missliebige Äußerungen weitgehend willkürlich zu kriminalisieren. Das wäre eine massive Einschränkung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit – und weil es sich bei dem Angeklagten ja nicht einmal um den Plakat-Urheber, sondern lediglich um den Redakteur eines Internetportals handelt, auch um eine Aushebelung der Pressefreiheit.

Der Diskursanalytiker und Herausgeber der Zeitschrift kultuRRevolution Jürgen Link ging noch einen Schritt weiter. Bereits anlässlich des ersten Tortenprozesses vor einem Jahr veröffentlichte er eine „Diskursanalytische Wortmeldung“, in welcher er deutlich machte: Selbst, wenn auf dem Plakat tatsächlich eine Bombe zu sehen wäre, würde es sich dadurch nicht um einen Aufruf zu Gewalt handeln – weil bei einer Interpretation immer Kollektivsymboliken und diskursive Kontexte zu berücksichtigen sind. Um das zu verdeutlichen, überträgt Link das Argumentationsmuster der Staatsanwaltschaft probeweise auf eine Karikatur, welche die WAZ elf Jahre zuvor veröffentlicht hatte. In der Grafik ist der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe zu sehen, der den im Rollstuhl sitzenden Wolfgang Schäuble mit einem Panzer bedroht. Folge man der Logik der Bochumer Staatsanwaltschaft, stelle diese Veröffentlichung „zweifelsfrei sogar einen Aufruf zum Mord dar.“ Jürgen Link weiter: „Staatsanwältin W. weiß nicht, dass Karikaturen Konflikte symbolisch darstellen und dazu groteske Übertreibungen als ihr wesentliches Mittel einsetzen müssen. ‚Panzer’ bedeutet symbolisch ‚große Entschlossenheit’ (und nicht: realer Panzereinsatz!!!) – Torte mit Lunte bedeutet symbolisch ‚Entschlossenheit mit Spaß’ (erheblich kleinere als Panzer!!!), und nicht realen Terrorismus! Man muss schon nicht bloß völlig humorlos, sondern außerdem diskursanalytisch eine Null sein, um derart danebenhauen (keine Unterstellung, Staatsanwältin W. habe wirklich zugeschlagen!!!) zu können.” Zum vollständigen Text von Jürgen Link.

Ob die Staatsanwaltschaft und die vorsitzende Richterin tatsächlich diskursanalytische Nullen sind, oder ob es andere Gründe dafür gibt, dass sie eine Interpretation des Plakats für gültig erklären, die überhaupt nichts mit der tatsächlichen diskursiven Wirkung der Veröffentlichung zu tun hat, das kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Fest steht jedenfalls, dass die Demonstration, zu der das Plakat aufrief, selbst in den Augen der Polizei völlig friedlich verlaufen ist. Und obwohl die Polizei – wie zu solchen Anlässen üblich – umfangreiche Taschenkontrollen durchführte, konnte sie nicht einen einzigen „gefährlichen Gegenstand“ finden – weder als Torten getarnte Bomben, noch andere Gegenstände, die zur Beschlagnahme geeignet waren. Darüber hinaus ist der jetzt wegen „Aufruf zur gefährlichen Körperverletzung“ verurteilte Redakteur seit Jahrzehnten ein aktives Mitglied der Friedensbewegung und für seine kompromisslos gewaltfreie politische Linie bekannt.

Diese Tatsachen verweisen auf eine Fragestellung, um die es bei der Berufungsverhandlung zumindest implizit auch gehen wird: Wenn Strafverfolgungsbehörden und Gerichte über die Strafbarkeit einer Publikation befinden, dürfen sie dann einfach eine Interpretation zur Grundlage machen, die weder vom Publizisten selbst, noch von der Zielgruppe der Publikation, und noch nicht einmal im Rahmen des Hegemonialdiskurses als naheliegend oder gar zwingend angesehen wird? Oder verletzen die Behörden vielleicht sogar ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie sich auf eine Interpretation berufen, die nichts mit den diskursiven Verhältnissen zu tun hat, in denen die Publikation veröffentlicht worden ist?

Diese Fragen sind aus einer diskurs- und machtanalytischen Perspektive interessant. In der politischen Dimension wird in der Berufungsverhandlung allerdings nicht weniger verhandelt als die Reichweite der Grundrechte auf Presse- und Äußerungsfreiheit. Deswegen ist sicher, dass weiterhin viele Augen auf den Bochumer Tortenprozess gerichtet sein werden.

Zum Weiterlesen: Alle Stellungnahmen und Berichte zum Bochumer Tortenprozess auf bo-alternativ.de

Wortmeldung

DJ19: Einer der letzten NS-Verbrecher-Prozesse

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 19 des DISS-Journal, die im Juni 2010 erschien. Hier fin­den Sie das kom­plette DISS-Journal 19 als PDF-Datei (8 MB)

Einer der letzten NS-Verbrecher-Prozesse in Deutschland

Autorin: Regina Wamper

Mit einem Schuldspruch ging Ende März 2010 einer der letzten NS-Verbrecherprozesse in Deutschland vor dem Landgericht Aachen zu Ende. Wegen Mordes in drei Fällen wurde der ehemalige Waffen-SSler Heinrich Boere, der Mitglied im Sonderkommando Feldmeijer war, zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Kommando Feldmeijer tötete unter dem Codenamen Silbertanne mehr als 50 vermeintliche Sympathisantinnen der Widerstandsbewegung in den Niederlanden. Für jeden getöteten Nazi wurden drei „antideutsch eingestellte oder aber als mit Widerstandskreisen zusammenarbeitend bekannte Niederländer“ ermordet, so auch Fritz Hubert, Ernst Bicknese, Frans Willem Kusters und Teunis de Groot. So sollte Widerstand unterbunden werden.

Juristische Vorgeschichte

In den Niederlanden verurteilte ein Sondergericht Heinrich Boere bereits 1949 zum Tode. Das Urteil wurde später in lebenslange Haft umgewandelt. Boere konnte jedoch noch vor der Urteilsverkündung fliehen und lebte seither in Eschweiler bei Aachen – von deutschen Behörden weitestgehend unbehelligt. „DJ19: Einer der letzten NS-Verbrecher-Prozesse“ weiterlesen

DJ19: Arenen der Identität

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 19 des DISS-Journal, die im Juni 2010 erschien. Hier fin­den Sie das kom­plette DISS-Journal 19 als PDF-Datei (8 MB)

Arenen der Identität

Fußballkultur und Rassismus

Autor: Jens Zimmermann

Der 19-jährige Stürmer von Inter Mailand Mario Balotelli ist das größte Talent, das der italienische Fußball in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Doch wenn er den Platz betritt, dann dauert es meist nicht lang, bis rassistische Gesänge und Rufe durch das Stadion hallen – auch von den eigenen Fans. Balotelli ist der Sohn ghanaischer Einwanderer und besitzt mittlerweile die italienische Staatsbürgerschaft. Was die Fans von Juventus Turin davon halten, konnte man beim Gastspiel der Interisti lautstark hören: „Es gibt keine schwarzen Italiener.“In Italien ist man, was rassistische Fan-Ausfälle angeht, einiges gewohnt. Und auch auf dem Platz liegt die Hemmschwelle nicht gerade hoch. So entbot der Stürmer Paolo di Canio von Lazio Rom nach Toren regelmäßig den faschistischen Gruß und zeigte dabei seine „Dux“-Tätowierung – und auch der ehemalige italienische Nationaltorhüter Christian Abbiati plauderte in der Gazzetta dello Sport offen über seine Bewunderung für die faschistische Ideologie.

Solche offenen Bekenntnisse zu Rassismus und Faschismus kennt man hierzulande von Bundesligastars und Nationalspielern nicht. Hier bricht das Ressentiment eher abseits der Kameras aus. „DJ19: Arenen der Identität“ weiterlesen

DJ19: Transparenz und Umgestaltung

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 19 des DISS-Journal, die im Juni 2010 erschien. Hier fin­den Sie das kom­plette DISS-Journal 19 als PDF-Datei (8 MB)

Transparenz und Umgestaltung

Die rechtliche Autonomie der katholischen Kirche ist unhaltbar geworden

Autor: Jobst Paul

In seiner Karfreitagsansprache (am 2. April 2010 im Petersdom) meinte der ‚Prediger des Päpstlichen Hauses‘, P. Raniero Cantalamessa, der Zeitpunkt sei gekommen, die ‚Vergebungsbitte für kollektive Schuld‘ auszusprechen – nicht wegen „der Gewalt gegen Kinder, mit der sich leider auch Elemente des Klerus befleckt“ hätten, denn davon sei „draußen genug die Rede“. Vielmehr ginge es um die „Gewalt gegen die Frauen“, für die die männliche „Hälfte der Menschheit“ um Vergebung bitten solle. In einer weiteren überraschenden Wendung nahm Cantalamessa für die Kirche in Anspruch, in der Nachfolge Christi die Gewalt überwunden zu haben: „DJ19: Transparenz und Umgestaltung“ weiterlesen

Netzfundstück: Hymnen, Flaggen, Fangesänge

Der Internet-Sender detektor.fm aus leipzig sendete heute ein Interview mit DISS-Mitarbeiter Jens Zimmermann zum Thema »Hymnen, Flaggen, Fangesänge – wie weit ist es zur Menschenfeindlichkeit?«.

Anmoderation:

Fußball verbindet. Doch leider sind oftmals auch Rassismus, Homophobie und Menschenfeindlichkeit mit im Stadion. Ein Interview über Flaggen, Hymnen und die Gretchenfrage, wieviel unbeschwertes Feiern erlaubt ist.

Eigentlich ist es ja das normalste der Welt: die Flaggen und Fahnen, die zur WM überall auftauchen. Natürlich drückt man seinem Heimatland die Daumen – und warum sollte man das nicht auch zeigen. Das Ganze hat aber manchmal auch eine Kehrseite – und die ist für die, die im Feiertaumel sind, nur schwer zu erkennen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Sport. Während eines solchen Großereignisses wie der WM treffen verschiedenste Nationen aufeinander. Die Frage ist also: baut sowas Vorurteile ab? Oder brechen sie dadurch erst recht auf?

Darüber sprechen wir jetzt mit einem Experten vom  Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, kurz DISS. Dort wird seit 1987 beobachtet und erforscht, wie sich Rechtsextremismus, Rassismus und sozialer Ausgrenzung in der Gesellschaft entwickeln, wie darüber debattiert wird, wo es sich festsetzt. Die Forscher sprechen dabei von Diskursen. Und wie präsent solche menschenfeindlichen Diskurse im Fußball sind, das fragen wir Jens Zimmermann vom DISS.

Das Interview können Sie als mp3-Audio-Datei von der Website von detektor.fm herunterladen (8:20 Minuten, 8 MB):

http://detektor.fm/download/?file=/images/uploads/mp3/Jens_Zimmermann_ber_Rassismus_und_Fremdenfeindlichkeit_im_Fuball_WEBSITE_1.mp3

Johann Jacoby, Bürgerrechtler

DISS-Vortrag in Hattingen

Fast auf den Tag zum 205. Geburtstag, am 2. Mai 2010, erinnerte Jobst Paul (DISS) in einem Vortrag in Hattingen an die denkwürdige Biographie des Königsberger Arztes, Publizisten und Bürgerrechtlers Johann Jacoby (1805-1877). Jacoby, der zwischen 1840 und 1870, also über Jahrzehnte für soziale Gerechtigkeit, aber auch für Freiheitsrechte kämpfte und zeitweise zum persönlichen Gegenspieler Bismarcks wurde, wollte zwar als nicht-religiöser Jude verstanden werden, orientierte sich aber gleichwohl an den konsequenten Gleichheitstheoremen der jüdischen Sozialethik. Ruth Jacoby, die schwedische Botschafterin in Berlin und Verwandte Johann Jacobys, war in Hattingen anwesend. ((Vgl. auch: Der Westen: Johannes-Gemeinde.  Schwedische Botschafterin zu Besuch, Hattingen, 03.05.2010, Hendrik Steimann ))

Johann Jacoby – Bürgerrechtler

Johann Jacoby hat sich zeitlebens extreme menschliche und politische Spannungen zugemutet, oder besser: er hat sich oft kompromisslos in die Spannungen seiner Zeit hineingeworfen. Es ist deshalb kein Wunder, wenn diese Spannungen auch noch ganz am Schluss, nämlich bei Jacobys Begräbnis am 11. März 1877, aufbrachen:

Schon Mittags – so ein Augenzeuge – war das Volk von Königsberg auf dem Universitätsplatze und in den umliegenden Straßen in unzähligen Massen erschienen; Deputa­tionen der socialistischen Partei Deutschlands, der Arbeiter Berlins, Breslaus, Hamburgs, Cölns, Braunschweigs und anderer Städte, der Arbeiter­frauen Berlins, der „Berliner Freien Presse“, der „Frankfurter Zeitung“, sowie Abgesandte der demo­kratischen Vereine von Berlin und von Frankfurt a. M., vom Königsberger Handwerkerverein, von der schwäbi­schen Volkspartei u. s. w., u. s. w. hatten sich vor dem Hause Jacoby’s aufgestellt und hielten riesige Lorbeerkränze in den Händen.“

Berichtet wird von 5000 Trauergästen allein in Königsberg (Gedenkveranstaltungen gab es auch in anderen deutschen Städten). Ursprünglich planten die Vertreter der „Fortschrittspartei“ eine Art Kundgebung am Grab. Da aber die jüdische Gemeinde dort nur kurze Erklärungen duldete, drängten sie sich schon zuvor, nämlich „hinter dem Leichenwagen möglichst auffällig in den Vordergrund.“

Die jüdische Gemeinde befürchtete aber auch eine innere Zerreißprobe. Jacoby hatte sich stets als nicht-religiös positioniert. Wie sollte sich Rabbiner Isaac Bamberger in seiner Ansprache dazu stellen? „Johann Jacoby, Bürgerrechtler“ weiterlesen

Fratzen des Antisemitismus

Facebook-NutzerInnen propagieren radikale Judenfeindschaft auf neuem Niveau

Autor: Jonathan Messer

Die Meldung war am 31. Mai kaum aus dem Nachrichtenticker, da kommentierten eifrige Facebook-NutzerInnen schon den israelischen Militäreinsatz gegen eine Schiffsflotte mit Hilfsgütern für den abgeriegelten Gaza-Streifen. Dass ein politisches Ereignis in die Aufmerksamkeitssphäre des interaktiven „sozialen Netzwerkes“ gerät, ist schon eine Besonderheit. Zu Selbstbezüglich agieren solche Gruppen sonst. Dieses mal jedoch gab es kein Halten mehr – schließlich ging es um Israel. Und so verschlug es selbst den hartgesottenen LeserInnen den Atem, was dort auf den persönlichen Profilen der NutzerInnen gepostet wurde.

Großer Beliebtheit erfreuten sich krude und verfälschte Hitler-Zitate. Dazu kamen unzählige weitere Referenzen, die keinen Hehl daraus machten, dass es der einzige Fehler Hitlers war, nicht alle Juden umgebracht zu haben. Das alles passte gut zur Überzeugung mancher NutzerInnen, dass der Holocaust sicher keine unbegründete Sache gewesen sei, wie man an den aktuellen Ereignissen sehen könne, und er es im Grunde verdiene, fortgeführt zu werden. ((Ich verzichte bewusst auf eine Zitation und Verlinkung der Aussagen, da ich ansonsten direkt auf die Profile der NutzerInnen verweisen würde. Wer dennoch die Originalzitate haben möchte, kann sie beim Autor anfragen.)) Solch‘ unverblümte Affirmation von offenem Vernichtungsantisemitismus würde an sich reichen, um vor Scham den Browser zu schließen. Es grenzt so schon ans Unerträgliche. Doch wenn es um Israel und Juden geht – das ist für die alle ProtagonistInnnen der Hetze selbstredend dasselbe –, kennt der Wahnsinn keine Grenzen. In muskelbetonter Pose, lockerem Outfit oder flankiert vom Hochzeitsbild geben die selbsterklärten ExpertInnen für Nahostpolitik ihre Judenfeindschaft zum Besten.

Auch das ansonsten sehr beliebte Anonymisieren durch Nicknames ist deshalb nicht nötig: man bürgt mit seinem Namen. Die Datenschutzpolitik von Facebook, welche in den letzten Jahren immer mehr in die Kritik geraten ist, tut hier ihr übriges, um die Postings öffentlich zu machen. ((Mehr Kontrolle übers eigene Profil, 27.5.2010 http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/mehr-kontrolle-bei-persoenlichen-daten/)) Viele NutzerInnen werden nicht wissen, dass ihr Profil auch von Nicht-Mitgliedern einsehbar ist und nicht nur „Freunde“ die Postings lesen können. So reicht ein Sucheintrag auf der Seite youropenbook, um die judenfeindlichen Äußerungen auf dem Silbertablett serviert zu bekommen.

Blanker Hass scheint in Teilen der Facebook-Gemeinschaft kein Tabu mehr zu sein – bewusst und offen verschafft man seinem Vernichtungswunsch Luft. Auch aktuell reißt die Flut an antisemitischen Postings nicht ab – davon kann man sich leicht im Netz überzeugen. Mittlerweile – nachdem unter anderem der österreichische Standard ((Gaza-Hilfsflotte: User toben sich auf Facebook antisemitisch aus, 01. Juni 2010 http://derstandard.at/1271377916109/Gaza-Hilfsflotte-User-toben-sich-auf-Facebook-antisemitisch-aus)) über die Vorfälle berichtete – mehrt sich jedoch auch die Gegenwehr anderer NutzerInnen, die sich mit der Hetze nicht abfinden wollen. Doch als Mittel stehen ihnen kaum mehr als Gegenpostings und Löschanträge ((Löschanträge müssen auf Facebook für jeden einzelnen Eintrag (!) verfasst werden.)) zur Verfügung, die anschließend von den Betreibern geprüft werden. Ein insgesamt zeitaufwändiges und mühseliges Verfahren, denn für beständigen Nachschub an Einträgen scheint gesorgt zu sein. Die Aussicht auf Erfolg ist klein. Und so wird sich das perpetuum mobile auf Facebook weiter drehen, zumal vermehrt antiarabische und antiislamische Postings als Kritik am Antisemitismus missverstanden werden.

Die aktuellen judenfeindlichen Auswüchse sind nicht als isoliertes Phänomen misszuverstehen. Insgesamt scheint es sich um eine Entgrenzung des Antisemitismus im Netz zu handeln. Dafür spricht auch, dass angesichts der Finanzkrise im Jahr 2008 „jüdische Spekulanten“ in zahlreichen Internetforen als Verantwortliche für den Crash ausgemacht wurden. ((vgl. DISS-Journal 18, 7 http://www.diss-duisburg.de/DISS-Journale/diss-journal-18-2009.pdf)) Und auch im Zuge der israelischen Katastrophenhilfe für die Erdbebenopfer auf Haiti kursierte das Gerücht, jüdische Ärzte würden dort den Opfern Organe für den israelischen Schwarzmarkt entnehmen ((Haiti und das antisemitische Nachbeben im Web http://www.hagalil.com/archiv/2010/01/20/haiti-2/)). Das alles sind modernisierte Remakes klassischer antisemitischer Klischees, die auch in Zukunft das Internet zu genüge bevölkern werden.

Pro NRW: Der Kreuzzug wird vertagt

Autor: Michael Lausberg

Ein „politisches Erdbeben an Rhein und Ruhr“ und einen Tag der Abrechnung“ hatte die Partei Pro NRW angekündigt. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai verfehlte sie deutlich ihr selbst gestecktes Ziel von 5%+x. Trotzdem redet sie sich das Ergebnis schön.

Auf dem „Programmparteitag“ von Pro NRW am 19.2.2010 im „Forum Leverkusen“ verkündete ihr Vorsitzender Markus Beisicht den Einzug in den Landtag als leicht erreichbares Ziel:

„Eine Rüttgers-CDU, die schon Planspiele für eine schwarz-grüne Koalition macht, kann keine Alternative für konservative und patriotische Bürger dieses Bundeslandes mehr sein. Wir dagegen füllen das Vakuum zwischen den prinzipienlosen Altparteien in der Mitte und abgehalfterten Splittergruppierungen im Rechtsaußenbereich. Wir machen eine Politik für die einheimische Bevölkerung im Stile unserer Partnerparteien FPÖ und Vlaams Belang, die dafür in ihren Heimatländern Wahlergebnisse von 20 % und mehr der Stimmen erreichen. „Pro NRW: Der Kreuzzug wird vertagt“ weiterlesen

1. Mai: PRO-Zirkus in Solingen

Autor: Martin Dietzsch

„Wir werden die letzte Wahlkampfwoche mit einem Paukenschlag in der Klingenstadt Solingen eröffnen.“ Die „zentrale Wahlkampfkundgebung von pro NRW“ sollte am 1. Mai in Solingen stattfinden und „die letzte und alles entscheidende Woche des Landtagswahlkampfes“ einläuten. Glaubt man den Verlautbarungen der Bewegung im Internet, schreitet sie von Erfolg zu Erfolg voran zum „Tag der Abrechnung“, umjubelt von der begeisterten Bevölkerung.

Foto: 1.5.2010, Bus mit Aufschrift "Kreuzzug für das Abendland"
Mit einem „Keuzzug für das Abendland“ droht der Pro-Brinkmann-Bus. Für Juden und alle anderen Gottlosen und Ketzer hat diese Parole einen ganz besonderen Klang. Im Heckfenster: Rechtsradikale, die sich hinter einer Israel-Fahne verstecken.
Foto: 1.5.2010 PRO Solingen - Totale
Höhepunkt des „fulminanten“ (M. Beisicht) Landtagswahlkampfes. Die Polizei will 70 Teilnehmer gezählt haben, realistisch wäre wohl eher die Zahl 40. PRO machte daraus bescheiden 150.
Foto: 1.5.2010 Solingen, Rouhs verteilt JF
Es ist genug für alle da! Der Vorsitzende von „Pro Deutschland“, Manfred Rouhs (ex-JU, ex-JN/NPD, ex-REP, ex-DLVH), verteilt Freiexemplare der „Jungen Freiheit“ an die Teilnehmer.

Foto: Solingen 1.5.2010
Patrik Brinkmann sitzt in seiner albernen Brinkmann-Jacke mit Brinkmann-Aufschrift auf einer Bank. Im Hintergrund: Gegendemonstranten. Im Vordergrund: ein alter Bekannter, mal wieder auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld.

„Pro NRW“ ist wahrlich eine Rechtspartei Neuen Typs. Die gesamte Partei passt in einen einzigen Reisebus. Und die Gegendemonstranten werden genial zermürbt durch geringe eigene Teilnehmerzahlen. In einem Punkt hat die virtuelle PRO-Erfolgsberichterstattung allerdings Recht. Die Solinger Bevölkerung begleitete den Abzug der PROler mit fröhlichem, spontanem Beifall. Allerdings erklang dabei im Chor der Ruf „Auf Nimmer-Wiedersehen!“

Am 9. Mai werden wir sehen, ob der „rechtspopulistische“ Dummenfang und der Appell an die niedrigsten Instinkte Erfolg hat und die PRO-Schulden aus Steuermitteln beglichen werden müssen.

Weitere Berichte aus Solingen finden Sie hier: Mit Deutschlandflagge und Wurststulle auf Kreuzzug für das Abendland und hier: Braunes Kurzgastspiel im bunten Solingen.

Braunes Kurzgastspiel im bunten Solingen